Newsletter
Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat mit heute verkündetem Urteil über zwei Verfassungsbeschwerden von Wettvermittlern gegen das glücksspielrechtliche Trennungsgebot sowie dazu ergangene Behörden- und Gerichtsentscheidungen befunden.
Nach dem Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 GlüStV dürfen in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, in dem sich eine Spielhalle oder eine Spielbank befindet, Sportwetten nicht vermittelt werden.
Dies steht in Einklang mit den Vorgaben der Landesverfassung.
Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer gegen die behördliche Untersagung des Betriebs ihrer Wettvermittlungsstellen sowie nachfolgende Gerichtsentscheidungen. Die Wettvermittlungsstellen liegen in Gebäuden, in denen sich auch Spielhallen anderer Betreiberinnen befinden. Die Beschwerdeführer beanstanden die von den Verwaltungsgerichten gebilligten, auf das Trennungsgebot gestützten Betriebsuntersagungen und wenden sich teilweise gegen § 21 Abs. 2 GlüStV selbst.
Wesentliche Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs
1. Der Eingriff in die Berufsfreiheit der Betreiber von Wettvermittlungsstellen ist gerechtfertigt.
Das Trennungsgebot dient vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls. Die Bekämpfung der Glücksspielsucht stellt ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel dar.
Befinden sich Spielhallen und Wettvermittlungsstellen nicht in einem Gebäude oder Gebäudekomplex, ist ein Wechsel von der einen Spielstätte in die andere mit einem höheren (Zeit- )Aufwand verbunden, als bei Betrieben in demselben Baubestand. Es liegt auf der Hand, dass Spieler nach Beendigung des Spielens in der einen Stätte von einem Wechsel in die andere Stätte abgehalten werden sollen und deshalb eine Vermischung oder Häufung verschiedener Glücksspielangebote an einem Ort verhindert werden soll.
Die damit verbundenen Belastungen der Wettvermittler stehen nicht außer Verhältnis zum Nutzen der Regelung. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte Fallgestaltungen vom Anwendungsbereich des Trennungsgebots ausnehmen, in denen die verschiedenen Angebote aufgrund der jeweiligen örtlichen Verhältnisse ohnehin räumlich entzerrt sind und deshalb eine Gefahr der Vermischung unterschiedlicher Glücksspielarten nicht anzunehmen ist.
2. Das Trennungsgebot steht auch in Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz.
Zwar behandelt es verschiedene Wettanbieter ungleich, da lediglich solche Näheverhältnisse zwischen Wettvermittlungsstellen einerseits und Spielhallen andererseits erfasst werden, die innerhalb eines Gebäudes bzw. Gebäudekomplexes liegen; alle übrigen räumlichen Näheverhältnisse (z.B. in benachbarten oder gegenüberliegenden Gebäuden) werden nicht einbezogen.
Diese Ungleichbehandlung führt jedoch nicht zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Indem der Gesetzgeber auf die innerhalb eines Gebäudes oder Gebäudekomplexes bestehende typische Gefährdungslage durch unterschiedliche Glücksspielangebote abstellt, bewegt er sich im Rahmen des ihm eröffneten Regelungsspielraums.
Das Trennungsgebot erweist sich auch hinsichtlich der als verfassungswidrig gerügten Ungleichbehandlung von Wettvermittlungsstellen einerseits und Spielhallen andererseits nicht als gleichheitswidrig. Die Bevorzugung des Spielhallenbetriebs berücksichtigt, dass deren getätigte, auf längere Zeit angelegte Investitionen schutzbedürftiger erscheinen als die typischerweise relativ überschaubaren Investitionen des Vermittlers von Sportwetten.
Hinzu kommt, dass der Betrieb von Wettvermittlungsstellen jedenfalls bis vor Kurzem ohne glücksspielrechtliche Gestattung und damit auf eigenes Risiko erfolgte. Zudem dient die Bevorzugung von Spielhallen insbesondere der Bewältigung einer Übergangsproblematik in Fällen, in denen in einem Gebäude oder Gebäudekomplex bereits eine Spielhalle besteht.
Die Vorschrift zielt damit vor allem auf Bestandssituationen ab. Bei neu hinzukommenden Spielhallen oder Wettvermittlungsstellen setzt sich jeweils der bestehende Betrieb durch. Folglich geht mit dem Trennungsgebot kein genereller, sondern lediglich ein begrenzter Vorrang von Spielhallen einher.
3. Die Rechtsschutzgarantie ist nicht verletzt. Die Auffassung, die Fachgerichte seien im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes gehalten, bei der Überprüfung der Anwendung des Trennungsgebots einzubeziehen, ob eine Spielhallenerlaubnis rechtmäßig oder bestandskräftig ist, greift nicht durch.
Die gesetzgeberische Entscheidung für einen Vorrang behördlich erlaubter Spielhallen bedingt nicht zwingend, den Vorschriften über die Erteilung entsprechender Erlaubnisse eine drittschützende Wirkung zugunsten verdrängter Wettvermittler beizumessen, die Anlass zu einer Inzidentprüfung geben könnte.
1 VB 88/19 und 1 VB 95/19
Quelle: Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg v. 02.08.2023
Die Dienstbehörde hatte festgestellt, dass der Polizeibeamte zahlreiche Internetbeiträge der „Neuen Rechten“ verfolgte und mehrere von ihnen likte. Die Beiträge enthielten Schmähungen von Muslimen, Gleichsetzungen von Coronaschutzmaßnahmen mit der Verfolgung von Juden im Nationalsozialismus und die Verächtlichmachung von Repräsentanten der Bunderepublik Deutschland.
Der 4. Senat hat bekräftigt, dass allen Landesbeamten ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Verfassung von Berlin abzuverlangen sei.
Es sei unverzichtbar, dass die Beamten den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejahten und sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanzierten, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angriffen, bekämpften und diffamierten.
Bestünden begründete Zweifel an der Verfassungstreue eines Beamten auf Widerruf, müsse die Dienstbehörde ihn entlassen. Es sei nicht notwendig, dass eine verfassungsfeindliche Einstellung erwiesen sei.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Beschluss vom 27. Juli 2023 – OVG 4 S 11/23 –
Quelle: Pressemitteilung des OVG Berlin-Brandenburg v. 27.07.2023
Inhaltlich ging es um eine Geschmacksmuster-Verletzung.
Die Beklagte war die inländische Bevollmächtige für eine chinesische Firm nach § 2 Nr. 6 ProdSG. Da der Hersteller außerhalb der EU seinen Sitz hat, übernahm die Beklagte die Vertretung für den EU-Bereich.
Nun ging es um die Frage, ob auch der inländische Bevollmächtigte für Rechtsverletzungen der importierten Ware haftet.
Das OLG Frankfurt a.M. hat dies bejaht:
Als Teilnehmer haftet auf Unterlassung, wer zumindest bedingt vorsätzlich den Rechtsverstoß eines anderen fördert; dabei gehört zum Teilnehmervorsatz nicht nur die Kenntnis der objektiven Tatbestandsmerkmale, sondern auch das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit der Haupttat (so für das Wettbewerbsrecht BGH, Urteil vom 03.07.2008, I ZR 145/05 - Kommunalversicherer - Rn. 15, juris).
Indem die Antragsgegnerin als Bevollmächtigte der Firma (...) im Sinne des ProdSG fungiert, fördert sie deren Rechtsverstoß, denn bei den streitgegenständlichen Lunchpots handelt es sich um Verbraucherprodukte, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 ProdSG in Europa nur auf den Markt gebracht werden dürfen, wenn der chinesische Hersteller auf dem Produkt den Namen und die Kontaktanschrift eines - in Europa ansässigen - Bevollmächtigten anbringt.
Es ist unerheblich, dass die Antragsgegnerin die Lunchpots nicht selbst importiert und hier in den Verkehr bringt. Haftungsauslösend für ihre Gehilfenstellung ist, dass sie sich als EU-Bevollmächtigte zur Verfügung stellt und damit den Rechtsverstoß der Fa. (...) fördert."
Mit Schreiben vom 13. Juli 2022 hat die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit einer ausführlichen Begründung abgemahnt (..). Sie hat die Designverletzung im Einzelnen begründet und dargelegt, dass die Antragsgegnerin als EU-Bevollmächtigte für den Rechtsverstoß mitverantwortlich ist, weil das Produkt ohne ihre Mitwirkung in Deutschland nicht vertrieben werden könnte. (...)
Ab Zugang der Abmahnung handelte die Antragsgegnerin zumindest bedingt vorsätzlich und im Bewusstsein der Rechtwidrigkeit: Die Geschmacksmusterverletzung ist eindeutig und wird auch von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen. Auch die Haftung der Antragsgegnerin wird zutreffend und gut nachvollziehbar begründet."
Als Störer kann nach der Rechtsprechung des 1. Zivilsenats des BGH bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. (...)
Gemessen an diesen Maßstäben war die Antragsgegnerin verpflichtet, ihre Unterstützungshandlungen für den geschmacksmusterverletzenden Vertrieb des Lunch-Pots durch die Fa. (...) einzustellen, sei es dadurch, dass sie sie erfolgreich auffordert, den Vertrieb einzustellen oder notfalls durch Beendigung ihrer Stellung als Bevollmächtigte im Sinne des ProdSG."
Die Klägerin verlangte die Zahlung eines Kaufpreises für einen gebrauchten PKW, die Beklagte war die Käuferin. Bei den Parteien handelte es sich um Unternehmen.
Die Parteien schlossen den Vertrag. Danach erhielt die Beklagte eine E-Mail von der Beklagten, in der ein bestimmtes Bankkonto angegeben war. Die Beklagte überwies das Geld auf das benannte Konto.
Wenig später stellte sich jedoch heraus, dass die E-Mail aufgrund eines Hackerangriffs von einer unbefugten Person versandt worden war und die angegebene Bankverbindung gar nicht der Klägerin gehörte.
Die Klägerin verlangte daher vor Gericht weiterhin die Zahlung des Kaufpreises. Die Beklagte hielt dem entgegen, dass sie das Geld bereits entrichtet habe.
Das OLG Karlsruhe bejahte im Ergebnis das klägerische Begehren.
Zwar führe eine Zahlung an einen unbekannten Dritten nicht zum Erlöschen der Forderung. Jedoch müsse sich der jeweilige Gläubiger möglicherweise ein treuwidrige Verhalten entgegenhalten lassen, der zur Unbegründetheit des Anspruchs führe.
Im vorliegenden Fall konnte das Gericht jedoch keine solche Konstellation erkennen:
Dies sei durch mangelnde Vorsichtsmaßnahmen der Klägerin ermöglicht worden, wofür ein Anscheinsbeweis spreche; konkret nennt die Beklagte insoweit die nicht erfolgte Verwendung des „sender policy framework (SPF)“ bei der Kommunikation sowie eine unterlassene Verschlüsselung der pdf-Datei.
Nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil, die die Beklagte sich im Berufungsverfahren zu Eigen gemacht hat, sei der Klägerin vorzuwerfen, dass sie keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung oder Transportverschlüsselung verwendet habe. Die Beklagte macht sinngemäß geltend, die Verwendung der genannten Verfahren sei im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen wie den Parteien des Rechtsstreits üblich und zu erwarten."
Laut öffentlich zugänglichen Quellen (...) handelt es sich beim Verfahren Sender Policy Framework um ein Verfahren, mit dem geprüft werden kann, ob der sendende E-Mail-Server berechtigt ist, für die Domäne E-Mails zu verschicken. Endnutzer wie die Klägerin, die selbst keinen E-Mail-Server betreiben, haben mithin auf die Verwendung des Verfahrens überhaupt keinen Einfluss. Eine berechtigte Sicherheitserwartung des Verkehrs an ein Unternehmen wie die Klägerin, das seinen E-Mail-Verkehr über einen Diensteanbieter wie hier (...)abwickelt, auf Anwendung des SPF-Verfahrens kann schon deshalb nicht bestehen. (...)
Auch andere, von der Beklagten nicht ausdrücklich geltend gemachte Pflichtverletzungen der Klägerin sind nicht ersichtlich. Im unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils sind Feststellungen zur Art des von der Klägerin verwendeten Passwortes fürs E-Mail-Konto, dem Personenkreis, der davon Kenntnis hat und deren regelmäßiger Änderung sowie der Nutzung einer aktuellen Virensoftware und Firewall getroffen, die von der Klägerin im Berufungsverfahren - von der Beklagten unbestritten - vertieft wurden und die der Annahme einer Pflichtverletzung im Bereich des Passwortschutzes sowie des allgemeinen Schutzes der von der Klägerin verwendeten Computer entgegenstehen."
Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ist nicht geklärt, wie es tatsächlich dazu kam, dass die zweite E-Mail mit der ge- oder verfälschten Rechnung die Beklagte erreichte. Ein erfolgreicher Angriff auf die Sphäre der Klägerin liegt im Hinblick darauf zwar nahe, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass auch andere Kunden der Klägerin entsprechend veränderte Rechnungen empfingen. Wodurch dieser Angriff ermöglicht worden sein könnte, ist aber im Hinblick auf die unbekannte Vorgehensweise des oder der unbekannten Dritten gänzlich unklar. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht für eine hierfür kausale Pflichtverletzung der Klägerin auch kein Beweis ersten Anscheins."
In der rechtlichen Auseinandersetzung ging es um ein Unterlassungsbegehren, das die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen betraf. Die Klägerin machte ihre Ansprüche im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend.
Das OLG Nürnberg bejahte diese Möglichkeit, da eine solche Forderung grundsätzlich eilbedürftig sei:
Denn bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich die Dringlichkeit regelmäßig aus der Natur der Sache.
Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes werde die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert, so dass er aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf. (...)
Bei einer Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses ergibt die Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen, dass regelmäßig der (...) erforderliche Verfügungsgrund zu bejahen ist. Denn ein Geschäftsgeheimnis wird grundsätzlich vor allem dadurch geschützt, dass es Dritten nicht zugänglich gemacht wird, weil es sonst den Charakter eines Geheimnisses verliert. Vor diesem Hintergrund verlangt die Rechtsordnung in der Regel bei einer eingetretenen Verletzung nach einer dringlichen Untersagungsverfügung.
Die Dringlichkeit ist somit auf eine gewisse Weise dem Geheimnisschutz inhärent (...)."
Im vorliegenden Fall lehnte das Gericht jedoch das Eilverfahren ausnahmsweise ab, weil der Anwalt einen Fehler beging und einen Verlängerungsantrag gestellt habe. Dadurch sei widerlegt worden, so das Gericht, dass die Auseinandersetzung eilbedürftig sei:
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Verfügungsklägerin den einmonatigen Fristverlängerungsantrag mit Arbeitsüberlastung ihres Prozessbevollmächtigten begründete. Der Prozessbevollmächtigte hat jedoch die Verfügungssache vorrangig zu erledigen und kann sich grundsätzlich nicht auf eine eigene starke berufliche Beanspruchung berufen. Vielmehr ist zu erwarten, dass innerhalb eines Eilverfahrens für Vertretung zu sorgen ist oder notfalls weniger eilbedürftige Sachen zurückgestellt werden.
Der fehlenden Eilbedürftigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Verfügungsklägerin nicht rechtzeitig auf die Folgen einer Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist hingewiesen worden ist. Denn die Rechtsprechung zum Verlust der Dringlichkeit bei Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ist als bekannt vorauszusetzen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, 31; OLG Nürnberg, BeckRS 2017, 153630, Rn. 15)."
Im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung hatte das Gericht u.a. zu prüfen, ob die Klägerin sich rechtsmissbräuchlich verhielt. Sie hatte nämlich - einmalig - eine erhöhte Vertragsstrafe von dem Schuldner gefordert, da dieser gegen die abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen hatte.
Nach § 8c Abs.2 Nr. 4 UWG ist eine der Kriterien für einen Rechtsmissbrauch, dass der Gläubiger "offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder fordert".
Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs:
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre eine Vertragsklausel, nach der eine Zusammenfassung einer Vielzahl von Einzelverstößen von vornherein ausgeschlossen wird, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich unwirksam (...). Dagegen können die Parteien in einer Individualabrede vereinbaren, dass eine Zusammenfassung mehrerer oder aller Verstöße zu einer einzigen Zuwiderhandlung nach den Grundsätzen der natürlichen Handlungseinheit oder einer Handlung im Rechtssinne nicht erfolgen soll (...).
Vor diesem Hintergrund kann das Begehren der Verfügungsklägerin in der Abmahnung, dass die Verfügungsbeklagte auf die Einrede der natürlichen Handlungseinheit verzichten solle, nicht ein Indiz für die Rechtsmissbräuchlichkeit darstellen.
Zwar mag dieses Ansinnen dazu führen, dass die Verfügungsbeklagte eine derartige Vertragsstrafe gemäß § 13a Abs. 4 UWG nicht schulden würde. Die Schwelle zur Offensichtlichkeit einer überhöhten Vertragsstrafe ist hingegen nicht überschritten, da eine Individualvereinbarung, wonach mehrere Verstöße nicht zu einer Einheit zusammengefasst werden sollen, nicht per se unzulässig ist, zumal es nach der neueren Rechtsprechung für sich allein nicht ausreicht, wenn der Abmahnende einen Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs fordert (BGH, GRUR 2012, 286 Rn. 15 – Falsche Suchrubrik; a.A. BGH, NJW 1993, 721 – Fortsetzungszusammenhang)."
(1) Für Rechtsmissbräuchlichkeit spricht, dass diese Forderung über den Verzicht auf die Einrede der natürlichen Handlungseinheit deutlich hinaus geht und einen erheblichen Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken des Vertragsstrafenrechts darstellt. Denn in der Regel ist eine einheitliche Handlung anzunehmen, wenn dem Schuldner eine Handlung vorgeworfen wird, wie etwa das Einstellen einer Werbung in das Internet (OLG Köln, GRUR-RR 2020, 224 Rn. 78 – Arzneimittelfamilie). Durch die ausdrückliche Vereinbarung, dass Dauerhandlungen als ein Verstoß pro Woche anzusehen sein sollen, kann ein potenziell mit leichter Fahrlässigkeit begangener Verstoß – z B. wegen einer versehentlich nicht gelöschten Werbeaussage – als eine Vielzahl von Verstößen mit einer Aufsummierung zu erheblichen Vertragsstrafen geahndet werden.
(2) Gegen Rechtsmissbrauch spricht hingegen, dass nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UWG bei der Festlegung der Angemessenheit einer Vertragsstrafe die Art und das Ausmaß der Zuwiderhandlung maßgeblich sein sollen.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei auch die Dauer der Verletzungshandlung, weshalb bei einer längeren Zuwiderhandlung im Internet die Vertragsstrafe höher angesetzt werden kann als bei nur kurzen Verstößen von lediglich einer Woche."
Ihre Festsetzung muss daher insgesamt billigem Ermessen entsprechen (§ 315, § 316 BGB). Ist das nicht der Fall, ist die Festsetzung nicht verbindlich und unterliegt dann der gerichtlichen Bestimmung (§ 315 Abs. 3, § 319 BGB). Diese Art der Vertragsstrafenbestimmung kompensiert in einem gewissen Umfang die willkürliche Aufspaltung von Dauerverstößen pro Woche.
(3) Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob die Aufspaltung einer Dauerhandlung in einzelne Zuwiderhandlungen pro Wocheneinheit den Rechtsmissbrauch indizieren kann."
Und eine einzige (offensichtlich) überhöhte Vertragsstrafe ist kein Indiz für einen Missbrauch i.S.v. § 8c Abs. 2 Nr. 4 UWG."
Der Kläger begehrte unter Berufung auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz die Einsicht in den Quellcode einer Software.
Die betreffende Anwendung wurde von einer Universität zur Vergabe von Plätzen für Lehrveranstaltungen eingesetzt und hieß "GABI". Der Quellcode wurde von Mitarbeitern der Beklagten entwickelt. Er bestand aus ca. 6.000 Quellcodezeichen und 1.000 Zeilen.
Das VG Berlin lehnte den geltend gemachten Anspruch ab, da es an dem erforderlichen Verwaltungsbezug fehle:
Der Quellcode zu GABI ist keine „Akte“ in diesem Sinne (...). Zutreffend geht der Kläger zwar davon aus, dass Quellcodes grundsätzlich Akten sein können. Dies folgt aus § 3 Abs. 2 IFG Bln, wonach der Aktenbegriff u.a. elektronisch festgehaltene Gedankenverkörperungen erfasst, soweit sie amtlichen Zwecken dienen.
Diese Vorschrift erschöpft sich indes in einer Darlegung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Einsichts- und Auskunftsrechts, ohne dessen Gegenstand im Einzelnen zu bezeichnen (...). Einen solchen Bezug zu einer konkreten Verwaltungsangelegenheit weist der Quellcode zu GABI nicht auf." Die Aufzeichnung des Quellcodes erfolgt mithin nicht in einer konkreten Verwaltungsangelegenheit, sondern als „Arbeitsmittel“ zu sonstigen amtlichen Zwecken (...). Der fehlende Bezug zu einem konkreten Vorgang kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Software im Rahmen der einzelnen Vergabeverfahren den Bedürfnissen und Anforderungen des jeweiligen Verfahrens entsprechend neu konfiguriert wird. Erst mit den neu konfigurierten Anweisungen führt GABI in dem betreffenden Vergabeverfahren die Berechnung zur Vergabe durch und gibt die Vergabestatistik(en) aus."
Die Beklagte war ein Online-Anbieter, der gebrauchte Elektronikgeräte von Verbrauchern ankaufte, reinigte und wieder veräußerte. In ihren AGB wies sie darauf hin, dass sich ihr Angebot nur an Kunden in bestimmten europäischen Ländern richtete.
Das Unternehmen lehnte den Ankauf eines gebrauchten Smarpthones von einem User ab, da dieser nur über eine litausche SEPA-Kontonummer verfügte. Aus Litauen, so die Beklagte, würde keine Ware erworben und verwies auf die Regelung ihren AGB. Daher würden auch keine litauischen Kontoverbindung akzeptiert.
Das LG Düsseldorf stufte dies als Wettbewerbsverstoß ein, da Art. 9 Abs. 2 SEPA-VO verletzt sei:
aa) Gemäß Art. 9 Abs. 1 SEPA-VO gibt ein Zahler, der eine Überweisung an einen Zahlungsempfänger vornimmt, der Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Union ist, nicht vor, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist, sofern das Zahlungskonto die Anforderungen des Art. 3 SEPA-VO erfüllt.
bb) Gegen diese Bestimmung hat die Beklagte verstoßen. Sie hat gegenüber einem Kunden erklärt, ein von ihm in einem anderen Mitgliedstaat der Union geführtes Konto nicht für von ihr zu leistende Zahlungen zu akzeptieren. Hierzu wäre sie nur berechtigt gewesen, wenn das Konto des Kunden nicht gemäß Art. 3 SEPA-VO erreichbar gewesen ist. Dies hat die Beklagte jedoch nicht geltend gemacht, sondern dem Kunden lediglich erklärt, seine litauische Bankverbindung nicht zu akzeptieren."
Im Übrigen könnte die Vorschrift ihren Zweck nur unvollkommen erfüllen, wollte man sie erst anwenden, wenn bereits eine vertragliche Bindung eingegangen wurde."
Ein Mannheimer hatte ein Unternehmen aus Ludwigshafen damit beauftragt, seinen Umzug durchzuführen. Die Durchführung des Auftrags bewertete er einige Zeit später auf einer Online-Bewertungsplattform mit nur einem von fünf möglichen Sternen.
Unter anderem behauptete er im Bewertungstext, dass ein Möbelstück beim Transport beschädigt worden sei und sich niemand darum gekümmert habe, den Schaden zu beheben. Der Inhaber des Umzugsunternehmens streitet dagegen ab, dass es zu einem Schaden gekommen sei und sieht die Behauptung des Kunden, man habe sich nicht gekümmert, als rufschädigend für sein Unternehmen an.
Die Kammer gab in ihrem Urteil dem Unternehmer recht: Die negative Äußerung des Kunden in dem Online-Bewertungsportal schade dem Inhaber des Umzugsunternehmens. Dem stehe zwar das Recht des Kunden gegenüber, seine Meinung über den durchgeführten Auftrag in der Bewertung frei äußern zu dürfen. Die im Streit stehende Behauptung, es sei ein Möbelstück beschädigt worden, sei jedoch keine so geschützte Meinung, sondern eine Tatsachenbehauptung.
Denn sie beschreibe etwas, das wirklich geschehen sein soll. Das müsse vom bewerteten Unternehmen nur hingenommen werden, wenn deren Wahrheitsgehalt feststehe. Deshalb müsse derjenige, der in Internet-Bewertungen eine Tatsache behauptet, im Streitfall beweisen, dass diese auch zutreffend ist.
Dies war dem Kunden des Umzugsunternehmens nach Ansicht der Kammer nicht gelungen, weswegen sie der Unterlassungsklage des Unternehmens insoweit stattgegeben hat.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Landgericht Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 22.05.2023, Az. 6 O 18/23.
Quelle: Pressemitteilung des LG Frankenthal v. 31.07.2023
Der nähere Sachverhalt war laut Pressemitteilung:
In der Übersicht listete die Vorgesetzte alle Mitarbeitenden in der Probezeit auf und bewertete die weitere Beschäftigung von elf Personen als „kritisch“ oder „sehr kritisch“. Diese Einstufung wurde in einer Tabellenspalte mit der Überschrift „Begründung“ näher erläutert.
Hier fanden sich Angaben zu persönlichen Äußerungen sowie gesundheitlichen und außerbetrieblichen Gründen, die einer flexiblen Schichteinteilung entgegenstehen würden. Auch ein mögliches Interesse an der Gründung eines Betriebsrates und die regelmäßige Teilnahme an einer Psychotherapie wurden hier genannt. In vielen Fällen hatten die Beschäftigten die aufgeführten Informationen selbst für die Dienstplanung mitgeteilt. Die Weiterverarbeitung in der Liste war ihnen nicht bekannt."
Zusätzlich zur Ahndung dieses strukturellen Verstoßes verhängte die BlnBDI gegen das Unternehmen drei weitere Bußgelder in Höhe von insgesamt rund 40.000 Euro wegen fehlender Beteiligung der betrieblichen Datenschutzbeauftragten bei der Erstellung der Liste, verspäteter Meldung einer Datenpanne und fehlender Erwähnung der Liste im Verarbeitungsverzeichnis. (...)
Bei der Bemessung der Bußgelder berücksichtigte die BlnBDI den Umsatz des Unternehmens und die Anzahl der betroffenen Beschäftigten. Außerdem wurde berücksichtigt, dass insbesondere die Verarbeitung von Gesundheitsdaten ohne Rechtsgrundlage einen besonders schwerwiegenden Verstoß darstellt. Bußgeldmindernd wurde u. a. berücksichtigt, dass das Unternehmen umfassend mit der BlnBDI kooperiert hat und den Verstoß nach öffentlichem Bekanntwerden bereits ohne Aufforderung von sich aus abgestellt hat."
Zurück
Newsletter
vom 09.08.2023
Betreff:
Rechts-Newsletter 32. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr
2. OVG Berlin-Brandenburg: Entfernung aus dem Polizeidienst durch Likes von rechtsextremen Internet-Beiträgen
3. OLG Frankfurt a.M.: ProdSG-Bevollmächtigter haftet ab Kenntnis als Mitstörer für fremde Rechtsverletzungen
4. OLG Karlsruhe: SFP-Eintrag beim Versand von E-Mails im B2B-Bereich nicht notwendig
5. OLG Nürnberg: Unterlassungsansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz grundsätzlich eilbedürftig
6. OLG Nürnberg: Einmalig geforderte überhöhte Vertragsstrafe indiziert keinen Rechtsmissbrauch
7. VG Berlin: Kein Anspruch auf Software-Quellcode aus Informationsfreiheitsgesetz
8. LG Düsseldorf: Online-Anbieter muss ausländisches SEPA-Konto eines Kunden akzeptieren
9. LG Frankenthal: Schlechte Bewertung im Online-Portal: Verfasser muss Tatsachen beweisen können
10. Berliner Datenschutzbeauftragte: 215.000,- EUR DSGVO-Bußgeld gegen Unternehmen, das unerlaubt Mitarbeiter-Daten sammelte
Die einzelnen News:
____________________________________________________________
1. Verfassungsgerichtshof BaWü: Trennungsgebot nach dem GlüStV verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden
_____________________________________________________________
Der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg hat entschieden, dass das Trennungsgebot nach dem GlüStV verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
Die Verfassungsbeschwerden bleiben ohne Erfolg. Das Trennungsgebot aus § 21 Abs. 2 GlüStV steht in Gestalt seiner einschränkenden Auslegung durch die Verwaltungsgerichte in Einklang mit der Berufsfreiheit, dem allgemeinen Gleichheitssatz und der Garantie effektiven Rechtsschutzes.
zurück zur Übersicht
_____________________________________________________________
2. OVG Berlin-Brandenburg: Entfernung aus dem Polizeidienst durch Likes von rechtsextremen Internet-Beiträgen
_____________________________________________________________
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Entscheidung der Polizei Berlin, einen 21-jährigen Kriminalkommissaranwärter aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf zu entlassen, für rechtmäßig erklärt und den Antrag des Polizeibeamten auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.
zurück zur Übersicht
____________________________________________________________
3. OLG Frankfurt a.M.: ProdSG-Bevollmächtigter haftet ab Kenntnis als Mitstörer für fremde Rechtsverletzungen
_____________________________________________________________
Ein nach dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) Bevollmächtigter haftet ab Kenntnis als Mitstörer für die fremden Rechtsverstöße des eigentlichen Verletzers (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.03.2023 - Az.: 6 U 189/22).
"Die Antragsgegnerin ist als Teilnehmerin an den von (...) begangenen Geschmacksmusterrechtsverletzungen zu qualifizieren.
Erforderlich sei, dass der ProdSG-Bevollmächtigte Kenntnis von dem Rechtsverstoß erlangt habe. Dies sei hier zu bejahen, so die Robenträger:
"Das für den Gehilfenvorsatz erforderlich Bewusstsein der Rechtswidrigkeit kann jedoch durch eine plausibel begründete Abmahnung herbeigeführt werden (...).
Zudem hafte die Beklagte auch als Störerin:
"Wollte man eine Haftung der Antragsgegnerin als Gehilfin verneinen, so wäre sie jedenfalls als Störerin passivlegitimiert.
zurück zur Übersicht
____________________________________________________________
4. OLG Karlsruhe: SFP-Eintrag beim Versand von E-Mails im B2B-Bereich nicht notwendig
_____________________________________________________________
Im Rahmen einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung hatte sich das OLG Karlsruhe auch mit den Sicherheitsvorkehrungen beim Versand von E-Mails im B2B-Bereich auseinanderzusetzen und entschied, dass die Nutzung des Sender Policy Frameworks (SFP-Eintrag) rechtlich nicht notwendig ist (OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.07.2023 - Az.: 19 U 83/22).
"Es liegt keine Nebenpflichtverletzung der Klägerin dergestalt vor, dass sie schuldhaft eine Ursache dafür gesetzt hätte (...). Für den dadurch verursachten Schaden, der darin besteht, dass die Beklagte durch Überweisung auf ein nicht der Klägerin zugeordnetes Konto die Forderung der Klägerin nicht zum Erlöschen bringen konnte (...), schuldet die Klägerin der Beklagten deshalb keinen Schadensersatz."
Die Beklagte machte geltend, dass die gegen technische Sicherheitsvorkehrungen verstoßen habe, da sie keinen SFP-Eintrag bei ihren Mail-Accounts vorgenommen habe:
"Die Beklagte behauptet, es sei zum Versand (...) der (...) E-Mail an sie durch einen Dritten dadurch gekommen, dass auf das E-Mail-Konto der Klägerin eine Hacking-Attacke ausgeführt worden sei, die das Ausspionieren der Geschäftsbeziehung der Parteien und der Rechnungs-E-Mail ermöglicht habe.
Dieser Ansicht folgte das OLG Karlsruhe jedoch nicht. Der Einsatz von SFP sei juristisch nicht zwingend:
"Konkrete gesetzliche Vorgaben für Sicherheitsvorkehrungen beim Versand von E-Mails im geschäftlichen Verkehr gibt es nicht; insbesondere ist der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung im Streitfall nicht eröffnet, da diese nur für die Verarbeitung von Informationen gilt, die sich auf eine natürliche Person beziehen (...).
Und weiter:
"Selbst wenn man in einem der vorstehend behandelten Umstände eine Pflichtverletzung der Klägerin sehen wollte, fehlte es am Nachweis der Kausalität dieser Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden.
zurück zur Übersicht
____________________________________________________________
5. OLG Nürnberg: Unterlassungsansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz grundsätzlich eilbedürftig
_____________________________________________________________
Unterlassungsansprüche aus dem Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) sind grundsätzlich eilbedürftig und können im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend gemacht werden (OLG Nürnberg, Beschl. v. 06.07.2023 - Az.: 3 U 889/23).
"Eine Dringlichkeitsvermutung besteht für Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG zwar nicht, die Vorschrift des § 12 Abs. 1 UWG ist nicht analog anwendbar. Bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund jedoch regelmäßig aus der Sache selbst. (...)
"Durch den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat (...) und das Ausschöpfen dieser Frist hat die Verfügungsklägerin zu erkennen gegeben, dass sie nicht derart eilig auf das begehrte Verbot angewiesen ist, dass es ihr nicht zugemutet werden kann, ihr Rechtsschutzziel in einem Hauptsacheverfahren durchzusetzen.
zurück zur Übersicht
_____________________________________________________________
6. OLG Nürnberg: Einmalig geforderte überhöhte Vertragsstrafe indiziert keinen Rechtsmissbrauch
_____________________________________________________________
Eine nur einmalig geforderte überhöhte Vertragsstrafe indiziert keinen Rechtsmissbrauch iSd. § 8c Abs.2 Nr. 4 UWG (OLG Nürnberg, Urt. v. 18.07.2023 - Az.: 3 U 1092/23).
"Im vorliegenden Fall fügte die Verfügungsklägerin der Abmahnung zum einen eine vorformulierte Unterlassungserklärung bei, durch welche sich die Verfügungsbeklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung zum einen unter Ausschluss der Einrede der natürlichen Handlungseinheit verpflichtete. Bei Vorliegen von natürlicher Handlungseinheit werden mehrere Verhaltensweisen zusammengefasst, die auf Grund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen (...).
Neue Vertragsstrafe pro Woche:"Darüber hinaus hat die Verfügungsklägerin im Streitfall gefordert, dass im Fall von Dauerhandlungen, etwa durch eine Zuwiderhandlung im Internet, jede angefangene Woche der Zuwiderhandlung als einzelner Verstoß gilt.
Und weiter:
"Darüber hinaus ist zu beachten, dass bei der vorliegenden Vertragsstrafenvereinbarung gemäß § 315 Abs. 1 BGB der Verfügungsklägerin für den Fall einer künftigen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht die Bestimmung der Strafhöhe nach ihrem billigen Ermessen überlassen bleiben sollte („Hamburger Brauch”) und nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB eine gerichtliche Überprüfung der von der Verfügungsklägerin vorgenommenen Bestimmung der Vertragsstrafenhöhe in der Vereinbarung vorgesehen war (vgl. BGH, GRUR 2010, 355 Rn. 30 – Testfundstelle).
Im Ergebnis verneint das Gericht einen Rechtsmissbrauch:"Denn der Verfügungsklägerin kann vorliegend allenfalls ein Fall der Forderung einer überhöhten Vertragsstrafe vorgeworfen werden kann.
zurück zur Übersicht
_____________________________________________________________
7. VG Berlin: Kein Anspruch auf Software-Quellcode aus Informationsfreiheitsgesetz
_____________________________________________________________
Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz gewährt keinen Anspruch auf Zugang zum Quellcode einer von der öffentlichen Verwaltung genutzten Software, da der erforderliche Verwaltungsbezug fehlt (VG Berlin, Urt. v. 07.06.2023 - Az.:2 K 148/21).
"Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 3 Abs. 1 S. 1 des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes - IFG Bln. Danach hat jeder Mensch nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten öffentlichen Stellen nach seiner Wahl ein Recht auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von der öffentlichen Stelle geführten Akten."
Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch um keine "Akte" im Sinne dieses Gesetzes:
"Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht gegeben.
Und weiter:
"Nach den Darlegungen der Beklagten verwendet sie GABI bei verschiedenen Verfahren über die Vergabe von Plätzen in Lehrveranstaltungen gemäß den Anforderungen aus §§ 89–91 der Fachübergreifenden Satzung zur Regelung von Zulassung, Studium und Prüfung der Humboldt-Universität zu Berlin - ZSP-HU.
zurück zur Übersicht
_____________________________________________________________
8. LG Düsseldorf: Online-Anbieter muss ausländisches SEPA-Konto eines Kunden akzeptieren
_____________________________________________________________
Ein Online-Anbieter muss das ausländische SEPA-Konto eines Kunden akzeptieren, andernfalls liegt ein Wettbewerbsverstoß vor (LG Düsseldorf, Urt. v. 02.06.2023 - Az.: 38 O 162/22).
"Die danach von der Beklagten ausgesprochene Weigerung, Zahlungen auf eine litauische Bankverbindung zu leisten, verstößt gegen Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (...).
Und weiter:
"Unerheblich ist, dass zwischen der Beklagten und dem Kunden noch kein Vertrag zustande gekommen ist und die Beklagte noch zu keiner Zahlung an den Kunden verpflichtet war. Diese Umstände zählen nicht zu den Tatbestandsmerkmalen des Art. 9 Abs. 1 SEPA-VO.
zurück zur Übersicht
_____________________________________________________________
9. LG Frankenthal: Schlechte Bewertung im Online-Portal: Verfasser muss Tatsachen beweisen können
_____________________________________________________________
Wer in einem Online-Bewertungsportal negative Tatsachen zulasten eines Unternehmens behauptet, muss im Zweifel beweisen, dass diese Fakten auch zutreffend sind. Gelingt der Beweis nicht, so kann der Betroffene verlangen, dass die Bewertung unterlassen wird. Dies hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal in einem aktuellen Urteil klargestellt. Den Verfasser einer schlechten Bewertung in einem Online-Portal hat die Kammer dazu verurteilt, eine in seiner Kritik enthaltene negative Behauptung zu löschen.
zurück zur Übersicht
_____________________________________________________________
10. Berliner Datenschutzbeauftragte: 215.000,- EUR DSGVO-Bußgeld gegen Unternehmen, das unerlaubt Mitarbeiter-Daten sammelte
_____________________________________________________________
Wie die Berliner Datenschutzbeauftragte in einer Pressemitteilung erklärt, hat sie ein DSGVO-Bußgeld in Höhe von 215.000,- EUR gegen ein Unternehmen verhängt, weil dieses u.a. unerlaubt Daten über seine Mitarbeiter (u.a. Krankheitsdaten, Interesse an Betriebsratsgründung) gespeichert hatte.
"Um mögliche Kündigungen zum Ende der Probezeit vorzubereiten, führte eine Vorgesetzte auf Weisung der Geschäftsführung des Unternehmens von März bis Juli 2021 eine tabellarische Übersicht aller Beschäftigten in der Probezeit. Die Berliner Datenschutzbeauftragte erfuhr durch Medienberichte und eine persönliche Beschwerde eines Betroffenen von dem Vorfall und leitete eine Prüfung ein.
Die Behörde prüfte diesen Sachverhalt und kam dabei zu folgender Beurteilung:
"Die Berliner Datenschutzbeauftragte kam bei ihrer Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Verarbeitung der erhobenen Daten in den beanstandeten Fällen nicht rechtmäßig war.
Der Bußgeld-Bescheid ist noch nicht rechtskräftig.
zurück zur Übersicht