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Die Themen im Überblick:
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1. BVerfG: Auch staatliches Glücksspiel-Monopol in NRW verfassungswidrig
2. BGH: Vertragliche Miteinbeziehung von Online-AGB
3. OLG Hamburg: Widerrufsfrist bei eBay beträgt 1 Monat, nicht 14 Tage
4. LAG Köln: Beweisverwertung bei Videoüberwachung
5. VG Arnsberg: Vermittlung von Sportwetten durch private Wettbüros zulässig
6. LG Hamburg: Wiederholungsgefahr bei unzulässiger Telefonwerbung
7. VG Köln: Vermittlung von Sportwetten durch private Wettbüros zulässig
8. LG Potsdam: Streitwert bei E-Mail-Spam
9. Neuer Artikel: Gewinnspiele - Datenschutzrechtliche Probleme
10. Law-Podcasting.de: Rechtliche Regelungen zu Premium-SMS
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1. BVerfG: Auch staatliches Glücksspiel-Monopol in NRW verfassungswidrig
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Nach der Grundlagen-Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit des staatlichen Glücksspiel-Monopols in Bayern (Urt. v. 28.03.2006 - Az.: 1 BvR 1054/01 = http://shink.de/5mkk59) im März 2006 und im Juli 2006 für Baden-Würrtemberg (= Kanzlei-Infos v. 14.07.2006 = http://shink.de/vucjnm) hat das BVerfG in einem aktuellen Beschluss (Beschl. 02.08.2006 - Az.: 1 BvR 2677/04 = http://shink.de/oi701t) nun noch einmal klargestellt, dass die dort aufgestellten Grundsätze nahtlos auf die Sportwetten-Gesetze der anderen Bundesländer übertragbar sind.
Im konkreten Fall hat es die gesetzlichen Regelungen in Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig erklärt:
"Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 - (NJW 2006, S. 1261 ff.) grundsätzlich geklärt, welche Anforderungen das Grundrecht der Berufsfreiheit an die Errichtung eines staatlichen Sportwettmonopols stellt und inwieweit die damit einhergehenden Beschränkungen gerechtfertigt sein können. Die dortigen verfassungsrechtlichen Aussagen treffen dabei gleichermaßen auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen zu.
Entgegen der vom Oberverwaltungsgericht - vorläufig - zugrunde gelegten Einschätzung ist danach die derzeitige Ausgestaltung des staatlichen Sportwettmonopols in Nordrhein-Westfalen als mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar anzusehen.
Auch im nordrhein-westfälischen Sportwettengesetz (...) fehlt es sowohl in der zum Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung geltenden, als auch in der aktuellen Fassung )...) an Regelungen, die eine konsequente und aktive Ausrichtung des in Nordrhein-Westfalen zulässigen Sportwettangebots am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der Wettsucht materiell und strukturell gewährleisten (...)
Ebenso wenig wird dieses Regelungsdefizit durch den von sämtlichen Ländern ratifizierten Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland (...) ausgeglichen (...)."
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2. BGH: Vertragliche Miteinbeziehung von Online-AGB
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Der BGH (Urt. v. 14.06.2006 - Az: I ZR 75/03 = http://shink.de/zpbads) hat entschieden, wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) online in einen Vertrag miteinbezogen werden.
Der Kläger beauftragte die Beklagte online über das Internet mit einer Dienstleistung. Bei Vertragsschluss wurden auch die AGB erwähnt und mit einem Link unterlegt, so dass der Kunde die Möglichkeit hatte, sich die AGB online anzuschauen.
Der Kläger bestritt, dass dies für eine wirksame Miteinbeziehung ausreichen würde.
Dem sind die BGH-Richter nicht gefolgt. Vielmehr stellen sie ausdrücklich fest, dass die AGB rechtskräftig Teil des Vertrages geworden sind:
"Entgegen der Auffassung der Revision hat die Beklagte dem Kläger dadurch die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von dem Inhalt ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen (...), dass diese durch Anklicken des unterstrichenen Wortes "AGB's" auf der Bestellseite aufgerufen und ausgedruckt werden konnten.
Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass die Verwendung von Links und deren Darstellung durch Unterstreichen zu den in dem Medium Internet üblichen Gepflogenheiten gehören und Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen daher davon ausgehen können, dass Verbraucher, die sich für ihre Bestellung des Internets bedienen, mit solchen Links ohne weiteres umgehen können.
Für die Möglichkeit der Kenntnisverschaffung (...) genügt es daher, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wie im vorliegenden Fall über einen auf der Bestellseite gut sichtbaren Link aufgerufen und ausgedruckt werden können (...)."
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3. OLG Hamburg: Widerrufsfrist bei eBay beträgt 1 Monat, nicht 14 Tage
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Das OLG Hamburg (Urt. v. 24.08.2006 - Az.: 3 U 103/06 = http://shink.de/s4dl2p) hat entschieden, dass die fernabsatzrechtliche Widerrufsfrist nicht wie internetweit-üblich 14 Tage beträgt, sondern vielmehr 1 Monat. Inhaltlich schließt es sich damit dem KG Berlin an, das erst vor kurzem identisch urteilte, vgl. die Kanzlei-Infos v. 10.08.2006 = http://shink.de/jsy5
Da es bei eBay nicht möglich ist, so die Hamburger Richter, dem Käufer vor Abschluss des Kaufvertrages eine Mail mit der Widerrufsbelehrung zu senden, sondern erst hinterher, greift bei der Online-Plattform nicht das übliche 14-tägige Widerrufsrecht, sondern die 1-Monats-Frist (§ 355 Abs.2 S.2 BGB).
Dabei reicht es ausdrücklich auch nicht aus, dass die AGB bei eBay abrufbar sind:
"Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin genügt dieser Anforderung nicht der Umstand, dass die Internetplattform “eBay” die AGB dauerhaft speichert. Denn es ist unstreitig technisch möglich, diese Speicherung wieder aufzuheben. Zudem müsste die Erklärung “mitgeteilt” worden sein, auch daran fehlt es, wenn man nur auf die Speicherung und damit nur auf die Abrufbarkeit bei “eBay” abstellte.
Vielmehr passen für die in Rede stehende “Textform” nur Verkörperungen auf Papier, Diskette, CD-Rom, die mit deren Übergabe an den Empfänger gelangen und so die Erklärung “mitteilen”. Entsprechendes gilt für gesendete eMail oder Computerfax, da auch diese Verkörperungen an den Empfänger gelangen. Bei Texten, die - wie vorliegend bei der Antragsgegnerin mit ihrem Versandangebot über “eBay” - auf einer Homepage ins Internet gestellt, aber dem Empfänger nicht übermittelt worden sind, wäre § 126 b BGB nur in dem speziellen Einzelfall gewahrt, bei dem es tatsächlich zu einem Download kommt (...)."
Und weiter:
"Da die Antragsgegnerin ihre AGB mit der Regelung des Widerrufsrechts lediglich auf ihrer “MICH”-Seite ins Internet gestellt hat und damit - mangels Belehrung in Textform (§ 126 B BGB) - keine Widerrufsbelehrung bei Vertragsschluss erteilt, kann die erforderliche Widerrufsbelehrung nur nach Vertragsschluss erfolgen. Über die demgemäß geltende Widerrufsfrist von einem Monat (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB) belehrt die Antragsgegnerin die Verbraucher aber nicht (...)."
Rechtliche Konsequenz: Das Widerrufsrecht beträgt nicht 14 Tage, sondern 1 Monat.
Kommentar von RA Dr. Bahr:
Hielten viele das Urteil des KG Berlin noch für ein abwegiges Einzelfall-Urteil, so hat sich dies spätestens durch die aktuelle Entscheidung des OLG Hamburg überholt.
Die beiden Gerichtsentscheidung werden zu einer neuen, wunderschönen Abmahnwelle bei eBay-Shops führen. Das Urteil ist somit eine wunderbare ABM-Maßnahme für Massenabmahnungen, wenn denn die üblichen "Klassiker" Impressum, Markenrecht und PAngVO nichts mehr hergeben sollten.
Rechtssicherheit gibt es aufgrund der gesetzgeberischen Unfähigkeit im Fernabsatzrecht schon lange nicht mehr. Mit der detailierten Gesetzessystematik und der umfangreichen Rechtsprechung ist es exakt zu dem Umstand gekommen, der eigentlich gerade vermieden werden sollte: Niemand kann mehr mit der erforderlichen Gewißheit sagen, wie genau bestimmte Formulierungen in einem Online-Shop auszusehen haben, damit sie bundesweit vor den Gerichten Bestand haben.
Die beiden Urteile haben nicht nur Auswirkungen auf die Widerrufsfrist, sondern auch auf den Wertersatz. Denn nach § 357 Abs.3 BGB muss der Verbraucher nur dann Wertersatz für "eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung" leisten, wenn er vor Vertragsschluss hierüber belehrt wurde. Da bei eBay - nach Ansicht der Gerichte - eine solche vorherige Belehrung nicht möglich ist, greift die Regel des § 346 Abs.2 Nr.3 BGB: Für die "bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme" des Gegenstandes kann der Unternehmer keinen Geldausgleich verlangen. Praktische Konsequenz: Der Verbraucher kann bei eBay einen Gegenstand kaufen, diesen locker 3 Wochen benutzen und dann wieder zurückgeben, ohne dass er irgendeinen Wertersatz leisten muss.
Denkbar wäre es, den § 357 Abs.3 BGB so zu interpretieren, dass er auch für die Fälle gilt, wo die Belehrung nachgeholt wurde. Gegen eine solche Auslegung spricht jedoch, dass die Gesetzesmaterialien hier ausdrücklich eine vorherige Belehrung verlangen und eine gesetzgeberische Regelungslücke, die durch eine analoge Anwendung geschlossen werden könnte, nur schwerlich erkennbar ist.
Um den Ansichten des KG Berlin und des OLG Hamburg genüge zu tuen, müsste man also aus der Widerrufsbelehrung die entsprechenden Passagen streichen. Mit der Konsequenz, dass man dann nicht mehr den amtlichen Vordruck benutzt und sich auf rechtlich unsicheres Terrain begibt.
Welche Stilblüten diese katastrophale rechtliche Lage hervorbringt, zeigen auch die aktuelle Äußerungen der Wettbewerbszentrale (= http://shink.de/2nod64):
"Die Wettbewerbszentrale empfiehlt nach wie vor die Verwendung des Musters der Widerrufs- und Rückgabebelehrung aus Anlage 2 und Anlage 3 zu § 14 BGB-InfoV. Die Einräumung eines zweiwöchigen Widerrufsrechts und die entsprechende Belehrung wird - auch bei gewerblichen eBay-Versteigerung - von der Wettbewerbszentrale nicht beanstandet.
Uns ist bekannt, dass zahlreiche Mitbewerber und Rechtsanwälte die unklare Rechtslage ausnutzen und flächendeckend abmahnen."
Wenig verwunderlich ist es, dass inzwischen mehrere Abmahnungen aufgetaucht sind, die sich auf diese neue Rechtsprechung berufen und die Online-Angebote von eBay-Händlern für rechtswidrig erachten.
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4. LAG Köln: Beweisverwertung bei Videoüberwachung
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Das LAG Köln (Beschl. v. 28.12.2005 - Az.: 9 Ta 361/05 = http://shink.de/8280o) hat entschieden, dass ein Arbeitgeber berechtigt ist, im Rahmen eines Kündigungsprozesses mit seinem ehemaligen Mitarbeiter die Bilder einer Videoüberwachung als Beweis im Prozess zu verwenden.
Der verklagte Arbeitgeber hatte den Kläger außerordentlich gekündigt, da diese Diebstähle während der Arbeitszeit begangen worden waren. Mittels Bilder einer heimlichen Videoüberwachung konnte der Beklagte nachweisen, dass die Diebstähle tatsächlich von dem Kläger begangen worden waren.
Diese berief sich darauf, dass die Bilder gar nicht hätten verwertet werden dürfen, da die Beobachtung heimlich und unter Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts erfolgt sei.
Dem hat das LAG Köln eine Absage erteilt und die Bilder sehr wohl als Beweis zugelassen:
"Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber einen Eingriff in das (...) allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar.
Jedoch ist die heimliche Videoüberwachung eines Arbeitnehmers zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind, die verdeckte Video-Überwachung praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist. Dabei macht der Umstand, dass der Verdacht bei Beginn der verdeckten Überwachung nicht allein einen bestimmten Arbeitnehmer betrifft, die Überwachung noch nicht unverhältnismäßig (...)."
Auf den konkreten Fall bezogen werten die Kölner Juristen:
"Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers erfolgte nur an einem Tag und nur für die Dauer von 20 Minuten. Die Videoüberwachung fand in einem räumlichen Bereich statt, der im Eigentum der Fluggesellschaft stand, für den die Fluggesellschaft eine besondere Verantwortung hatte und den sie deshalb auch schützen musste. Es ist ein berechtigtes Anliegen der Fluggesellschaft, den Diebstahl aus Gepäckstücken der Fluggäste zu verhindern. Dies wusste auch der Kläger.
Aus dem schriftlichen Bericht des Sicherheitsbeauftragten der Fluggesellschaft ergibt sich, dass die heimliche Videoüberwachung zu einer hohen Aufklärungsquote geführt hat und sich die Zahl der Diebstähle an einzelnen Flughäfen drastisch verringert hat. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine gleich hohe Aufklärungsquote bei einer offenen Videoüberwachung zu erzielen ist. Zudem ist bei offener Videoüberwachung ein erheblicher höherer Aufwand für die Fluggesellschaft erforderlich. Sie muss ständig alle im Einsatz befindlichen Flugzeuge mit Videokameras ausstatten. Es fällt auch ein erheblich höherer Auswertungsaufwand an. Schließlich ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass bei offener Videoüberwachung ständig auch die vielen ehrlichen Flugzeugabfertiger erfasst werden.
Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach einer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers einerseits und den berechtigten geschäftlichen Interessen der Fluggesellschaft sowie den Eigentumsrechten der Fluggäste andererseits eine Beweiserhebung als krasses Unrecht gegen den Kläger gewertet werden müsste."
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5. VG Arnsberg: Vermittlung von Sportwetten durch private Wettbüros zulässig
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Die uneinheitliche Rechtsprechung in Sachen Sportwetten setzt sich auch nach der Entscheidung des BVerfG (Urt. v. 28.03.2006 - Az.: 1 BvR 1054/01 = http://shink.de/zm6qg6) weiter fort. Aktuelles Beispiel dafür ist die verwaltungsrechtliche Entscheidung des VG Arnsberg.
VG Arnsberg (Beschl. v. 21.08.2006 - Az.: 1 L 725/06 = http://shink.de/zlx3j2):
"Leitsätze:
1. Das nordrhein-westfälische Sportwettenrecht verstößt gegen EU-Recht.
2. Entgegen dem OVG NRW (Beschl. v. 28.06.2006 - Az.: 4 B 961/06) existiert kein allgemeines Prinzip der Rechtssicherheit, dass die Rechtsfolgen einer Kollision mit höherrangigem Recht beschränkt, um unerträgliche Konsequenzen einer sonst eintretenden Regelungslosigkeit zu vermeiden.
3. Das Verbot, private Sportwetten an im EU-Ausland konzessionierte Anbieter zu vermitteln, ist daher rechtswidrig."
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6. LG Hamburg: Wiederholungsgefahr bei unzulässiger Telefonwerbung
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Das LG Hamburg (Beschl. v. 04.09.2006 - Az.: 312 T 6/06 = http://shink.de/o9gzrd) hat entschieden, dass auch ein einziger unzulässiger Werbeanruf per Telefon einen Unterlassungsanspruch auslöst.
Der Antragsgegner hatte telefonisch für seine Finanzdienstleistungen geworben. Darauf wurde er abgemahnt und zur Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Diese gab er jedoch nicht gab.
Das AG Hamburg-St. Georg verneinte einen Unterlassungsanspruch, weil ein einmaliges Telefonat nur wenige Sekunden dauere und nicht wie eine E-Mail oder Fax den Geschäftsbetrieb störe. Im Beschwerdeverfahren hob nun das LG Hamburg die irrige Ansicht des AG Hamburg-St. Georg auf und sprach den Unterlassungsanspruch zu:
"Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Hamburg - St. Georg kann der Antragsteller aus § 1004 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB analog von dem Antragsgegner verlangen, dass dieser es unterlässt, mit dem Antragsteller zu Werbezwecken telefonisch Kontakt aufzunehmen, ohne dass dessen Einverständnis bezüglich einer solchen Kontaktaufnahme vorliegt oder anzunehmen ist.
Denn ein Anruf auch bei einem Unternehmer zu Werbezwecken stellt grundsätzlich einen Eingriff in das „Recht am Unternehmen" dar, gegen den sich der Unternehmer nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog zur Wehr setzen kann (...).
Dass der Unternehmer grundsätzlich auch Schutz vor unerwünschten Werbeanrufen beanspruchen kann, hat der Gesetzgeber in der Begründung seines Gesetzesentwurfs zur UWG-Novelle 2004 ausdrücklich festgestellt. Er hat dort ausgeführt, dass auch im gewerblichen Bereich oder bei der Ausübung eines selbständigen Berufes telefonische Anrufe zu Werbezwecken nicht ohne weiteres hinzunehmen seien, da sie mit Blick auf die Störung der beruflichen Tätigkeit ebenfalls als belästigend empfunden werden könnten. Anders als beim Verbraucher könne die Interessenlage hier zwar anders sein; dies jedoch nur dann, wenn der Anruf im konkreten Interessenbereich des Angerufen liegt.
Daher werde in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung die Telefonwerbung im gewerblichen Bereich auch bei einem vermuteten Einverständnis als zulässig erachtet (Bt-Drucks. 15/1487, Seite 21, zu § 7 Ziffer 2). Dass das Angebot der Frankfurter Unternehmensberatung, für welche der Antragsgegner tätig ist, im Interessenbereich des Antragstellers liegen würde, konnte der Antragsgegner nicht ohne weiteres annehmen. Er konnte mithin von einem vermuteten Einverständnis des Antragstellers mit einem Werbeanruf wie demjenigen vom 15.06.2006 nicht ausgehen."
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7. VG Köln: Vermittlung von Sportwetten durch private Wettbüros zulässig
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Die uneinheitliche Rechtsprechung in Sachen Sportwetten setzt sich auch nach der Entscheidung des BVerfG (Urt. v. 28.03.2006 - Az.: 1 BvR 1054/01 = http://shink.de/16rjn) weiter fort. Aktuelles Beispiel dafür ist die verwaltungsrechtliche Entscheidung des VG Köln.
VG Köln (Urt. v. 06.07.2006 - Az.: 1 K 3679/05 = http://shink.de/bw6c8r):
"Leitsätze:
1. Das nordrhein-westfälische Sportwettenrecht verstößt gegen EU-Recht.
2. Entgegen dem OVG NRW (Beschl. v. 28.06.2006 - Az.: 4 B 961/06) existiert kein allgemeines Prinzip der Rechtssicherheit, dass die Rechtsfolgen einer Kollision mit höherrangigem Recht beschränkt, um unerträgliche Konsequenzen einer sonst eintretenden Regelungslosigkeit zu vermeiden.
3. Das Verbot, private Sportwetten an im EU-Ausland konzessionierte Anbieter zu vermitteln, ist daher rechtswidrig."
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8. LG Potsdam: Streitwert bei E-Mail-Spam
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Das LG Potsdam (Beschl. v. 14.08.2006 - Az.: 2 O 360/06: PDF = http://shink.de/vjblvk) hat in einer aktuellen Entscheidung festgestellt, dass es bei E-Mail-Spam von einem Streitwert von 4.000,- EUR ausgeht.
"Der Antragsteller (...) wehrt sich mit dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung dagegen, von der Antragsgegnerin (...) unverlangt eine Werbe-E-Mail auf seinen beruflich genutzten E-Mail-Account zugesandt zu bekommen. Er sieht hierin einen Eingriff in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
Der Verfahrenswert für die Hauptsache war auf 4.000,- € feszusetzen. Der Antragsteller trägt einen Eingriff in seinen „Gewerbebetrieb vor, welcher in unverlangtem Zusenden eines Werbe-E-Mail bestehen soll. Vor dem Hintergrund, daß dies nur einmal erfolgt ist und eine nachhaltige Störung seiner Anwaltstätigkeit nicht ersichtlich ist, hält das Gericht die Bemessung des Verfahrenswertes mit 4.000,- € für die Hauptsache für angemessen.
Der Abschlag von 1/5 beruht darauf, daß der Antragsteller vorliegend nur vorläufigen Rechtsschutz begehrt."
Die Rechtsprechung in Sachen E-Mail-Spam ist nach wie vor sehr uneinheitlich. Andere Gerichte gehen von weitaus höheren oder niedrigeren Streitwerten aus, so z.B. das KG Berlin, vgl. Kanzlei-Infos v. 29.08.2006 = http://shink.de/bgk4p8
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9. Neuer Artikel: Gewinnspiele - Datenschutzrechtliche Probleme
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Es gibt einen neuen Artikel von RA Dr. Bahr zum Thema "Gewinnspiele - Datenschutzrechtliche Proleme". Der Artikel ist im Schwerpunktheft "direktmarketing praxis, August 2006", S. 14 ff. abgedruckt = http://shink.de/zrrk99
Den Artikel gibt es aus lizenzrechtlichen Gründen ausnahmsweise leider nicht zum Download ;-).
Wir verweisen an dieser Stelle jedoch auf unsere beiden Podcasts "Datenschutzrecht bei online erhobenen Daten" (= http://shink.de/v2263) und "IP-Speicherung durch Webseiten-Betreiber rechtlich zulässig?" (= http://shink.de/ccf9s1).
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10. Law-Podcasting.de: Rechtliche Regelungen zu Premium-SMS
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Auf www.Law-Podcasting.de , dem 1. deutschen Anwalts-Audio-Blog, gibt es ab sofort einen Podcast zum Thema "Rechtliche Regelungen zu Premium-SMS" = http://shink.de/j6xjua
Inhalt:
Aus Fernsehen und Printmedien kennt man die vielfältigen Angebote für Premium-SMS: Es handelt sich dabei um kostenpflichtige Kurznachrichten, die an eine fünfstellige Kurzwahl gesendet werden.
Für Entgelte bis zu 5 EUR pro SMS werden Handylogos, Klingeltöne, Single-Chats und ähnliche Dienste angeboten. Häufig werden auch mit einer SMS Abonnements verkauft, d.h. mit einer Kurznachricht erhält man nicht nur einen Klingelton, sondern gleich ein Abonnement über 100 Klingeltöne.
Welche rechtlichen Regelungen gelten nun für Premium-SMS?
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