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Newsletter vom 08.05.2019
Betreff: Rechts-Newsletter 19. KW / 2019: Kanzlei Dr. Bahr


anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 19. KW im Jahre 2019. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Schwerpunkten Recht der Neuen Medien, Glücksspiel- / Gewinnspielrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutzrecht, Presserecht und Wirtschaftsrecht.

Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Dr-Bahr.com/kontakt.html


1. BVerfG: ZDF muss NPD-Wahlwerbespot nicht ausstrahlen

2. OLG Düsseldorf: Auch im Wettbewerbsrecht: Keine einstweiilige Verfügung ohne vorherige Anhörung der Gegenseite

3. OLG Frankfurt a.M.: Ausländische E-Book-Plattform haftet nach deutschem Urheberrecht

4. OLG Frankfurt a.M.: Zitatrecht kann auch umfangreiche schriftliche Auszüge erlauben

5. OLG Frankfurt a.M.: Kritische Töne über Konkurrenzunternehmen noch nicht wettbewerbswidrig

6. OLG München: UWG-Anspruch wegen Cold Call nicht durch DSGVO und ePrivacy-VO ausgeschlossen

7. LG Berlin: Online-Ärze-Portal muss auf Provisionen hinweisen / Mouse-Over-Hinweis nicht ausreichend

8. LG Frankenthal: Werbe-Inserent haftet für unverlangte zugesandte Stand-Alone-E-Mail-Werbung

9. LG München I: Amazon haftet für urheberrechtswidrige Produktfotos seiner Marketplace-Verkäufer

10. AG Charlottenburg: TK-Anbieter hat keinen durchsetzbaren Anspruch wegen überhöhter mobiler Datennutzung

Die einzelnen News:

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1. BVerfG: ZDF muss NPD-Wahlwerbespot nicht ausstrahlen
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Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom heutigen Tag einen Eilantrag der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands, mit dem die Ausstrahlung eines Wahlwerbespots begehrt wurde, abgelehnt.

Die Partei hatte beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) einen Wahlwerbespot für die Europawahl eingereicht, in dem behauptet wird, Deutsche würden „seit der willkürlichen Grenzöffnung 2015 und der seither unkontrollierten Massenzuwanderung fast täglich zu Opfern ausländischer Messermänner“. Auf die sich anschließende Aussage „Migration tötet!“ folgt ein Aufruf zur Schaffung von Schutzzonen als Orten, an denen Deutsche sich sicher fühlen sollten.

Das ZDF lehnte die Ausstrahlung des Werbespots in den dafür vorgesehenen Zeitfenstern am 29. April und 15. Mai 2019 ab, da dieser den Straftatbestand der Volksverhetzung erfülle. Das Verwaltungsgericht Mainz und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigten diese Auffassung des ZDF und wiesen den Antrag der Partei auf Eilrechtsschutz zurück.

Mit Beschluss vom heutigen Tag hat die 2. Kammer des Ersten Senats den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit dem die NPD eine Verpflichtung des ZDF zur Ausstrahlung des Wahlwerbespots begehrte. Eine Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache wäre offensichtlich unbegründet, da sich die Entscheidungen im fachgerichtlichen Wertungsrahmen hielten. Es sei nicht erkennbar, dass die Fachgerichte den Schutzgehalt der Meinungsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verkannt hätten.

Beschl. v. 27.04.2019 - Az.: 1 BvQ 36/19

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG v. 27.04.2019

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2. OLG Düsseldorf: Auch im Wettbewerbsrecht: Keine einstweiilige Verfügung ohne vorherige Anhörung der Gegenseite
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Die Rechtsprechung des BVerfG, wonach ein Gericht eine einstweilige Verfügung grundsätzlich nicht ohne vorherige Anhörung erlassen darf, gilt auch im Wettbewerbsrecht. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses, sondern ist heilbar (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.02.2019 - Az.: 15 U 45/18).

Das BVerfG hat vor kurzem - in Pressesachen - entschieden, dass in einem einstweiligen Verfügungsverfahren ein Gericht der Antragsgegnerseite grundsätzlich das Recht auf Gehör gewähren muss (BVerfG, Beschl. v. 30.09.2018 - Az.: 1 BvR 1783/17). Auch wenn Pressesachen häufig eilig seien, folge hieraus kein schutzwürdiges Interesse daran, dass die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs oder eines Gegendarstellungsrechts dem Antragsgegner verborgen bleibe.

Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des OLG Düsseldorf auch auf das Wettbewerbsrecht übertragbar. Mit deutlichen Worten erkennt es eine identische Interessenslage:

"Vorstehende Grundsätze sind auf das Verfahrensrecht des unlauteren Wettbewerbs zu übertragen (...). Die prozessuale Situation, für die das Bundesverfassungsgericht die vorgenannten Kriterien entwickelt hat, unterscheidet sich nicht von der vorliegenden.

Auch im Wettbewerbsprozess darf das Gericht den Antragsgegner regelmäßig nur dann auf eine nachträgliche Anhörung verweisen, wenn im Einzelfall ansonsten der Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens verhindert würde. Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - auf der Basis des Lauterkeitsrechts die Unterlassung von Äußerungen in einer bereits veröffentlichten Pressemitteilung geltend gemacht wird."


Im vorliegenden Fall war keine außergerichtliche Abmahnung erfolgt, sondern die Gläubigerin hatte bei Gericht direkt einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt. Das LG Düsseldorf erließ diese.

Die Antragsgegnerin ging in den Widerspruch, das LG Düsseldorf bestätigte durch Urteil den Beschluss. Im Rahmen der Berufung rügte die Beklagte u.a., dass die einstweilige Verfügung ohne ihre vorherige Anhörung ergangen und somit bereits aus diesem Grunde unwirksam sei.

Das OLG Düsseldorf folgte dieser Ansicht nicht, sondern bestätigte das erstinstanzliche Urteil.

Zwar hätte das LG Düsseldorf die Antragsgegnerin nach der neuesten Rechtsprechung des BVerfG anhören müssen. Da dies unterblieben sei, sei gegen das Recht auf rechtliches Gehör verstoßen worden. Trotz dieser Verletzung sei jedoch die gerichtliche Entscheidung wirksam.

Die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs führe nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses. Vielmehr sei durch die Einlegung des Widerspruchs in der 1. Instanz die Zuwiderhandlung geheilt worden.

Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG könnten derartige Verstöße durch die nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs behoben werden. Zudem sei nach Einlegung des Widerspruchs in der 1. Instanz mündlich verhandelt worden, sodass die Antragsgegnerseite ihre Argumente, wenn auch zeitlich verspätet, ausreichend habe vortragen können.

Eine Gefahr, dass die erstinstanzlichen Gerichte die Vorgaben des BVerfG ignorieren könnten, konnte das OLG Düsseldorf nicht erkennen:

"Die von der Verfügungsbeklagten gesehene Gefahr, die Auffassung des Senats könne dazu führen, dass die Erstgerichte mangels zu befürchtender Sanktionen weiterhin Beschlussverfügungen ohne die notwendige Beteiligung des Antragsgegners erlassen könnten, besteht nicht.

Denn gerade im Falle eines bewussten und systematischen Übergehens prozessualer Rechte, das die Fachgerichte im Vertrauen daraufhin praktizieren, dass diese Rechtsverletzungen angesichts später eröffneter Verteidigungsmöglichkeiten folgenlos blieben und deshalb nicht geltend gemacht werden könnten, ist dem Antragsgegner unmittelbar der Weg der Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlussverfügung eröffnet (BVerfG GRUR 2018, 1291 Rn 23 - Steuersparmodell eines Fernsehmoderators). Es ist vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten, dass die Erstgerichte ihre frühere Praxis fortsetzen, sondern Beschlussverfügungen ohne Anhörung des Antragsgegners zukünftig die absolute Ausnahme bilden werden."


Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Entscheidung ist eine der ersten praktischen Auswirkungen der kürzlich ergangenen Entscheidung des BVerfG in Pressesachen. Das OLG Düsseldorf hatte bereits in einem früheren Beschluss (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.03.2019 - Az.: 11 W 70/18) deutlich gemacht, dass es die Rechtsprechung auch auf das Wettbewerbsrecht überträgt.

Das vorliegende Urteil geht noch darüber hinaus und beschäftigt sich mit den praktischen Konsequenzen, wenn gegen das rechtliche Gehör verstoßen wurde.

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3. OLG Frankfurt a.M.: Ausländische E-Book-Plattform haftet nach deutschem Urheberrecht
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Die Betreiberin einer international ausgerichteten Internet-Plattform, auf der kostenfrei literarische Werke veröffentlicht werden, haftet für Urheberrechtsverletzungen in Deutschland, wenn die in deutscher Sprache angebotenen Werke nach deutschem Urheberrecht noch nicht gemeinfrei sind und die Betreiberin sich die von Dritten auf der Plattform eingestellten Werke "zu eigen" gemacht hat. Der Geschäftsführer haftet ebenfalls, wenn er lediglich eine Prüfung US-amerikanischen Urheberrechts veranlasst, trotz der bestimmungsgemäßen Ausrichtung der Webseite auch auf deutsche Nutzer.

Die Klägerin ist ein Verlag und gibt u.a. Werke von Thomas Mann, Heinrich Mann und Alfred Döblin heraus. Die Beklagte ist eine "non-for-profit-Corporation" nach US-amerikanischem Recht. Sie betreibt eine auch in Deutschland abrufbare Webseite, deren Ziel die Veröffentlichung von in den USA gemeinfreien Werken ist. Auf der Homepage sind über 50.000 Bücher als E-Books kostenlos abrufbar, u.a. 18 Werke der genannten drei Autoren auch in deutscher Sprache. Die Bücher werden von freiwillig für die Beklagte tätigen Dritten (sog. volunteers) auf der Plattform eingestellt. Die Beklagte veranlasst vor der Veröffentlichung eine Prüfung ausschließlich nach US-amerikanischem Urheberrecht.

Die Klägerin meint, die Beklagte verletze die ihr zustehenden Urheberrechte an den 18 Werken. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassen in Anspruch. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die deutschen Gerichte seien international zuständig, da die Inhalte der Webseite auch in Deutschland abgerufen werden können, stellt das OLG zunächst klar. Anwendbar sei deutsches Recht. Nach den Regelungen des internationalen Privatrechts richte sich die Frage, ob Ansprüche wegen der Verletzung von Urheberrechten bestehen, nach dem Recht des sog. Schutzlandes, also hier der Bundesrepublik Deutschland.

Die Beklagte verletze ausschließliche urheberrechtliche Nutzungsrechte der Klägerin. Die Klägerin habe nachweisen können, dass ihr in Deutschland an den streitgegenständlichen Werken ausschließliche Nutzungsrechte zustünden. Nach deutschem Recht seien die Werke - noch - nicht gemeinfrei (anders als in den USA).

Die Beklagte hafte für die über ihre Plattform abrufbaren Werke auch als sog. Täterin. Der Betreiber einer Internetplattform sei für dort zugänglich gemachte Inhalte nicht nur verantwortlich, wenn er die Inhalte selbst geschaffen habe. Es genüge, dass er sich die Inhalte "zu eigen" gemacht habe. Das sei hier der Fall. So bezeichne die Beklagte die von den sog. volunteers auf ihrer Plattform eingestellten Werke als "our books"; zudem verweise sie auf eine mit der angebotenen Literatur verbundene "Project ... License". Schließlich habe sie willentlich an dem Angebot ihrer Webseite für deutsche Nutzer festgehalten, auch nachdem die Klägerin sie auf den noch bestehenden Urheberschutz in Deutschland hingewiesen hatte. Die fehlende Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten sei für die Frage einer unzulässigen öffentlichen Wiedergabe ohne Bedeutung.

Der zudem in Anspruch genommene Geschäftsführer der Beklagten hafte ebenfalls für die Urheberrechtsverletzungen. Grundsätzlich treffe einen Geschäftsführer zwar nicht die Verpflichtung, "jedwedes deliktische Verhalten – also im urheberrechtlichen Bereich jede Urheberrechtsverletzung – zu verhindern, die aus dem von ihm geleiteten Unternehmen heraus begangen werden". Beruhe aber die Rechtsverletzung auf einer Maßnahme der Gesellschaft, die typischerweise auf Geschäftsführerebene entschieden werde, sei davon auszugehen, dass sie von dem Geschäftsführer veranlasst worden sei. Hier habe der Geschäftsführer das Konzept der Beklagten, literarische Werke vor ihrer Veröffentlichung lediglich nach US-amerikanischen Urheberrecht zu prüfen, obwohl sich die Seite bestimmungsgemäß auch an deutsche Nutzer richtete, selbst herausgearbeitet und praktiziert.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 30.04.2019, Az. 11 O 27/18
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.02.2018, Az. 2-03 O 494/14)

Des Urteils nicht rechtskräftig. Es kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH die Zulassung der Revision begehrt werden.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 30.04.2019

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4. OLG Frankfurt a.M.: Zitatrecht kann auch umfangreiche schriftliche Auszüge erlauben
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Hält ein Autor eine frei zugängliche Vorlesung, können auch umfangreiche Zitate aus dieser Rede innerhalb einer sich mit dieser Vorlesung auseinandersetzenden Berichterstattung zulässig sein. Die Voraussetzungen für die Rechtfertigung von Zitaten (§ 51 UrhG) sind über die gesetzlichen Anforderungen hinaus nicht davon abhängig, ob das in öffentlicher Rede gehaltene Sprachwerk vor der Zitierung schriftlich erschienen ist. Dies gilt auch, wenn das Sprachwerk die Intimsphäre des Urhebers betrifft, urteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil.

Der Kläger ist Schriftsteller, die Beklagte ist ein Presseunternehmen und betreibt ein Onlinemedium. Der Kläger hielt im Frühjahr 2018 im Rahmen einer Gastdozententätigkeit eine frei zugängliche Vorlesung. Die Beklagte berichtete am Folgetag ausführlich über diesen Vortrag. Dabei gab sie in mehreren Textblöcken wörtliche Zitate aus der Rede wieder, in denen auch persönliche Erlebnisse des Klägers geschildert worden waren.

Der Kläger begehrt nun im Eilverfahren, der Beklagten die Vervielfältigung und Verbreitung konkreter Textpassagen mit seinen Zitaten zu untersagen. Das Landgericht hatte diesem Antrag stattgegeben. Das OLG hat auf die Berufung der Beklagten hin die einstweilige Verfügung aufgehoben. Die Berichterstattung sei rechtmäßig, stellte das OLG fest. Die wiedergegebenen Textpassagen seien zwar als Sprachwerke urheberrechtlich geschützt. Die Veröffentlichung sei jedoch über das sog. urheberrechtliche Zitatrecht (§ 51 UrhG) gerechtfertigt:

Der Kläger habe selbst „das Sprachwerk in freier Rede der Öffentlichkeit in Gestalt der Zuhörer seiner Vorlesung zugänglich gemacht“. Ein Zitat in Schriftform - wie hier - setze nicht voraus, dass die Erstveröffentlichung ebenfalls in Schriftform erfolgte. Die Beklagte habe die Zitate auch im Rahmen eines Artikels verwendet, der seinerseits ein eigentümliches und originelles Sprachwerk darstelle. Schließlich sei die Wiedergabe der Textteile durch den zulässigen Zitatzweck gedeckt. „Die Zitatfreiheit soll die geistige Auseinandersetzung mit fremden Werken erleichtern“, betont das OLG, „sie gestattet es nicht, ein fremdes Werk ... nur um seiner selbst willen zur Kenntnis der Allgemeinheit zu bringen“.

Der Zitierenden müsse „eine innere Verbindung zwischen dem fremden Werk... und den eigenen Gedanken herstell(en) und das Zitat als Belegstelle oder Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden erschein(en)“ lassen. Dies sei hier der Fall. Der Artikel gebe nicht lediglich den Kern des Vortrags wieder. Er beschreibe vielmehr in eigener Art und Weise, wie der Kläger private Umstände im Rahmen seines Vortrags offenbarte und welche Reaktionen und Fragen er damit beim Publikum und der Autorin des Artikels auslöste. „Die Wiedergabe der Textstellen dient damit nicht lediglich der Illustration der Berichterstattung, sondern beschreibt und erläutert sie und ermöglicht es dem Leser, die Einordnungen der Autorin selbst nachvollziehbar zu machen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen“, urteilt das OLG.

Der Umfang der hier verwendeten Zitate sei ebenfalls noch vom Zitatrecht gedeckt. Zulässig sei das Zitieren in einem insgesamt vernünftigen und sachgerechten Umfang unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände. Dieser Rahmen werde hier eingehalten. Der Artikel stelle „den Versuch dar, sich dem Kläger anzunähern, ihn und sein Leben, insbesondere sein literarisches Schaffen, gerade im Hinblick auf die in der Vorlesung wiedergegebenen Geschehnisse zu verstehen und zu überdenken“. Die Zitate seien hier in die Darstellungen und Erläuterungen der Autorin auf verschiedenen Ebenen einbezogen und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet worden. Der Artikel reihe die Zitate gerade nicht lediglich aneinander, sondern folge einer eigenen Dramaturgie. Insgesamt lägen damit die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Zitierung nach § 51 UrhG vor, die nach dem Gesetz auch nicht anderen Anforderungen unterliege, wenn der Urheber sich – wie hier - entschlossen habe, ein seine Intimsphäre berührendes Sprachwerk zu veröffentlichen.

Dieses Urteil ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 18.04.2019, Az. 11 O 107/18
(Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 05.09.2018, Az. 2-06 O 195 /18)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt v. 30.04.2019

§ 51 UrhG: Zitate
Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. 2Zulässig ist dies insbesondere, wenn
1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.
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5. OLG Frankfurt a.M.: Kritische Töne über Konkurrenzunternehmen noch nicht wettbewerbswidrig
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Negative Äußerungen über einen Mitbewerber sind nicht automatisch wettbewerbswidrig. Vielmehr sind auch kritische Töne über ein Konkurrenzunternehmen von der Meinungsfreiheit gedeckt (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 28.03.2019 - Az.: 6 U 203/18). Die Parteien waren Mitbewerber. Die Beklagte äußerte sich kritisch über die Klägerin und erklärte, dass diese vor Auslieferung und Veröffentlichung des betreffenden Video-Materials noch "eine ganze Reihe von vertraglichen Pflichten zu erledigen"  habe.

Dagegen ging die Klägerin gerichtlich vor, da sie in der Erklärung einen Wettbewerbsverstoß sah.

Das OLG Frankfurt a.M. teilte diese Ansicht nicht, sondern stufte das Handeln als zulässig ein.

Es handle sich um eine zulässige Äußerung, die vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sei.

Art. 5 Abs.1 GG greife auch im Verhältnis zwischen Mitbewerbern. Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung sei dabei zu ermitteln, ob eine Rechtsverletzung zu bejahen sei:

"Vor diesem Hintergrund sind regelmäßig Formalbeleidigungen und formale Herabwürdigungen per se unzulässig.

In den übrigen Fällen ist eine Abwägung der Güter und Interessen der Beteiligten und der Allgemeinheit vorzunehmen, bei der einerseits dem Schutz des geschäftlichen Rufs des Betroffenen (...), andererseits dem Bedeutungsgehalt des Art. 5 I GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen ist (,,,).  Auch das (...) Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb ist bei der Abwägung der Interessen in der Weise zu berücksichtigen, dass geschäftlichen Zwecken dienende Meinungsäußerungen strenger zu beurteilen (...) sind

Bei der Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen sind auch das (...) Vorverhalten des durch die Kritik Verletzten, das Bestehen einer Nachahmungsgefahr, der Grad des Informationsinteresses Dritter und der Öffentlichkeit einerseits sowie das Ausmaß der Herabsetzung und die Auswirkungen der Kritik. Eine Kritik kann umso eher zulässig sein, je nützlicher die Information für die Adressaten ist oder je mehr aus anderen Gründen ein berechtigtes Informationsinteresse oder ein hinreichender Anlass für die Kritik besteht und je sachlicher die Kritik präsentiert wird (...). Für die Kritik muss ein hinreichender Anlass, nämlich ein schutzwürdiges Aufklärungsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise, vorliegen und sie muss sich nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen oder sachlich Gebotenen halten (...)."



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6. OLG München: UWG-Anspruch wegen Cold Call nicht durch DSGVO und ePrivacy-VO ausgeschlossen
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Ein Anspruch wegen unerlaubter Telefonwerbung nach § 7 Abs.2 Nr.2 UWG ist nicht durch die datenschutzrechtlichen Regelungen der DSGVO ausgeschlossen (OLG München, Urt. v. 07.02.2019 - Az.: 6 U 2404/18). Die Parteien waren Mitbewerber. Der Beklagten wurde vorgeworfen, Verbraucher angerufen zu haben, ohne dass eine entsprechende Einwilligung vorlag.

Die Beklagte verteidigte sich unter anderem mit dem Argument, dass seit Inkrafttreten der DSGVO primär die datenschutzrechtlichen Regelungen in diesen Fällen zur Anwendung kämen. Dies ergebe sich auch aus der angedachten ePrivacy-VO. Das OLG München hat diesem Standpunkt eine klare Absage erteilt und deutlich gemacht, dass der UWG-Anspruch vollkommen unberührt durch die DSGVO existiert:

"(...) lässt sich weder dem Verordnungstext (...) noch dem Willen des Verordnungsgebers, wie er auch in den Erwägungsgründen zur DS-GVO zum Ausdruck kommt, entnehmen.

In Erwägungsgrund 173 zur DS-GVO ist ausgeführt, „diese Verordnung sollte auf alle Fragen des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Daten Anwendung finden, die nicht den in der Richtlinie 2002/58/EG … [EK-DSRL] bestimmten Pflichten, die dasselbe Ziel verfolgen, unterliegen, einschließlich der Pflichten des Verantwortlichen und der Rechte natürlicher Personen. Um das Verhältnis zwischen der vorliegenden Verordnung und der Richtlinie 2002/58/EG klarzustellen, sollte die Richtlinie entsprechend geändert werden. Sobald diese Verordnung angenommen worden ist, sollte die Richtlinie 2002/58/EG einer Überprüfung unterzogen werden, um insbesondere die Kohärenz mit dieser Verordnung zu gewährleisten.“

Vor diesem Hintergrund kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass die DS-GVO vorrangige Geltung gegenüber der EK-DSRL beanspruche und in ihrem Geltungsbereich letztere verdränge."

Die Anspruchsgrundlagen aus UWG und DSGVO stünden selbständig nebeneinander:
"Vielmehr kommen beide Vorschriften im Rahmen ihres Regelungsgehalts nebeneinander zur Anwendung.

Ein Vorrang der DS-GVO (...)  lässt sich auch nicht mit der im Gesetzgebungsverfahren befindlichen, auf eine Initiative der EU-Kommission im Januar 2017 zurückgehenden ePrivacy-VO begründen. Der im Hinblick auf den Regelungsgehalt vorstehend festgestellten Unionskonformität des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, namentlich im Hinblick auf die Frage der Durchsetzungsbefugnis durch den Mitbewerber, kann daher die Geltung der DS-GVO nicht entgegengehalten werden."


Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Entscheidung ist wenig überraschend, da UWG und DSGVO grundsätzlich unterschiedliche Bereiche regeln. Insofern kann die DSGVO keine Sperrwirkung erzielen.

Die vieldiskutierte Frage, ob DSGVO-Verstöße wettbewerbsrechtlich verfolgt werden können, wird dadurch nicht beantwortet, sondern steht auf einem vollkommen anderen Blatt. Hier haben die Gerichte bislang sehr unterschiedlich entschieden. Ein höchstrichterliches Urteil hierzu steht noch aus.

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7. LG Berlin: Online-Ärze-Portal muss auf Provisionen hinweisen / Mouse-Over-Hinweis nicht ausreichend
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Ein Online-Portal, das Vermittlungen von Ärzten für Brustoperationen durchführt, muss auf erhaltene Provisionen durch die Ärzte hinweisen. Es reicht nicht aus, diesen Umstand lediglich mittels Mouse-Over-Effektes zu erwähnen (LG Berlin, Urt. v. 11.12.2018 - Az.: 16 O 446/17). Die Beklagte betrieb ein Online-Portal, auf dem Patientinnen Ärzte für Brustoperationen suchen konnten. Das Angebot war für den Verbraucher kostenlos, die angezeigten Mediziner zahlten einen entsprechenden Betrag für die Darstellung ihres Profils und eine Vermittlungsprovision.

Die Klägerin mahnte die Webseite ab, da der Nutzer nichts über diese Vermittlungsprovision erfuhr. Als Folge der wettbewerbsrechtlichen Beanstandung fügte die Beklagte einen Hinweis auf ihrer Plattform ein, der mittels eines Mouse-Over-Effektes eingeblendet wurde:

"Für die Nutzer sind Nutzung und Service auf Deutschlands größtem Vergleichsportal für Brustoperationen kostenlos und unverbindlich. An einem Vergleich nehmen nur solche Chirurgen teil, die hierfür an das Portal ein pauschales und ein erfolgsabhängiges Marketingentgelt zahlen."

Das LG Berlin reichte dies nicht aus, sodass es die Plattform zur Unterlassung verurteilte.

Nach ständiger Rechtsprechung müsse ein Vermittler auf die erhaltenen Provisionen hinweisen, andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Suchende von einer Bewertung durch einen neutralen, unabhängigen Dritten ausgehe. Dies gelte umso mehr für den sensiblen Bereich der Brustoperationen. Anders als beim Kauf von Waren des alltäglichen Bedarfs nutze die Verbraucherin, die eine Brustoperation vornehmen lassen möchte, das Portal nicht nur für einen reinen Preisvergleich, sondern sie erhoffe sich von diesem auch weitergehende Informationen über die Vertrauenswürdigkeit der vorgestellten Ärzte.

Die Information über die erfolgten Geldflüsse sei wichtig. Die Nutzerin der Internetseite rechne nämlich nicht damit, dass das Online-Portal vollständig im Lager der Gegenseite verankert sei und die dargestellten Doktoren nur deshalb einen Platz auf der Liste gefunden hätten, weil sie Zahlungen leisteten. Nur wenn die Kundin Kenntnis von diesem Umstand habe, könne sie dem Inhalt der Seite mit deutlich mehr Skepsis begegnen und sähe möglicherweise von vornherein davon ab, über die Seite Kontakt zu den dort präsentierten Medizinern aufzunehmen.

An der Rechtswidrigkeit ändere auch der Mouse-Over-Effekt nichts. Denn dieser gewährleiste nicht in ausreichender Form die notwendige Information:

"Im Übrigen liegt es bei mouse-over-Funktionen in der Natur der Sache, dass ein Abruf des dahinter liegenden Textes gerade nicht sichergestellt ist, sondern vielfach auf Zufall beruht, je nachdem, wohin der Nutzer den Cursor steuert. Anders ist es nur bei einem deutlichen Hinweis darauf, dass und welche Informationen an dieser Stelle verborgen sind."


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8. LG Frankenthal: Werbe-Inserent haftet für unverlangte zugesandte Stand-Alone-E-Mail-Werbung
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Wer bei einem Dritten als Werbe-Inserent eine Stand-Alone-Kampagne bucht, haftet für unverlangt zugesandte Mail-Werbung. Dies gilt auch dann, wenn nicht er, sondern der Dritte der Versender der Nachricht ist (LG Frankenthal, Urt. v. 10.07.2018 - Az.: 6 O 322/17).

Der Kläger war Rechtsanwalt und erhielt eine ungewollte Werbe-Nachricht per E-Mail, in der für die Versicherungsvermittlungen der Beklagten geworben wurde. Versender der Nachricht war ein von der Beklagten beauftragtes Dritt-Unternehmen.  Der Advokat nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.

Die Beklagte verteidigte sich damit, dass nicht sie, sondern der Dritte die Nachricht verschickt habe. Es handle sich um ein völlig eigenständiges Unternehmen, welches autonom gehandelt habe und welches in keinerlei gesellschaftlicher Verbindung zur Beklagten stehe. Ihr könne daher ein etwaiges Fehlverhalten nicht zugerechnet werden. Zudem sei im vorliegenden Fall um einen Fehler bei der Verwendung mit der Blacklist bei dem Dritten gekommen, sodass von einem bloßen Irrtum, aber von keinem Rechtsverstoß auszugehen sei.

Das LG Frankenthal verurteilte die Beklagte zur Unterlassung.

Das Unternehmen sei für die Handlungen des Dritten als Störerin verantwortlich.

Ausreichend sei für eine Haftung sei bereits der Umstand, dass der Versand der Werbe-Mail auf Veranlassung der Beklagten gestartet wurde und die Beklagte beim Empfänger der E-Mail nach deren Inhalt als werbendes Unternehmen erscheine. Sinn und Zweck der E-Mail sei ja gerade ein Hinweis auf das Angebot der Beklagten.

Dabei sei es auch unerheblich, ob es bei dem Dritten zu einem Fehler gekommen sei. Für die Störerhaftung genüge es, dass die Beklagte durch die Beauftragung des Dritten überhaupt einen kausalen Beitrag geleistet habe. Für eine Störerhaftung sei es gerade nicht notwendig, dass die Beklagte von der streitgegenständlichen Mailingaktion positive Kenntnis gehabt habe. Von daher sei es auch unschädlich, dass die Beklagte nach ihrem Vortrag letztlich die streitgegenständliche Mailadresse nicht an den Dritten weitergeleitet haben will und dass vergleichbare Fehler in der Zusammenarbeit bislang nicht aufgetreten seien.

Dieser strenge Maßstab bei der Zurechnung der Mitstörerhaftung im Bereich der Onlinewerbung basiere, so das Gericht weiter, auch auf dem Unstand einer sonst drohenden Ausuferungsgefahr rechtswidriger Werbung durch Mailingaktionen.

Würde die Rechtsansicht der Beklagten zutreffen und eine Haftung der beworbenen Unternehmen als Mitstörer ausscheiden, dann wäre damit zu rechnen, dass vermehrt Werbeaufträge an unsorgfältig arbeitende Werbedienstleister vergeben würden, da potenzielle Rechtsverstöße der beauftragten Firmen für den Werbetreibenden ohne greifbares Haftungsrisiko wären. Gerade dies würde einen verstärkten Anreiz setzen, rechtswidrige Werbemaßnahmen durchzuführen. Aufgrund der Gefahr der Ausuferung müsse jeder einzelne Mitverursacher für die Gesamtwirkung einstehen, die durch das Zusenden unerlaubter werbender E-Mails entstünde.

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9. LG München I: Amazon haftet für urheberrechtswidrige Produktfotos seiner Marketplace-Verkäufer
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Die Plattform Amazon  haftet für urheberrechtswidrige Produktfotos seiner Marketplace-Verkäufer (LG München I, Urt. v. 20.02.2019 - Az.: 37 O 5140/18). Die Klägerin verklagte Amazon wegen mehrere Urheberrechtsverletzungen, da auf der Webseite unerlaubt Bilder, an denen sie die Rechte besaß, veröffentlicht wurden.

Amazon  verteidigte sich damit, dass die Inhalte von Dritten, u.a. ihren Marketplace-Verkäufern, stammten. Die Produktdetailseiten würden in einem automatisierten Verfahren erstellt. Die Auswahl werde dabei nicht redaktionell betreut, sondern erfolge nach abstrakten Qualitätskriterien wie Dateiformat und Auflösung oder nach formalen Gesichtspunkten wie Anzahl der Abbildungen und Umfang der Texte. Die Gestaltung der jeweiligen Produktinformationsseite verändere sich mit dem jeweiligen Angebot. Es handle sich somit nicht um eigene, sondern um fremde Inhalte, für die sie erst ab Kenntnis eine Verantwortlichkeit treffen.

Diese Argumente überzeugten das OLG München nicht, sodass die Richter den Konzern zur Unterlassung verurteilten.

Zwar finde ein automatisierter Auswahl-Prozess stand. Gleich habe die Beklagte eine zentrale Rolle bei der Veröffentlichung. Unter Wertungsgesichtspunkten sei ihr die Nutzungshandlung daher zuzurechnen.

Die Beklagte nutzte die Inhalte nämlich für eigene Zwecke, sodass sie für die Rechtsverletzungen der Dritten voll einzustehen habe.

"Die Beklagte ist Teil des ...-Konzerns, der als großer Online-Versandhändler bekannt ist. Die ...-Eigenangebote werden durch die Angebote von Dritthändlern auf der Plattform (...) ergänzt, eine eigenständige „Marketplace-Plattform“ für Drittangebote gibt es nicht.

Vielmehr werden die ...-Versandhandelsangebote unter dem ...-Logo in gleicher Weise dargestellt wie die Angebote von Dritthändlern.

Der Aufbau und die Präsentation der Produktdetailseiten unterscheiden sich nicht danach, ob Produkte im ...-Eigenhandel, nur durch Dritthändler oder kumulativ im Eigenhandel sowie durch Dritte angeboten werden. Auch wenn anzunehmen ist, dass der durchschnittlich informierte Kunde weiß, dass es Eigenangebote und Dritthändlerangebote gibt, nimmt er dies aufgrund der Ausgestaltung des Angebotes bei der Produktauswahl allenfalls nachrangig wahr. Der jeweilige Händler wird an untergeordneter Stelle im Rahmen der Produktinformation (...) genannt. Nähere Informationen zum Verkäufer erhält der Nutzer nur über einen link.

Die primäre Aufmerksamkeit des Kunden wird durch die Seitengestaltung auf die Angaben zum Produkt gelenkt. Für den Kunden entsteht der Eindruck eines umfassenden Warensortiments, das nach ...-Standards angeboten und nach Art eines Online-Kataloges gezeigt wird."


Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Identisch hatte bereits das LG Berlin (Urt. v. 26.01.2016 - Az.: 16 O 103/14) im Jahr 2016 entschieden. Das vorliegende Urteil ist einer der wenigen gerichtlichen Fälle, bei denen Amazon  für die Verfehlungen seiner Verkäufer in Anspruch genommen wird.  Die Mehrzahl der Gerichtsfälle hingegen betrifft die gegensätzliche Konstellation: Der Marketplace-Verkäufer haftet nach ständiger Rechtsprechung für sämtliche Rechtsverstöße des Online-Riesen.

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10. AG Charlottenburg: TK-Anbieter hat keinen durchsetzbaren Anspruch wegen überhöhter mobiler Datennutzung
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Ein Telekommunikations-Anbieter hat keinen durchsetzbaren Anspruch wegen überhöhter mobiler Datennutzungen, wenn er nicht zuvor den Kunden ausdrücklich auf die hohen Kosten bei der Nutzung von Leistungen auf hoher See an Bord eines Schiffes hingewiesen hat (AG Charlottenburg, Urt. v. 05.04.2019 - Az.: 219 C 21/19).

Die Klägerin war ein TK-Unternehmen, die Beklagte hatte einen Vertrag über Mobilfunk-Leistungen zu einem monatlichen Pauschalpreis bei dieser abgeschlossen.

Als die Beklagte an einer Kreuzfahrt von Kiel nach Norwegen teilnahm, nutzte sie u.a. eine Satellitenverbindung zur Datenübertragung. Einen Tag später informierte die Firma die Kundin per SMS:

"Rufen sie uns bitte dringend unter … an wir sind Mo-Fr zwischen 9 Uhr und 16 Uhr erreichbar. Ihr Premium SIM Team“
Es stellte sich heraus, dass hohe Kosten für die Datennutzung angefallen waren. Der Betrag belief sich auf mehr als 800,- EUR.

Die Beklagte weigerte sich zu zahlen, sodass der Streit vor Gericht ging.

Das AG Charlottenburg wies die Zahlungsklage des Unternehmens ab, da dieses gegen seine vertragliche Fürsorgepflicht gegenüber dem Kunden verstoßen habe. Das TK-Unternehmen hätte die Verbraucherin vorab über die anfallenden Entgelte in ausreichender Art und Weise informieren müsse. Da es dies unterlassen habe, sei der Entgeltanspruch gerichtlich nicht durchsetzbar.

Die Klägerin sei ihren Hinweispflichten nicht nachgekommen. Zwar habe sie die Beklagten einen Tag nach der Nutzung der GPRS-Verbindung entsprechende Nachrichten zugesandt.

Damit habe das Unternehmen jedoch nicht seine Schuldigkeit getan. Denn zum einen sei die Information zu spät erfolgt, nämlich erst nach Inanspruchnahme der Dienstleistungen. Zum anderen sei die SMS auch untauglich, denn sie enthalte keinerlei Hinweis auf die Datennutzung oder die hohen Kosten. Sie beinhaltete lediglich die Bitte, den Kundenservice anzurufen.

Nicht nachvollziehbar sei auch die Begründung der Klägerin, dass sie nicht die technischen Möglichkeiten habe, den Kunden vor der Datennutzung über die Höhe der Kosten aufzuklären. Unstreitig sei dies bei der Nutzung der jeweiligen Telekommunikationsdienste in Norwegen und Dänemark möglich gewesen.

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