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Newsletter vom 08.01.2020 |
Betreff: Rechts-Newsletter 2. KW / 2020: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BVerfG: Presse darf gerichtliches Veröffentlichungsverbot nicht durch Folgebericht umgehen _____________________________________________________________ Die Presse darf ein gerichtliches Veröffentlichungsverbot bestimmter Fotos (hier: der G20-Ausschreitungen in Hamburg) nicht dadurch umgehen, dass sie in einem Folgebericht erneut die Fotos veröffentlicht und dabei mitteilt, dass sie "diese Fotos von den G20-Ausschreitungen in Hamburg … so nicht mehr zeigen" dürfe, "wenn es nach dem Landgericht" gehe (BVerfG, Beschl. v. 18.12.2019 - Az.: 1 BvR 957/19). Der BILD-Zeitung war in der Vergangenheit gerichtlich verboten worden, bestimmte Fotos von den G20-Ausschreitungen zu veröffentlichen. In einem Folgebericht veränderte die BILD-Zeitung den Ausschnitt der Fotos und publizierte diese erneut mit der Anmerkung, dass "diese Fotos von den G20-Ausschreitungen in Hamburg … so nicht mehr zeigen" dürfe, "wenn es nach dem Landgericht" gehe. Das OLG Frankfurt verhängte daraufhin ein Ordnungsmittel iHv. 50.000,- EUR (OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.01.2019 - Az. 16 W 4/19), da die Zeitung bewusst und gewollt die Entscheidung des Landgerichts umgangen habe. Bei dem einen Bild des Folgeberichts handle es sich um das gleiche Bild wie in der Ausgangsberichterstattung. Der Umstand, dass nunmehr das komplette Foto und nicht nur ein vergrößerter Teilausschnitt abgedruckt worden seien, ändere an der Rechtswidrigkeit nichts. Das BVerfG (Beschl. v. 18.12.2019 - Az.: 1 BvR 957/19) hat die gegen dieses Ordnungsmittel erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Denn der angegriffene Ordnungsmittelbeschluss verstoße offensichtlich nicht gegen Art. 5 GG und sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Folgeberichterstattung beziehe sich zwar - anders als die ursprüngliche Berichterstattung - auf ein rechtskräftiges Verbot der Foto-Veröffentlichung. Aus dem Begleittext der Folgeberichterstattung werde jedoch deutlich, dass die Beschwerdeführerin das Foto erneut veröffentlicht habe, weil sie das gerichtliche, von ihr nicht mit dem Rechtsmittel der Berufung angegriffene Veröffentlichungsverbot für falsch halte.
Aus der Pressefreiheit lasse sich jedoch kein Recht ableiten, gerichtliche Veröffentlichungsverbote mit Mitteln der Presse unterlaufen zu dürfen.
Es ging bei der Auseinandersetzung um die Frage, wie die Darstellung für den Zinssatz für Überziehungskredite anzugeben war. Die verklagte Bank hatte sämtliche Informationen zu dem Girokonto in tabellarischer Form online bereitgestellt, so auch den betreffenden Zinssatz für eine etwaige Überziehung. Dies stufte das OLG Frankfurt a.M. als nicht ausreichend ein.
Die gesetzliche Regelung in Art. 247a § 2 II EGBGB lautet:
"Der Sollzinssatz, der für die Überziehungsmöglichkeit berechnet wird, ist in den nach Absatz 1 zur Verfügung zu stellenden Informationen klar, eindeutig und in auffallender Weise anzugeben." Nach dem Wortlaut der Norm, so die Richter, reiche es nicht, dass die Angaben nur in der Gesamtdarstellung "versteckt" würden, sondern notwendig sei vielmehr ein deutliches Hervorheben gegenüber anderen Angaben im Preisverzeichnis. Der Gesetzgeber habe sich bewusst für diese Art der Darstellung entschieden, um für den Verbraucher eine entsprechende Transparenz zu gewährleisten. Es sei auch kein Widerspruch, dass in der Werbung die Sollzinsen stärker hervorgehoben werden müssten als bei Vertragsschluss.
Die unterschiedliche Behandlung lasse sich vielmehr dadurch erklären, dass dem Gesetzgeber eine Erstreckung dieser erweiterten Pflicht auch auf den Bereich unmittelbar vor Vertragsschluss durch die vollharmonisierende Verbraucherkreditrichtlinie verwehrt gewesen sei. Dass dem Gesetzgeber diese Problematik bewusst gewesen sei, zeigten die Ausführungen in der Gesetzesbegründung, wonach die Regelung von der Richtlinie nicht betroffen sei, da diese nur den Bereich bei/vor Vertragsschluss regele, nicht aber den übrigen Bereich wie hier die Werbung.
Gemäß § 22 TabakerzG müssen Verkäufer von Tabakerzeugnissen sich bei der zuständigen Behörde registriert haben.
Im vorliegenden Verfahren ging es um die Frage, ob ein ausländischer Online-Shop, der Tabakerzeugnisse bundesweit vertreibt, in jedem Bundesland registriert sein muss oder ob es ausreicht, nur in einem einzelnen angemeldet zu sein.
Das OLG Frankfurt a.M. ist der letzteren Ansicht gefolgt und lässt damit die einmalige Anmeldung in nur einem Bundesland genügen:
"Ein Verstoß gegen die Registrierungspflicht kann bei dieser Sachlage nicht angenommen werden. Die Bestimmung des § 22 Abs. 1 Nr. 2 TabakerzG ist so auszulegen, dass die Registrierung in einem Bundesland ausreicht, um einen bundesweiten Fernabsatz betreiben zu dürfen. (...) Und weiter: "Eine Auslegung der Bestimmung, wonach ein Fernabsatzunternehmen aus dem europäischen Ausland sich in jedem einzelnen Bundesland registrieren lassen muss, würde jedenfalls gegen die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV verstoßen. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. LG Dortmund: Webseite der Stadt Dortmund ist zu presseähnlich und damit rechtswidrig _____________________________________________________________ Die Webseite der Stadt Dortmund ist zu presseähnlich und verstößt damit gegen geltendes Wettbewerbsrecht (LG Dortmund, Urt. v. 08.11.2019 - Az.: 3 O 262/17). Klägerin war ein Dortmunder Verlag, der gerichtlich gegen die Webseite der Stadt Dortmund vorging. Sie sah das geltende Wettbewerbsrecht verletzt, weil die Stadt nicht bloß über ihre eigenen Aktivitäten berichte, sondern zudem zahlreiche weitere redaktionelle Berichte über sonstige Themen online publiziere. Das LG Dortmund gab der Klägerin Recht und untersagte der Stadt die weitere Berichterstattung in dieser Form. Als öffentlicher Träger habe die Beklagte den Grundsatz der Staatsferne der Presse zu beachten. Dieser Grundsatz schließe aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar Presseunternehmen beherrsche, die nicht lediglich Informationspflichten öffentlicher Stellen erfüllten. Der Staat dürfe sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse betätigen.
Hiergegen habe die Beklagte verstoßen, da gleich mehrere Beiträge (u.a. über die Meisterfeier von Borussia Dortmund oder über ein privates Hospiz) zu presseähnlich seien und damit gegen geltendes Wettbewerbsrecht verstießen.
Die Beklagte stellte u.a. Nachfüllflüssigkeiten für E-Zigaretten her und warb hierfür wie folgt:
"Genuss ohne Reue"und "Apothekenreine Premium eLiqids"Das LG Essen stufte beide Erklärungen als wettbewerbswidrig ein. Das Statement Genuss ohne Reue" werde von durchschnittlichen Verbrauchern als gesundheitsbezogene Aussage verstanden. Dabei handle es sich um eine irreführende Werbung, da der Eindruck erweckt werde, dass der Genuss des Produktes mit keinerlei Gesundheitsgefahren verbunden sei. Zwar werde an anderer Stelle auf die Gefahren des Nikotin Gebrauchs hingewiesen. Dies erfolge jedoch in nicht ausreichender, deutlicher Weise. Darüber hinaus werde der Nutzer auch durch die Widersprüchlichkeit der unterschiedlichen Aussagen verwirrt.
Die Reklame hinsichtlich der Apothekenreinheit sei ebenso unzulässig, da es sich um eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten handle. Der Begriff "Apothekenrein" sei eine Wortschöpfung, deren nähere Bedeutung sich weder durch eine Legaldefinition noch durch den allgemeinen Sprachgebrauch erschließe.
Die Beklagte warb in einer Print-Anzeige für unterschiedliche Getränke in Pfandflaschen, gab dabei jedoch nicht die genaue Pfandhöhe an. Vielmehr wurde mittels eines Sternchen-Hinweises ganz allgemein darauf hingewiesen, dass zusätzlich Pfand-Entgelte anfallen würden. Eine konkrete Höhe erfolgte nicht. Dies stufte das LG Gera als Verstoß gegen § 1 Abs.1 PAngVO ein. Es hätte die konkrete Pfandhöhe mit angegeben würden müssen.
Darüber hinaus werde auch gegen § 5a Abs.3 UWG gehandelt. Auch aus dieser Norm ergebe sich die Verpflichtung, die gesamten Kosten anzugeben und nicht nur Teilbeträge.
Die Beklagte war eine Instagram-Influencerin. Sie betrieb eine eigene gewerbliche Webseite mit einem Online-Shop zu den Themen Ernährung, Fitness und Coaching und unterhielt auch einen Instagram-Account, auf dem sie regelmäßig themenbezogene Neuigkeiten veröffentlichte. Sie verwies dabei auch auf die eigene Webseite. Darüber hinaus waren die Instagram-Fotos mit entsprechenden Tags versehen. Klickte man auf einen der Tags, so gelangte man auf die Online-Präsenzen der jeweiligen Hersteller der präsentierten Waren. Das LG Göttingen stufte dies als wettbewerbswidrige Schleichwerbung ein. Insbesondere sei nicht offensichtlich, dass es sich um Werbung handle. Denn die Beklagte betreibe ihr Profil nicht als Business-Account bei Instagram, sondern vielmehr als privates Profil. Der User erwarte hier daher Fitness-Tipps, jedoch keinen kommerziellen Auftritt.
Daher hätte die gewerblichen Angebote entsprechend gekennzeichnet werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, handle es sich um eine Wettbewerbsverletzung.
Die Beklagte war eine Instagram-Influencerin. Sie betrieb eine eigene gewerbliche Webseite mit einem Online-Shop zu den Themen Ernährung, Fitness und Coaching und unterhielt auch einen Instagram-Account, auf dem sie regelmäßig themenbezogene Neuigkeiten veröffentlichte. Sie verwies dabei auch auf die eigene Webseite. Darüber hinaus waren die Instagram-Fotos mit entsprechenden Tags versehen. Klickte man auf einen der Tags, so gelangte man auf die Online-Präsenzen der jeweiligen Hersteller der präsentierten Waren. Das LG Göttingen stufte dies als wettbewerbswidrige Schleichwerbung ein. Insbesondere sei nicht offensichtlich, dass es sich um Werbung handle. Denn die Beklagte betreibe ihr Profil nicht als Business-Account bei Instagram, sondern vielmehr als privates Profil. Der User erwarte hier daher Fitness-Tipps, jedoch keinen kommerziellen Auftritt.
Daher hätte die gewerblichen Angebote entsprechend gekennzeichnet werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, handle es sich um eine Wettbewerbsverletzung.
Ein deutscher Süßwarenhersteller produziert Fruchtgummi, das seine bunten Farben durch Pflanzen- und Fruchtextrakte erhält. Auf der Packungsrückseite wirbt er mit dem Hinweis "ohne künstliche Farbstoffe". Ein vom Land Baden-Württemberg in Auftrag gegebenes Gutachten ergab, die Deklarierung "ohne künstliche Farbstoffe" sei irreführend, weil eine Differenzierung von künstlichen und nicht künstlichen Farbstoffen vom Gesetzgeber nicht vorgesehen sei. Das zuständige Amt führte aus, die Bezeichnung "ohne künstliche Farbstoffe" verstoße daher gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung. Das Land Baden-Württemberg versandte dieses Gutachten daraufhin unter Benennung von Beschuldigten an die Staatsanwaltschaft. Im Hinblick darauf erhob der Süßwarenhersteller Klage. Er will die gerichtliche Feststellung erreichen, dass die Kennzeichnung "ohne künstliche Farbstoffe" nicht gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung verstößt. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren wurde im Hinblick auf diesen Rechtsstreit vorläufig eingestellt, da die Strafbarkeit von der von dem Verwaltungsgericht zu klärenden Frage abhänge, ob die Bezeichnung "ohne künstliche Farbstoffe" irreführend sei. Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Süßwarenherstellers stattgegeben. Es führt aus, die Kennzeichnung des Produkts mit der Angabe "ohne künstliche Farbstoffe" verstoße nicht gegen die Lebensmittel-Informationsverordnung. Sie verletze weder das Irreführungsverbot noch das Verbot der Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Die Kennzeichnung sei nicht irreführend. Der durchschnittliche Verbraucher werde sie zutreffend dahingehend verstehen, dass keine chemischen Stoffe eingesetzt wurden, um das bunte Fruchtgummi zu färben. Es sei nicht entscheidend, dass die zur Färbung des Fruchtgummis verwendeten Pflanzen- und Fruchtextrakte nach der Lebensmittelzusatzverordnung selbst gar nicht als Farbstoffe gelten und rechtlich nicht zwischen künstlichen und nicht-künstlichen Farbstoffen unterschieden werde. Maßgeblich sei der allgemeine Sprachgebrauch, dem eine solche Unterscheidung nicht fremd sei. So sei der Begriff der "künstlichen Farbstoffe" unter Anderem Gegenstand von Presseberichterstattung gewesen, nachdem britische Forscher einen Zusammenhang zwischen Konzentrationsschwierigkeiten bei Kindern und dem Genuss von Süßigkeiten mit bestimmten Farbstoffen gefunden hätten. Im Übrigen werbe der Hersteller auch nicht mit Selbstverständlichkeiten. Der Verzicht auf (künstliche) Farbstoffe sei ein besonderes Leistungsmerkmal des gekennzeichneten Produkts, da nicht alle Süßwaren dieser Art frei von Farbstoffen sein müssten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen. Das Land Baden-Württemberg kann damit binnen eines Monats Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.
Quelle: Pressemitteilung des VG Freiburg v. 02.01.2020
Der Kläger war eine politische Partei. Es ging um eine öffentliche Veranstaltung aus dem Jahr 2014, bei der über den Bau einer Ampelanlage gesprochen wurde, die das Überqueren einer vielbefahrenen Straße erleichtern sollte. An dieser Veranstaltung nahmen etwa 70 Personen teil, darunter auch die Eheleute S. Über die Veranstaltung wurde auch in der Presse berichtet. Den nach wie vor im Internet verfügbaren Berichten in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und in der Neuen Presse war jeweils ein Foto beigefügt, auf dem auch die Eheleute S abgebildet waren. Ein weiteres Foto von der Veranstaltung, auf dem die Eheleute S deutlich erkennbar abgebildet waren, wurde vom Kläger weiterhin auf seiner Website veröffentlicht. Auf einem anderen Foto von der Veranstaltung waren die Eheleute S ebenfalls erkennbar abgebildet. Dieses Foto veröffentlichte der Kläger auf seiner Fanpage bei Facebook, zusammen mit einem anderen Foto, auf dem die Baustelle abgebildet war, auf der die betreffende Ampelanlage errichtet wurde. Auf die Beanstandung der Eheleute hin wurde das Foto auf Facebook von dem Kläger gelöscht. Die zuständige Datenschutzbehörde sah in dem Verhalten des Klägers eine Datenschutzverletzung und sprach, da das Foto zwischenzeitlich entfernt wurde, lediglich eine Verwarnung aus. Hiergegen wehrte sich der Kläger gerichtlich. Das VG Hannover wies die Klage ab. Es könne dahinstehen, ob hier §§ 22, 23 KUG oder die DSGVO zur Anwendung kämen, da in beiden Fällen die Handlung nicht erlaubt gewesen sei.
Die Foto-Veröffentlichung sei zwar grundsätzlich nach § 23 Abs.1 Nr.3 KUG durchaus erlaubt, da es sich bei der damaligen Veranstaltung um eine Versammlung gehandelt habe. Jedoch widerspreche die Veröffentlichung den berechtigten Interessen der Eheleute S nach § 23 Abs.2 KUG:
" Die abgebildeten Personen haben (...) ein erhebliches Interesse daran, dass kein Foto, auf dem sie individuell erkennbar sind, auf einer Fanpage bei Facebook veröffentlicht wird. Aus dem gleichen Grunde scheitere die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs.1 f) DSGVO, da auch in dieser Konstellation die berechtigten Interessen der abgelichteten Person überwiegen würden. Insbesondere sei eine vollständige Ablichtung der Gesichter der Personen nicht notwendig: "Die Verwendung eines Fotos, auf dem bestimmte Personen erkennbar abgebildet sind, ist aber nicht „erforderlich“. (...). |