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Newsletter vom 10.02.2021
Betreff: Rechts-Newsletter 6. KW / 2021: Kanzlei Dr. Bahr


1. EuGH: Regionalwerbeverbot für nationale Fernsehsender kann Unionsrecht verstoßen

2. OLG Frankfurt a.M.: Identifizierende Berichterstattung über Mitglied der "Pick-Up-Artist-Szene" zulässig

3. OLG Hamburg: Wettbewerbsverletzung auch bei Fake-Anmeldungen im Online-Shop

4. OVG Münster: Amtsgericht dürfte Pressemitteilung mit Details aus Anklageschrift nicht veröffentlichen

5. LG Aschaffenburg: Auch unter DSGVO muss Auskunftei Restschuldbefreiung erst nach 3 Jahren löschen

6. LG Bonn: Kein Nutzungsersatzanspruch des Darlehensnehmers nach Widerruf eines im Fernabsatz-Darlehensvertrages

7. LG Düsseldorf: Fliegender Gerichtsstand gilt bei Online-Wettbewerbsverstößen auch nach UWG-Reform weiterhin

8. LG Frankfurt a.M.: Beweislast bei DSGVO-Schadensersatz trifft Kläger

9. LG München I: Streit um urheberrechtliche Nachvergütung für Mitwirkung in der SAT.1-Comedyserie "Sechserpack"

10. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter verlangt von Clubhouse Auskunft über Datenschutz

Die einzelnen News:

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1. EuGH: Regionalwerbeverbot für nationale Fernsehsender kann Unionsrecht verstoßen
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Das Verbot, im Rahmen bundesweit ausgestrahlter deutscher Fernsehprogramme Werbung nur regional zu zeigen, könnte gegen das Unionsrecht verstoßen

Dieses umfassende Verbot könnte nämlich zum einen über das hinausgehen, was erforderlich ist, um den pluralistischen Charakter des Fernsehprogrammangebots zu wahren, indem den regionalen und lokalen Fernsehveranstaltern die Einnahmen aus der regionalen Fernsehwerbung vorbehalten bleiben, und zum anderen könnte es zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung der nationalen Fernsehveranstalter und der Anbieter von Werbedienstleistungen im Internet führen

Die Gesellschaft österreichischen Rechts Fussl Modestraße Mayr GmbH betreibt in Österreich und im Freistaat Bayern (Deutschland) eine Kette von Modegeschäften. Im Jahr 2018 schloss sie einen Vertrag mit der SevenOne Media GmbH, der Vermarktungsgesellschaft des deutschen Fernsehveranstalters ProSiebenSat.1. Dieser Vertrag betraf auf den Freistaat Bayern beschränkte Ausstrahlung von Werbung im Rahmen des bundesweiten Programms von ProSieben.

SevenOne Media verweigerte jedoch die Erfüllung dieses Vertrags. Seit dem Jahr 2016 untersagt ein von den Bundesländern geschlossener Staatsvertrag es den Fernsehveranstaltern nämlich, in ihr bundesweit ausgestrahltes Programm Fernsehwerbung aufzunehmen, die nur regional gezeigt wird. Durch dieses Verbot soll den regionalen und lokalen Fernsehveranstaltern, indem ihnen die Einnahmen aus der regionalen Fernsehwerbung vorbehalten bleiben, eine Einnahmequelle und damit ihr Fortbestand gesichert werden, um es ihnen zu ermöglichen, zum pluralistischen Charakter des Fernsehprogrammangebots beizutragen.

Das Verbot ist mit einer „Öffnungsklausel“ versehen, die es den Bundesländern ermöglicht, regionale Werbung im Rahmen des bundesweiten Programms zu erlauben.

Unter diesen Umständen möchte das mit dem Rechtsstreit über die Erfüllung des in Rede stehenden Vertrags befasste Landgericht Stuttgart (Deutschland) wissen, ob ein solches Verbot mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Diese Rechtssache veranlasst den Gerichtshof u. a. dazu, bestimmte in seiner Rechtsprechung zum freien Dienstleistungsverkehr aufgestellte Grundsätze anzuwenden und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) im besonderen Kontext eines Verbots regionaler Werbung auf nationalen Fernsehsendern auszulegen. Bei einer solchen Prüfung darf nicht außer Acht gelassen werden, dass über Internetplattformen Werbedienstleistungen erbracht werden, die eine Konkurrenz für die herkömmlichen Medien darstellen können.

Würdigung durch den Gerichtshof
Erstens führt der Gerichtshof zur Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste  aus, dass ihr Art. 4 Abs. 1, wonach die Mitgliedstaaten in den von dieser Richtlinie koordinierten Bereichen unter bestimmten Voraussetzungen strengere oder ausführlichere Bestimmungen vorsehen können, um den Schutz der Interessen der Zuschauer sicherzustellen, im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Denn das fragliche Verbot fällt zwar in einen von der Richtlinie koordinierten Bereich, nämlich den der Fernsehwerbung, betrifft jedoch eine spezielle Materie, die durch keinen Artikel der Richtlinie geregelt wird und darüber hinaus nicht das Ziel des Schutzes der Zuschauer verfolgt. Das Verbkann daher nicht als „ausführlichere“ oder „strengere“ Bestimmung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie eingestuft werden, so dass ihm diese Vorschrift nicht entgegensteht.

Zweitens stellt der Gerichtshof zur Vereinbarkeit des fraglichen Verbots mit dem durch Art. 56 AEUV garantierten freien Dienstleistungsverkehr zunächst fest, dass ein solches Verbot zu einer Beschränkung dieser Grundfreiheit führt, zum Nachteil sowohl der Anbieter von Werbedienstleistungen, also der Fernsehveranstalter, als auch der Empfänger dieser Dienstleistungen, also der Werbetreibenden, insbesondere jener, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind. Sodann weist er in Bezug auf die Rechtfertigung dieser Beschränkung darauf hin, dass die Aufrechterhaltung des pluralistischen Charakters des Fernsehprogrammangebots einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann. Schließlich weist er in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung darauf hin, dass das Ziel der Aufrechterhaltung des Medienpluralismus zwar, da es mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit im Zusammenhang steht, den nationalen Stellen ein weites Ermessen einräumt.

Das fragliche Verbot muss jedoch geeignet sein, die Erreichung dieses Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist.

Hierzu führt der Gerichtshof zum einen aus, dass das fragliche Verbot mit einem Widerspruch behaftet sein könnte, und zwar wegen des - vom nationalen Gericht zu prüfenden - Umstands, dass es nur für Werbedienstleistungen gilt, die von Fernsehveranstaltern erbracht werden, und nicht für - insbesondere lineare - Werbedienstleistungen, die im Internet erbracht werden. Dabei könnte es sich nämlich um zwei Arten auf dem deutschen Werbemarkt konkurrierender Dienstleistungen handeln, die die gleiche Gefahr für das finanzielle Wohlergehen der regionalen und lokalen Fernsehveranstalter und damit für das Ziel des Schutzes des Medienpluralismus darstellen können.

Was zum anderen die Erforderlichkeit des Verbots betrifft, könnte sich eine weniger beschränkende Maßnahme aus der tatsächlichen Umsetzung der durch die „Öffnungsklausel“ vorgesehenen Erlaubnisregelung in den Bundesländern ergeben. Das nationale Gericht hat jedoch zu prüfen, ob diese a priori weniger einschränkende Maßnahme tatsächlich so erlassen und durchgeführt werden kann, dass das verfolgte Ziel in der Praxis erreichbar ist.

Drittens stellt der Gerichtshof zu der durch Art. 11 der Charta garantierten Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit fest, dass sie einem Verbot regionaler Werbung auf nationalen Fernsehsendern wie dem in der fraglichen nationalen Maßnahme enthaltenen nicht entgegensteht. Dieses Verbot beruht nämlich im Wesentlichen auf einer Abwägung zwischen der Freiheit der nationalen Fernsehveranstalter und der Werbetreibenden zur kommerziellen Meinungsäußerung einerseits und dem Schutz des Medienpluralismus auf regionaler und lokaler Ebene andererseits. Insoweit durfte der deutsche Gesetzgeber - ohne das weite Ermessen, das ihm in diesem Rahmen zusteht, zu überschreiten - davon ausgehen, dass die Wahrung des öffentlichen Interesses Vorrang vor dem privaten Interesse der nationalen Fernsehveranstalter und der Werbetreibenden haben soll.

Viertens kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass auch der in Art. 20 der Charta verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung dem fraglichen Verbot nicht entgegensteht, sofern es nicht zu einer Ungleichbehandlung der nationalen Fernsehveranstalter und der Anbieter von - insbesondere linearer - Werbung im Internet in Bezug auf die Ausstrahlung von Werbung auf regionaler Ebene führt. Insoweit muss das nationale Gericht prüfen, ob sich die Situation der nationalen Fernsehveranstalter und die Situation der Anbieter von - insbesondere linearen - Werbedienstleistungen im Internet in Bezug auf die Erbringung von Dienstleistungen der regionalen Werbung in den ihre jeweilige Situation kennzeichnenden Merkmalen - insbesondere den üblichen Formen der Nutzung von Werbedienstleistungen, der Art ihrer Erbringung oder dem rechtlichen Rahmen, in den sie sich einfügen - erheblich voneinander unterscheiden.

Urteil in der Rechtssache C-555/19
Fussl Modestraße Mayr GmbH / SevenOne Media GmbH u. a.

Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 03.02.2021

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2. OLG Frankfurt a.M.: Identifizierende Berichterstattung über Mitglied der "Pick-Up-Artist-Szene" zulässig
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Die Öffentlichkeit hat ein hohes Interesse an der Auseinandersetzung mit dem Phänomen der „Pick-Up-Artist-Szene“. Persönlichkeitsrechte des Klägers, der durch einen Video-Clip und Coaching-Tätigkeit selbst als Mitglied dieser Szene an die Öffentlichkeit getreten ist, treten bei Abwägung aller betroffenen Interessen hinter die Meinungsfreiheit der Verfasser der zwei angegriffenen Berichte zurück.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat deshalb mit heute verkündetem Urteil Unterlassungsansprüche des Klägers gegen eine identifizierende Berichterstattung zurückgewiesen.

Der Kläger wendet sich gegen zwei Artikel, die in einer AStA-Zeitschrift einer Universität im Sommer 2015 veröffentlicht wurden. Unter den Titeln „´Pick-Up-Artists´ und Casanova - eine künstlerische Technik der Liebe?“ und „´Pick-Up-Artists´: Ein fragwürdiges Phänomen von ´Verführung´“ befassten sie sich mit der „Pick-Up-Artist-Szene“. Der Kläger begehrt von der beklagten Herausgeberin dieser Zeitung insbesondere, dass sie nicht mehr durch Angabe seines Namens, seines Studentenstatus sowie der Bezeichnung seiner Nebentätigkeit identifizierend über ihn berichtet.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG Erfolg und führte zur Klageabweisung. Dem Kläger stünde kein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu, urteilte das OLG.

Die Beklagte habe die bestimmten von Verfassern gekennzeichneten Artikel in ihrer Zeitung jedenfalls verbreitet und sei damit grundsätzlich für den Inhalt verantwortlich. Sie hafte jedoch nicht für die Verbreitung der Äußerungen, da die identifizierende Berichterstattung hier rechtmäßig gewesen sei.

Die Artikel griffen zwar in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein und berührten ihn in seiner so genannten Sozialsphäre. Dieser Eingriff sei jedoch nicht rechtswidrig. Als Herausgeberin könne sich die Beklagte auf das den Autoren der veröffentlichten Artikel und den Lesern zustehende Grundrecht der Meinung- und Kommunikationsfreiheit berufen. Zu den Aufgaben der Beklagten gehöre auch die Förderung der politischen Bildung und der staatsbürgerlichen Verantwortung der Studierenden. Die streitgegenständliche Zeitung diene als Diskussionsforum.

Bei Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit der Verfasser der Artikel überwiege die Meinungsfreiheit. Die Presse sei nach verfassungsrechtlicher Rechtsprechung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berichterstattung zu verweisen. Die Artikel knüpften zudem an wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre des Klägers und eine Tätigkeit an, die der Kläger „in Coachings nebenberuflich lehrt(e) und selbst in der Öffentlichkeit betreibt“.

Wahre Tatsachen müssten in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen seien. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege das Interesse des Klägers an Anonymität. „Es besteht zunächst ein hohes öffentliches Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem Phänomen der „Pick-Up-Artist-Szene“. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sei es vermehrt zu übergriffigem Verhalten an der Universität gekommen. Dabei habe sich das öffentliche Interesse nicht nur auf die weiblichen Studierenden der Universität, sondern auf die gesamte Öffentlichkeit erstreckt.

Die Artikel befassten sich mit der Historie der Szene und setzten sich kritisch mit ihr auseinander. Es bestehe ein Interesse der Öffentlichkeit daran, zu erfahren, wie sich einzelne Vertreter dieser Szene in der Öffentlichkeit präsentieren. Naheliegend sei es deshalb, dass auch Vertreter der Szene - wie im Artikel geschehen - angeführt würden. Der Kläger gehöre zu der Szene, „denn er praktiziert „Pick-Up“ nicht nur selbst, sondern er lehrt(e) die Pick-Up-„Kunst“ im Nebenberuf in Coaching-Seminaren“ und hat sich selbst mit dem Thema im Frühjahr 2014 durch einen Fernsehbeitrag bewusst in die Öffentlichkeit begeben.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 04.02.2021, Az. 16 U 47/20
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.01.2020, Az. 2-03 O 513/18) Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 04.02.2021

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3. OLG Hamburg: Wettbewerbsverletzung auch bei Fake-Anmeldungen im Online-Shop
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Schickt ein Unternehmen unberechtigte Zahlungsaufforderungen an eine Person, die Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden ist, liegt darin eine Wettbewerbsverletzung (OLG Hamburg, Urt. v. 28.01.2021 - Az.: 15 U 128/19).

Das verklagte Telekommunikations-Unternehmen schickte an eine Verbraucherin eine Zahlungsaufforderung. Aus Sicht der Firma hatte die Verbraucherin in der Vergangenheit einen Vertrag bei ihr abgeschlossen, aber die offenen Forderungen nicht beglichen.

Die beiden ersten Schreiben gingen an eine Berliner Adresse, diese kamen jedoch als unzustellbar zurück. Daraufhin ermittelte die Beklagte die neue Anschrift in Stuttgart. Als die Person auf die außergerichtlichen Schreiben nicht reagierte, erhob sie Klage. Vor Gericht stellte sich dann heraus, dass die Verbraucherin nie bei der Beklagten eine Bestellung in Auftrag gegeben hatte und ganz offensichtlich Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden war.

Der klägerische Verbraucherschutzverband sah nun in dem Vorgehen des Telekommunikations-Anbieters einen Wettbewerbsverstoß, da der irreführende Eindruck erweckt worden sei, die Verbraucherin hätte zahlen müssen.

In Anlehnung an die Grundlagen-Entscheidung "Identitätsdiebstahl"  des BGH (Urt. v. 06.06.2019 - Az.: I ZR 216/17) teilte das OLG Hamburg diese Einschätzung und verurteilte den gewerblichen Anbieter zur Unterlassung.

Dadurch, dass das Unternehmen unberechtigt Forderungen verschickt habe, liege eine irreführende Handlung vor. Nicht erforderlich sei, dass es schuldhaft gehandelt habe:

"Die Annahme einer irreführenden Handlung (...) setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Gewerbetreibende vorsätzlich eine objektiv falsche Angabe macht (...). Gemäß Art. 11 URP-Richtlinie ist der Nachweis vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns nicht notwendig."

Das Gericht erörtert aber an dem Merkmal der Unverhältnismäßigkeit, ob der Unterlassungsanspruch möglicherweise ausnahmsweise nicht greife, weil der Irrtum des gewerblichen Anbieters unverschuldet passiert sei, verneint dies aber am Ende:
"Zwar mag sich im Falle eines unverschuldeten Irrtums des Gewerbetreibenden über das Bestehen eines Vertrags die Frage stellen, ob die Durchsetzung eines wegen Verletzung des Irreführungsverbots bestehenden Unterlassungsanspruchs noch eine verhältnismäßige Sanktion im Sinne von Art. 13 Satz 2 UGP-Richtlinie ist (...).

Für eine Unverhältnismäßigkeit könnte neben dem unverschuldeten Irrtum des Gewerbetreibenden sprechen, dass der Irrtum auf dem mutmaßlich rechtswidrigen und den Auftraggeber der Beklagten potentiell schädigenden Handeln eines unbekannten Dritten beruht und der Verbraucher im Gegensatz zum Gewerbetreibenden weiß oder jedenfalls wissen bzw. ermitteln kann, dass er den Vertrag nicht geschlossen hat.

Eine Unverhältnismäßigkeit könnte sich möglicherweise daraus ergeben, dass Unternehmer wie die Auftraggeberin der Beklagten, die formlos mögliche Vertragsschlüsse anbieten, einen wirtschaftlich unverhältnismäßigen Aufwand treiben müssten, um Identitätsdiebstähle wirksam ausschließen zu können."


Und weiter:
"Von letzterem kann der Senat jedoch nicht ausgehen, weil die Beklagte dazu nicht vorgetragen hat.

Sie hat lediglich geltend gemacht, dass eine Prüfung der Identität des Verbrauchers beim Abschluss von Mobilfunkverträgen „schlicht unmöglich und wirtschaftlich unzumutbar“ sei (...).  Es ist jedoch schon nicht dargelegt, auf welche Weise der hier in Rede stehende Vertrag unter dem Namen der Zeugin Z. konkret geschlossen worden ist. Abstrakt, z.B. in ihren Formulierungsvorschlägen für Vorlagefragen an den Gerichtshof der Europäischen Union, spricht die Beklagte zwar von einem Vertragsschluss über das Internet (...).

Ob der in Rede stehende Vertrag jedoch über das Internet geschlossen wurde, haben die Parteien nicht vorgetragen. Eine Identitätsüberprüfung des Vertragspartners bei einem Vertragsschluss in Anwesenheit des Verbrauchers kann ohne weiteres durch Vorlage und Überprüfung eines Ausweisdokuments erfolgen. Entsprechendes gilt für online abgeschlossene Verträge z.B. mit Blick auf das Post-Ident-Verfahren. Es ist demnach nicht richtig, dass eine Identitätsüberprüfung „schlicht unmöglich“ sei. Ferner ist nicht konkret dargelegt, dass bzw. warum alle bestehenden Möglichkeiten der Identitätsüberprüfung wirtschaftlich unzumutbar seien, und das ist auch nicht ersichtlich."


Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Bereits in unserer Anmerkung zum BGH-Urteil hatten wir angemerkt, dass diese Entscheidung sowohl Offline- als auch Online-Unternehmen in praktischer Sicht vor unlösbare Probleme. Denn keine Firma ist vor Fake-Bestellungen sicher.

Zwar öffnet das OLG Hamburg mit dem aktuellen Urteil eine gewisse Hintertür für betroffene Unternehmen. Denn es erkennt an, dass in bestimmten Fällen der Unterlassungsanspruch ausgeschlossen ist.

"Eine Unverhältnismäßigkeit könnte sich möglicherweise daraus ergeben, dass Unternehmer wie die Auftraggeberin der Beklagten, die formlos mögliche Vertragsschlüsse anbieten, einen wirtschaftlich unverhältnismäßigen Aufwand treiben müssten, um Identitätsdiebstähle wirksam ausschließen zu können."

Unklar bleibt jedoch, in welchen Fällen genau eine Unverhältnismäßigkeit und somit kein Wettbewerbsverstoß vorliegt. Welche Voraussetzungen muss ein Online-Shop erfüllen, damit es sich keiner Haftung aussetzt?

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4. OVG Münster: Amtsgericht dürfte Pressemitteilung mit Details aus Anklageschrift nicht veröffentlichen
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Das Amtsgericht Düsseldorf war und ist nicht berechtigt, Details aus einer bei ihm eingegangenen Anklage gegen einen ehemaligen Profifußballspieler per Pressemitteilung öffentlich bekannt zu machen. Es war und ist dem Amtsgericht im konkreten Fall aber erlaubt, Medienvertreter wahrheitsgemäß unter Namensnennung über die Anklageerhebung und den Tatvorwurf in abstrakter Form unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung zu unterrichten.

Dies hat das Oberverwaltungsgericht heute in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes entschieden und den vorausgegangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf teilweise geändert.

Kurz nachdem die Staatsanwaltschaft per Pressemitteilung über die Anklageerhebung in anonymisierter Form und ohne Nennung des Strafvorwurfs informiert hatte, gab das Amtsgericht wegen zahlreicher Medienberichte und -anfragen ebenfalls hierüber eine Pressemitteilung heraus, die auch im Internet veröffentlicht wurde.

Sie enthielt den Namen des Angeschuldigten und offenbarte Details der Anklage, die zuvor nicht öffentlich bekannt waren. Der daraufhin vom Antragsteller beim Verwaltungsgericht Düsseldorf gestellte Eilantrag blieb erfolglos. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte nun teilweise Erfolg.

Zur Begründung seines Beschlusses hat der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts verletze die Pressemitteilung das Recht des Antragstellers auf ein faires Verfahren und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.

Die öffentliche Berichterstattung über den Strafvorwurf greife erheblich in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers ein. Medieninformationen der Pressestelle des Amtsgerichts über das Strafverfahren, denen amtliche Authentizität zukomme, müssten mit Blick auf die Unschuldsvermutung und die Auswirkungen auf das Strafverfahren gerade zu seinem Beginn mit der gebotenen Sachlichkeit, Objektivität und Zurückhaltung erfolgen.

Die Pressemitteilung des Amtsgerichts in diesem frühen Verfahrensstadium hätte danach nicht ohne vorherige Anhörung des Antragstellers erfolgen dürfen und gehe über den zulässigen Inhalt hinaus. Außerdem habe die in Rechte des Antragstellers eingreifende Pressemitteilung nicht für die Allgemeinheit im Internet zugänglich gemacht werden dürfen, weil es dafür keine Ermächtigungsgrundlage gebe.

Der Antragsteller müsse es aber wegen der Besonderheiten des Einzelfalles hinnehmen, wenn das Amtsgericht die Medien, die sich auf die Pressefreiheit berufen könnten, durch sorgfältig formulierte Informationen wahrheitsgemäß und unter Namensnennung über den Tatvorwurf in abstrakter Form unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung unterrichte. Für eine solche Information liege der erforderliche Mindestbestand an Beweistatsachen vor. Dabei sei nach vorheriger Anhörung des Antragstellers gegebenenfalls knapp und ohne nähere Einzelheiten mitzuteilen, dass dieser den Vorwürfen entgegen trete.

In Bezug auf das weitergehende Begehren, dem Amtsgericht bestimmte Vorgaben für seine künftige Pressearbeit zu dem Strafverfahren zu machen, blieb die Beschwerde erfolglos. Der Antragsteller könne hier keinen - nur ausnahmsweise zulässigen - vorbeugenden Rechtsschutz beanspruchen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 4 B 1380/20 (I. Instanz: VG Düsseldorf 20 L 1781/20)

Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 04.02.2021

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5. LG Aschaffenburg: Auch unter DSGVO muss Auskunftei Restschuldbefreiung erst nach 3 Jahren löschen
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Auch unter der DSGVO muss eine Auskunftei eine Restschuldbefreiung grundsätzlich erst nach Ablauf von 3 Jahren löschen (LG Aschaffenburg, Urt. v. 07.10.2020 - Az.: 15 O 46/20).

Der Kläger, der Familienvater war, verlangte von der Beklagten, einer Auskunftei, die Löschung seiner eingetragenen Restschuldbefreiung vor Ablauf der dreijährigen Speicherfrist. Er argumentierte, es liege ein besonderer Ausnahmegrund vor, der eine vorzeitige Löschung rechtfertige.

Seine bei ihm lebende Tochter sei schwerbehindert und müsste entsprechend von ihm versorgt werden. Es sei ein Umzug in eine andere Wohnung notwendig. Dies sei jedoch aufgrund der Restschuldbefreiung unmöglich, sodass Leib und Leben seiner Tochter gefährdet sei.

Er verlangte daher nach Art. 17 DSGVO Löschung der Restschuldbefreiung.

Das LG Aschaffenburg wies die Klage ab.

Es sei nicht ausreichend vorgetragen worden, dass ein Härtefall vorliege, so das Gericht.

Die Daten seien rechtmäßig erhoben und gespeichert worden. Auch ihr Inhalt stimme.

Eine Löschung komme nur dann in Betracht, wenn ein besonderer Härtefall gegeben sei:

"Bloße wirtschaftliche Interessen zur Erlangung eines Kredits genügen hier nicht.

Im Übrigen hat der Kläger hier auch nicht hinreichend dargetan, inwiefern er tatsächlich in seinen Möglichkeiten zur Neuanmietung einer Wohnung etc. eingeschränkt war. Die Angaben des Klägers beschränkten sich auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung auf einzelne Versuche, zum Teil deutlich nach Klageerhebung, zur Erlangung eines Kredits für ein Fahrzeug oder eine Anfrage bei der Stadt. Schriftliches hierzu existiert lediglich vereinzelt oder gar nicht. Verstärkte Bemühungen sind weder dargelegt noch liegen hierzu Nachweise vor.

Soweit der Kläger Probleme bei der Wohnungssuche angesprochen hat, fehlt es an einer hinreichenden Darstellung. Hierzu war bereits zu beachten, dass eine behindertengerechte Wohnung schon per se nicht sehr einfach zu erlangen sein wird. Der Kläger hat sich hierzu bereits bei der Stadt auf eine Warteliste setzen lassen. Inwiefern andere Anstrengungen unternommen wurden, ist nicht hinreichend klar."


Und weiter:
"Der Umstand, dass der Kläger an Besichtigungsterminen teilgenommen haben will, ohne in die engere Wahl gekommen zu sein, belegt zwar, dass er zu Wohnungsbesichtigungen eingeladen wird. Soweit er anschließend aber nach Kenntnis des Eintrages direkt aus der Auswahl ausscheiden soll, wie er vorträgt, teilt er dieses Schicksal mit all denjenigen anderen Bewerbern mit negativen Schufa-Eintragen.

Seine Situation ist nach diesem Vorbringen also gleichfalls nicht besonders, sondern eben gerade typisch für denjenigen, der eine Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung durchlaufen hat.

Vor allem aber fehlt jeder konkrete Bezug zu den jeweiligen Wohnungsangeboten. Zu den konkreten Wohnungsangeboten, für welche er sich erfolglos beworben haben will, tragt der Kläger aber nichts vor. Auch kann keineswegs als gerichtsbekannt unterstellt werden, dass die Suche nach Wohnraum mit negativem Schufa-Eintrag von vorneherein und gleichsam allgemeingültig zum Scheitern verurteilt sei, wenn - wie der Kläger vorträgt - ein ausreichendes Einkommen vorliegt, um die Mietzahlungen auch zu gewährleisten."


Da das Gericht somit keinen solchen Härtefall erkennen konnte, wies es den Anspruch ab.

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6. LG Bonn: Kein Nutzungsersatzanspruch des Darlehensnehmers nach Widerruf eines im Fernabsatz-Darlehensvertrages
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Die u.a. für Bankengeschäfte zuständige 17. Zivilkammer des Landgerichts Bonn hatte zunächst dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) mit Vorabentscheidungsersuchen vom 17.04.2018 (LG Bonn – 17 O 146/17) eine Frage zur Auslegung des Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/65/EG v. 23.09.2002 (Fernabsatzfinanzdienstleistungsrichtlinie (FinFARL)) vorgelegt.

Art. 7 Abs. 4 der FinFARL regelt die Erstattungspflicht des Darlehensgebers im Falle einer Rückabwicklung des Darlehensvertrages aufgrund eines Widerrufs.

Der EuGH hat dann mit Urteil vom 04.06.2020 – C-301/18 die Auffassung der Kammer bestätigt, dass die vollharmonisierende FinFARL, die keinen Nutzungsersatzanspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber vorsieht, die Rechtsfolgen des Widerrufs abschließend regelt und daher nationalem Recht entgegen steht, wonach der Darlehensnehmer bei der Rückabwicklung gemäß §§ 357, 346 Abs. 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB a.F. Nutzungsersatz auf die von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen erhält.

Diesem vom EuGH konkretisierten Richtlinienverständnis ist von den nationalen Gerichten bei der Anwendung des jeweiligen innerstaatlichen Rechts Rechnung zu tragen. Nach Auffassung der 17. ZK im Urteil vom 21.01.2021 – 17 O 146/17 ist dies in Form einer europarechtskonformen Rechtsfortbildung möglich, indem der Verweis des § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. auf die Rücktrittsregeln des § 346 BGB a.F. teleologisch reduziert wird, das heißt diese Vorschrift hinsichtlich des nach dem Wortlaut eigentlich geschuldeten Nutzungsersatzes auf die Zins- und Tilgungsleistungen nicht angewendet wird.

Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass der Kläger nach wirksamem Widerruf der Darlehensverträge im Rahmen des Rückabwicklungsverhältnisses von der beklagten Bank keinen Nutzungsersatz hinsichtlich der von ihm an die Bank erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen verlangen kann.

Urteil des Landgerichts Bonn vom 21.01.2021 - Aktenzeichen: 17 O 146/17
Gerichtshof der Europäischen Union - Rechtssache C 301/18

Quelle: Pressemitteilung des LG Bonn v. 08.02.2021

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7. LG Düsseldorf: Fliegender Gerichtsstand gilt bei Online-Wettbewerbsverstößen auch nach UWG-Reform weiterhin
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Nach Meinung des LG Düsseldorf (Beschl. v. 15.01.2021 - Az.: 38 O 3/21)  gilt auch nach Inkrafttreten der UWG-Reform der fliegende Gerichtsstand bei Online-Wettbewerbsverstößen weiterhin.

Seit dem 02.12.2020 ist das neue Wettbewerbsrecht in Kraft getreten. Unter anderem wurde dabei § 14 Abs.2 UWG überarbeitet, wonach für Streitigkeiten im E-Commerce oder bei Telemedien der fliegende Gerichtsstand eingeschränkt bzw. abgeschafft  werden sollte.

In einem aktuellen Verfügungsverfahren hat das LG Düsseldorf nun den Standpunkt vertreten, dass die neue Regelung einschränkend auszulegen sei, da andernfalls erhebliche Ungleichheiten entstehen würden:

"Der danach gegebene Gerichtsstand des Begehungsortes ist nicht nach § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG ausgeschlossen.

aa) Dieser Ausnahmetatbestand umfasst entgegen seinem (insoweit missverständlichen) Wortlaut nicht jegliches unlautere Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien, sondern ist seinem Sinn und Zweck nach beschränkt auf solche Zuwiderhandlungen, bei denen der geltend gemachte Rechtsverstoß tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpft."


Dann folgt eine ausführliche Begründung dieser Rechtsansicht.
"Die durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs eingeführte Einschränkung des fliegenden Gerichtsstands der unerlaubten Handlung sollte durch die letztlich verabschiedete Entwurfsänderung (in der auf die zunächst geplante nahezu vollständige Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands für Inlandsfälle [vgl. § 14 Abs. 2 des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 10] zugunsten der verabschiedeten Regelung verzichtet wurde) auf die in dem Zusammenhang mit missbräuchlichen Abmahnungen als besonders anfällig angesehenen Verstöße zurückgeführt werden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutzs, BT-Drs. 19/22238 S. 18).

Solche (abmahn)missbrauchsanfälligen Zuwiderhandlungen wurden im Gesetzgebungsverfahren in Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten auf Telemedien gesehen. Dieser Befund war gestützt auf die Erwägung, dass im Online-Handel Verstöße durch den Einsatz von Crawlern einfach und automatisiert festgestellt werden könnten und zahlreiche besondere Informationsverpflichtungen bestünden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutzs, BT-Drs. 19/22238 S. 16; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/12084, S. 32).

Auf diese, von dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in den Blick genommene Fallgruppe beschränkt sich dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG entsprechend ihr Regelungsbereich. Eine andere Sichtweise wäre nicht nur unzweckmäßig und unpraktikabel, sondern liefe auf die mit der abschließenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs gerade nicht gewollte weitgehende Abschaffung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung hinaus. Dieser käme bei einem am Wortlaut haftenden Verständnis von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG bei sich unter Nutzung moderner Kommunikationstechniken verbreiteten geschäftlichen Handlungen praktisch nicht mehr zum Zuge und führte zu sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnissen."


Anhand eines Beispiels erläutert das Gericht dann die andernfalls entstehende Ungleichbehandlung:
"Beispielsweise müsste bei einem gerichtlichen Vorgehen gegen eine nach § 4 Nr. 1 UWG unlautere Verunglimpfung, das nach § 4 Nr. 3 UWG unlautere Angebot einer Nachahmung, eine nach § 7 UWG unzulässige unzumutbare Belästigung, eine nach § 4a UWG unlautere aggressive oder eine nach den §§ 5 bis 6 UWG unlautere irreführende geschäftliche Handlung jeweils danach unterschieden werden, ob die angegriffene geschäftliche Handlung - also konkret etwa die individuelle Ansprache eines Verbrauchers, die Veröffentlichung eines Verkaufsangebots oder einer Werbung - über Telemedien bzw. im elektronischen Geschäftsverkehr an einzelne Verbraucher oder die Öffentlichkeit herangetragen worden ist oder über klassische Medien bzw. im stationären Handel, auf Märkten und im nicht über Telemedien abgewickelten Versandhandel.

Eine solche, nach dem anzuwendenden materiellen Recht nicht vorzunehmende Unterscheidung hätte zur Konsequenz, dass gegen einen Mitbewerber verunglimpfenden oder Kunden über Produkteigenschaften irreführenden Werbespot für Bergschuhe bundesweit vorgegangen werden könnte, wenn er als Kinowerbung verbreitet wird, während gegen denselben Spot eines in Hamburg ansässigen Unternehmers, der den Spot über das Internet mittels Geo-Targeting ausschließlich in Bayern ausspielen lässt um speziell dort ansässige Verbraucher zu erreichen, nur in Hamburg vorgegangen werden könnte.

Ferner müsste ein in Bayern ansässiger Mitbewerber, der zunächst nur die Kinowerbung bemerkt hat und dagegen in München vorgegangen ist, ein weiteres Verfahren in Hamburg anstrengen, wenn er später im Internet auf eine in Einzelheiten abweichende Version des Werbespots stößt."


Und weiter:
"Solche Ergebnisse wären offensichtlich regelungszweckwidrig. Entsprochen wird dem Sinn und Zweck des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hingegen, wenn der Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auf solche Fälle nicht angewandt wird, in denen ein Gesetzesverstoß auch dann vorläge, wenn der Verletzer nicht im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien gehandelt hätte, sondern der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auf solche Konstellationen beschränkt wird, in denen die Annahme des Verstoßes zwingend ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfordert, mit anderen Worten der Verstoß tatbestandlich an ein solches Handeln anknüpft und bei Nutzung eines anderen Kommunikationskanals nicht verwirklicht werden könnte.

Auf diese Weise verstanden ist die in § 14 Abs. 2 S. 2 und S. 3 Nr. 1 UWG getroffene Regelung praktikabel. Die bei dieser Lesart von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG erfassten Fälle lassen sich (jedenfalls zu einem Großteil) gut voneinander abgrenzen.

Außerdem (und vor allem) erfüllt die Vorschrift bei dieser Auslegung ihren Regelungszweck. Die tatbestandlich an ein Handeln im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien anknüpfenden und in diesem Bereich insbesondere kleineren Unternehme(r)n unterlaufenden Verstöße sind gerade jene, bei denen während des Gesetzgebungsverfahrens eine Missbrauchsanfälligkeit erkannt wurde."


Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Entscheidung des LG Düsseldorf ist eine der ersten, die sich mit der gerichtlichen Zuständigkeit nach dem neuen UWG auseinandersetzt. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Standpunkt des Gerichts durchsetzen wird.

In jedem Fall fällt positiv auf, dass für eine einstweilige Verfügung der Beschluss ausführlich und umfangreich begründet ist.

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8. LG Frankfurt a.M.: Beweislast bei DSGVO-Schadensersatz trifft Kläger
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Macht der Kläger einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO geltend, trifft ihn die volle Beweislast hinsichtlich einer Datenschutzverletzung. Es reicht nicht aus, dass es in der Vergangenheit bei dem Beklagten zu einem Datenleck gekommen ist und der Kläger einige Zeit danach Spam-Anrufe erhält (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 18.01.2021 - Az.: 2-30 O 147/20).

Der Kläger begehrte u.a. Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO von dem verklagten Zahlungsanbieter Mastercard.  Er stützte sich dabei auf den Umstand, dass es in der Vergangenheit bei Mastercard  zu einem Datenleck gekommen war und er seitdem Spam-Anrufe und Spam-SMS erhielt. Er verlangte einen Betrag von mindestens 2.650,- EUR hierfür.

Das Gericht wies die Klage ab.

Den Kläger treffe für sein Begehren die volle Beweislast hinsichtlich eines Verstoßes gegen die DSGVO:

"Es ist durchaus denkbar, dass ein illegaler Hacker-Angriff stattgefunden hatte, mit dem die Beklagte oder ihre Erfüllungsgehilfen in dieser Form nicht zu rechnen brauchten. Es wäre Sache des Klägers darzulegen und zu beweisen, dass das Datenleck auf­grund einer Pflichtverletzung der Beklagten oder ihrer Erfüllungsgehilfen entstanden ist. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf Art. 82 Abs. 3 DSGVO berufen. Hierin heißt es zwar, dass der Verantwortliche von einer Haftung gemäß Art. 82 Abs. 2 DSGVO befreit wird, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist.

Dies führt jedoch nur insoweit zu einer Beweislastumkehr, als die Frage des Verschuldens betroffen ist, nicht aber Zu einer Beweislastumkehr bei der Frage nach der Ursache eines Datenlecks. Gemäß Art. 82 Abs. 2 DSGVO haftet nämlich jeder an einer Verarbeitung beteiligte Verantwortliche für den Schaden, der durch eine nicht dieser Verordnung entsprechende Verarbeitung verursacht wurde.

Dies bedeutet, dass der Kläger zunächst darlegen und beweisen müsste, dass das Datenleck durch eine nicht der DSGVO entsprechende Verarbeitung verursacht wurde. Lediglich hinsichtlich der Frage des Verschuldens hierbei würde dann die Beweislastumkehr nach Art. 82 Abs. 3 DS GVO greifen."


Und weiter:
"Der Kläger hat jedoch bereits nicht dargelegt, dass das Datenleck auf einer entspre­chenden Pflichtverletzung der Beklagten beruhte. Soweit er eine fehlende Segmenta­len vorträgt, ist dies letztlich nur eine Vermutung, die er dazu anstellt, wie es zu dem Datenleck gekommen sein könnte. Eine schlüssige und nachweisbare Behauptung ist damit jedoch nicht verbunden."
Der Anspruch scheitere auch an dem Umstand, dass der Kläger keinen hinreichenden Schaden dargelegt habe.

Denn die Kausalität zwischen Datenleck und Spam-Anrufe sei nicht hinreichend nachgewiesen:

"Jedoch ist auch insoweit nicht sicher festzustellen, dass diese Spam-Anrufe auf dem Datenleck bei der Beklagten beruhten. Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, ist das Datenleck bereits am 21.05.2019 erstmals aufgetreten.

Soweit der Kläger vorträgt, er habe ab September 2019 Spam-Anrufe und -SMS erhalten, liegt hier eine erhebliche/zeitljche Zäsur vor, so dass ein Beruhen des Spam auf dem Datenleck bei der Beklagten nicht indiziert ist."


Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

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9. LG München I: Streit um urheberrechtliche Nachvergütung für Mitwirkung in der SAT.1-Comedyserie "Sechserpack"
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Mit Urteil vom 29.01.2021 (Az. 21 O 19277/18) hat die 21. Zivilkammer des Landgerichts München I der Klage einer Schauspielerin auf Auskunft über die Einnahmen des beklagten Fernsehsenders mit der Comedy-Fernsehserie „Sechserpack“ stattgegeben.

Die Klägerin wirkte als Hauptdarstellerin an der im Auftrag der Beklagten in den Jahren 2003 bis 2010 produzierten Serie mit. Sie ist der Meinung, dass ihr angesichts des mit der Serie von der Beklagten erzielten wirtschaftlichen Erfolges ein Nachvergütungsanspruch zusteht.

Der Erfolg der Serie sei im seinerzeit vereinbarten Honorar nicht hinreichend berücksichtigt worden. Um einen möglichen Nachvergütungsanspruch geltend machen zu können, verlangt die Klägerin zunächst, dass die Beklagte Auskunft über den tatsächlichen Umfang der Verwertung der Serie „Sechserpack“ sowie die hiermit erzielten Einnahmen erteilt. Das Landgericht München I hält das Klagebegehren für weitgehend begründet.

Nach den entsprechenden Regelungen des Urheberrechtsgesetzes kann eine Schauspielerin wie die Klägerin ein zusätzliches Entgelt verlangen, wenn das ihr bezahlte Honorar in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen steht, die mit der Verwertung der schauspielerischen Leistungen erzielt wurden. Um die Höhe der Nachvergütung beziffern zu können, wer-den – wie auch hier – zunächst entsprechende Auskunftsansprüche geltend gemacht.

Aus Sicht der 21. Zivilkammer ergaben sich hier aus den von der Klägerin vorgetragener Daten zur Anzahl der Ausstrahlungen und Wiederholungen sowie zu den Einschaltquoten klare Anhaltspunkte dafür, dass die fragliche Comedyserie im Vergleich zu anderen Comedyformaten überdurchschnittlich erfolgreich verwertet wurde. Ein Nachvergütungsanspruch scheint daher möglich, so dass der beklagte Fernsehsender zur Auskunft über die erzielten Einnahmen – einschließlich der Werbeeinnahmen - verurteilt wurde.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des LG München v. 02.02.2021

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10. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter verlangt von Clubhouse Auskunft über Datenschutz
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Wie der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Prof. Caspar  in einer aktuellen Presseerklärung mitteilt, hat er in Abstimmung mit den anderen deutschen Aufsichtsbehörden den US-Anbieter der App Clubhouse  angeschrieben und um umfangreiche Auskunft zum Datenschutz gebeten.

In der Mitteilung heißt es:

"Johannes Caspar, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit: „Es kommt leider immer wieder vor, dass Anbieter aus den USA auf den europäischen Markt drängen oder einfach nur mit ihren Produkten und Dienstleistungen bei uns erfolgreich sind, ohne die grundlegendsten datenschutzrechtlichen Vorgaben des europäischen Digitalmarktes einzuhalten. Hier gilt es, zügig darauf hinzuweisen, welche Regeln auf dem Spielfeld Europa gelten und diese auch durchzusetzen.

Es ist im Interesse aller europäischen Nutzer, Dienste in Anspruch nehmen zu können, die weder eigene noch fremde Rechte verletzen und die nicht erst nach Jahren erfolgreicher Nutzerbindung in Europa sich den Prinzipien des Schutzes der Privatheit öffnen.“


Und weiter:
"Die App wirft jedoch viele Fragen zur Wahrung der Privatsphäre von Nutzerinnen und Nutzern und von dritten Personen auf.

So werden die Adressbücher in den Mobilfunkgeräten von jenen Nutzerinnen und Nutzern, die andere Personen einladen, automatisch ausgelesen und durch die Betreiber in den USA gespeichert. Dadurch geraten Kontaktdaten von zahlreichen Menschen, ohne dass diese überhaupt mit der App in Kontakt kommen, in fremde Hände, wo sie dann zu Zwecken der Werbung oder Kontaktanfragen verwendet werden können.

Die Betreiber speichern nach eigenen Angaben zudem die Mitschnitte aller in den verschiedenen Räumen geführten Gespräche, um Missbräuche zu verfolgen, ohne dass die näheren Umstände transparent werden."


Datenschutzrechtlich umstritten sind somit vor allem das Auslesen der App-Adressbüchern, das Mitschneiden von Aufnahmen und die nicht ausreichende Transparenz bei der sonstigen Datenverarbeitung durch Clubhouse.

Laut Medienberichten hat der Verrbaucherzentrale Bundesverband  vor wenigen Tagen aus diesem Grund auch Clubhouse  abgemahnt.

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

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