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Newsletter vom 07.12.2022 |
Betreff: Rechts-Newsletter 49. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen namentliche Kennzeichnungspflicht von Polizisten abgewiesen _____________________________________________________________ Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde einer Polizeivollzugsbediensteten nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen behördliche und verwaltungsgerichtliche Entscheidungen wendet, mit denen ihr Begehren abgelehnt wurde, kein Namensschild an ihrer Dienstkleidung tragen zu müssen.
Sachverhalt:
Die auf Grundlage der Ermächtigung in § 9 Abs. 4 BbgPolG erlassene, die Kennzeichnungspflicht betreffende Verwaltungsvorschrift (VV Kennzeichnungspflicht) sieht die Befreiung einiger im Einzelnen aufgeführten Einheiten vor. Die Beschwerdeführerin steht als Polizeihauptkommissarin im Dienst des Landes Brandenburg. Ihr im Frühjahr 2013 gestellter Antrag auf Befreiung von der Kennzeichnungspflicht wurde vom Polizeipräsidium abgelehnt und ein hiergegen eingelegter Widerspruch zurückgewiesen. Die gegen Ausgangs- und Widerspruchsbescheid gerichtete Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht Potsdam ebenso erfolglos wie ihre Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und ihre Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Zudem genüge die angegriffene Regelung insgesamt nicht dem Gesetzesvorbehalt und dem Bestimmtheitsgebot (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 3 GG).
Wesentliche Erwägungen der Kammer: 1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Bescheide des Polizeipräsidiums, das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg richtet, wird sie den materiellen Substantiierungsanforderungen nicht gerecht, da die Beschwerdeführerin inhaltlich auf die genannten Entscheidungen nicht eingeht. 2. Auch soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts richtet, ist sie nicht hinreichend substantiiert begründet. a) Eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hat die Beschwerdeführerin nicht substantiiert dargelegt. aa) Soweit sie rügt, dass mit der Verpflichtung zum Tragen eines Dienstnummernschildes ein milderes Mittel im Vergleich zum Tragen eines Namensschildes zur Verfügung stehe, blendet sie aus, dass durch die namentliche Kennzeichnungspflicht auch die Bürgernähe der Polizei gefördert werden soll. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass mit einer bloßen Nummer oder anderweitigen Kennzeichnung dieses weitere Ziel der Regelung ersichtlich nicht in gleicher Weise erreicht werden kann. bb) Soweit die Beschwerdeführerin darauf abstellt, dass sich das durch die Kennzeichnungspflicht verursachte Gefahrenpotential für Polizeivollzugsbedienstete erst im Nachhinein (zum Beispiel durch eine Internetrecherche) realisiere und die Ausnahmeregelung in Ziffer 4.3 VV Kennzeichnungspflicht deshalb unzureichend sei, ist ihr zwar zuzugestehen, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Namen betroffener Polizeivollzugsbediensteter erst einige Zeit nach der Vornahme der Amtshandlung „gegoogelt“ oder anderweitig recherchiert werden. Die Beschwerdeführerin lässt allerdings offen, inwieweit die Kenntnis des Nachnamens Zugang zu Daten liefern kann, die es erlauben, ein viel weitergehendes Persönlichkeitsbild von Polizeibediensteten und/oder dritten Personen zu ermitteln. Sie bleibt in der Beschreibung des Risikos, welchem sie sich durch die namentliche Kennzeichnungspflicht ausgesetzt sieht, pauschal. Hinsichtlich der Folgen eines späteren Datenabrufs setzt sie sich insbesondere nicht mit der Frage auseinander, inwieweit sich hier eine Gefahr realisiert, die über das Risiko hinausgeht, dem sämtliche Beamtinnen und Beamte ausgesetzt sind, die unter Nennung ihres Namens Amtshandlungen vornehmen. Soweit die Beschwerdeführerin Zweifel an den tatsächlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Zunahme von Angriffen auf Polizeivollzugsbedienstete nach Einführung der Kennzeichnungspflicht äußert, übergeht sie die Bindung des Bundesverwaltungsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO). Ihr weiterer Vortrag zur zunehmenden Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten bleibt unsubstantiiert, weil sie sich nicht mit vorhandenen Statistiken und Erkenntnissen zur Kennzeichnungspflicht befasst. cc) Soweit die Beschwerdeführerin die namentliche Kennzeichnungspflicht als unverhältnismäßig im engeren Sinne rügt, weil damit nur unzureichende Vorkehrungen zum Schutz der Polizeivollzugsbediensteten seitens des Dienstherrn getroffen worden seien, hätte sie sich näher mit den Möglichkeiten auseinander müssen, ihre Daten durch eine Auskunftssperre im Melderegister oder durch Nutzung der Privatsphäreeinstellungen in sozialen Netzwerken selbst wirksam zu schützen. b) Auch soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere der Normenklarheit und Bestimmtheit rügt, macht sie die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht deutlich. Sie trägt vor, die Regelung sei unbestimmt, weil die Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht weder durch den parlamentarischen Gesetzgeber noch sonst mittels gesetzlicher Regelung, sondern durch eine Verwaltungsvorschrift bestimmt worden seien. Soweit sie meint, dass § 9 Abs. 4 BbgPolG bei der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Ziffer 4.3 VV Kennzeichnungspflicht nur den Wortlaut von § 9 Abs. 3 BbgPolG wiederhole und die Ausnahmeregelung erläutere, materiell-rechtlich ins Leere laufe, setzt sie sich nicht damit auseinander, dass die Norm unter anderem bezogen auf die Ausgestaltung der Ausnahmen einen Regelungsgehalt aufweist. Auch befasst sie sich nicht mit der Frage, ob sich jegliche Konkretisierung der Kennzeichnungspflicht etwa in Bezug auf spezielle Polizeieinheiten auf der Ebene des Gesetzes überhaupt sinnvoll vornehmen ließe. 3. Die Verfassungsbeschwerde ist auch unzulässig, soweit sie sich mittelbar gegen § 9 Abs. 2 bis 4 BbgPolG und die VV Kennzeichnungspflicht wendet, da sie keinen gesonderten Vortrag zur mittelbaren Rechtssatzverfassungsbeschwerde enthält. Beschluss vom 04. November 2022 - 2 BvR 2202/19
Quelle: Pressemitteilung des BVerfG v. 29.11.2022
Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) veröffentlicht auf seiner Facebook-Seite Beiträge zu ausgewählten Sendungen, die Nutzer kommentieren können. Für die Erstellung von Kommentaren verweist der MDR auf Vorgaben in Form einer sog. Netiquette, die u.a. einen Bezug zu dem Thema der jeweiligen Sendung verlangt. Der MDR hat 14 vom Kläger auf der Facebook-Seite des MDR gepostete Kommentare gelöscht. Das Verwaltungsgericht hat der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung gerichteten Klage hinsichtlich eines Kommentars stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die gegen die Klageabweisung gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Revision des Klägers hatte beim Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich eines weiteren Kommentars Erfolg. Auf der Grundlage des im Zeitpunkt der Löschung noch geltenden Rundfunkstaatsvertrags bestimmte sich die Zulässigkeit des Telemedienangebots des MDR nach § 11d RStV. Danach unterlagen sendungsbezogene und eigenständige Telemedienangebote unterschiedlich strengen Anforderungen. Foren und Chats ohne Sendungsbezug waren unzulässig. Mit diesen zum Teil in den nunmehr geltenden Medienstaatsvertrag übernommenen Regelungen haben die Landesgesetzgeber den sog. Beihilfekompromiss zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Kommission umgesetzt. Die Kommission hatte im April 2007 ein auf Betreiben privater Medienanbieter eingeleitetes Beihilfeverfahren eingestellt, nachdem sich die Bundesrepublik Deutschland zum Schutz privater Medien sowie der Presse verpflichtet hatte, den gesetzlichen Auftrag des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Internetauftritte näher zu präzisieren. Zwar liegt in der Löschung der Kommentare des Klägers ein Eingriff in dessen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsäußerungsfreiheit. Dieser Eingriff ist jedoch gerechtfertigt. Denn zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG zählen u.a. die das Telemedienangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffenden Regelungen des § 11d RStV. Die Beschränkung des Angebots dieser Rundfunkanstalten auf sendungsbezogene Telemedien sowie das Verbot von Foren und Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung erstreckt sich auch auf die Kommentare der Nutzer. Die das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip wahrenden Vorschriften verleihen dem MDR zudem die Berechtigung zur Löschung von Posts ohne Sendungsbezug. Hierbei bedarf es weder einer vorherigen Anhörung noch einer nachträglichen Benachrichtigung. Die noch im Streit stehenden Kommentare des Klägers hatten überwiegend **keinen Bezug zu den Themen der jeweiligen Sendungen des MDR. Insbesondere der vom Kläger in dem Forum wiederholt geäußerten Kritik an der Löschungspraxis des MDR fehlte der notwendige Sendungsbezug. Zu eng haben die Vorinstanzen dieses Erfordernis jedoch hinsichtlich eines Kommentars gehandhabt, in dem der Kläger auf einen Beitrag mit dem Titel "Bundesweite Razzia gegen Neonazis" auch den islamistischen Terrorismus in den Blick genommen hatte. BVerwG 6 C 12.20 - Urteil vom 30. November 2022
Vorinstanzen:
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 30.11.2022
Der Kläger ist seit Januar 2018 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin – beides international tätige Luftverkehrsunternehmen mit Sitz im europäischen Ausland – als Pilot beschäftigt. Arbeitsvertraglich war die Geltung irischen Rechts und ein Jahresgehalt von 75.325,00 Euro brutto vereinbart. Aufgrund eines von der Beklagten mit der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), deren Mitglied der Kläger ist, geschlossenen Vergütungstarifvertrags verdiente er zuletzt 11.726,22 Euro brutto monatlich. Stationierungsort des Klägers war der Flughafen Nürnberg. Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass der Kläger auch an anderen Orten stationiert werden könne. Aufgrund der Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg Ende März 2020 aufzugeben, versetzte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2020 zum 30. April 2020 an ihre Homebase am Flughafen Bologna. Vorsorglich sprach sie eine entsprechende Änderungskündigung aus, die der Kläger unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annahm. Der Kläger hält seine Versetzung nach Bologna für unwirksam und hat im Wesentlichen gemeint, das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO erfasse nicht eine Versetzung ins Ausland. Zumindest sei eine solche unbillig, weil ihm sein tariflicher Vergütungsanpruch entzogen werde und ihm auch ansonsten erhebliche Nachteile entstünden. Dagegen hat die Beklagte gemeint, § 106 Satz 1 GewO lasse auch eine Versetzung ins Ausland zu, zumal als Alternative nur eine betriebsbedingte Beendigungskündigung in Betracht gekommen wäre. Ihre Entscheidung wahre billiges Ermessen, es seien alle an der Homebase Nürnberg stationierten Piloten ins Ausland versetzt worden, ein freier Arbeitsplatz an einem inländischen Stationierungsort sei nicht vorhanden gewesen. Zudem habe sie das mit der Gewerkschaft VC in einem „Tarifsozialplan bzgl. Stilllegung/Einschränkung von Stationierungsorten“ vorgesehene Verfahren eingehalten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bejahung der Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Art. 8 Rom I-Verordnung die Berufung des Klägers zurückgewiesen und angenommen, die Versetzung des Klägers an die Homebase der Beklagten am Flughafen Bologna sei nach § 106 Satz 1 GewO wirksam. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anwendbarkeit deutschen Rechts nach Art. 8 Rom I-Verordnung bejaht hat, sind hiergegen in der Revision von den Parteien keine Verfahrensrügen erhoben worden und revisible Rechtsfehler nicht ersichtlich. Ist – wie im Streitfall – arbeitsvertraglich ein bestimmter inländischer Arbeitsort nicht fest vereinbart, sondern ausdrücklich eine unternehmensweite Versetzungsmöglichkeit vorgesehen, umfasst das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO auch die Versetzung an einen ausländischen Arbeitsort. Eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, dass die Maßnahme billigem Ermessen entsprach und der Ausübungskontrolle standhält. Die Versetzung ist Folge der unternehmerischen Entscheidung, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit ist die Möglichkeit, den Kläger dort zu stationieren, entfallen. Die Beklagte hat das für einen solchen Fall in dem mit der Gewerkschaft VC geschlossenen Tarifsozialplan vereinbarte Verfahren eingehalten. Offene Stellen an einem anderen inländischen Stationierungsort gab es nicht, ein Einsatz als „Mobile Pilot“ war nicht möglich, eine Base-Präferenz hatte der Kläger nicht angegeben, alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten wurden an einen Standort in Italien versetzt. Die Weisung der Beklagten lässt den Inhalt des Arbeitsvertrags, insbesondere das arbeitsvertragliche Entgelt, unberührt. Dass der Kläger den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verliert, liegt an dem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt ist. Zudem sieht der Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiterbeschäftigt werden. Es ist auch nicht unbillig iSd. § 106 Satz 1 GewO, wenn die Beklagte mit der Versetzung verbundene sonstige Nachteile des Klägers, der seinen Wohnort Nürnberg nicht aufgeben will, finanziell nicht stärker ausgleicht, als es im Tarifsozialplan vorgesehen ist. Weil die Versetzung des Klägers bereits aufgrund des Weisungsrechts der Beklagten wirksam war, kam es auf die von ihr vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung nicht mehr an.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30. November 2022 – 5 AZR 336/21 – Hinweis: Der Senat hat am heutigen Tag in drei Parallelverfahren (- 5 AZR 352/21 -, – 5 AZR 369/21 -, – 5 AZR 462/21 -) die Revisionen der Kläger ebenfalls zurückgewiesen.
Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 30.11.2022
Der Kläger war ein eingetragener Verein und verfolgte Wettbewerbsverletzungen im Internet. Nach eigenen Angaben gehörten ihm ca. 2.750 Mitglieder an, von denen 43 aktiv waren. Die Restlichen waren passiv.
Das OLG Düsseldorf verneinte die Befugnis des Vereins, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Es fehle, so die Richter, an der erforderlichen Mitgliederstruktur:
"Im Hinblick auf die Mitgliederstruktur des Klägers kann indes nicht angenommen werden, dass er imstande ist, die Mitgliederinteressen tatsächlich wahrzunehmen. So kommt es zwar nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Klagebefugnis eines Verbands grundsätzlich nicht darauf an, über welche mitgliedschaftlichen Rechte dessen (...) Mitglieder verfügen, ob sie also stimmberechtigt sind oder nicht (...). Und weiter: "Dies ist für den Streitfall zu bejahen. Und weiter: "Die passiven Mitglieder haben dann (...) kein Stimmrecht und können (...) nicht in Vereinsorgane gewählt werden. So sind denn auch nach dem Vortrag des Klägers von den derzeit etwa 2.750 Mitgliedern (...) nur 43 aktive Mitglieder. Von diesen wiederum sind aber allein 13 Rechtsanwälte. Es fehle daher an der notwendigen Mitgliederstruktur, sodass der Kläger nicht berechtigt sei, Online-Wettbewerbsverletzungen zu verfolgen.
Es läuft das Revisionsverfahren vor dem BGH (Az.: I ZR 111/22).
Der Antragsteller ist als Berufsfußballer unter Vertrag eines englischen Fußballvereins und Mitglied der deutschen Nationalmannschaft. Die Antragsgegnerin vertreibt Fußball-Tausch- und Sammelkarten mit Bildnissen u.a. des Antragstellers in einem schwarzen Trikot nebst Spielernummer und im Hintergrund die Farben der deutschen Nationalflagge, nicht aber das DFB-Logo. Die Karten werden über Kioske und das Internet vertrieben. Der Antragsteller wendet sich gegen diesen Vertrieb. Er meint, das Verbreiten seiner Bilder als Nationalspieler erfolge ohne seine Einwilligung. Er habe nur in das Verwenden der Bilder, die ihn als Clubspieler zeigten eingewilligt. Das Landgericht hatte den auf Unterlassen gerichteten Eilantrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Dem Antragsteller stehe kein Unterlassungsanspruch zu, entschied das OLG. Er habe vielmehr in die Veröffentlichung und die Verbreitung der Karten eingewilligt. Dies folge aus dem Vertrag mit dem englischen Fußballverein. Dort sei der Antragsgegnerin das Recht eingeräumt worden, „die definierten Eigenschaften des Antragstellers ... zu nutzen. Als Eigenschaften ... sind ... der Name, das Bildnis, das Konterfei/Erscheinungsbild und Fotos des Antragstellers definiert“. Die Regelung erfasse nicht nur Bildnisse des Antragstellers, die ihn als Spieler des englischen Fußballvereins zeigten, sondern auch solche, die ihn als deutschen Nationalspieler zeigten. Dem Vertrag lasse sich eine Beschränkung auf Bilder als Clubspieler nicht entnehmen. Soweit der Antragsteller sich in dem Vertrag verpflichtete, pro Jahr zwei in UEFA-Spielen getragene Club-Shirts zur Verfügung zu stellen, deute dies zwar möglicherweise darauf hin, dass „die Parteien den Marketingwert des Antragstellers in erster Linien in seiner Rolle als Clubspieler ...gesehen haben“. Daraus folge aber nicht hinreichend sicher, dass die Nutzung von Bildern in anderen, etwas neutralen Trikots oder in anderen Zusammenhängen ausgenommen werden sollte. Eine solche Beschränkung folge auch nicht aus der weiteren vertraglichen Regelung, wonach die Antragsgegnerin im Fall der längerfristigen Verschiebung oder Absage der UEFA-Champions-League zur Kündigung berechtigt sei. Auch dies unterstreiche zwar, dass die Antragsgegnerin ihr jedenfalls ganz überwiegendes Interesse an dem Vertrieb der Bilder des Antragstellers in seinem Marketingwert als Clubspieler sehe. Daraus folge aber nicht, dass sie nicht auch einen „Marktwert“ (mit)nutzen wollte, den der Antragsteller als Nationalspieler mit hohem Bekanntheitsgrad habe. Schließlich ergebe sich auch nichts Anderes daraus, dass der englische Fußballverein am Vertrag über die Nutzung der Bilder beteiligt werde. Es sei davon auszugehen, dass der Wert der Bilder auch im Fall eines neutralen Zusammenhangs oder als Nationalspieler mindestens zu einem erheblichen Teil auch aus seiner Tätigkeit als Clubspieler resultiere.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.11.2022, Az. 16 W 52/22
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 01.12.2022
Die Kläger sind die Kinder eines bekannten deutschen Architekten, der 1953 ein verschweißtes Stahlrohrtischgestell mit mittiger, schrägliegender Kreuzverstrebung entworfen hatte. Ein Assistent des Architekten wollte mit einem solchen Tischmodell umziehen. Um es für den Umzug mit seinem Fahrzeug, einer sog. Ente, transportabel zu gestalten, beauftragte er einen Schlossermeister. Dieser zersägte den Tisch und entwickelte eine alternative zur Wiederverbindung der Kreuzstreben. Dabei entstand das später als „E2“ benannte Tischgestell. Die ursprünglich schräge Kreuzverstrebung wurde beim Modell „E2“ durch senkrecht gestellt, wodurch die praktische Verwendbarkeit des Tischgestells erhöht wurde. Das vom Schlossermeister konstruierte Tischgestell ging Mitte der sechziger Jahre in die Serienproduktion und wird von der Beklagten vertrieben. Die Kläger begehren nun von der Beklagten Schadensersatz. Sie meinen, die Gestaltung des Tischgestells der Beklagten entstelle bzw. beeinträchtige in urheberrechtswidriger Weise das ursprünglich von ihrem Vater geschaffene Modell. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Auch die Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Kläger könnten nicht Schadensersatz wegen der behaupteten Entstellung bzw. Beeinträchtigung des Werks ihres Vaters verlangen, führte das OLG aus. Unerheblich sei, dass das Urstück des angegriffenen Modells durch einen körperlichen Eingriff in Form des Zersägens und Neuzusammensetzens des ursprünglichen Tischmodells des Architekten entstanden sei. Die Kläger wendeten sich nicht gegen die Herstellung oder den Vertrieb dieses Urstücks, sondern gegen den Nachbau. Für diesen sei es unerheblich, ob das Gestell damals tatsächlich oder aber nur in der Vorstellung zerlegt worden sei. Das Modell „E2“ greife auch nicht in den „geistig-ästhetischen Gesamteindruck des Gestells“ von 1953 ein. Die „Einordnung des Gestells 1953 als urheberrechtlich schutzfähiges Werk (kann) nur aufgrund der diagonal angebrachten Kreuzstreben begründet werden“, begründete das OLG. Diese diagonale Kreuzverstrebung fehle jedoch gerade beim Modell „E2“. Die insgesamt minimalistische Gestaltung sei zwar ebenfalls für das Tischgestell von 1953 prägend, als Stil jedoch nicht eigenständig schutzfähig. Soweit das Modell „E2“ ebenfalls eine minimalistisch wirkende Stahlrohrkonstruktion eines Tischgestells aufweise, werde damit allein ein nicht geschützter Stil übernommen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.11.2022, Az. 11 U 139/21
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 29.11.2022
Der Kläger war User bei Facebook und verlangte wegen Datenschutzverstößen eine Geldentschädigung. Es ging dabei um die öffentlich zugänglich Daten des Klägers, die Dritte von den Facebook-Seiten abgreifen und konzentriert sammeln konnten. Der Kläger vertrat den Standpunkt, dass Facebook technische Sicherheitsvorkehrungen hätte treffen müssen, um ein massenhaftes Scraping zu verhindern. Das LG Gießen wies die Klage ab.
Es fehle bereits an dem notwendigen Schaden:
"Das Vorliegen eines konkreten, immateriellen Schadens, wozu auch Ängste, Sorgen, Stress sowie Komfort- und Zeiteinbußen zählen, hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Und weiter: "Auf diesen Umstand weist die Beklagte ihre Nutzer auch ausdrücklich hin, sodass es für die Kammer nicht nachvollziehbar ist, weshalb eine „weitere Veröffentlichung“ dieser Daten, bei dem Kläger zu einem unguten Gefühl geführt haben sollte. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. VG Hannover: Selbstständige Evangelisch-lutherische Kirche (SELK) unterliegt den Regelungen der DSGVO + Aufsicht der Landesdatenschutzbehörde _____________________________________________________________ Die 10. Kammer hat auf die mündliche Verhandlung vom heutigen Tage die auf die Feststellung gerichtete Klage, dass die Klägerin zum einen nicht der Datenschutzgrundverordnung unterfalle, sondern eigene Datenschutzvorschriften erlassen dürfe, und zum anderen nicht der Aufsicht durch die Landesdatenschutzbeauftragte in Niedersachsen unterliege, abgewiesen. Die Klägerin ist eine Kirche in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Bundesweit gehören ihr 150 Kirchengemeinden mit ca. 32.000 Mitgliedern an. Bereits 1993 setzte sie die "Richtlinie über den Datenschutz in der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche" mit Teilregelungen zum Datenschutz in Kraft. 2018 beschloss die Klägerin eine neue Richtlinie, die im Wesentlichen dem Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland entspricht. In der Folgezeit kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Anwendbarkeit der eigenen Datenschutzregeln und die Datenschutzaufsicht zwischen den Beteiligten, infolge derer die Klägerin Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhob. Die Klägerin begründete ihre Klage damit, dass sie aufgrund von Art. 91 Abs. 1 DSGVO berechtigt sei, eigene Datenschutzvorschriften in Kraft zu setzen und daher nicht der Anwendung der DSGVO unterliege. Infolgedessen sei sie nach Art. 91 Abs. 2 DSGVO berechtigt, eine eigene Aufsichtsbehörde einzurichten. Die Landesdatenschutzbeauftragte sei nicht zur Aufsicht berechtigt. Das Gericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Die Voraussetzungen der Vorschrift seien nicht gegeben. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der DSGVO, auf den es maßgeblich ankomme, lediglich rudimentäre Regelungen zum Datenschutz in Kraft gehabt, die die Anforderungen an umfassende Datenschutzvorschriften i.S.d. Art. 91 Abs. 1 DSGVO nicht erfüllten. Art. 91 Abs. 1 DSGVO sei als Bestandsvorschrift ausgestaltet. Angesichts des klaren Wortlaut und des Sinns und Zwecks der Norm sei sie auch abschließend zu verstehen. Darin liege kein Verstoß gegen Unionsrecht. Der EuGH habe in ständiger Rechtsprechung deutlich gemacht, dass die Anwendung der Vorschriften des Unionsrechts über den Datenschutz keinen Eingriff in die organisatorische Autonomie der Religionsgemeinschaften, Art. 17 AEUV, darstelle. Soweit die Klägerin aber bereits nach Art. 91 Abs. 1 DSGVO nicht berechtigt sei, eigene Datenschutzregeln weiter anzuwenden, sei sie nach Art. 91 Abs. 2 DSGVO auch nicht berechtigt, eine eigene Aufsichtsbehörde einzurichten. Sie unterfalle damit der Aufsicht der Beklagten. Gegen das Urteil kann vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg binnen eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Entscheidungsgründe die Zulassung der Berufung beantragt werden. Urteil vom 30.11.2022 Az. 10 A 1195/21
Quelle: Pressemitteilung des VG Hannover v. 30.11.2022
Die verklagte Firma warb für ihre Dienstleistungen online wie folgt:
"Bist du überhaupt impffähig?“ und "(...) ermöglicht es dir, dich umfassend über die potentiellen Folgen einer Corona-Impfung zu informieren. Die Bescheinigung stellte eine Ärztin aus, ohne dass diese einen persönlichen Kontakt zum Patienten hatte. Der User hatte vorher mehrere standardisierte Fragen zu beantworten.
Das LG Stade bejahte eine Wettbewerbsverletzung. Denn die so erstellte Bescheinigung sei ein unrichtiges Gesundheitszeugnis und somit strafbar:
"Zum einen handelt es sich bei der Bescheinigung um ein unrichtiges Gesundheitszeugnis im Sinne des § 278 Abs. 1 StGB, das zur Täuschung im Rechtsverkehr, nämlich etwa zur Vorlage beim Arbeitgeber, von einem Arzt ausgestellt wurde. (...) In dem Gesetzesverstoß liege zugleich eine Wettbewerbsverletzung, so die Richter: "Die Beklagten haften als Gehilfen des durch die unterzeichnende Ärztin (...) begangenen Wettbewerbsverstoßes. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. Italienische Datenschutzbehörde: 2 Mio. EUR DSGVO-Geldbuße gegen Clubhouse _____________________________________________________________ Wie die italienische Datenschutzbehörde mitteilt, hat sie gegen den Betreiber der audio-basierten Social-Media-App Clubhouse ein DSGVO-Bußgeld iHv. 2 Mio. EUR verhängt.
Die Aufsichtsbehörde sieht gleiche mehrere Datenschutzverletzungen:
Es existiert auch eine entsprechende Untersagungsanordnung gegen den Betreiber hinsichtlich der weiteren Datenverarbeitung. Das Dokument ist hier einsehbar. Es ist bislang unklar, ob der Bescheid rechtskräftig ist oder ob sich Clubhouse gegen die behördliche Maßnahme wehren wird.
In Deutschland laufen, soweit bekannt, die Untersuchungen der Datenschutzbehörden noch.
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