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Newsletter vom 10.04.2013 |
Betreff: Rechts-Newsletter 15. KW / 2013: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BPatG: Apple-Patent zur Display-Entsperrung nichtig _____________________________________________________________ Am 4. April 2013 hat der 2. Nichtigkeitssenat des Bundespatentgerichts über zwei – miteinander verbundene - Klagen der Motorola Mobility Germany und der Samsung Electronics GmbH gegen das Europäische Patent 1 964 022 mit dem Titel „Unlocking a device by performing gestures on an unlocked image“ (in der deutschen Übersetzung: „Entsperrung einer Vorrichtung durch Durchführung von Gesten auf einem Entsperrungsbild“) der Fa. Apple Inc. entschieden. Das angegriffene Patent wurde sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung der 14 Hilfsanträge für nichtig erklärt. Zur Begründung hat sich das Gericht darauf berufen, dass die Merkmale des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung , die über den Stand der Technik hinausgehen, als nicht-technisch anzusehen und daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts bei der Beurteilung der Patentfähigkeit nicht zu berücksichtigen sind. Vielmehr dienten diese Merkmale dazu, die Bedienung durch grafische Maßnahmen für den Benutzer bequemer und noch anschaulicher zu gestalten. Ein technisches Problem werde durch die fraglichen Maßnahmen nicht gelöst. Auch die vorgelegten Hilfsanträge, die Ergänzungen zu den in Frage stehenden Merkmalen enthalten, hat das Gericht für nicht patentfähig erachtet. Zum einen konnte das Problem der Technizität nicht behoben werden, zum anderen waren die Einschränkungen dem Fachmann aus dem Stand der Technik nahegelegt. Gegen die Entscheidung ist die Berufung der Fa. Apple Inc. zum Bundesgerichtshof möglich. Aktenzeichen: 2 Ni 59/11 EP verbunden mit 2 Ni 64/11 EP
Quelle: Pressemitteilung des BPatG v. 05.04.2013
Das verklagte Fahrschul-Unternehmen warb für seine Leistungen mit der Aussage "ab 1.450 EUR". Das OLG Celle stufte dies als Verstoß gegen § 19 Abs.1 FahrlG ein. Nach dieser Norm müssen die Entgelte detailiert und einzeln wiedergegeben werden. An diese Verpflichtung halte sich das Unternehmen nicht, so die Richter. Anstatt die einzelnen Summen getrennt anzugeben, werde hier mit einem "Ab-Preis" geworben. Dadurch würden aber nicht die Vorgaben des § 19 FahrlG eingehalten.
Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit dem LG Frankfurt a.M. (Urt. v. 21.09.2011 - Az.: 3-08 O 101/11), das die GROUPON-Werbung einer Fahrschule mit einem Pauschalpreis als wettbewerbswidrig einstufte.
Die Antragstellerin war Inhaberin zahlreicher Markenrechte. Nach eigenen Angaben handelt es sich dabei weitgehend um sogenannte "Vorratsmarken", also ähnlich wie bei einer "Vorrats-GmbH" bei juristischen Personen. Aus einer der Marken ging die Rechteinhaberin gegen einen namhaften Artikelhersteller vor, der angeblich eine Kennzeichenverletzung beging. Das Gericht verneinte einen Anspruch, weil es aufgrund der besonderen Umstände einen Rechtsmissbrauch annahm. Das von der Antragstellerin vorgetragene Geschäftskonzept sei in sich unschlüssig und sei zudem betriebswirtschaftlich vollkommen unsinnig. Vielmehr sprächen die konkreten Umstände dafür, dass die Antragstellerin die Marke gezielt als "Spekulationsmarke" angemeldet habe, um andere zu behindern.
Ein solches Vorgehen sei jedoch rechtsmissbräuchlich.
Der Beklagte bot Online-Kurse zur Vorbereitung auf die theoretische Prüfung für Sportbootführerscheine an. Im Rahmen der Bestellung informierte er den Verbraucher nicht über das gesetzliche Widerrufsrecht. Vielmehr hieß es in den AGB: "Beim Online-Kurs handelt es sich um eine Dienstleistung in dem Bereich Freizeitgestaltung, der sich die Yachtschule verpflichtet, die Dienstleistung innerhalb eines genau angegebenen Zeitraumes zu erbringen." Der Beklagte berief sich somit auf die Ausnahmeregelung des § 312 b Abs.3 Nr.6 BGB, wonach in diesen Fällen das Fernabsatzrecht keine Anwendung findet. Die 1. Instanz, das LG Bielefeld (Urt. v. 05.06.2012 - Az.: 15 O 49/12), teilte diese Ansicht nicht, sondern bejahte vielmehr das Bestehen eines Widerrufsrechts. Denn es fehle in jedem Fall an der Verpflichtung zur Leistungserbringung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Anders als ein klassisches Kursangebot, das eine Leistungserbringung für eine vorgesehene Teilnehmeranzahl zu einem bestimmten Zeitpunkt vorsehe, erfolge beim Online-Kurs des Beklagten eine Limitierung der Teilnehmeranzahl nicht. Die Ausnahmeregelung diene dem Zweck, dass der Unternehmer, der nur eine begrenzte Anzahl von Kunden gleichzeitig bedienen könne, nicht durch kurzfristige Stornierungen unangemessen belastet würde. Dies sie hier aber gerade nicht der Fall. Insofern könne der Beklagte sich auch nicht auf die Norm berufen. Das OLG Hamm bestätigte nun in der Berufung diese Einschätzung mit den identischen Argumentationsgründen.
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Die Beklagte war eine dem souveränen Malteserorden und seinen wohltätigen Zielen verbundene gemeinnützige Organisation. Sie war unter anderem im Bereich der Versorgung behinderter und älterer Menschen sozialunternehmerisch tätig und bot (wie andere Wohlfahrtsverbände und private Unternehmen) Hausnotrufdienste an. Es ging im vorliegenden Fall um die Frage, ob für Telefonanrufe der Beklagten bei Verbrauchern die allgemeinen Gesetze gelten würden.
Das OLG Köln bejahte dies. Auch wenn die Beklagte keine Gewinnerzielungsabsicht verfolge, sondern ausschließlich wohltätige und religiöse Motive verbinde, trete sie mit anderen Anbietern in einen gewissen Wettbewerb, so dass für sie ebenfalls die allgemeinen Gesetze gelten würden. Somit bestehe auch für gemeinnützige Einrichtungen das Verbot, Telefonanrufe ohne eine vorherige Einwilligung vorzunehmen.
Der § 38 Abs.5 BDSG sei für ein solches Verbot keine genügende materiell-rechtliche Norm. Die auf Satz 1 gestützten Maßnahmen seien auf Veränderung, aber grundsätzlich auf Erhaltung der Daten oder der Einrichtungen und Verfahren gerichtet. Das ergebe sich schon aus der Funktion der Mängelbeseitigung, die das mangelbehaftete Objekt erhalten, aber mängelfrei machen sollen. Im vorliegenden Fall solle aber ein absolutes Verbot der Videoüberwachung erfolgen. Es gehe also nicht um eine Mängelbeseitigung. Auch der Satz 2 von § 38 Abs.5 BDSG greife jedoch nicht. Denn die Norm habe nicht die Beseitigung, sondern die Untersagung zum Ziel. Die Untersagung als Verbot betreffe ein Verhalten, nämlich die Nutzung, nicht jedoch - wie hier - die Beseitigung von Video-Hardware.
Es entstünde dadurch auch keine erhebliche Gesetzeslücke. Denn etwaige Ansprüche könnten von dem zu Unrecht Aufgenommenen selbst durchgesetzt werden. Das Datenschutzrecht selbst biete jedoch keine Grundlage für hoheitliche Maßnahmen der Aufsichtsbehörde gegen die bloße Existenz der Kameras. Nicht die Kamera als Anlage mit der Möglichkeit der Erhebung von Daten, sondern ihre Nutzung sei Gegenstand des BDSG.
Der Beklagte unterhielt die Domain "bye-bye.de" und betrieb Domain-Parking. Die Klägerin sah darin eine Verletzung ihrer eingetragenen Marke und erwirkte bei der DENIC einen Dispute. Das LG Köln bejahte zwar einen Unterlassungsanspruch, denn die eingeblendeten Parking-Anzeigen beträfen den geschützten Kennzeichenbereich und stellten somit eine Markenverletzung dar. Der Dispute hingegen sei unberechtigt erfolgt. Denn eine Marke gebe grundsätzlich keinen Anspruch schlechthin, sondern immer nur bezogen auf den geschützten Waren- und Dienstleistungsbereich. Es gebe daher zahlreiche Möglichkeiten für den Beklagten, die Domain zu nutzen, ohne die klägerische Marke zu verletzen. Der Dispute sei somit unberechtigt erfolgt und verletze den Beklagten in seinen Rechten. Es bestünde daher ein Anspruch auf Löschung des Dispute.
Die Entscheidung entspricht der bislang publizierten Gerichtspraxis. Sowohl das OLG Köln (Urt. v. 17.03.2006 - Az.: 6 U 163/05) als auch das LG Düsseldorf (Urt. v. 19.08.2009 - Az.: 34 O 16/09) haben in der Vergangenheit ebenfalls eine Rechtsverletzung bei unbegründeten Disputes bejaht.
Die verklagte Anschlussinhaberin erklärte, sie verfüge über keinerlei Hardware zur Nutzung des Internet-Anschluss. Dies ließ das Münchener Gericht ausreichen, damit die Beklagte ihrer sekundären Beweislast genüge getan habe. Die Beweislast liege in diesen Fällen bei der klägerischen Rechteinhaberin. Sie müsste nachweisen, dass den Anschlussinhaber doch eine Verantwortlichkeit treffe. Andernfalls würde nämlich der Beklagtenseite eine Beweislast auferlegt, die unverhältnismäßig sei.
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Der klägerische Rechteinhaber war eine Firma aus Großbritannien. Der Klägervertreter hatte seinen Sitz in Kiel, der Beklagte in der Nähe von Frankfurt am Main. Verklagt wurde der Beklagte jedoch in München. Es ging um Schadensersatz und Abmahnkosten wegen einer P2P-Urheberrechtsverletzung. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahren machte der Kläger auch die angefallenen Reisekosten seines Bevollmächtigten geltend. Dies lehnte das LG München ab.
Wer aus strategischen Gründen die Vorteile des fliegenden Gerichtsstands in Anspruch nehme, könne nicht die Erstattung der angefallenen Reisekosten verlangen. Denn erstattungsfähig seien nur die notwendigen Kosten.
Die Klägerin war bei der Firma A in der Vergangenheit betriebliche Datenschutzbeauftragte. Dann erfolgte ein Betriebsübergang von der Firma A auf die Firma B (§ 613 a BGB). Die Klägerin war der Meinung, dass sie durch diesen Betriebsübergang automatisch auch zur betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Firma B geworden sei. Dieser Ansicht folgte das ArbG Cottbus nicht. Die Tätigkeit eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten sei kein bloßer Bestandteil des Arbeitsvertrages, sondern eine hiervon autonome, losgelöste Regelung. So erlösche die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten auch unabhängig vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses.
Insofern sei die Klägerin nicht durch den Betriebsübergang betrieblicher Datenschutzbeauftragter der Firma B geworden.
In beiden Fällen hatte die nach dem Auffinden verdächtiger Gegenstände alarmierte Polizei mit vielen Beamten einen Großeinsatz zur Entschärfung vermeintlicher Bomben durchgeführt und per Hubschrauber Bombenentschärfungs-Experten eingeflogen. Beides Mal entpuppten sich die Gegenstände als harmlos. Den für die Gegenstände jeweils verantwortlich gemachten Klägern wurden dann für den Polizeieinsatz nach dem Landesgebührengesetz jeweils 48 Euro pro angefangener Stunde jedes eingesetzten Polizeibeamten und 250 Euro je angefangener Viertelstunde des Polizeihubschraubereinsatzes in Rechnung gestellt. Im einen Fall war bei einer routinemäßigen Inspektion weit innerhalb eines Regenwasserkanalrohrs mit einem Durchmesser von 120 cm in der Nähe eines Einkaufszentrums, einer Bundesstraße und benachbart verlaufender Gasleitungen eine silbern angestrichene Box gefunden worden, die mit Drähten und Nägeln an der Kanalseitenwand befestigt war und an der LED-Lichter blinkten. Wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei nicht um einen Sprengsatz, sondern um eine Box (sogenannter Geo-Cache), die vom Kläger im Rahmen einer sogenannten Geocaching-Aktion verwendet worden war, einer Art moderner Schnitzeljagd, bei der Teilnehmer unter Verwendung von GPS-Daten und verschlüsselten Hinweisen eine Kassette an ihrem versteckten Standort aufspüren müssen. Im anderen Fall war bei einer international tätigen Hochtechnologie-Firma ein Paket eingegangen, das an eine Mitarbeiterin persönlich adressiert war. Als sie es öffnete, fand sie ein Begleitschreiben mit dem Briefkopf einer arabischen Botschaft in Berlin sowie dem Zusatz „Bill of Lading“ und dem an die Mitarbeiterin gerichteten Text „You receive important and secret documents“, gezeichnet mit einem arabischen Namen und dem Zusatz „Consul“. Sie unterrichtete den Sicherheitsbeauftragten der Firma, der bei Nachfrage in der Botschaft die Auskunft erhielt, ein solches Paket sei dort nicht abgeschickt worden, und daraufhin die Polizei informierte. Wie sich später herausstellte, enthielt das Paket aber nur einen Kuchenteller und eine handschriftlichen Gruß des Klägers, eines Bekannten der Mitarbeiterin, der sich mit ihr einen Scherz erlauben und ihr auf diese Weise nur den gebrauchten Teller hatte zurückgeben wollen. Das Verwaltungsgericht hat den beiden Klagen gegen die jeweiligen Gebührenbescheide mit der Begründung stattgegeben, der Gebührentatbestand einer missbräuchlichen Veranlassung eines Polizeieinsatzes bzw. des Vortäuschens einer Gefahrenlage setze objektiv voraus, dass durch das Verhalten des Verursachers zumindest eine Anscheinsgefahr entstanden sei und erfordere subjektiv, dass der Verursacher dies entweder bezweckt habe oder wenigsten als sicher erwartet habe oder aber zumindest, dass sich ihm eine entsprechende Einschätzung als Gefahrenlage durch dritte Personen und die von ihnen unterrichtete Polizei als gewiss hätte aufdrängen müssen. Für ein „Vortäuschen“ einer Gefahrenlage genüge es hingegen nicht, dass sich die Annahme einer Gefahrenlage durch Dritte und gegebenenfalls durch die Polizei nur mehr oder weniger naheliegend hätte erscheinen müssen. Diese Voraussetzungen sah das Gericht in beiden Fällen nicht als erfüllt an. Im Fall des Geo-Cache habe zwar angesichts der örtlichen Umstände eine Anscheinsgefahr vorgelegen, es habe sich dem Kläger aber nicht als gewiss aufdrängen müssen, dass die an entlegener Stelle versteckte Box (Geo-Cache) von einer nicht der Geo-Cacher Szene zugehörigen Person aufgefunden werde, die den Gegenstand nicht als Geo-Cache erkenne, sondern gar von einem Sprengsatz ausgehe. Als gewiss aufdrängen hätte sich ihm auch nicht müssen, dass die Kanalisation in bestimmten zeitlichen Abständen inspiziert werde und die nächste Inspektion ausgerechnet während der Laufzeit des Cache-Rätsels erfolge. Auch im Fall des Scherzpakets habe es sich dem Absender nicht als gewiss aufdrängen müssen, dass das Paket eine Anscheinsgefahr begründen könne. Eine allgemeine Bedrohungslage habe es für die Firma nicht gegeben. Dass sie international im Bereich Hochtechnologie tätig sei, mache sie noch nicht zum herausgehobenen Ziel von Terroranschlägen. Das Paket sei nur an die Adressatin persönlich gerichtet gewesen. Dass diese die Scherzhaftigkeit des Anschreibens nicht erkennen werde, habe sich ihm nicht als gewiss aufdrängen müssen. Es sei vielmehr nachvollziehbar, dass er nicht auf den Gedanken gekommen sei, bei der Adressatin werde der Eindruck einer Gefahrenlage entstehen, da die Täuschung über den Absender auf den zweiten Blick wegen der wenig repräsentativen Aufmachung und der unüblichen Formulierungen leicht erkennbar gewesen sei. Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht hat in beiden Fällen die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim zugelassen. Die Berufung kann binnen eines Monats nach Urteilszustellung eingelegt werden.
Quelle: Pressemitteilung des VG Freiburg v. 27.03.2013
Hintergrund dieser Entscheidung ist die von Google im März 2012 vorgenommene grundlegende Änderung seiner Datenschutzrichtlinien, wonach die Nutzerdaten umfassend und dienstübergreifend genutzt werden dürfen. Die jeweiligen nationalen Datenschutz-Aufsichtsbehörden halten diese Regelungen für rechtlich außerordentlich problematisch und hatten Google gewisse Empfehlungen ausgesprochen. Der Suchmaschinen-Riese übernahm diese jedoch nicht. Prof. Dr. Caspar: "Detaillierte Analysen, die die französische Datenschutzbehörde CNIL im Auftrag der Artikel 29-Datenschutzgruppe in den letzten Monaten erstellt hat, lassen durchaus Zweifel erkennen, ob nach der Änderung der Privatsphäre-Bestimmungen die Verarbeitung von Nutzerdaten durch Google auf einer zulässigen Grundlage erfolgt. zurück zur Übersicht |