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Newsletter vom 06.10.2021
Betreff: Rechts-Newsletter 40. KW / 2021: Kanzlei Dr. Bahr


1. BGH: Beweislast bei wettbewerbswidriger Irreführung im Online-Bereich

2. OLG Frankfurt a.M.: Hat Verbraucher Widerrufsrecht auch beim Kilometer-Leasing? - Vorlage an den EuGH

3. OLG München: Antragsteller einer einstweiligen Verfügung trifft umfassende Aufklärungspflicht ggü. Gericht, auch während des laufenden Verfahren

4. LG Hamburg: Weiterhin fliegender Gerichtsstand bei Wettbewerbsverletzungen im Internet, wenn keine Informations- und Kennzeichnungspflichten betroffen

5. LG Köln: Kein DSVGO-Schadensersatz wegen Weiterleitung einer nicht anonymisierten Entscheidung

6. LG Osnabrück: Videoaufnahmen per Smartphone von öffentlichen Polizeieinsätzen erlaubt und nicht strafbar

7. FG München: DSGVO gewährt kein Einsichtsrecht in bestimmte Dokumente des Finanzamtes

8. LG München I: Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber und Förderungsfonds rechtswidrig

9. VG Wiesbaden: Vorlage an EuGH bzgl. SCHUFA-Eintragung einer Restschuldbefreiung

10. AG Frankfurt a.M.: Verlustmeldung einer EC-Karte nach 30 Minuten ist verspätet = Bank haftet nicht

Die einzelnen News:

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1. BGH: Beweislast bei wettbewerbswidriger Irreführung im Online-Bereich
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Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung noch einmal klargestellt, dass die Partei, die objektiv eine wettbewerbswidrige Irreführung begeht, die Beweislast für alle entlastenden Umstände trifft (BGH, Urt. v. 22.07.2021 - Az.: I ZR 123/20).

Die Beklagte, eine Anwältin, warb mit objektiv falschen Angaben auf ihrer Webseite. Sie gab auf ihrer Internetpräsenz an, Mitglied im Vorstand der Rechtsanwaltskammer zu sein:

"Mitglied der Vorstandsabteilung XII (Vermittlungen) der Rechtsanwaltskammer München."

Sie war jedoch zu diesem Zeitpunkt kein derartiges Vorstandsmitglied.

Die Kläger, ebenfalls Rechtsanwälte, ging gegen diesen Rechtsverstoß vor und begehrten Unterlassung.

Die vorherigen Instanzen lehnten den Anspruch ab, da die Angabe zwar unwahr, jedoch nicht geeignet sei, den Verbraucher zu einer anderweitigen geschäftlichen Entscheidung zu bewegen. Soll heißen: Der Umstand der behaupteten Vorstandsmitgliedschaft sei für einen potenziellen Kunde für eine Mandatserteilung nicht entscheidend.

Dies sah der BGH anders und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung:

"Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass Umstände, die gegen eine geschäftliche Relevanz des beanstandeten Verhaltens sprechen, in der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten liegen, mithin auch die vom Berufungsgericht insoweit (...) als maßgeblich erachtete frühere Mitgliedschaft der Beklagten in der Vorstandsabteilung XII der Rechtsanwaltskammer München.

Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast mit der Behauptung ihrer früheren Mitgliedschaft in dieser Vorstandsabteilung genügt. Die Klägerin hat diese Behauptung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wirksam mit Nichtwissen bestritten."


Im vorliegenden Fall bewertete das Gericht - anders als die Vorinstanzen - die fehlerhafte Darstellung als für relevant:
"Gerade die Behauptung einer andauernden Mitgliedschaft in der Vorstandsabteilung XII (Vermittlungen) der Rechtsanwaltskammer München entfaltet werbliche Wirkung, weil die mit dieser Angabe verknüpfte inhaltliche Botschaft der Vertrauenswürdigkeit und Streitschlichtungskompetenz (...) als gegenwärtig gegeben dargestellt wird."

Und weiter:
"Die Würdigung des Berufungsgerichts ist erfahrungswidrig, soweit darin der Angabe über die Mitgliedschaft in einer Vorstandsabteilung der Rechtsanwaltskammer, die für die Vermittlung von Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten oder Rechtsanwälten und ihren Mandanten zuständig ist, generell die geschäftliche Relevanz abgesprochen wird.

Gleichermaßen erfahrungswidrig ist die vom Berufungsgericht in Bezug genommene Würdigung des Landgerichts, die Berufung in eine Vorstandsabteilung sei kein besonderer Vertrauensbeweis und vermittele auch nicht den Eindruck besonderer Integrität, Verantwortungsbereitschaft und Kompetenz, weil sie nicht auf einer Wahl beruhe.

Es verhält sich vielmehr so, dass eine Angabe der streitgegenständlichen Art in der anwaltlichen Werbung durchaus Eindruck auf den Rechtsrat suchenden Verbraucher macht, weil mit ihr nicht nur die Botschaft transportiert wird, dass die werbende Rechtsanwältin für würdig befunden worden ist, in einer Vorstandsabteilung mitzuwirken, sondern sie auch über Erfahrungen in der Streitschlichtung im Umgang mit Rechtsanwälten verfügt.

Diese Umstände stellen wirksame Argumente bei der anwaltlichen Mandantengewinnung dar, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob die Aufnahme in die Vorstandsabteilung von einer Wahl oder einer Berufung abhängt."



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2. OLG Frankfurt a.M.: Hat Verbraucher Widerrufsrecht auch beim Kilometer-Leasing? - Vorlage an den EuGH
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Der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) hat dem EuGH mit heute veröffentlichtem Beschluss Fragen zum Bestehen eines Verbraucher-Widerrufsrechts nach Abschluss eines Kilometerleasingvertrages vorgelegt. Der EuGH wird um Auslegung der Verbraucherrechte-Richtlinie (RL 2011/83/EU) und der Fernabsatz-Richtlinie für Finanzdienstleistungen (RL 2002/65/EG) ersucht.

Der Kläger leaste bei der Beklagten einen Neuwagen. Die Laufzeit des Vertrages betrug 48 Monate. Es war kein ordentliches Kündigungsrecht vorgesehen. Der Kläger sollte ein monatliches Entgelt zahlen. Die Beklagte räumte ihm eine Kaufoption zum regulären Vertragsende ein. Es bestand keine Abnahmeverpflichtung des Klägers.

Der Vertrag enthielt eine Regelung über die Laufleistung während der Leasingzeit, wobei für Minderkilometer seitens der Beklagten ein Ausgleich gezahlt werden sollte, während bei Mehrkilometern seitens der Kläger eine Vergütung zahlen sollte. Das kalkulatorische Risiko für den Wert des Fahrzeugs bei Vertragsende trug die Beklagte. Der Vertrag wurde unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen (sog. Fernabsatzvertrag).

Der Kläger hat seine Vertragserklärung widerrufen und verlangt mit der Klage die Rückabwicklung des Leasingvertrages. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Der Senat hat nunmehr das Berufungsverfahren ausgesetzt und gemäß Art. 267 Abs. 1, Abs. 2 AEUV dem EuGH Fragen zum Ausschluss und der Befristung eines fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der BGH habe das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 506 BGB verneint, begründet der Senat die Vorlage. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung seien derartige Verträge nicht als sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe einzuordnen, da in ihnen keine Verpflichtung zum Erwerb des Leasinggegenstandes vorgesehen sei und die Richtlinie 2008/48/EG (Zweite Verbraucherkreditverträge-Richtlinie) derartige Vertragsgestaltungen ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich herausnehme (Urteil vom 24.2.2021 - VIII ZR 36/20).

Damit hänge, so der Senat, der Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich davon ab, ob dem Kläger ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht zustehe. Die Richtlinie 2011/83/EU, die insoweit mit § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB in deutsches Recht umgesetzt worden ist, nehme Dienstleistungen im Bereich Mietwagen (Kraftfahrzeugvermietung) zu einem spezifischen Termin oder Zeitraum aus dem Anwendungsbereich des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechts heraus.

Es stelle sich damit die Frage, ob in den Bereich der Mietwagen auch Leasingverträge mit Kilometerabrechnung fallen, nachdem bei diesen Verträgen die Gebrauchsüberlassung wie bei der reinen Miete im Vordergrund stehe und der EuGH zur Vorgängernorm entschieden habe, dass Automietverträge als Dienstleistungen im Bereich „Beförderung“ anzusehen seien (vgl. EuGH, Urteil vom 10.3.2005 - C 336/03). Die obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage sei uneinheitlich.

Sollte der EuGH die vorgenannte Frage verneinen, sei zu klären, ob für die Ausübung des Widerrufsrechts eine Ausschlussfrist von 12 Monaten nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist von 14 Tagen bestehe. Von diesem  Ausschlusstatbestand habe § 356 Abs. 3 S. 3 BGB ausdrücklich Verträge über Finanzdienstleistungen ausgenommen. Finanzdienstleistungen würden in der Richtlinie 2002/65/EG als Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung definiert.

Nachdem bei der vorliegenden Art des Leasingvertrages der Finanzierungscharakter der Dienstleistung nicht im Vordergrund stehe, erwäge der Senat, das Vorliegen einer Finanzdienstleistung zu verneinen. Da die Frage nicht eindeutig zu beantworten sei, sei auch insoweit eine Vorlage an den EuGH veranlasst.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.9.2021, Az. 17 U 42/20
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 7.5.2020, Az. 2/12 O 326/19)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 24.09.2021

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3. OLG München: Antragsteller einer einstweiligen Verfügung trifft umfassende Aufklärungspflicht ggü. Gericht, auch während des laufenden Verfahren
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Den Antragsteller einer einstweiligen Verfügung trifft eine umfassende Aufklärungspflicht gegenüber dem Gericht, d.h. insbesondere Antworten der abgemahnten Gegenseite sind mit einzureichen. Dies gilt auch dann, wenn eine Reaktion des Abgemahnten erst nach der Antragstellung, aber noch vor der gerichtlichen Entscheidung erfolgt. In einem solchen Fall ist der Antragsteller verpflichtet, die entsprechenden Informationen von sich aus vorzulegen (OLG München, Urt. v. 05.08.2021 - Az.: 29 U 6406/20).

Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin außergerichtlich wegen einer kennzeichenrechtlichen Verletzung ab. Als diese nicht reagierte, beantragte sie bei Gericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Während das Gericht noch den Antrag bewertete, ging eine E-Mail und ein Schriftsatz der Antragsgegnerin bei der Antragstellerin ein. Diese Dokumente legte die Antragstellerin dem Gericht jedoch nicht.

Das LG München I erließ daraufhin die begehrte einstweilige Verfügung. Im Berufungsverfahren wandte die Antragsgegnerin ein, dass die Antragstellerin sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe, da sie durch das Weglassen wichtiger Informationen sich den Titel erschlichen habe. Das OLG München folgte dieser Ansicht und hob die einstweilige Verfügung auf.

Das absichtliche Weglassen der weiteren Informationen sei ein offensichtlicher Rechtsmissbrauch:

"Dieses ersichtlich bewusste Vorenthalten des außergerichtlichen Schriftwechsels vom 15.04.2020 (insbesondere des Schriftsatzes des Antragsgegnervertreters) kann nicht mehr als redliche Prozessführung angesehen werden, sondern stellt einen Verstoß gegen die aus § 138 Abs. 1 ZPO folgende prozessuale Wahrheitspflicht dar, der entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht anders zu beurteilen ist als das vorsätzliche Verschweigen außergerichtlicher Korrespondenz vor der Antragstellung.

Denn in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, das seitens des Gerichts einseitig geführt wird und in dem der Antragsgegner somit keine Gelegenheit hat, sich gegenüber dem Gericht entsprechend dem jeweiligen Verfahrensstand zu äußern, treffen nicht nur das Gericht aus den Grundsätzen der prozessualen Waffengleichheit resultierende Pflichten, sondern hat auch der Antragsteller alles ihm Zumutbare und Mögliche zu unternehmen, um das Gericht in die Lage zu versetzen, eine sachgerechte Entscheidung darüber zu treffen, ob, wann und wie der Antragsgegner vor einer Entscheidung in der Sache einzubeziehen ist.

Dazu gehört regelmäßig das unaufgeforderte und unverzügliche Einreichen eines die Streitsache betreffenden Schriftsatzes der bislang nicht am Verfahren beteiligten Gegenseite auch dann, wenn das Verfahren bereits in Gang gesetzt wurde und der außergerichtliche Schriftsatz der Gegenseite erst danach, aber vor einer Entscheidung des Gerichts die Antragstellerseite erreicht." 



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4. LG Hamburg: Weiterhin fliegender Gerichtsstand bei Wettbewerbsverletzungen im Internet, wenn keine Informations- und Kennzeichnungspflichten betroffen
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Auch nach der kürzlichen Wettbewerbsrechtsreform gilt bei Internet-Verletzungen weiterhin der fliegende Gerichtsstand. Eine Einschränkung nach § 14 Abs.2 Nr.1 UWG kommt nur dann in Betracht, wenn es um Fälle geht, die wettbewerbsrechtliche Informations- und Kennzeichnungspflichten betreffen (LG Hamburg, Beschl. v. 13.09.2021 - Az.: 327 O 184/21).

Seit dem 02.12.2020 ist das neue Wettbewerbsrecht in Kraft getreten. Unter anderem wurde dabei § 14 Abs.2 UWG überarbeitet, wonach für Streitigkeiten im E-Commerce oder bei Telemedien der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt bzw. abgeschafft  werden sollte.

Im Rahmen eines Antrags auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil hat sich das LG Hamburg nun dahingehend geäußert, dass diese Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands nur in den Fällen in Betracht kommt, wo es um die Verletzung von wettbewerbsrechtlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten geht. 

"Im Hinblick auf die von dem Beklagten erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts wird darauf hingewiesen, dass die Kammer sich für örtlich zuständig gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG erachtet, da vorliegend keine Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG streitgegenständlich sind.

Zwar ist die streitgegenständliche, von dem Kläger als Lauterkeitsrechtsverletzung gerügte Handlung ausschließlich im Internet erfolgt und hat der Beklagte seinen Sitz nicht im Bezirk des angerufenen Landgerichts Hamburg. 

Unter den von § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG erfassten Zuwiderhandlungen sind nach dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung allerdings nicht sämtliche online begangenen Rechtsverstöße zu verstehen und insbesondere Verstöße, die tatbestandlich keinen bestimmten Verbreitungsweg voraussetzen und deren Verletzung über eher formale und leicht oder gar automatisiert festzustellende Verstöße hinausgehen, nicht von dem Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG umfasst (vgl. LG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2021, 326 ff. [327]; LG Düsseldorf GRUR-RS 2021, 12160, Rn. 13 ff.)."


Und weiter:
"Da die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung in § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG auf einer Linie mit dem Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und dem Vertragsstrafenausschluss nach § 13a Abs. 2 UWG liegt, muss § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG auch in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in dem Sinne gelesen werden, dass die Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gilt (vgl. Sosnitza GRUR 2021, 671 ff. [678]).

Dies entspricht nicht nur dem erklärten Willen des Gesetzgebers, sondern folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang mit den §§ 13 Abs. 4 Nr. 1, 13a Abs. 2 UWG und entspricht zudem dem Sinn und Zweck der genannten Regelungen, die Missbrauchsfälle erfassen sollen (vgl. Sosnitza a. a. O.)."



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5. LG Köln: Kein DSVGO-Schadensersatz wegen Weiterleitung einer nicht anonymisierten Entscheidung
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Entscheidungen von Gerichten dürfen nicht weitergeleitet werden, wenn die Personen, um die es geht, namentlich genannt werden. Das Landgericht Köln hat entschieden, dass dem Kläger in diesem Fall allerdings kein Schmerzensgeld zusteht (LG Köln, Urt. v. 03.08.2021 - Az.: 5 O 83/21).

Der Kläger verlangt von der Stadt Bergisch Gladbach Schmerzensgeld, weil sie einen Beschluss des Verwaltungsgerichts in einem Rechtsstreit ohne jede Anonymisierung einem größeren Kreis von Interessierten zur Verfügung gestellt hat.

Der Kläger war gegen eine Allgemeinverfügung der Stadt Bergisch Gladbach vorgegangen, mit der ihm wegen der Corona Pandemie die Schließung seines Geschäftslokals auferlegt worden war.

Der Kläger behauptet, die Übersendung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung an weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in anderen Kommunen zu deren Information mit seinem vollem Namen habe dazu geführt, dass die Entscheidung auch in seinem Interessenverband bekannt geworden sei, in dem er sich engagiert hatte. Dadurch sei er offenen Anfeindungen als „Corona Leugner“ ausgesetzt gewesen.

Dieser Beschluss des Gerichts sei sogar zusammen mit einem Zettel mit der Aufschrift „Ihr seit es“ unter den Scheibenwischer seines an seinem Wohnhaus geparkten Fahrzeugs gesteckt worden.

Er ist der Ansicht, Art. 82 Abs. 1 DSGVO gewähre ihm einen Geldentschädigungsanspruch. Er macht Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 8.000,00 € geltend.

Die Stadt Bergisch Gladbach ist der Ansicht, der Rechtsstreit des Klägers vor dem Verwaltungsgericht sei bereits Gegenstand der Berichterstattung in einer Tageszeitung und deshalb in der Öffentlichkeit bereits bekannt gewesen. Außerdem seien seine persönlichen Daten in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren weder geheim noch intim gewesen. Die Nachteile, die der Kläger erlitten haben will, seien nicht kausal auf die Weitergabe der Entscheidung zurückzuführen gewesen.

Das Landgericht entschied nun, dass dem Kläger kein Anspruch auf Schmerzensgeld gegen die Stadt Bergisch Gladbach zustehe.

Ein Anspruch ergebe sich zwar grundsätzlich aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO. Danach steht jeder Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Die Übersendung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Köln an Mitarbeiter anderer Kommunen stellt nach Ansicht des Gerichts einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung dar.

Diesen Beschluss hätte die Stadt zumindest anonymisieren und dadurch die Identität des Klägers unkenntlich machen müssen.

Allerdings seien die vom Kläger geschilderten Beeinträchtigungen, Beschimpfungen und Herabsetzungen nicht notwendigerweise auf die Weiterleitung des Beschlusses durch Mitarbeiter der Stadt Bergisch Gladbach zurückzuführen gewesen. Dem Kläger stehe daher in diesem konkreten Fall kein Schadensersatz zu.

Auch andere Geschäftsinhaber hätten sich gegen die Schließung gerichtlich zur Wehr gesetzt, so dass auch diese an den Beschluss hätten gelangen können. Zudem sei der Beschluss an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Kommunen gegangen. Diese waren selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dem Kläger komme auch keine Möglichkeit der Beweiserleichterung zugute - diese sei nur im Rahmen der Prüfung des Verschuldens möglich.

Schließlich seien auch keine immateriellen Beeinträchtigungen des Klägers ersichtlich. Zwar soll eine abschreckende Wirkung dadurch erzielt werden, dass Verstöße zur Zahlung hoher Schmerzensgelder führen können.

Zu einer uferlosen Häufung von Ansprüchen soll es aber nicht kommen - immerhin bestehe nach Art. 83 DSGVO auch die Möglichkeit, bei Verstößen Geldbußen in erheblichem Umfang zu verhängen.

Quelle: Pressemitteilung des LG Köln v. 30.09.2021

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6. LG Osnabrück: Videoaufnahmen per Smartphone von öffentlichen Polizeieinsätzen erlaubt und nicht strafbar
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Im Rahmen von Polizeieinsätzen kommt es mitunter zu heftigeren Auseinandersetzungen. Dürfen solche Auseinandersetzungen durch eine Handyaufnahme in Bild und Ton festgehalten werden? Und ist die Polizei berechtigt, in einem solchen Fall das Handy zu beschlagnahmen, mit dem derartige Aufnahmen gemacht worden sind? Mit diesen Fragen hatte sich die 10. Große Strafkammer des Landgerichts in einer Beschwerdeentscheidung zu befassen (Beschl. v. 24.09.2021, Az. 10 Qs 49/21).

Am 13.06.2021 kam es in der Osnabrücker Innenstadt zu einem Polizeieinsatz einer Funkstreifenbesatzung, bei der es u.a. zur Fixierung einer sich widersetzenden Person auf dem Boden kam.

Während dieser Maßnahmen wurden die Einsatzkräfte wiederholt durch umstehende Personen – u.a. auch durch den Beschwerdeführer - gestört. Die Beamten versuchten, die Situation zu beruhigen und sprachen hierzu Platzverweise aus.

Der Beschwerdeführer fertigte währenddessen mit seinem Handy Video- und Tonaufzeichnungen der Situation an. Die Polizeibeamten forderten den Beschwerdeführer auf, die Aufzeichnungen zu unterlassen, weil derartige Tonaufnahmen strafbar seien. Im weiteren Verlauf wurde das Mobiltelefon des Beschwerdeführers wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gegen dessen Willen sichergestellt.

Das Amtsgericht Osnabrück bestätigte mit Beschluss vom 14.07.2021 die Beschlagnahme. Gegen diesen Beschluss wandte sich der Beschwerdeführer. Das Landgericht hob die amtsgerichtliche Entscheidung auf und gab dem Beschwerdeführer recht. Es liege kein Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung vor, so dass das Handy nicht hätte beschlagnahmt werden dürfen.

Die von den Polizeibeamten vorgenommenen Diensthandlungen seien im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommen worden.

Die insoweit gesprochenen Worte seien in faktischer Öffentlichkeit gesprochen, weil der Ort frei zugänglich gewesen sei.

Die Strafvorschrift des § 201 StGB, die die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe stelle, erfasse solche Äußerungen nicht. Die Vorschrift schütze die Unbefangenheit der mündlichen Äußerung.

Diese Unbefangenheit sei bei dienstlichem Handeln, das rechtlich gebunden sei und der rechtlichen Überprüfung unterliege, nicht tangiert.

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass gem. § 201 a StGB das Anfertigen von Bildaufnahmen im öffentlichen Raum – von wenigen Ausnahmenfällen abgesehen – straffrei sei. Es sei kein Grund ersichtlich, warum das Aufnehmen von Tonaufnahmen im öffentlichen Raum strenger geahndet werden sollte als die Fertigung von Bildaufnahmen in demselben Umfeld.

Quelle: Pressemitteilung des LG Osnabrück v. 04.10.2021

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7. FG München: DSGVO gewährt kein Einsichtsrecht in bestimmte Dokumente des Finanzamtes
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Das DSGVO-Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO gewährt kein Einsichtsrecht in bestimmte Dokumente des Finanzamtes, sondern vielmehr nur die Übermittlung der personenbezogenen Daten (FG München, Urt. v. 23.07.2021 - Az.: 15 K 81/20).

Die Kläger beschwerten sich beim Landesamt für Steuern über einen Sachbearbeiter beim örtlichen Finanzamt. Im Rahmen der Prüfung durch das Landesamt legte das Finanzamt einen Bericht vor. Das Landesamt kontrollierte den Vorgang und teilte dann in einem Schreiben ausführlich mit, dass keine Fehler des Mitarbeiters des Finanzamtes zu erkennen seien.

Die Kläger begehrten nun - unter Hinweis auf Art. 15 DSGVO - eine Kopie des Vorlageberichts des Finanzamtes. Dies lehnte das Landesamt ab.

Das FG München wies die Klage ab.

Die DSGVO sei zwar im vorliegenden Fall anwendbar, da die Regelungen auch im Bereich der Steuern aller Wahrscheinlichkeit nach grundsätzlich anwendbar seien.

Art. 15 DSGVO gewähre jedoch kein Einsichtsrecht in eine bestimmte Finanzamts-Akte bzw. die Übermittlung des Inhalts.

"Wie der EuGH ausführt, dient ein solches Begehr in Wirklichkeit nicht dem Ziel der Richtlinie – gleiches gilt für die insoweit inhaltsgleiche DSGVO –, den Schutz der Privatsphäre der Kläger bei der Verarbeitung von sie betreffenden Daten zu gewährleisten.

Vielmehr versuchen die Kläger, den Auskunftsanspruch zweckwidrig zu nutzen, um Zugang zu einem Verwaltungsdokument zu erlangen. Ein solcher Zugang mag sich aus anderen Rechten der Kläger ergeben, aus Art. 15 DSGVO – nur hierauf stützt sich die Klage und nur insoweit besteht die Entscheidungskompetenz des erkennenden Senats – ergibt er sich nicht.

Der EuGH bejaht zwar sehr weitgehend das Vorliegen personenbezogener Daten auch insoweit, als sich diese in unstrukturiertem Text befinden. Andererseits grenzt er klar den Inhalt des Textes von dem diesen enthaltenden Dokument ab. Im Streitfall geht es den Klägern gerade nicht um Kenntnis der inhaltlichen Sachverhalte – diese wurden ihnen in der Mitteilung über die aufsichtliche Prüfung bereits mitgeteilt – sondern um den Einblick in den Vorlagebericht als solchen.

Ein etwaiger Auskunftsanspruch wurde durch das Landesamt mit der Mitteilung vom 08.11.2019 über das Ergebnis der aufsichtlichen Prüfung bereits erfüllt, so dass die Kläger jedenfalls derzeit kein Interesse an einer neuerlichen Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten geltend machen können. Wie aus dem weiteren Schreiben der Kläger vom 13.11.2019 (...) ersichtlich, hat die Auskunft die Kläger auch in die Lage versetzt, dem Beklagten ihrerseits die aus ihrer Sicht unrichtigen Sachverhaltsaspekte mitzuteilen und so vermeintlich falsch aufgenommenen Sachverhaltsangaben entgegenzutreten."



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8. LG München I: Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber und Förderungsfonds rechtswidrig
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Die 42. Zivilkammer für Urheberrecht hat heute der Klage eines Autors gegen die Verwertungsgesellschaft VG Wort e.V. überwiegend stattgegeben, mit welcher der Kläger gegen Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber sowie Zuwendungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort in den Jahren 2016 bis September 2019 vorgeht (42 O 13841/19).

Die Ausschüttungen und Zuwendungen erfolgten zur Überzeugung der Kammer rechtswidrig.

In der ersten Stufe wurde dem klägerischen Antrag auf Feststellung vollumfänglich stattgegeben:

Der Kläger als Autor und Urheber hat gegenüber der Beklagten hinsichtlich seiner Werke Ansprüche auf Ausschüttungen, da die Beklagte für ihn die ihm gesetzlich zustehenden Vergütungsansprüche aus der Bibliothekstantieme und der Geräte- und Speichermedienvergütung wahrnimmt.

Diese Ausschüttungen hat die Beklagte zu Unrecht gemindert, indem sie unberechtigt Ausschüttungen an Herausgeber und Zuwendungen an den Förderungsfonds der Wissenschaft der VG Wort vornahm.

Im Hinblick auf die Ausschüttungen an Herausgeber stellte das Gericht fest, dass die Wahrnehmung von Rechten von Herausgebern schon nicht vom bis ins Jahr 2018 geltenden satzungsgemäßen Aufgabenumfang der Beklagten umfasst war.

Selbst wenn man die Satzung weiter auslegen wollte, wären die Ausschüttungen dennoch zu Unrecht erfolgt, da die Regelungen des Verteilungsplans der Beklagten, die die Ausschüttungen im Einzelnen zuweisen, nicht an eine tatsächliche Berechtigung anknüpfen und daher willkürlich und unwirksam sind.

In Bezug auf die Ausschüttungen nach der Satzungsänderung, gemäß der nunmehr die Beklagte die Rechte von Urhebern und Nutzungsrechtsinhabern an Sammelwerken wahrnimmt, stellte das Gericht fest, dass die Satzungsänderung mangels wirksamer schriftlicher Mitteilung gegenüber den Inhabern von Altverträgen schon nicht wirksam geworden war, und zudem der Verteilungsplan der Beklagten und ihre Verwaltungspraxis nicht sicherstellen, dass tatsächlich nur Ausschüttungen an Berechtigte, nämlich an Urheber oder Inhaber von Nutzungsrechten an Sammelwerken vorgenommen werden. Daher waren auch die Ausschüttungen an Herausgeber nach der erfolgten Satzungsänderung unwirksam, so die Kammer.

Die Ausschüttungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort waren ebenfalls unwirksam. Nach höchstrichterlicher und europarechtlicher Rechtsprechung müssen die Einnahmen aus den gesetzlichen Vergütungsansprüchen nach §§ 27, 54 ff UrhG unbedingt unmittelbar und originär berechtigten Urhebern zu Gute kommen (BGH, GRUR 2016, 596 - Verlegeranteil; EuGH, GRUR 2013, 1025 - Amazon/AustroMechana).

Die von der VG Wort vorgenommenen Zuschüsse an den Förderungsfonds Wissenschaft GmbH erfüllen diese Voraussetzungen nicht.

Die Kammer bejahte zudem einen Auskunftsanspruch der Klageseite, um welche Beträge sich die Ausschüttungen an die Klageseite in der Zeit vom 01.01.2016 bis zum 30.09.2019 durch die in den Feststellungsanträgen genannten Ausschüttungen an Herausgeber und Zuwendungen an den Förderungsfonds Wissenschaft der VG Wort GmbH vermindert haben, soweit dieser nicht verjährt war.

In welcher Höhe der Kläger aufgrund der rechtswidrigen Ausschüttungen und Zuwendungen Rückzahlungen von der Beklagten erhält, bleibt einer Entscheidung nach Auskunftserteilung vorbehalten.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Zum Hintergrund:
Im Wege der Stufenklage machte die Klageseite zunächst nur Feststellungs- und Auskunftsansprüche geltend. Erst nach der Erteilung der Auskunftsansprüche wird ggf. über die konkrete Höhe der Zahlungsansprüche entschieden.

Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 04.10.2021

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9. VG Wiesbaden: Vorlage an EuGH bzgl. SCHUFA-Eintragung einer Restschuldbefreiung
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Gegenstand des Verfahrens vor dem VG Wiesbaden ist das Begehren des Klägers, die Eintragung einer Restschuldbefreiung aus dem Verzeichnis der SCHUFA Holding AG, einer privaten Wirtschaftsauskunftei, zu löschen. Die Information hinsichtlich der Restschuldbefreiung stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte, bei denen sie nach 6 Monaten gelöscht wird.

Bei der SCHUFA erfolgt eine Löschung gemäß der „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien“ vom 25.05.2018 des Verbandes „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ erst 3 Jahre nach der Eintragung.

In Bezug auf die Löschung wandte sich der Kläger mit einer Beschwerde an den Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit als Aufsichtsbehörde, der auf die Löschung der Eintragung bei der SCHUFA Holding AG hinwirken solle. Dieser lehnte das Begehren des Klägers jedoch ab.

Die 6. Kammer des VG Wiesbaden hat mit Beschluss vom 31.08.2021 entschieden, dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Klärung vorzulegen.

Zum einen sei zu klären, ob es genüge, wenn sich der Datenschutzbeauftragte wie im Falle einer Petition mit der Beschwerde der betroffenen Person überhaupt befasse und sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums über den Stand und das Ergebnis der Beschwerde unterrichte.

Es bestünden Zweifel, ob diese Auffassung mit der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) vereinbar sei, da hierdurch das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen die Aufsichtsbehörde eingeschränkt werde. Es bedürfe einer Klärung, ob die Entscheidung der Aufsichtsbehörde der vollen inhaltlichen Kontrolle der Gerichte unterliege.

Zudem legte die 6. Kammer die Frage vor, ob die Eintragungen aus den öffentlichen Verzeichnissen, beispielsweise aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte, eins zu eins in privat geführte Verzeichnisse übertragen werden könnten, ohne dass ein konkreter Anlass zur Datenspeicherung bei der privaten Wirtschaftsauskunftei bestehe. Zweck der Speicherung sei vielmehr, die Daten im Fall einer eventuellen Auskunftsanfrage durch ein Wirtschaftsunternehmen, z.B. eine Bank, verwenden zu können. Ob eine solche Auskunft jemals nachgefragt werde, sei dabei vollkommen offen.

Dies führe letztendlich zu einer Vorratsdatenspeicherung, vor allem dann, wenn in dem nationalen Register die Daten schon wegen Ablaufs der Speicherfrist gelöscht worden seien. Die streitgegenständliche Restschuldenbefreiung sei in dem öffentlichen Register der Insolvenzbekanntmachungen nach 6 Monaten zu löschen, während sie bei den privaten Wirtschaftsauskunfteien jedoch viel länger, ggf. noch weitere 3 Jahre gespeichert und bei Auskünften verarbeitet werden könne.

Es bestünden bereits Zweifel daran, ob eine „Parallelhaltung“ dieser Daten neben den staatlichen Registern bei einer Vielzahl privater Firmen überhaupt zulässig sei. Dabei sei zu beachten, dass die SCHUFA Holding AG nur eine von mehreren Auskunfteien sei und damit die Daten vielfach in Deutschland auf diesem Wege vorgehalten würden. Eine solche „Datenhaltung“ sei gesetzlich nicht geregelt und könne massiv in die wirtschaftliche Betätigung eines Betroffenen eingreifen.

Sollte diese Speicherung jedoch zulässig sein, so müssten jedenfalls dieselben Speicher- und Löschfristen gelten, wie in den öffentlichen Registern. Dies mit der Folge, dass Daten, die im öffentlichen Register zu löschen seien, auch bei allen privaten Wirtschaftsauskunfteien, die diese Daten zusätzlich gespeichert hätten, zeitgleich gelöscht werden müssten.

Der Vorlagebeschluss (Az.: 6 K 226/21.WI) ist unanfechtbar.

Quelle: Pressemitteilung des VG Wiesbaden v. 28.09.2021

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10. AG Frankfurt a.M.: Verlustmeldung einer EC-Karte nach 30 Minuten ist verspätet = Bank haftet nicht
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Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass die Haftung der Bank für die nach Verlust einer Debitkarte erfolgten Geldabhebungen ausgeschlossen ist, soweit ein Verschulden des Karteninhabers bei der Verwahrung der PIN nicht ausgeschlossen ist und eine sofortige Sperrung der Karte nach Feststellung des Verlustes unterbleibt (Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 31.08.2021, 32 C 6169/20 (88)).

Im dem vom Amtsgericht entschiedenen Fall meldete die Klägerin am 11.11.2019 um 10:42 Uhr telefonisch gegenüber ihrer Bank den Verlust ihrer Debitkarte und veranlasste zugleich ihre Sperrung. Bereits um 10:15 Uhr und 10:16 Uhr war es zu zwei Barabhebungen zu je EUR 500,00 gekommen.

In ihrer schriftlichen Verlustmeldung am 19.11.2019 gab die Klägerin an, den Verlust bereits um 10:10 Uhr bemerkt zu haben.

Im Rahmen der auf die Erstattung der Kontozahlungen gerichteten Klage behauptete die Klägerin, ihr Portemonnaie auf dem Arbeitsweg aus der Handtasche verloren oder entwendet bekommen zu haben und diesen Verlust erst um 10:30 Uhr bemerkt zu haben. Auch habe niemand autorisierten Zugang zu ihrer Karte gehabt, so dass die PIN ausgespäht worden sein müsse.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Amtsgericht Frankfurt am Main sah, nachdem die Abhebungen ausweislich der Transaktionsprotokolle mit der Originalkarte und PIN erfolgt waren, einen möglichen Verstoß gegen die Obliegenheit der Klägerin nicht als widerlegt an, die PIN getrennt von der Karte zu verwahren oder diese nicht auf der Karte zu notieren.

Zugleich sei der Klägerin ein, den Erstattungsanspruch ausschließender Sorgfaltsverstoß auch deshalb anzulasten, weil sie ausweislich ihrer schriftlichen Verlustanzeige den Verlust bereits vor den streitgegenständlichen Abhebungen gemerkt habe und trotz des mitgeführten Mobiltelefons nicht umgehend gegenüber der Beklagten gemeldet habe.

Insofern könne die Klägerin sich auch nicht darauf berufen, ihre IBAN nicht zur Hand gehabt zu haben, da nach den allgemeinen Bedingungen der beklagten Bank die Nennung derselben keine Voraussetzung für die Kartensperrung im Verlustfall sei.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des AG Frankfurt a.M. v. 30.09.2021

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