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Die einzelnen News
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Relaunch unseres Newsletters: 21 Jahre - Kinder, wie die Zeit vergeht!
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Wir sind im Feiermodus! Unser Newsletter, ein treuer Begleiter im Rechts-Dschungel, wird 21 Jahre alt. Denken Sie daran, 2003 war das Jahr, in dem wir unsere Reise begannen, Woche für Woche die neuesten Rechtsentwicklungen zu beleuchten. Jetzt, im Jahr 2024, ist es an der Zeit für einen Relaunch – passend zu unserer neuen Webseite, die sich seit einigen Wochen ebenfalls in neuem Design und mit vielen spannenden neuen Funktionen präsentiert. Einschließlich einer Suche in unseren umfangreichen 13.000 Rechts-News. Für unseren Relaunch haben wir nicht nur gebohrt und gehämmert, sondern auch viel Kreativität investiert und unzählige Tassen Kaffee getrunken. Unser Ziel? Die bewährte Qualität und Informationstiefe, die Sie in den letzten 21 Jahren so geschätzt haben, beizubehalten und noch zu verbessern. Ihre Meinung ist uns wichtig! Teilen Sie uns Ihre Gedanken mit – ob Lob oder Kritik, wir sind für alles offen: Info@Dr-Bahr.com
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2.
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BGH: Zum wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz der "GLÜCK“-Konfitüre
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Das Konzept, ein Emotionsschlagwort als Produktnamen zu verwenden (hier: “GLÜCk”-Konfitüre), kann nicht die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts begründen, da es sich nur um eine abstrakte Idee gehandelt. Ein Nachahmungsschutz entsteht erst durch die konkrete Produktausgestaltung (BGH, Urt. v. 07.12.2023 - Az.: I ZR 126/22). Der Hersteller der bekannten “GLÜCk”-Konfitüre wehrte sich gegen einen Mitbewerber, der Honig in stilisierten Gläsern vertrieb, nämlich unter dem Label “LieeBee”. Die Vorinstanzen, das OLG Hamburg (Urt. v. 16.06.2022 - Az.: 5 U 95/21) und das LG Hamburg (Urt. v. 15.07.2023 - Az.: 327 O 158/20), bejahten einen Rechtsverstoß, weil die Beklagte die Produkte der Klägerin wettbewerbswidrig nachgeahmt und somit eine Herkunftstäuschung begangen habe. Das OLG Hamburg hatte dabei folgenden Standpunkt vertreten: "Es liege jedoch eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne vor, weil der Verkehr das Produkt der Beklagten für eine neue Serie oder ein unter einer Zweitmarke vertriebenes Produkt des Originalherstellers halte. Der angesprochene Verkehr werde in der Erwerbssituation im Supermarkt in dem "LieBee"-Honig eine Sortimentserweiterung und eine Zweitmarke des Herstellers der "Glück"-Konfitüren sehen. Der Endverbraucher setze die Produkte auf Grund seiner Erinnerung in Beziehung zueinander. Aus der abweichenden Kennzeichnung mit der Marke "LieBee" ergebe sich wegen des ansonsten übereinstimmenden Gesamteindrucks und des jeweils deutlichen Abstands zum sonstigen Marktumfeld der Konfitüren und Honige nicht mit hinreichender Deutlichkeit, dass es sich bei dem Originalhersteller und dem Anbieter des nachgeahmten Produkts um unterschiedliche und miteinander nicht verbundene Unternehmen handele. (…) Aufgrund des übereinstimmenden Konzepts, ein Emotionsschlagwort in Direktansprache als Produktname zu wählen oder darauf anzuspielen, bestehe die Gefahr einer mittelbaren Herkunftstäuschung, nämlich die Annahme desselben dahinter stehenden Herstellers.".
Der BGH folgte dieser Ansicht nicht und hob die Verurteilung der Beklagten auf. Denn alleine die Verwendung eines emotionalen Schlagwortes wie “Glück” lasse noch keine wettbewerbsrechtlich geschützte Eigenart entstehen. Maßgeblich sei vielmehr alleine die konkrete Ausgestaltung der Ware: "Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Verwendung der Bezeichnung "Glück" als Emotionsschlagwort sei prägendes Gestaltungselement der Konfitürengläser der Klägerin. (…) Gegenstand des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes gemäß § 4 Nr. 3 UWG ist der Schutz von Waren und Dienstleistungen in ihrer konkreten Gestaltung (…), nicht die dahinterstehende abstrakte Idee (…). Hiermit steht die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht in Einklang. Es hätte allein darauf abstellen dürfen, dass die konkrete Ausgestaltung der Kennzeichnung des Produkts der Klägerin mit der Bezeichnung "Glück" deutlich hervorsticht und dem Betrachter plakativ gegenübertritt. Mit seiner Einordnung der Produktbezeichnung "Glück" unter den Oberbegriff der Emotionsschlagwörter hat das Berufungsgericht die Produktbezeichnung jedoch abstrahiert und damit rechtsfehlerhaft den Schutzbereich für das Produkt der Klägerin über die konkrete Gestaltung hinaus erweitert."
Der BGH hat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Beurteilung an das OLG Hamburg zurückverwiesen.
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3.
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BGH: Wann haftet das Organ einer juristischen Person für firmeninternes Fehlverhalten
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Der BGH hatte die Frage zu klären, wann das Organ einer juristischen Person (hier: einer Bank) für firmeninternes Fehlverhalten mit haftet. Es ging dabei um unerlaubte Bankgeschäfte (BGH, Urt. v. 09.11.2023 - Az.: III ZR 105/22). Die amtlichen Leitsätze lauten: "1. Wer entgegen § 32 Abs. 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, macht sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG strafbar. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person, trifft die strafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist (Bestätigung von BGH, Urteile vom 15. Mai 2012 - VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177 Rn. 19 und vom 12. Dezember 2019 - IX ZR 77/19, NJW-RR 2020, 292 Rn. 35). 2. Die objektive Organstellung allein ist nicht hinreichend, um eine Haftung zu begründen. Es bedarf zusätzlich des Verschuldens, § 276 BGB, das gesondert festgestellt werden muss. 3. Interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer juristischen Person können zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen. Es bestehen jedoch in jedem Fall gewisse Überwachungspflichten, die das danach unzuständige Organ zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch das zuständige Organ nicht mehr gewährleistet ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Oktober 1996 - VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 377 f)."
Ein enttäuschter Investor hatte auf Schadensersatz geklagt und den Direktor verklagt. Alleine seine Organstellung reiche für eine Haftung nicht aus. Vielmehr müsse ihn auch ein Verschulden treffen: "Zutreffend hat das Berufungsgericht zugrunde gelegt, dass derjenige, der entgegen § 32 Abs. 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln (…) strafbar macht. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person, so ist diese zivilrechtlich der Betreiber der Geschäfte; die strafrechtliche Verantwortlichkeit ergibt sich in diesen Fällen aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Sie trifft denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist (…). Daraus folgt, dass die objektive Organstellung allein nicht hinreichend ist, um eine Haftung zu begründen. Es bedarf zusätzlich des Verschuldens, § 276 BGB, das dementsprechend gesondert festgestellt werden muss."
Und weiter: "Zwar begründen die generelle Legalitätspflicht (…) wie auch die Pflichten des Geschäftsleiters (…) weitreichende Sorgfaltspflichten. Diese schließen eine Delegation von Aufgaben und damit eine Übertragung von Verantwortung jedoch nicht aus. So können etwa interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen (…). Dies beruht auf dem Gedanken, dass der Geschäftsführer den ihm zukommenden Handlungspflichten für die Gesellschaft als Ganzes auf unterschiedliche Weise nachkommen kann. Auch durch organisatorische Maßnahmen kann er zur Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Pflichten beitragen, indem er etwa an einer Regelung mitwirkt, durch die jedem Geschäftsführer bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Durch eine derartige Aufteilung der Geschäfte wird die Verantwortlichkeit des nicht betroffenen Geschäftsführers nach innen und außen beschränkt, denn im allgemeinen kann er sich darauf verlassen, dass der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigt. Doch verbleiben dem nicht betroffenen Geschäftsführer in jedem Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist (…)."
Da diese Fragen in der vorherigen Instanz ungeklärt geblieben waren, hob der BGH die Entscheidung auf und verwies das Verfahren zurück.
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4.
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OLG Hamm: Falsche Energieeffizienzklasse stehen völligem Fehlen gleich = kerngleicher UWG-Verstoß
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Der Abdruck einer fehlerhaften Energieeffizienzklasse auf einem Elektrogeräte ist der identische Fall, wie wenn sämtliche Energieeffizienzklassen gefehlt haben (OLG Hamm, Beschl. v. 27.06.2023 - Az.: I-4 W 50/22). In der Vergangenheit war das verklagte Unternehmen gerichtlich zur Unterlassung verurteilt worden, weil es Hausgaltsgeräte ohne die Angabe der Energieeffizienzklassen vertrieben hatte. In ihrem aktuellen Werbeprospekt bewarb sie nun einen Einbau-Backofen mit einer falschen Effizenzklasse ("A+++ bis A"). Richtig wäre die Angabe “A+++ bis D” gewesen. Daraufhin beantragte die Gläubigerin bei Gericht die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Die Schuldnerin verteidigte sich damit, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt das beworbene Energie-Spektrum sachlich richtig gewesen sei und auch die tatsächlichen Marktverhältnisse widergespiegelt habe. Aufgrund der zunehmenden gesetzlichen Verschärfung seien die Effizienzklassen B, C und D de facto gar nicht mehr auf dem Markt gewesen seien. Die Angabe eines Spektrums von A+++ bis D sei daher überholt und irreführend. Das OLG Hamm bejahte einen Verstoß gegen das ursprüngliche Urteil, weil ein kerngleicher Verstoß vorliege: “1. Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht angenommen hat, die - wie hier - unzutreffende Angabe des Spektrums der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen stehe im Kern einer gänzlich fehlenden Angabe gleich (BGH, Urt. v. 10.06.2009 - I ZR 37/07, GRUR 2010, 167, Rdnr. 22, juris - Unrichtige Aufsichtsbehörde). In diesem Sinne hat der erkennende Senat jüngst ebenfalls entschieden (OLG Hamm, Urt. v. 01.06.2023 - 4 U 225/22).”
Auch die Argumentation, dass die gewählte Effizenzklassen-Wahl deutlich praxisnäher sei, ließen die Richter nicht gelten. Es liege nicht im Ermessen eines einzelnen Unternehmens von den gesetzlichen Vorgaben abzuweichen. "2. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Schuldnerin, das beworbene Spektrum spiegele lediglich die tatsächlichen Verhältnisse wider, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt Ende 2021 Einbaubacköfen der Effizienzklassen B, C und D faktisch gar nicht mehr auf dem Markt gewesen seien. Dies ändert nichts daran, dass die Schuldnerin gleichwohl das rechtlich zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Spektrum anzugeben hatte und welches - was sie nicht in Frage stellt - die Effizienzklassen B bis D (noch) beinhaltete, nicht hingegen eines, das sie selbst nach eigenem „Gutdünken“ für angemessen hielt. 3. Der Umstand, dass die Angabe des lediglich die Energieeffizienzklassen A+++ bis A umfassenden Spektrums für die Schuldnerin im Vergleich mit einem von A+++ bis D reichenden Spektrum sogar nachteilig gewesen sein mag, ändert letztlich ebenfalls nicht daran, dass es sich um einen Verstoß gegen die titulierte Unterlassungsverpflichtung handelt."
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5.
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VGH Kassel: Keine Öffnung von ohne Personal betriebenen Verkaufsmodulen an Sonn- und Feiertagen
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Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2023 entschieden, dass die von der Stadt Fulda verfügte Schließung von ohne Personal betriebenen Verkaufsmodulen an Sonn- und Feiertagen Bestand hat. Die Antragstellerin und Inhaberin einer Supermarktkette betreibt im Gebiet der Stadt Fulda Verkaufsmodule, die an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr geöffnet sind und zu denen die Kunden nach einer digitalen Kontrolle Zugang erhalten. Angeboten werden dort Waren des täglichen Bedarfs, die digital bezahlt werden. An Sonn- und Feiertagen wird in diesen Verkaufsmodulen kein Personal eingesetzt. Mit Bescheid vom 8. Oktober 2021 hatte die Stadt Fulda gegenüber der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung verfügt, die im Stadtgebiet aufgestellten Verkaufsmodule insbesondere an Sonn- und Feiertagen zu schließen. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit einem gerichtlichen Eilantrag, den das Verwaltungsgericht Kassel mit Beschluss vom 4. Januar 2022 ablehnte (3 L 1734/21.KS). Der 8. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Kassel nunmehr bestätigt und sich hierbei maßgebend auf die Bestimmungen des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes gestützt. Nach § 3 Abs. 2 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes müssen Verkaufsstellen unter anderem an Sonn- und Feiertagen für den geschäftlichen Verkehr mit Kundinnen und Kunden geschlossen sein. Verkaufsstellen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes Ladengeschäfte aller Art, falls in ihnen von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann „feilgehalten“ werden. Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Verkaufsmodule Verkaufsstellen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes seien. Das „Feilhalten“ von Waren im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes setze nach der gesetzlichen Definition dieses Begriffs keinen persönlichen Kontakt mit einem Verkäufer voraus. Es mache für das „Feilhalten“ von Waren keinen Unterschied, ob der Kunde die begehrte Ware aus einem Automaten oder aus einem Verkaufsregal bzw. von einem Verkaufstisch an sich nehme; der Verkaufsvorgang setze in beiden Fällen ein aktives Handeln des Kunden voraus, dem nicht zwangsläufig ein aktives Tun des Verkäufers gegenüberstehe. Richtig sei zwar das von der Antragstellerin vorgetragene Argument, dass bei einem Verzicht auf den Einsatz von Verkaufspersonal das dem Ladenschlussrecht zu Grunde liegende Ziel des Arbeitnehmerschutzes erreicht werde. Das Hessische Ladenöffnungsgesetz diene allerdings nicht allein dem Arbeitnehmerschutz, sondern auch dem Ziel, die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zu schützen. Es bestehe auch keine Vergleichbarkeit zwischen dem Einkauf in den streitgegenständlichen Verkaufsmodulen und den auch sonn- und feiertags durchgängig möglichen Onlinebestellungen. Insbesondere habe der Onlinebestellvorgang keinerlei Außenwirkungen und sei daher nicht geeignet, die Sonn- und Feiertagsruhe der übrigen Bevölkerung zu beeinträchtigen. Der Beschluss ist im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug nicht anfechtbar. Aktenzeichen: 8 B 77/22 Quelle: Pressemitteilung des VGH Kassel v. 04.01.2023
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6.
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OLG Köln: Spieler kann gegen ausländischen Online-Poker-Anbieter verlorene Spieleinsätze zurückfordern
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Von einem ausländischen Anbieter von Online-Poker, der in Deutschland über keine staatliche Genehmigung verfügt, kann ein Spieler seine verlorenen Einsätze zurückverlangen (OLG Köln, Beschl. v. 30.11.2023 - Az.: 19 U 92/23). Der Kläger hatte bei der Beklagten, einem Betreiber für Online-Poker aus dem Ausland, Geld verloren und verlangte diese nun erstattet, weil das Unternehmen über keine inländische Lizenz verfügte. Das OLG Köln bejahte den Anspruch: "Die zwischen den Parteien zustande gekommenen Verträge sind gemäß § 134 BGB nichtig, da sie gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstießen. Nach dieser Vorschrift war in dem Zeitraum, in welchem die vorliegend geltend gemachten Einzahlungen zum Zweck der Teilnahme an Sportwetten erfolgten, das Veranstalten derselben im Internet ohne eine hierfür erteilte Lizenz verboten. Die Bestimmungen des GlüStV 2012 zum Verbot des Internet-Glücksspiels waren in demjenigen Zeitraum, in dem der Kläger seine Wetteinsätze bei der Beklagten tätigte, wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar, insbesondere stellten sie keine inkohärente Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gem. Art. 56 AEUV dar (…)."
Die Rückforderung sei auch nicht durch ein etwaiges Fehlverhalten des Klägers ausgeschlossen: "Der Rückforderung steht auch nicht die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB entgegen. Der Ausschluss der Rückforderung nach dieser Vorschrift greift nur ein, wenn der Leistende vorsätzlich verbots- oder sittenwidrig gehandelt oder sich der Einsicht in das Verbots- oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (…). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Wendet der Bereicherungsschuldner ein, dass dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt, so trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast, da es sich bei § 817 S. 2 BGB um eine rechtshindernde Einwendung handelt (…). Ihrer Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf einen Gesetzesverstoß des Klägers ist die Beklagte indes nicht nachgekommen. Insbesondere kann von einem Verstoß des Klägers gegen § 285 StGB nicht ausgegangen werden. Dieser erforderte zumindest bedingten Vorsatz (Schönke/Schröder/Heine/Hecker, 30. Auflage 2019, § 285 StGB, Rn. 4). Einen solchen hat die Beklagte indes nicht hinreichend dargetan. Der Kläger ist demgegenüber seiner sekundären Darlegungslast dadurch nachgekommen ist, dass er angegeben hat, erst im November 2022 erfahren zu haben, dass die Beklagte nicht die erforderliche Lizenz besaß (…)."
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7.
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OVG Magdeburg: Online-Verbot für Glücksspiel-Werbung durch Influencer greift nur zwischen 06:00 bis 21:00 Uhr, ansonsten erlaubt
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Das im Glücksspiel-Staatsvertrag 2021 (GlüStV) geregelte Verbot von Online-Werbung für Glücksspiele durch Influencer greift nur im Zeitraum zwischen 06:00 bis 21:00 Uhr (OVG Magdeburg, Urt. v. 19.12.2023 - Az.: 3 M 87/23). Im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung hatte sich das OVG Magdeburg auch zu dem im GlüStV bestimmten Online-Werbeverbot für Influencer-Marketing zu äußern. Die Richter erklärten die Restriktionen des GlüStV für grundsätzlich zulässig: "Hierbei geht der Senat (…) zunächst davon aus, dass die Nebenbestimmung auf § 5 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4c Abs. 2 GlüStV 2021 beruht und den legitimen Zweck verfolgt, die Ziele des Gesundheits-, Minderjährigen- und Spielerschutzes (…) zu sichern. Der Senat teilt auch die Auffassung, dass es dem Erlaubnisinhaber nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 schon nicht erlaubt ist, die Gestaltung der Werbung Dritten zu überlassen, weil sie dem Erlaubnisinhaber vollumfänglich inhaltlich zurechenbar sein muss."
Ein zeitlich umfassendes Werbeverbot bestünde nach dem GlüStV jedoch nicht, so die Richter weiter: “Das Verbot von Influencer-Marketing in der Nebenbestimmung (…) begegnet nur insoweit durchgreifenden rechtlichen Bedenken, als Werbung auf der Antragsgegnerin bekanntzugebenden Influencer-Eigenkanälen innerhalb der Zeit von 21.00 bis 6.00 Uhr betroffen ist."
Denn in § 5 Abs.3 GlüStV sei ausdrücklich bestimmt, dass das Verbot nur im Zeitraum zwischen 06:00 Uhr bis 21:00 Uhr greife: “Täglich zwischen 6 Uhr und 21 Uhr darf keine Werbung im Rundfunk und Internet für virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele erfolgen (…)”
Eine solche zeitliche Begrenzung des Influencer-Marketings sei auch in der Praxis umsetzbar: "Der Senat ist somit in dem Beschluss vom 15. Juni 2023 (…) davon ausgegangen, dass das Verbot des Influencer-Marketings grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden ist. Zugleich hat der Senat ein auf die Nachtzeiten zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr beschränktes Influencer-Marketing zwar für zulässig gehalten, aber gleichwohl das vollständige Verbot als verhältnismäßig angesehen, weil er die Möglichkeit zeitlicher Begrenzungen als realitätsfern angesehen hat. (…) Der Senat sieht keinen Anlass, von seiner Beurteilung zur Zulässigkeit des Influencer-Marketings abzurücken, hält aber nicht mehr in vollem Umfang daran fest, dass eine zeitliche Begrenzung praktisch nicht durchführbar ist."
Und weiter: "Nach dem unbestritten gebliebenen (erstinstanzlichen) Vorbringen der Antragstellerin dürfte auf sog. Eigenkanälen von Influencern ein Marketing mit zeitlicher Begrenzung praktikabel realisierbar sein, so dass sich insoweit das Verbot des Influencer-Marketing in den Zeiten zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr als voraussichtlich rechtswidrig erweist. Der Senat geht auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin davon aus, dass es nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt, Influencer-Marketing grundsätzlich zu untersagen, auch soweit davon - außerhalb von Eigenkanälen - die Nachtzeiten betroffen sind. Es liegt weiterhin auf der Hand, dass Werbung durch Influencer außerhalb des zeitlichen Korridors von 21.00 bis 6.00 Uhr besondere administrative und technische Maßnahmen erfordert, die je nach Social-Media-Plattform verschieden und nicht ohne Weiteres nachvollziehbar gesichert sind. Gerade die Vielfältigkeit der Werbepersonen und der Social-Media-Plattformen setzen für die Antragsgegnerin angesichts der besonderen verkaufsfördernden Wirkung des Influencer-Marketings prüfbare administrative und technische Begrenzungen voraus, an denen es bislang offensichtlich fehlen dürfte. Auch die Antragstellerin verweist ausschließlich, wenn auch nur beispielhaft, auf die - ohne weiteres mögliche - zeitliche Begrenzbarkeit von Werbung auf Influencer-Eigenkanälen. Ist selbst die Antragstellerin, die von Influencer-Marketing Gebrauch machen will, nicht in der Lage, weitere Beispiele zu nennen, sieht auch der Senat keinen Anlass (und im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch keine Möglichkeit), durch Maßnahmen der Amtsermittlung zu klären, ob es außerhalb der Eigenkanäle praktikable technische Möglichkeiten zur zeitlichen Begrenzung des Influencer-Marketings gibt."
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8.
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LG Darmstadt: Ein aktuell beworbenes Produkt muss auch lieferbar sein
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Bewirbt ein Unternehmen in einem Flyer ein konkretes Produkt (hier: ein Balkonkraftwerk), geht der Verbraucher auch davon aus, dass diese Ware lieferbar ist. Auch etwaige Hinweise wie “Beispielsrechnung” oder der Hinweis auf einen älteren Sachstand ("Stand: 05.2021") genügen nicht, um diese Erwartungshaltung zu entkräften (LG Darmstadt, Urt. v. 20.10.2023 - Az.: 22 O 6/23). Der Beklagte bewarb auf seiner Webseite in einem Flyer ein bestimmtes Balkonkraftwerk mit einer Beispielsrechnung zu einem bestimmten Preis. Als eine Kundin die Ware erwerben wollte, antwortet der Händler, dass dieses Produkt zu diesem Preis nicht mehr vorhanden sei. Aufgrund Inflation und hoher Nachfrage hätten sich die Preise verdoppelt. Die Klägerin sah hierin eine irreführende Werbung und klagte auf Unterlassung. Der Beklagte verteidigte sich damit, dass es sich bei dem Flyer lediglich um eine beispielhafte Darstellung und der Veranschaulichung der Stromkosten gehandelt habe. Aus dem Wort “Beispielsrechnung” ergebe sich dies auch. Zudem ergebe sich der Umstand, dass der Inhalt inzwischen überholt sei, aus dem Hinweis “Stand: 05.2021”. Beides überzeugte das LG Darmstadt nicht, sodass es den Unternehmer zu Unterlassung verurteilte: "Durch den Werbeflyer werden Verbraucher angesprochen, die einen Balkon besitzen und das Interesse daran haben, zumindest in geringen Mengen eigenen Strom mithilfe eines Balkonkraftwerkes zu produzieren. Auf dem ausgeteilten Flyer, der sich auch auf der Internetseite des Beklagten befunden hat, findet sich auf der ersten Seite ein Satz wieder „Strom für 5 Cent produzieren“. Neben diesem Satz befindet sich eine abgedruckte 5 Cent Münze. Auf der zweiten Seite (Rückseite) des Flyers findet sich eben diese 5 Cent Münze wieder, worunter eine Beispielsrechnung zu sehen ist. Damit bezieht sich diese Beispielsrechnung eindeutig auf die Möglichkeit, mit einem Balkonkraftwerk für 5 Cent eigenen Strom produzieren zu können. (…) Es kommt allein darauf an, ob nach dem Empfängerhorizont eines Durchschnittsverbrauchers eine Ware beworben wird, welches den angegebenen Preis aus dem Werbeflyer hat. Dies ist der Fall. Liest ein Durchschnittsverbraucher den streitgegenständlichen Flyer, wird und darf er davon ausgehen, dass der Verkäufer ihm zumindest eine Ware anbieten kann, die diesen Anforderungen genügt und 750 Euro kostet. Hierfür spricht auch die Abbildung des steckerfertigen Sets unter der Überschrift „plug & play“. Sofern sich der Beklagte darauf beruft, mit der Beispielsrechnung würde er lediglich die Wirtschaftlichkeit belegen, wie man für 5 Cent Strom produzieren kann, ist dies auf die objektive Empfängerperspektive nicht übertragbar. Verteilt der Beklagte diese Flyer, kann und darf ein Durchschnittsverbraucher davon ausgehen, dass diese Anlage auch im Sortiment des Beklagten zu finden ist und dieser nicht lediglich eine beliebige Anlage bewirbt, die er nicht vertreibt, zumal er das Modul früher für den genannten Preis verkauft hat."
Hinsichtlich des angegeben Sachstandes führt das Gericht aus: "Auch der Umstand, dass es sich um einen Flyer aus dem Jahr Mai 2021 handelt, beseitigt die Irreführung nicht, da ein Durchschnittsverbraucher durchaus davon ausgehen kann, dass ein Angebot noch aktuell ist, wenn es keinen neuen Stand gibt. Auch da, vor allem in den vergangenen Jahren, bekannt gewesen ist, dass die Strompreise und die Preise für Solarpanels sich aufgrund der Inflation und hohen Nachfrage stark verändern, hätte dies dem Verkäufer erst recht bekannt sein müssen und dieser hätte erst recht den Flyer nicht verteilen dürfen. Zudem sind Flyer in der Regel für Laufkundschaft bestimmt, die nicht mit der gleichen Aufmerksamkeit den Flyer lesen, wie die Parteien in einem gerichtlichen Verfahren."
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9.
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LG Hamburg: Wettbewerbsverstoß, weil Unternehmen ausländisches Konto nicht akzeptiert (SEPA-Diskriminierung)
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Ein Wettbewerbsverstoß liegt bereits dann vor, wenn ein Unternehmen in einem Einzelfall ein ausländisches EU-Konto zur Bezahlung nicht akzeptiert. Nicht notwendig ist es, dass das Unternehmen ganz grundsätzlich eine Zahlungsweise ablehnt (LG Hamburg, Urt. v. 10.10.2023 - Az.: 406 HKO 88/22). Die Beklagte, die Wohnungen vermietete, lehnte es in einem einzelnen Fall ab, Dauerlastschriften von einem litauischen Konto abzubuchen. Nachdem die Klägerin die Beklagte abgemahnt hatte, teilte die Beklagte dem Kunden mit, dass seine ausländische Kontonummer inzwischen erfolgreich in ihrem System gespeichert worden sei und die Ablehnung auf einem Bearbeitungsfehler bestünde. Dies überzeugte das LG Hamburg nicht, sodass es die Beklagte zur Unterlassung verurteilte. Es sei nämlich nicht, ob lediglich in einem Einzelfall oder ganz grundsätzlich ein ausländisches Konto nicht akzeptiert werde. "An dem damit erfolgte Verstoß (…) ändert es nichts, dass die Beklagte das litauische Konto (…) nachträglich akzeptiert (…) hat, zumal dies erst nach der Abmahnung und geraume Zeit nach der Zurückweisung der Bankverbindung und des daraufhin erfolgten Hinweises des Herrn (…) auf die darin liegende IBAN-Diskriminierung erfolgt ist. In diesem Zusammenhang kommt es auch nicht darauf an, ob ein seinen Kunden das Lastschriftverfahren als solches anbietendes Unternehmen ausländische Bankverbindungen generell oder nur im Einzelfall ablehnt. Eine Beschränkung der Regelung des Art. 9 Abs. 2 SEPA-Verordnung auf die generelle Ablehnung ausländischer Bankverbindungen für das Lastschriftverfahren lässt sich weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Regelung entnehmen. Für das mit der SEPA-Verordnung bezweckte ordnungsgemäße Funktionieren des Zahlungsbinnenmarktes und des in diesem Zusammenhang als besonders wichtig angesehenen SEPA-Verfahrens (vgl. Erwägungsgründe 1, 2 der SEPA-Verordnung) ist es bereits abträglich, wenn Lastschriften von ausländischen Konto auch nur in Einzelfällen abgelehnt werden. Eine Einschränkung der Regelung des Art. 9 Abs. 2 SEPA-Verordnung auf Fälle genereller Zurückweisung von Auslandskonten lässt sich der Regelung daher nicht entnehmen."
Inhaltlich liege ein Wettbewerbsverstoß vor, da Art. 9. Abs.3 SEPA-Verordnung verletzt werde: "Die aus Anlage ersichtliche E-Mail verstößt gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-Verordnung. Auch wenn in diesem Zusammenhang umgangssprachlich von einer SEPA-Diskriminierung gesprochen wird, setzt ein Verstoß gegen diese Vorschrift in keiner Weise die Absicht einer Diskriminierung oder Ähnliches voraus. (…) Ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 SEPA-Verordnung liegt daher bereits dann vor, wenn ein Zahlungsempfänger zwar grundsätzlich Zahlungen per Lastschrift akzeptiert, dem Inhaber eines Zahlungskontos innerhalb der Europäischen Union aber vorgibt, in welchem Mitgliedstaat dieses Zahlungskonto zu führen ist. Die Beklagte gestattet ihren Kunden die Zahlung im Wege des Lastschriftverfahrens. Sie hat jedoch ihrem Kunden (…) mit der aus Anlage ersichtlichen E-Mail vorgegeben, eine deutsche Bankverbindung zu übermitteln. Dies ergibt sich gem. §§ 133, 157 BGB aus der Sicht eines objektiven Empfängers aus der aus Anlage ersichtlichen E-Mail, in der dem Kunden (…) zunächst mitgeteilt wird, dass das System der Beklagten die von Herrn (…) übermittelte IBAN mit der dazugehörigen BIC nicht annehme und deshalb um Übermittlung einer andern (deutschen) Bankverbindung gebeten werde, damit die monatlichen Beiträge eingezogen werden können. Ungeachtet der höflichen Formulierung „wir bitten Sie“ ergibt sich daraus für den Empfänger, der die von Beklagtenseite behaupteten Hintergründe dieser E-Mail nicht kennt, dass die Übermittlung einer anderen, und zwar einer deutschen Bankverbindung notwendig ist, damit die monatlichen Beiträge eingezogen werden können, weil das System die von Herrn (…) mitgeteilte IBAN des litauischen Kontos nicht annehme."
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10.
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LG Köln: Wann ein Fahrrad urheberrechtlich geschützt ist
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Bei dem Rechtsstreit vor dem LG Köln ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Fahrrad als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt ist (LG Köln, Urt. v. 01.09.2023 - Az.: 14 O 49/22). Die Klägerin entwickelte und vertrieb Kompaktfahrräder. Die Beklagte war Fahrrad-Produzentin. Im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung ging es auch um die Frage, ob die von der Klägerin urheberrechtlich geschützt sind. Das LG Köln hat diese Frage bejaht und ein Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs.1 Nr.4 UrhG angenommen. 1. Allgemeine Voraussetzungen für Schutz als Werk der angewandten Kunst: Zunächst erläutert das Gericht die Voraussetzungen, die in solchen Fällen für einen Urheberrechtsschutz anzunehmen sind: "Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG gehören Werke der bildenden Kunst einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke zu den urheberrechtlich geschützten Werken, sofern sie nach § 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen sind. Eine persönliche geistige Schöpfung ist eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (…). Für eine Einstufung eines Objekts als Werk müssen zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt (…). Ein Gegenstand kann erst dann, aber auch bereits dann als ein Original in diesem Sinne angesehen werden, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Wurde dagegen die Schaffung eines Gegenstands durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt, die der Ausübung künstlerischer Freiheit keinen Raum gelassen haben, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Gegenstand die für die Einstufung als Werk erforderliche Originalität aufweist (…)."
Dabei gehe es vor allem darum, ob der jeweilige Schöpfer etwas Neues, Eigenes erschaffen habe oder ob er sich vielmehr nur an bereits Vorgegebenem oriteniert habe: "Der Schöpfungsprozess ist daraufhin zu analysieren, ob der Urheber sich ausschließlich an Vorgegebenem orientiert und die Spielräume nicht durch eigene Entscheidungen ausgefüllt hat. Lässt sich ausschließen, dass ein Gestalter vollständig nach vorgegebenen Regeln gearbeitet hat, ist zu folgern, dass er jedenfalls in gewissem Umfang eigene schöpferische Entscheidungen getroffen hat. Dann spricht eine Vermutung dafür, dass er den gegebenen Gestaltungsspielraum tatsächlich genutzt hat, um sein geistiges Produkt hervorzubringen. Der Urheber als Anspruchsteller genügt danach seiner Obliegenheit, die Schutzfähigkeit seines Werkes darzulegen, regelmäßig dadurch, dass er ein Werkexemplar vorlegt und seine Besonderheiten – konkreten Gestaltungselemente – präsentiert (…)."
2. Urheberrechtsschutz auch für das streitgegenständliche Fahrrad? Dann hatten die Juristen zu klären, ob im vorliegenden Fall auch das streitgegenständliche Fahrrad diese Bedingungen erfüllt. Im Ergebnis wurde diese Frage bejaht: “Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin hinreichend vorgetragen. Sie hat ihr Fahrradmodell (..) dargestellt, vorgelegt und die Besonderheit (das sog. „Treppendesign“) herausgearbeitet. Sie hat zur Substantiierung ihres Vortrags ein Parteigutachten vorgelegt. Dies genügt zunächst für einen schlüssigen Vortrag zur Schutzfähigkeit.”
3. Ausgang des Rechtsstreits: Das Gericht bejahte zwar den urheberrechtlichen Schutz des Fahrrads, wies aber am Ende die Klage dennoch ab. Denn die Beklagte habe nicht in die Rechte der Klägerin eingegriffen. Denn der der Klägerin zugestandene Schutzbereich habe sehr enge Begrenzungen: "Allerdings ist der Schutzbereich des klägerischen Werks als nur sehr eng anzusehen (…). Da sowohl die oben geschilderten Schutzanforderungen relativ gering, als auch die gestalterischen Freiräume sehr eng sind und insoweit auch ein gewisses Freihaltebedürfnis für weitere Gestaltungen besteht, kann das Werk der Klägerin nur identische und sehr ähnliche Gestaltungen erfassen".
Eine solche Ähnlichkeit konnte das Gericht in den Fahrrädern der Beklagten nicht erkennen, sodass der Anspruch am Ende abgelehnt wurde.
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11.
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LG München I: HolidayCheck hat Unterlassungsanspruch gegen Fake-Bewertungen von Hotel-Aufenthalten
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HolidayCheck hat einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen Fake-Bewertungen von Hotel-Aufenthalten (LG München I, Urt. v. 24.07.2023 - Az.: 37 O 11887/21) Die Klägerin war das bekannte Online-Reiseportal HolidayCheck. Beklagte war das Unternehmen Goldstar Marketing, das damit warb, gegen Entgelt vorgetäuschte, positive Online-Bewertungen herbeizuführen. Das LG München I sprach HolidayCheck den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ab, da ein Wettbewerbsverstoß vorliege: "Die Klägerin ist Mitbewerberin der Beklagten zu 1) und damit aktivlegitimiert. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht nicht nur dann, wenn zwei Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen. Es besteht vielmehr auch dann, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann (…). Dies ist vorliegend der Fall, da die durch die Beklagte zu 1) zu ihrer eigenen Absatzförderung erstellten Fake-Bewertungen auf dem Portal der Klägerin zu einer schlechteren Qualität von deren Angebot und hierdurch zu einem Abwandern ihrer Portalbesucher führt."
Es liege auch eine Wettbewerbsverletzung vor: "Die Fake-Bewertungen sind auch unlautere geschäftliche Handlungen der Beklagten. Eine Bewertung ohne eine tatsächliche zugrundeliegende Erfahrung einer tatsächlich existierenden Person, die die entsprechende Plattform auch tatsächlich genutzt hat, ist nach § 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG sowie nach § 5 a Abs. 4 S. 1 UWG irreführend. Der Verkehr erwartet, wenn er Bewertungen liest, dass diese von der bewerteten Person stammen und auf den Eigenwahrnehmungen des Bewerters beruhen. Der Verbraucher geht davon aus, dass es sich um „Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen“ (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG aE) von Reiseleistungen handelt, wobei die Tests durch andere Kunden tatsächlich erfolgten. Dies ist bei Fake-Bewertungen nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich nicht um Informationen anderer Kunden, sondern geschäftliche Handlungen, bei denen wegen der ausschließlichen Positivität ein kommerzielle Zweck besteht, der nicht kenntlich gemacht ist und für den Verbraucher auch nicht erkennbar ist. Dies ist geeignet, den auf die Echtheit der Bewertung vertrauenden Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Daher liegt auch ein Verstoß gegen das Schleichwerbungsverbot nach § 5 a Abs. 4 S. 1 UWG vor."
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
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