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Newsletter vom 08.02.2023 |
Betreff: Rechts-Newsletter 6. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Berichterstattung über Tod der Ehefrau _____________________________________________________________ Der BGH hat zur Frage, wann eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht stattfindet, wenn die Presse über den Tod der Ehefrau berichtet (BGH, Urt. v. 13.12.2022 - Az.: VI ZR 280/21). Die amtlichen Leitsätze lauten: "1. Zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Ehemanns durch eine Berichterstattung über die Umstände des Todes der Ehefrau. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. BAG: Dreijährige Verjährungsfrist bei Urlaubsgeltung bleibt bestehen _____________________________________________________________ Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018* und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, konnte die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen. Die Beklagte betreibt eine Flugschule. Sie beschäftigte den Kläger seit dem 9. Juni 2010 als Ausbildungsleiter, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Unter dem 19. Oktober 2015 verständigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für die Beklagte tätig werden sollte. Mit der im August 2019 erhobenen Klage verlangte der Kläger ua. Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte beim Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg, soweit er die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 in Höhe von 37.416,50 Euro in Anspruch nimmt. Bezogen auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 blieb sie erfolglos. Der Senat hat am 20. Dezember 2022 (- 9 AZR 266/20 – Pressemitteilung Nr. 48/22) entschieden, dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, kann der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch nach § 195 BGB verjähren und ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt seinerseits der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen kann die Verjährungsfrist nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist. Von dem Kläger konnte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19. Oktober 2015 nicht erwartet werden, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Der Senat ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 6. November 2018* neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, war der Kläger gehalten, Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen. Demgegenüber ist der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung musste der Kläger erkennen, dass die Beklagte Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist begann deshalb Ende des Jahres 2015 und endete mit Ablauf des Jahres 2018. Der Kläger hat die Klage erst im Jahr 2019 erhoben.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 456/20 – *EuGH vom 6. November 2018 – C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]
Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 31.01.2023
Es ging um die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Der potenzielle Kläger wollte das Jobcenter verklagen, da dieses unerlaubt Informationen über ihnen gespeichert hatte.
Das OLG Hamm entschied, dass allenfalls ein Anspruch iHv. 50,- EUR bestünde:
"Zu berücksichtigen ist insoweit, dass "nur" eine unzulässige Speicherung von personenbezogenen Daten des Klägers - seine Namen und seine Adresse - in einem überschaubaren Zeitraum von allenfalls drei Jahren infrage steht, ohne dass eine unzulässige weitere Verwendung der Daten, insbesondere ihre unzulässige Weitergabe an Dritte, ersichtlich geworden ist. (...) Und weiter: "Deswegen kommt Prozesskostenhilfe für einen Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 DSGVO im vorliegenden Fall grundsätzlich in Betracht. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Karlsruhe: Bank muss Guthaben trotz Vorlage des Sparbuchs nicht auszahlen _____________________________________________________________ Eine Bankkundin aus dem Großraum Baden-Baden kann von ihrem Geldinstitut trotz Vorlage eines Sparbuchs keine Auszahlung einer Spareinlage von 70.100 Euro verlangen. Mit einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 20. Dezember 2022 hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe die Berufung gegen ein entsprechendes klageabweisendes Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 4. März 2021 zurückgewiesen. Im Jahr 1992 hatte die Klägerin bei der beklagten Bank ein Sparkonto eröffnet. Als letzte Eintragung in ihrem Sparbuch ist am 21. März 1997 eine Zinsgutschrift von 2.639,72 DM zum 30. Dezember 1996, eine Bareinzahlung von 33.193,41 DM sowie ein Guthaben von 100.000 DM ausgewiesen. Die Klägerin hatte im Januar 2020 den Sparvertrag gekündigt, der Bank das nicht entwertete Sparbuch vorgelegt und die Auszahlung von 70.100 EUR verlangt. Die beklagte Bank hatte dagegen geltend gemacht, sie habe das Sparbuch am 16. April 1998 auf telefonische Weisung des dazu bevollmächtigten Ehemannes der Klägerin aufgelöst, das damalige Guthaben samt aufgelaufener Zinsen auf dem ebenfalls bei ihr geführten Girokonto der Klägerin als Bareinzahlung verbucht und den Betrag anschließend für die Klägerin und ihren Ehemann jeweils hälftig als Festgeld angelegt. Das Landgericht wies die Klage nach Vernehmung der damals tätigen Bankmitarbeiter ab, weil es sich davon überzeugt hatte, dass das Guthaben am 16. April 1998 ausgezahlt und damit der Anspruch der Klägerin aus dem Sparvertrag erfüllt wurde. Die gegen das Urteil des Landgerichts erhobene Berufung der Klägerin hatte vor dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Wie der Senat im Einzelnen ausgeführt hat, darf eine Bank zwar nicht schon deshalb die Auszahlung des in einem Sparbuch dokumentierten Guthabens verweigern, weil lange Zeit keine Eintragungen in dem Sparbuch vorgenommen wurden und die handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten abgelaufen sind. Vielmehr muss das Kreditinstitut auch in solchen Fällen beweisen, dass die Auszahlung des Sparbetrags bereits erfolgt ist. Die Unrichtigkeit eines Sparbuchs kann die Bank dabei nicht allein mit ihren internen Unterlagen nachweisen. Kommen jedoch weitere Umstände hinzu, kann dies zum Beweis genügen. Dazu gehört im jetzt entschiedenen Fall insbesondere der Eingang eines Betrages, der exakt der auf dem Sparkonto einschließlich Zinsen vorhandenen Sparsumme ent2spricht, auf einem anderen Konto der Berechtigten. Die von der Klägerin geäußerte Vermutung, diese auf ihrem Konto verbuchte Bareinzahlung vom 16. April 1998 stamme aus gesammelten Bareinnahmen des damals von den Eheleuten betriebenen Obsthandels, hat nicht zu Zweifeln des Senats an den von der Bank zu den Buchungsvorgängen vorgelegten Unterlagen geführt. Außerdem haben Zeugen, nämlich die damaligen Bankmitarbeiter, die Richtigkeit der bankinternen Dokumente bestätigt. Danach hatte der von der Klägerin bevollmächtigte Ehemann telefonisch die Auflösung des Sparbuchs, die Auszahlung auf das Girokonto und die anschließende Anlage als Festgeld beauftragt. Eine erneute Auszahlung des Geldes kann nicht verlangt werden. Das Urteil des Oberlandesgerichts ist nicht rechtskräftig. Zwar hat der Senat die Revision nicht zugelassen. Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin jedoch Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhoben. Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 20. Dezember 2022, Aktenzeichen: 17 U 151/21 Vorinstanz: Landgericht Baden-Baden, Urteil vom 4. März 2021, Aktenzeichen: 4 O 161/20
Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe v. 01.02.2023
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder in Halle (Saale) ist bundesländerübergreifend verantwortlich für die Bekämpfung von illegalem Glücksspiel im Internet und der Werbung dafür. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2022 ordnete die Behörde gegenüber der Antragstellerin – einer Anbieterin von Telekommunikationsdiensten mit Sitz in Rheinland-Pfalz – u.a. an, bestimmte Internetseiten (Domains) mit Glücksspielangeboten von zwei Lotterieunternehmen mit Sitz in der Republik Malta im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten als Zugangsvermittler zu sperren, so dass ein Zugriff über die von der Antragstellerin in Deutschland zur Verfügung gestellten Zugänge zum Internet nicht mehr möglich sei. Die Antragstellerin erhob dagegen Klage und suchte zugleich um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Das Verwaltungsgericht Koblenz lehnte ihren Eilantrag ab. Auf die hiergegen eingelegten Beschwerden der Antragstellerin und der beigeladenen Glücksspielanbieter änderte das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ab und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die angefochtene Sperrungsanordnung an. Die gegenüber der Antragstellerin getroffene Sperrungsanordnung sei offensichtlich rechtswidrig. Sie könne nicht auf die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des am 1. Juli 2021 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrages 2021 – GlüStV 2021 – gestützt werden. Nach dieser Bestimmung könne die Antragsgegnerin als Glücksspielaufsicht nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes – TMG – verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erwiesen. Diese Voraussetzungen seien aber nicht erfüllt. Bei der Antragstellerin handele es sich bereits nicht um einen im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlichen Diensteanbieter, so dass es keiner Entscheidung bedürfe, ob die weiteren Voraussetzungen der Regelung für ein Einschreiten gegen die Antragstellerin gegeben seien. Das Gericht teile nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, dass sich die Verantwortlichkeit der Diensteanbieter nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aus dieser Norm selbst bestimme, ohne dabei auf eine Verantwortlichkeit nach dem Telemediengesetz abzustellen. Der Wortlaut der Vorschrift lasse diese Auslegung nicht zu. Ein derartiges Normverständnis werde auch nicht durch die Entstehungsgeschichte oder den Sinn und Zweck der Regelung getragen. Die Antragstellerin sei nach Maßgabe des dargelegten Verständnisses des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 kein im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlicher Diensteanbieter. Nach der für die Antragstellerin als Zugangsvermittler maßgeblichen Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG seien Diensteanbieter für fremde Informationen, zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermittelten, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr. 1), den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert hätten (Nr. 3). Die Antragstellerin erfülle diese Haftungsausschlussvoraussetzungen. Weder veranlasse sie die Übermittlung der Glücksspielinhalte noch wähle sie diese oder den Adressaten aus. Die Haftungsprivilegierung finde zwar nach § 8 Abs. 1 Satz 3 TMG keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeite, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Ein solcher Fall scheide hier jedoch offenkundig aus. Die angegriffene Sperrungsanordnung könne auch nicht auf die Auffangermächtigung des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 gestützt werden, wonach die für alle Länder oder in dem jeweiligen Land zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen könne. Einer Anwendung dieser allgemeinen Auffangermächtigung stehe insoweit die spezialgesetzliche Sonderregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 entgegen, die eine abschließende Regelung für das Ergreifen von Maßnahmen zur Sperrung unerlaubter Glücksspielangebote gegen Diensteanbieter enthalte. Beschluss vom 31. Januar 2023, Aktenzeichen: 6 B 11175/22.OVG
Quelle: Pressemitteilung des OVG Koblenz v. 01.02.2023
Es ging um ein strafrechtliches Verfahren. Der Beschuldigte saß in Untersuchungshaft und wehrte sich gegen diese Maßnahme. Dabei stellte sich die Frage, ob die mittels der ANOM-App des FBI erhobenen Daten verwenden werden dürfen oder ob diese einem Verwertungsverbot unterliegen. Bei ANOM handelte es sich um einen Fake-Messanger des FBI, der vorgab, sichere, verschlüsselte Übertragung zu ermöglichen, in Wahrheit aber die Daten an die amerikanischen Ermittlungsbehörden übertrug.
Das OLG Saarbrücken verneinte ein Beweisverwertungsverbot:
"Der Verwertbarkeit steht auch nicht entgegen, dass die vom Angeklagten genutzte A.-App vom FBI mit dem Ziel entwickelt und dem Markt verdeckt zur Verfügung gestellt worden ist, die über den Server des Providers A. laufende, Ende zu Ende verschlüsselte Kommunikation aufgrund gerichtlicher Anordnung des bislang nicht näher benannten EU-Mitgliedstaates, in dem der Server gelegen ist, zu erheben und mittels eines bei der Entwicklung angehefteten Master-Keys zu entschlüsseln." Und weiter: "Aufgrund des Grundsatzes gegenseitiger Anerkennung (Art. 82 AEUV) lässt ein von den nationalen deutschen Vorschriften abweichendes Verfahren die Verwertbarkeit von im Ausland erhobenen Beweisen grundsätzlich unberührt (....), und die nationalen deutschen Gerichte sind nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit von originär im Ausland, mithin nicht aufgrund deutschen Rechtshilfeersuchens durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen anhand der Vorschriften des ausländischen Rechts auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (...). Das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots ist demnach ausschließlich nach nationalem Recht zu bestimmen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. OLG Stuttgart: Berichterstattung über angebliche Nottötungen in Zuchtbetrieb rechtswidrig _____________________________________________________________ Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit seinem heutigen Urteil in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Berufung einer Tierschutzorganisation zurückgewiesen, die sich gegen die Untersagung bestimmter Äußerungen im Rahmen ihrer Berichterstattung über einen Kaninchenzuchtbetrieb richtete. Dem liegt zugrunde, dass die Tierschutzorganisation auf ihrem Internet-Presseportal und über den sogenannten ots-Ticker über den Kaninchenzuchtbetrieb unter Nennung der Firma, des Betriebsstandorts und der dort gezüchteten Kaninchenrasse berichtete und u.a. Vorwürfe über „Tierquälerei“, “schockierende Zustände“ und „tierschutzwidrige Nottötungen“ erhob. Eine vorherige Anhörung oder Konfrontation der hiesigen Kläger – des Kaninchenzuchtbetriebs und dessen Gesellschafter – mit den Vorwürfen hat nicht stattgefunden. Daraufhin ließen die Kläger die Tierschutzorganisation und ihren Vorsitzenden, einen freien Journalisten, anwaltlich abmahnen und erwirkten nach Zurückweisung der geltend gemachten Ansprüche eine einstweilige Verfügung, mit der das Landgericht Ellwangen den Beklagten untersagte, unter Verwendung bestimmter Begriffe – unter anderem den Namen des Betriebs und der dort gezüchteten Kaninchenrasse sowie den Standort – identifizierend über die Kläger zu berichten. Auf Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht Ellwangen die einstweilige Verfügung bestätigt und ausgeführt, die verbotenen Äußerungen griffen wegen eines Verstoßes gegen die Vorgaben der Verdachtsberichterstattung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger ein, die ohne weiteres identifizierbar seien. Dagegen richtete sich die Berufung der Beklagten mit dem Ziel, eine Zurückweisung des Verfügungsantrags zu erreichen. Sie bringen im Wesentlichen vor, dass die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung vorliegend keine Anwendung finden könnten und die Kläger schon wegen des erheblichen öffentlichen Interesses eine wahrheitsgemäße Berichterstattung hinzunehmen hätten, zumal sie lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen seien. Die Berufung der Beklagten blieb beim Oberlandesgericht ohne Erfolg: Zunächst handele es sich bei der beklagten Tierschutzorganisation, deren Vorsitzender freier Journalist ist und schon deshalb die besonderen Pflichten der Presse gegen sich gelten lassen müsse, um einen Verein, der satzungsgemäß professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreibe und bereits zahlreiche Pressemitteilungen veröffentlicht habe, aber auch Presseanfragen beispielsweise an ein Landratsamt gerichtet habe. Daraus, dass der Verein für sich das Grundrecht der Pressefreiheit in Anspruch nehme, folge umgekehrt, dass er sich an den für die Presse geltenden besonderen Sorgfaltspflichten festhalten lassen müsse. Weiter seien die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur auf die Berichterstattung über Straf- und Ermittlungsverfahren anzuwenden, sondern auch auf Kritik an Unternehmen und die dafür Verantwortlichen sowie auf die Berichterstattung über rechtswidriges Verhalten. Im vorliegenden Fall, so der Senat, liege auch eine Verdachtsberichterstattung vor, nachdem anders als von den Beklagten behauptet nicht lediglich über unstreitig wahre Tatsachen wie die Erstattung einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Ellwangen berichtet werde, sondern – auch und gerade beim Hauptvorwurf der tierschutzwidrigen Tötung – kein endgültig feststehender Sachverhalt, sondern ein bloßer Verdacht geäußert werde. Zwar gehöre es zu den legitimen Aufgaben der Medien, Verfehlungen – auch konkreter Personen – aufzuzeigen. Bestehe allerdings erst der Verdacht einer Straftat, so seien die Medien bei besonderer Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet. In diesem Rahmen sei nach den höchstrichterlichen Vorgaben vor einer Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme der Betroffenen einzuholen, damit diese ihren Standpunkt äußern könnten. Die Veröffentlichung der Pressemitteilung unter ausdrücklicher bzw. identifizierender Nennung der Kläger sei jedoch unstreitig ohne die vorherige Einholung einer Stellungnahme der Kläger zu den in der Pressemitteilung geschilderten Vorwürfen erfolgt, obwohl dies schon aufgrund der ebenfalls unstreitigen Erreichbarkeit der Kläger per Mail problemlos möglich gewesen wäre. Schon allein deshalb bestehe der Unterlassungsanspruch. Die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist rechtskräftig.
Aktenzeichen:
Quelle: Pressemitteilung v. 01.02.2023
Der Kläger hatte im Internet bei der Beklagten an Online-Glücksspielen teilgenommen. Die Beklagte saß in Gibraltar und verfügte über eine lokale Genehmigung. Eine Lizenz in Deutschland besaß das Unternehmen nicht. Nun begehrte der Kläger die Rückerstattung seiner verlorenen Spieleinsätze. Zu Recht, wie das LG Heidelberg entschied.
Zwar habe die verklagte Firma in ihren AGB eine Gerichtsstandwahl und die Anwendung maltesischen Rechts vorgeschrieben. Diese Bestimmungen seien jedoch nicht wirksam.
"Der Verbrauchergerichtsstand des Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO erlaubt es dem Verbraucher, beim Gericht seines Wohnsitzes „ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des anderen Vertragspartners“ klagen, also auch dann, wenn der Vertragspartner in einem Drittstaat ansässig ist (...). Auf die in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Gerichte von Gibraltar kann sich die Beklagte nicht berufen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist gemäß Art. 25 Abs. 4 EuGVVO nicht zulässig, wenn sie den Bestimmungen des Art. 19 EuGVVO zuwiderläuft." Und weiter: "Der vorliegende Sachverhalt beurteilt sich nach deutschem Sachrecht. (...) Da die Beklagte über keine deutsche staatliche Genehmigung verfüge, sei der Vertrag unwirksam und die erhaltenen Gelder zurückzugeben: "Indem die Beklagte ihr Online-Glücksspielangebot auch Spielteilnehmern aus Baden-Württemberg wie dem Kläger zugänglich gemacht hat, hat sie gegen das Veranstaltungsverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstoßen. Eine etwaige Erlaubnis der Beklagten nach gibraltarischem Recht ändert mangels Vollharmonisierung des Glücksspielrechts nichts an der Illegalität des Angebots der Beklagten in Deutschland (...). zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. VG Berlin: Polizist darf sich auf TikTok und YouTube nicht "Officer" nennen _____________________________________________________________ Ein Polizist darf nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vorerst nicht mehr unter dem Namen „Officer (…)“ auf verschiedenen sozialen Plattformen auftreten. Der Antragsteller, der als Polizeihauptkommissar im Dienst des Antragsgegners steht, betrieb auf der Social Media Plattform TikTok ein Profil mit Polizeibezug; er gab sich dabei den Namen „Officer (…)“. Nachdem bekannt geworden war, dass er auf dem TikTok-Kanal per Livestream ein Interview mit einem bekannten Angehörigen eines Berliner Clans geführt und diesen hierbei geduzt hatte, untersagte der Antragsgegner ihm diese Tätigkeit unter Anordnung der sofortigen Vollziehung; das Verbot wurde im Juni 2022 auf weitere soziale Medien erstreckt. Auf seinen Widerspruch verbot der Antragsgegner dem Antragsteller sodann generell eine Nebentätigkeit mit Polizeibezug auf allen bestehenden oder zukünftigen Kanälen und Plattformen sozialer Medien und forderte ihn zugleich zur sofortigen Löschung aller Beiträge mit Polizeibezug sowie des Profilnamens „Officer (…)“ auf. Die 36. Kammer hat den hiergegen gerichteten Eilantrag des Antragstellers zurückgewiesen. Der Antragsteller habe bei der Ausübung der Nebentätigkeit dienstliche Pflichten verletzt. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Tätigkeit als etwaige künstlerische Betätigung keiner Nebentätigkeitsgenehmigung bedürfe. Denn das Interview mit dem Angehörigen eines Berliner Clans offenbare ein nicht zu akzeptierendes Näheverhältnis zum Clan-Milieu. Dies begründe Zweifel daran, ob der Antragsteller sein Amt künftig pflichtgemäß und unparteiisch ausüben werde. Als Polizeibeamter unterliege der Antragsteller besonderen Treuepflichten gegenüber seinem Dienstherrn, denen private Kontakte in diese Szene widersprächen. Gegen den Beschluss ist beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde eingelegt worden. Beschluss der 36. Kammer vom 24. Januar 2023 (VG 36 L 388/22)
Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin v. 03.02.2023
Die Klägerin nahm den Beklagten anlässlich einer – vermeintlich – öffentlichen Wiedergabe auf Schadensersatz wegen widerrechtlicher Nutzung urheberrechtlich geschützter Musikwerke in Anspruch. Vorausgegangen waren drei Besuche eines Außendienstmitarbeiters der Klägerin in der vom Beklagten betriebenen Pizzeria. Dabei sei jeweils ein Fernseher mit angestelltem Ton gelaufen. Die Klage blieb ohne Erfolg. Nach Würdigung des Amtsgerichts habe in dem konkreten Fall keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtsgesetzes stattgefunden. Eine solche setze zum einen voraus, dass viele Personen beschallt werden, wenn auch nicht notwendig gleichzeitig. Auch dürfe es sich nicht bloß um einen abgegrenzten Kreis von untereinander persönlich verbundenen Personen handeln. Bereits hieran fehle es im entschiedenen Fall. Der Beklagte betreibe in erster Linie einen Lieferdienst, bei dem die Kunden telefonisch ordern und das Geschäft überwiegend nicht betreten. Die Anzahl der Selbstabholer beschränke sich auf circa 10 Personen pro Tag. Darüber hinaus im Geschäft anwesende Mitarbeiter und Familienangehörige des Beklagten stellten keine Öffentlichkeit dar. Zum anderen setze eine öffentliche Wiedergabe voraus, dass sich der Nutzer (hier der Beklagte) gezielt an das Publikum wendet. Das Publikum müsse außerdem für die Wiedergabe bereit sein und nicht bloß zufällig erreicht werden. Auch diese Voraussetzung hat das Amtsgericht in dem entschiedenen Fall verneint. Die Selbstabholer würden – vergleichbar den Wartenden in einer Zahnarztpraxis – ohne ihr Wollen und ohne Rücksicht auf ihre Aufnahmebereitschaft zwangsläufig von der Hintergrundmusik erreicht, während sie auf ihre Pizza warten. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des AG Frankfurt a.M. v. 31.01.2023
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