Zurück |
Newsletter vom 06.06.2018 |
Betreff: Rechts-Newsletter 23. KW / 2018: Kanzlei Dr. Bahr |
|
Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BVerwG: Klage der DE-CIX Management GmbH gegen BND-Überwachung erfolglos _____________________________________________________________ Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in erster und letzter Instanz auf die Klage einer Internetknotenpunkt-Betreiberin (DE-CIX) entschieden, dass das Bundesministerium des Innern (BMI) sie verpflichten kann, bei der Durchführung strategischer Fernmeldeüberwachungsmaßnahmen durch den Bundesnachrichtendienst (BND) mitzuwirken. Nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10-Gesetz) ist der BND im Rahmen seiner Aufgaben berechtigt, auf Anordnung des BMI internationale Telekommunikationsbeziehungen, soweit eine gebündelte Übertragung erfolgt, zu überwachen und aufzuzeichnen. Das BMI legt auf Antrag des BND in der Beschränkungsanordnung die für die Überwachung in Betracht kommenden Übertragungswege sowie den höchst zulässigen Anteil der zu überwachenden Übertragungskapazität fest. Für die Durchführung der Überwachungsmaßnahme kann das BMI nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Art. 10-Gesetz geschäftsmäßige Erbringer von Telekommunikationsdiensten durch Anordnung zur Ermöglichung der Überwachung verpflichten. Ob und in welchem Umfang das verpflichtete Unternehmen Vorkehrungen zu treffen hat, richtet sich letztlich nach § 27 Abs. 2 der Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV). Danach hat der Verpflichtete dem BND an einem Übergabepunkt im Inland eine vollständige Kopie der Telekommunikation bereitzustellen, die über die in der Anordnung bezeichneten Übertragungswege übertragen wird. Auf der Grundlage der Beschränkungsanordnung wählt der BND gegenüber dem Telekommunikationsdiensteanbieter diejenigen Übertragungswege aus, die überwacht werden sollen. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass ihre Verpflichtung zur Mitwirkung an verschiedenen angeordneten Beschränkungsmaßnahmen in den Jahren 2016 und 2017 und die Auswahl der Übertragungswege durch den BND rechtswidrig sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Feststellungsbegehren als unbegründet angesehen. Prüfungsgegenstand sind lediglich die Anordnungen ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung, deren gesetzliche Grundlagen sich als Berufsausübungsregelungen im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG darstellen. Demgegenüber kann die Klägerin keine gerichtliche Überprüfung auch der ihren Verpflichtungen zugrunde liegenden Beschränkungsanordnungen verlangen. Sie kann sich nicht auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG berufen. Dieses Grundrecht schützt die Vertraulichkeit der Telekommunikationsverkehre. Darauf kann sich jedoch die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Vermittlerin von Telekommunikationsverkehren nicht berufen. Sie trifft keine Verantwortung oder Haftung für die Rechtmäßigkeit der Beschränkungsanordnung; diese trifft allein die beklagte Bundesrepublik Deutschland. Die gegenüber der Klägerin ergangenen Verpflichtungsanordnungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Sie legen insbesondere in noch hinreichend bestimmter Weise die Verpflichtung zur Bereitstellung der Datenströme fest, die über die in der Beschränkungsanordnung aufgeführten Übertragungswege abgewickelt werden. Mit ihren gegen die Beschränkungsanordnung gerichteten Einwendungen kann sie die Rechtmäßigkeit der Verpflichtungsanordnung nicht in Frage stellen. Schließlich genügen die gesetzlichen Grundlagen der Verpflichtungsanordnungen den an Berufsausübungsregelungen nach Art. 12 Abs. 1 GG zu stellenden Anforderungen. Das Gericht hat des Weiteren festgestellt, dass der BND gegenüber der Klägerin eine Auswahl der tatsächlich zu überwachenden Übertragungswege im Rahmen der durch die Beschränkungsanordnung gesetzten Vorgaben verbindlich treffen kann. Urteil vom 30. Mai 2018 - BVerwG 6 A 3.16 -
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 31.05.2018
Entsprechende Äußerungen der sog. Identitären Bewegung Dresden hatten die Beklagten auf ihren Facebookseiten geteilt und mit einer zustimmenden Anmerkung versehen. Aufgrund eines bereits am 10. Januar 2017 in einem Vorprozess vor dem Landgericht geschlossenen Vergleichs, der auch diese Äußerungen umfasste, wurde der gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ohne Sachprüfung als unzulässig zurückgewiesen. Der gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Verbotsantrag blieb ebenfalls ohne Erfolg. Zur Begründung führte der Senat aus, dem in das Verfahren nur auszugsweise eingeführten Artikel könne kein für eine Beweiserhebung hinreichender Tatsachenkern entnommen werden. Bei den im Streit stehenden Äußerungen handele es sich um substanzarme Werturteile, die in der Gesamtwürdigung die Schwelle zur unzulässigen Schmähkritik noch nicht erreichten. Bei Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen habe hier die Meinungsfreiheit der Beklagten Vorrang. Dass die Klägerin aufgrund dieser Äußerungen in einer breiteren Öffentlichkeit »an den Pranger gestellt« werde, sei nicht zu erwarten.
OLG Dresden, Urteil vom 1.6.2018 - Az.: 4 U 217/18
Quelle: Pressemitteilung des OLG Dresden v. 01.06.2018
Die Beklagte war ein Reisebüro und hatte im Rahmen ihrer Dienstleistungen die Kataloge einzelner Reiseveranstalter verwendet. In einem dieser Dokumente wurde gegen die Preisangabenverordnung (PAngVO) verstoßen, da nicht sämtliche anfallenden Entgelte in den Endpreis mit einberechnet wurden. Die Frankfurter Richter entschieden, dass die Beklagte als Täter für die Wettbewerbsverletzungen haftet. Die Beklagte habe durch das Auslegen und Verteilen der Kataloge der Reiseveranstalter täterschaftlich gehandelt und sei daher für die Rechtsverletzungen verantwortlich. Denn sie agiere dabei primär im eigenen wirtschaftlichen Interesse. Etwas anderes ergebe sich auch nicht durch den Umstand, dass es für ein Reisebüro eine kaum zu bewältigende Aufgabe wäre, jeden der verwendeten Kataloge auf seine wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit hin zu überprüfen. Denn diese Tatsache sei bei verschuldenslosen Unterlassungshaftung nicht zu berücksichtigen. Das Reisebüro verzichte bewusst darauf, sein Dienstleistungsangebot durch eigene Werbemittel zu präsentieren. Es übernehme stattdessen die Kataloge der Reiseveranstalter. Damit übernehme es auch das Risiko, dass sich in den Katalogen ein wettbewerbsrechtlich zu beanstandeter Inhalt befinde.
Wer eine fremde Dienstleistung oder Ware vermittle, habe entweder die Möglichkeit, seine Dienstleistung unter Zuhilfenahme eigener Werbemittel anzubieten oder sich hierzu des Materials des Herstellers bedienen. Im letzteren Fall mache sich ein Unternehmen die fremden Inhalte zu eigen und hafte daher in gleicher Weise wie für eigene Werbeaktivitäten.
Es um die Haftung eines Fotografen, den die Kläger auf Unterlassung in Anspruch nahmen. Sie waren der Ansicht, dass er für die Rechtsverletzung, die durch den Zeitschriften-Artikel geschehen war, mit verantwortlich sei. Dieser Argumentation folgte das OLG Hamburg nicht und lehnte den Anspruch ab. Grundsätzlich sei ein Unterlassungsbegehren verschuldenslos, so dass es eines persönlichen Fehlverhaltens nicht bedürfe, so die Richter. Jedoch sei eine einschränkende Beurteilung notwendig, da andernfalls eine uferlose Haftung eintrete. Insbesondere im Bereich des Pressewesens sei es nicht hinnehmbar, wenn jede Person, die an der Erstellung oder Verbreitung eines Presserzeugnisses beteiligt sei, hinsichtlich der in dem Presseerzeugnis vorkommenden Rechtsverletzung selbst Unterlassung schulden würde. Denn eine so weitgehende Haftung hätte auf die Presse einen negativen Einfluss, der mit der grundsätzlichen Garantie der Pressefreiheit aus dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Im vorliegenden Fall habe der Fotograf lediglich den Auftrag erhalten, ein bestimmtes Gebäude abzulichten,ohne dass er näher an der Erstellung des Artikels beteiligt gewesen sei. Mit der Weiterleitung der Fotografien an die Redaktion sei die Mitwirkung des Beklagten beendet.
Er habe keinen Einfluss darauf gehabt, welche der Fotografien für die Veröffentlichung ausgewählt oder in welchem Zusammenhang und in welcher Weise die Bilder in dem zu erstellenden Zeitungsartikel verwendet worden seien. Durch eine derartige Handlung könne keine Verantwortlichkeit begründet werden, so das OLG Hamburg.
Bei der Unterlassungsverpflichtung unterschied der Senat im rechtlichen Ansatzpunkt zwischen dem Hauptautor des Buches auf der einen Seite und dem Co-Autor und dem Verlag auf der anderen Seite.
Der Hauptautor darf alle 116 angegriffenen Textstellen nicht weiterverbreiten. Das hatte bereits das Landgericht so entschieden. Der Senat führte aus, der Hauptautor sei als "Ghostwriter" des Altbundeskanzlers aus einem Rechtsverhältnis ähnlich dem Auftragsrecht umfassend zur Verschwiegenheit verpflichtet. Grundlage der mehrjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit sei gewesen, dass dem Verstorbenen ein Letztentscheidungsrecht über etwaige Veröffentlichungen zugestanden habe.
Der Co-Autor und der Verlag dürfen wörtliche Zitate, die in 115 angegriffenen Textstellen enthalten sind, nicht weiterverbreiten. Insoweit wurde das landgerichtliche Urteil in geringem Umfang zu Gunsten der Beklagten abgeändert. Zur Begründung führte der Senat aus, dass der Co-Autor und der Verlag mit dem Altbundeskanzler nicht wie der Hauptautor durch eine Vereinbarung verbunden gewesen seien. Sie treffe aber eine Unterlassungspflicht, weil die angegriffenen Zitate das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen verletzten. Acht Zitate seien schon deshalb verboten, weil der Altbundeskanzler ausweislich der Tonbandaufnahmen bzw. der dazu existierenden Transkripte schon während des Gesprächs gesagt habe, dass die entsprechenden Aussagen nicht veröffentlicht werden sollten ("Sperrvermerkszitate"). Hierzugehören beispielsweise im Buch wiedergegebene Aussagen zu Lady Diana, bei denen der Verstorbene unmittelbar vor dem Zitat gesagt habe "Darüber schreiben wir nichts". 41 Zitate seien unzulässig, weil das Zitat unrichtig oder im Buch der Kontext verfälscht worden sei ("Kontextverfälschungen"). Hierzu zähle beispielswese ein Zitat, wonach Margaret Thatcher auf Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs "gern eingeschlafen" sei. Im Kontext des Buches solle das Zitat belegen, dass der Altbundeskanzler die ehemalige britische Regierungschefin als "sonderbares Exemplar" vorgeführt habe. Aus dem Kontext der Tonbandaufnahmen ergebe sich dagegen, dass der Altbundeskanzler ein konkretes Erlebnis geschildert habe, bei dem es durchaus Grund für Müdigkeit gegeben habe und das Verhalten der englischen Premierministerin eher beiläufig erwähnt habe. Auch ein Zitat betreffend die Tischmanieren der amtierenden Bundeskanzlerin sei in einem verfälschten Kontext dargestellt worden. Während die Einbindung des Zitats im Buch nahelege, der Altbundeskanzler wolle die frühere politische Weggefährtin im Rahmen einer Generalabrechnung abqualifizieren ("King Lear aus der Pfalz hält Gerichtstag über seine missratene Brut"), ergebe sich aus dem Gesamtkontext des Transkriptes - Tonbandaufnahmen hierzu wurden nicht vorgelegt -, dass sich die Aussage auf die elementaren Veränderungen bezog, die die Menschen in den neuen Bundesländern gerade und auch im Hinblick auf die Veränderung der Gesellschafts- und Konfessionsstrukur bewältigen mussten. Die Aussage enthalte in der Zielrichtung keinen Vorwurf gegen die amtierende Bundeskanzlerin, sondern vielmehr gegen die Bevölkerung der alten Bundesländer, die für diese Bewältigung der Veränderungen kein Verständnis aufgebracht hätten. Weitere 18 Zitate seien unzulässig, weil verschiedene Äußerungen des Altbundeskanzlers, die in unterschiedlichen Kontexten geäußert worden waren, im Buch so aneinandergereiht wurden, dass der unzutreffende Eindruck eines durchgängigen Redeflusses des Verstorbenen entstehe ("Kombizitate"). Beispielsweise seien im Buch zwei nicht zusammenhängende Äußerungen betreffend den ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen innerhalb eines längeren Textes willkürlich kombiniert, ohne dass dies für den Leser erkennbar sei. Auch die weiteren wörtlichen Zitate seien unzulässig, weil an deren wörtlicher Offenbarung kein überwiegendes Interesse bestanden habe. Dem Co-Autor und dem Verlag sei bekannt gewesen, dass der Hauptautor durch die ungenehmigte Weitergabe der Tonbandaufzeichnungen die ihn treffende Verschwiegenheitsverpflichtung gebrochen habe. Sie hätten die Umstände gekannt, unter denen die Aufzeichnungen entstanden waren und gewusst, dass sie als reine Stoffsammlung für die Lebenserinnerungen des Altbundeskanzlers dienen sollten. Über die schützenswerten Belange des Altbundeskanzlers hätten sich der Co-Autor und der Verlag indes rücksichtslos hinweggesetzt, ohne dass dies durch ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse gerechtfertigt gewesen wäre. Der im Vorwort des Buches formulierte Wunsch, zu verhindern, dass die zweite Ehefrau des Altbundeskanzlers die von ihr vermeintlich beanspruchte Deutungshoheit über dessen Leben und politisches Wirken erhalte, rechtfertige nicht, dessen wörtliche Äußerungen gegen seinen ausdrücklichen Willen an die Öffentlichkeit zu bringen. Der Senat führte weiter aus, dass das Landgericht zum damaligen Zeitpunkt - zu Lebzeiten des Altbundeskanzlers - zu Recht die angegriffenen Äußerungen vollumfänglich untersagt habe. Im Berufungsverfahren habe sich die Rechtslage insoweit geändert, als durch den Tod des Altbundeskanzlers dieser in Gestalt des sog. postmortalen Persönlichkeitsrechts nur noch einen schwächeren Schutz genieße als der lebende Mensch. Daher blieben bei 115 der angegriffenen Textstellen nur noch die darin enthaltenen wörtlichen Äußerungen verboten. Zitate seien eine besonders scharfe Waffe im politischen und gesellschaftlichen Meinungskampf, da der Zitierte als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt werde. Dies sei auch bei einem Verstorbenen der Fall, weil dessen Lebensbild ohne eine ausreichende Möglichkeit der Gegenwehr den entsprechenden Auswirkungen in der öffentlichen Meinungsbildung ausgesetzt sei. Eine der Textstellen enthalte kein wörtliches Zitat und sei daher nicht zu untersagen. Der Senat hat die Revision für den Co-Autor und den Verlag zugelassen, da die Reichweite des postmortalen Persönlichkeitsschutzes bei ungenehmigter Veröffentlichung wörtlicher Zitate von Tonbandaufzeichnungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher noch nicht geklärt sei. Hinsichtlich der Verurteilung des Hauptautors ist die Revision nicht zugelassen worden, da es sich um eine Frage der Vertragsauslegung im Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung handelt.
Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 29.05.2018 - Az. 15 U 65/17 -
Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 29.05.2018
Zur Begründung nahm der Senat auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2017 Bezug, nach der ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung grundsätzlich nicht vererblich sei, auch wenn der Geschädigte erst während des Rechtsstreits versterbe. Tragender Gesichtspunkt dieser Rechtsprechung sei, dass beim Geldentschädigungsanspruch der Genugtuungsgedanke gegenüber dem Präventionsgedanken im Vordergrund stehe. Mit dem Tod des Verletzten verliere die bezweckte Genugtuung an Bedeutung. Vererblich sei die Rechtsposition erst mit rechtskräftiger Zuerken- nung der Geldentschädigung. Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat als Vorfrage untersucht, ob die Verletzungshandlungen ihrer Schwere nach geeignet gewesen wären, für eine lebende Person einen Geldentschädigungsanspruch zu begründen. Der Senat hat ausgeführt, dass die Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Grundsatz geeignet gewesen seien, einen Anspruch auf eine Geldentschädigung zu begründen. Die Fülle der Fehlzitate und Kontextverfälschungen habe jedenfalls wegen der schieren Masse der Verfälschungen und der groben Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten in diesem Punkt ausgerechnet bei einem mit der besonderen Authentizität werbenden Buch eine geldentschädigungswürdige Schwere und Tiefe der Verletzung erreicht. Es könne aber dahinstehen, ob die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs auf Geldentschädigung vorgelegen hätten und welche Höhe einer Geldentschädigung zu Lebzeiten angemessen gewesen wäre. Durch den Tod des Altbundeskanzlers nach Erlass des nicht rechtskräftig gewordenen erstinstanzlichen Urteils sei der nicht vererbliche Anspruch erloschen. Der Senat hat außerdem geprüft, ob der vorliegende Fall eine Ausnahme von den durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen der Nichtvererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs rechtfertige. Dies hat er im Ergebnis verneint. Mögliche Ausnahmefallgruppen seien nicht einschlägig wie etwa eine bewusste Prozessverzögerung mit dem Ziel einer Verschleppung einer rechtskräftigen Entscheidung oder eine Berichterstattung zu einem Zeitpunkt, bei dem ein baldiges Ableben des Betroffenen zu erwarten sei („Kalkül mit dem Tod“). Auch sonst sei aus verfassungsrechtlichen Überlegungen eine Vererblichkeit der Geldentschädigung vor rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits nicht geboten. Der Kern der Menschenwürde des Verstorbenen sei durch die Publi- kation nicht so schwer verletzt und sein Lebensbild nicht so grob verfälscht, dass ausnahmsweise eine Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs anzunehmen sei.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die möglichen Ausnahmefallgruppen für eine ausnahmsweise anzunehmende Vererblichkeit des Anspruchs auf Geldentschädigung wegen noch zu Lebzeiten erfolgter schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzungen von grundlegender Bedeutung und höchstrichterlich noch ungeklärt sind.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 29.05.2018
Die Klägerin betrieb einen Online-Shop und nutzte zu Marketing-Zwecken unter das Werbe-Tool "Custom Audiences" von Facebook. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) stufte dies als datenschutzwidrig ein und erließ einen entsprechenden Untersagungsbescheid. Hiergegen wehrte sich der Online-Shop. Das Unternehmen argumentierte u.a., dass gar keine Datenübermittlung vorliege, da zwischen ihm und Facebook eine Auftragsdatenverarbeitung vorliege. Das VG Bayreuth überzeugte diese Argumentation nicht und wies die Klage ab. Der Untersagungsbescheid des BayLDA sei nicht zu beanstanden. Ob eine datenschutzrechtliche Auftragsdatenverarbeitung vorliege, sei unabhängig von der konkreten Rechtsnatur der Beauftragung, so das Gericht. Entscheidend sei vielmehr, ob dem Auftragnehmer ein eigener Wertungs- und Entscheidungsspielraum zustehe. Sei dies der Fall, so sei keine Auftragsdatenverarbeitung gegeben. Im vorliegenden Fall sei nicht von einer Auftragsdatenverarbeitung, sondern vielmehr von einer sogenannten Funktionsübertragung auszugehen. Denn es liege allein im Ermessen von Facebook, wer beworben werde und wer nicht. Insoweit agiere Facebook nicht als "verlängerter Arm" des Online-Shops, sondern werde vielmehr selbständig tätig. Damit sei von einer Datenübermittlung im Rahmen von Facebook Custom Audiences auszugehen. Für eine solche Übertragung existierte jedoch keine ausreichende Rechtsgrundlage. Insbesondere scheitere ein Rückgriff auf das Listendaten-Privileg nach § 28 Abs.2 S.2 BDSG bereits daran, dass E-Mail-Adressen nicht diese Ausnahmeregelung fallen würden.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Der Beschluss ist - soweit ersichtlich - die erste Entscheidung zum Einsatz dieses bekannten und beliebten Marketing-Tools. Es handelt sich um ein Verfahren aus dem einstweiligen Rechtsschutz, so dass das Gericht nur summarisch die einzelnen Bereiche geprüft hat. Insbesondere hat es nicht zu sämtlichen Detailfragen Stellung genommen, Insofern gilt es hier, die weitere Rechtsprechung im Auge zu behalten.
Die Internet-Verwaltung ICANN hatte versucht, gegen einen deutschen Registrar, die EPAG Domainservices GmbH, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, damit das Unternehmen auch weiterhin die besagten Daten erhebt. Die EPAG Domainservices GmbH hatte unter Hinweis auf die seit kurzem in Kraft getretene DSGVO die Speicherung abgelehnt und sich dabei darauf berufen, dass laut Vertrag sich die Parteien ausdrücklich an geltendes Recht halten müssten. ICANN sah dies anders und berief sich auf die geschlossene vertragliche Vereinbarung, wonach die Antragsgegnerin ausdrücklich verpflichtet sei, Tech-C und Admin-C zu erheben. Das LG Bonn lehnte den Anspruch ab. Es sei nicht ersichtlich, dass die Erhebung dieser beiden Informationen zwingend erforderlich sei. Auch sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass für die Fälle der Rechtsverfolgung (z.B. bei rechtswidrigen Domain-Inhalten) neben dem Domain-Inhaber auch die Daten zum Techn-C und Admin-C notwendig seien.
Wörtlich führt das Gericht aus:
"Warum hierzu neben dem Hauptverantwortlichen noch weitere Datensätze vonnöten sein sollen, vermag die Kammer gerade vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Datensparsamkeit nicht zu erkennen. Die Antragsteilerin spricht jedenfalls in Bezug auf den sog. Tech-C auch selbst maßgeblich von der Lösung (rein) technischer Probleme, die indes mit den im Vordergrund stehenden Sicherheitsaspekten naturgemäß nur in mittelbarer Beziehung stehen können." Maßgeblich stellt das Gericht dabei darauf ab, dass bereits in der Vergangenheit Domain-Registrierungen möglich gewesen seien, ohne zwingende Angabe der Tech- und Admin-Daten: "Zu berücksichtigen ist vor allem, dass nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien in allen drei Kategorien, also denen des Domaininhabers selbst, des sog. Tech-C wie auch des Admin-C bisher jeweils dieselben Personendaten Verwendung finden konnten, also bei entsprechenden Angaben eines Registrierungswilligen lediglich ein Datensatz statt dreier erhoben und gespeichert wurde und dies auch in der Vergangenheit nicht etwa dazu geführt hat, dass eine Registrierung der Domain in Ermangelung von Daten, die über den Domaininhaber selbst hinausgehen, zu unterbleiben hatte. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Die DSGVO ist erst wenige Tage alt und bereits jetzt gibt es die erste instanzgerichtliche Entscheidung zum Domain-Recht zu diesem neuen Themen-Komplex. Seit längerem wird zwischen den Beteiligten kontrovers über die Zukunft der WhoIs-Datenbank diskutiert, bislang jedoch ohne klar erkennbares Ergebnis. Im Gegenteil, die Fronten scheinen sich zunehmend zu verhärten.
Die DENIC hatte bereits vor längerem angekündigt, von den bisherigen Regelungen Abstand zu nehmen und hat dies zwischenzeitlich auch umgesetzt.
Über den Facebook-Messenger wurden mehrere rechtswidrige Äußerungen über die Person der Klägerin verbreitet. Sie wurde u.a. als "größte Schlampe" und "Schandffleck für die Familie" bezeichnet. Die Erklärungen erfolgten über unterschiedliche Facebook-Accounts.
Die Klägerin verlangte nun Auskunft über die Daten der Tatbeteiligten und berief sich dabei auf § 14 Abs.3 TMGiVm. NetzDG. Dieser lautet: "Der Diensteanbieter darf (...) Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Absatz 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfasst werden, erforderlich ist." Das LG Frankfurt a.M. lehnte den Anspruch ab.
Denn der Facebook-Messenger falle nicht in den Anwendungsbereich des NetzDG. Das NetzDG nehme Plattformen, die der direkten Kommunikation zwischen den Beteiligten dienten (z.B. Skype) aus. Das Gericht berief sich dabei auf § 1 Abs.1 S.3 NetzDG. Dieser lautet (fett hervorgehoben):
"(1) Dieses Gesetz gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes. Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind." Das Gericht interpretiert die Vorschriften des NetzDG dahingehend, dass damit sämtliche Tathandlungen ausgenommen seien, die - wie im vorliegenden Fall - nicht öffentlich erfolgt seien.
Wörtlich führt es aus: "Nach Auffassung der Kammer sollen - unter Berücksichtigung der oben dargestellten Gesichtspunkte sowie Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck und der Gesetzgebungsgeschichte der Regelung - durch das NetzDG jedenfalls Tathandlungen wie hier, die nicht öffentlich erfolgt sind, vom Anwendungsbereich des NetzDG nicht erfasst sein. Dies ergibt sich zum einen (indiziell) aus dem Wortlaut, der "Plattformen, die zur Individualkommunikation bestimmt sind", ausnehmen soll. Und weiter: "Darüber hinaus ist zu beachten, dass das NetzDG auch und insbesondere geschaffen wurde, um Inhalte "löschen" zu können, in der Regel binnen 24 Stunden (BT-Drs. 18/12356, S. 12). zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. AG München: Keine Haftung der Online-Verkaufsplattform für betrügerische Angebote _____________________________________________________________ Schäden durch betrügerische Inserate begründen keinen Ersatzanspruch gegen den nicht vorwerfbar gutgläubigen Betreiber einer Internetplattform, der auf entsprechende Gefahren hingewiesen hatte. Das Amtsgericht München wies am 16.08.2017 die Klage eines betrogenen Autokäufers aus Sachsen-Anhalt gegen eine Münchner Internetplattform für Kraftfahrzeugverkäufe auf Erstattung des vergeblich bezahlten Kaufpreises von 4.000 € ab.
Der Kläger hinterlegte auf der Internetplattform der Beklagten einen Suchauftrag für ein bestimmtes Motorradmodell. Die Beklagte sandte ihm per E-Mail einen Link zu einer Anzeige, die als Artikelstandort für den gewünschten Motorradtyp die hessische Kleinstadt Spangenberg und folgende weitere Hinweise enthielt:
"Hier biete ich eine wunderschöne BMW R80 RT an:…Die 72jährige Erstbesitzerin, bestellte "ihre Wunsch BMW" kurz nach der Wende, es war ihr größter Wunsch als DDR Bürger mal eine schwere BMW zu fahren. Als der Kläger mittels der Plattform-Maske Kontakt mit dem vermeintlichen Verkäufer aufgenommen hatte, antwortete dieser direkt und damit außerhalb des Portals unter einer Mailadresse, die der Beklagten bereits wegen verschiedener Vorfälle verdächtig gewesen war und bot an, das Motorrad von einer Spedition überführen zu lassen. Die Kaufpreiszahlung sollte auf ein "Käuferschutzkonto" der Spedition erfolgen. Auch der weitere E-Mail-Verkehr zwischen dem Kläger und dem vermeintlichen Verkäufer fand dabei nicht über das Portal der Beklagten, sondern jeweils im direkten Austausch statt. In einem Ratgeber zur Sicherheit wies die Beklagte auf ihren Seiten die Nutzer darauf hin, dass keine Anzahlungen geleistet und keine Überweisungen getätigt werden sollten, ohne zuvor das Fahrzeug gesehen zu haben. Von Überweisungen wurde überdies grundsätzlich abgeraten. Die Abwicklung von Geschäften über Speditionen oder Reedereien sei selten seriös. Der Kläger gibt an, dass nach Überweisung von 4.000€ der Kontakt zum angeblichen Verkäufer, der u.a. auch einen Scan seines angeblichen Personalausweises vorgelegt hätte, abgebrochen sei, ohne dass es zu einer Übergabe des Motorrades gekommen sei. Der Beklagte trägt vor, dass der angebliche Verkäufer gegenüber der Plattform hier mit anderer, bislang unverdächtiger E-Mailadresse aufgetreten sei.
Der zuständige Richter wies die Klage ab.
"Die Beklagte hat ihre Nutzer mittels eines Ratgebers zur sicheren Vertragsabwicklung und Hinweises auf die "Initiative Sicherer Autokauf im Internet" auf bestehende Betrugsrisiken und Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung aufmerksam gemacht. (…) Diese Hinweise sind (…) auch keinesfalls versteckt oder erst nach längerer Suche zu finden." Eine Haftung scheide auch schon deswegen aus, weil der Beklagten nicht vorgehalten werden könne, von rechtswidrigen Vorgängen des ihr gegenüber unter unverdächtiger E-Mailadresse auftretenden falschen Inserenten gewusst zu haben oder dass solche offensichtlich gewesen wären. Urteil des Amtsgerichts München vom 15.09.2017, Aktenzeichen 132 C 5588/17 Das Urteil ist nach Zurücknahme der Berufung des Klägers seit 03.04.2018 rechtskräftig
Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 01.06.2018
|