Zurück |
Newsletter vom 10.12.2008 |
Betreff: Rechts-Newsletter 50. KW / 2008: Kanzlei Dr. Bahr |
Nach der Überzeugung des Gerichts verbreitete der Angeklagte in den Jahren 2005 und 2006 über das Internet in einem islamistisch ausgerichteten, für jedermann zugänglichen Chatroom auf verschiedene Weise Reden der Rädelsführer von Al Qaeda sowie von Al Qaeda im Zweistromland. In diesen Reden wurde durch die Al-Qaeda-Führer Bin Laden und Al Zawahriri sowie den (inzwischen getöteten) Al Zarqawi zur Teilnahme am Djihad sowie zur Tötung von Gegnern aufgerufen. Zudem wurden bereits begangene terroristische Anschläge gerechtfertigt. Aus dem Inhalt der Texte in Verbindung mit der Person der Redner hat das Oberlandesgericht die Überzeugung gewonnen, dass damit Mitglieder oder zumindest Unterstützer für die Vereinigungen gewonnen werden sollten und der Angeklagte die Reden zu genau diesem Zweck im Internet weiter verbreitete. Der für Staatsschutzstrafverfahren zuständige 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, der zu den durch das Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen bereits in einer Entscheidung zur Untersuchungshaft des Angeklagten Stellung genommen hatte (s. Presseerklärung 64/07 vom 25. Mai 2007) hat die Revision des Angeklagten verworfen. Das Urteil ist damit rechtskräftig. Beschluss vom 25. November 2008 - 3 StR 444/08 Quelle: Pressemitteilung Nr. 222/2008 des BGH v. 04.12.2008
Die Beklagte hatte eine Werbeaktion gestartet, bei der für den Kauf von 25 Schokoladenriegeln während eines längeren Zeitraums ein bei amazon.de einzulösender Gutschein über 5 EUR als Prämie versprochen wurde. Hierin sah der Kläger eine Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen (§ 4 Nr. 2 UWG). Zu Unrecht wie nun die höchsten deutschen Zivilrichter feststellten. Alleine der Umstand, dass sich die Sammelaktion gezielt auch Jugendliche und Kinder richte, mache sie nicht automatisch wettbewerbswidrig: "Anders als in dem der Senatsentscheidung "Werbung für Klingeltöne" (BGH GRUR 2006, 776 Tz. 24) zugrunde liegenden Fall wird Kindern und Jugendlichen unter den hier gegebenen Umständen ausreichend klar, welche finanziellen Belastungen sie tragen müssen, um in den Genuss eines amazon.de-Gutscheins zu gelangen. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Minderjähriger, der über Taschengeld verfügt und ohne Begleitung eines Erwachsenen Verkaufsstätten für Schoko-Riegel aufsucht, zu der einfachen, hier ausreichenden Berechnung in der Lage ist, um den Aufwand für einen Gutschein zu ermitteln." Aber Achtung: Die Einschätzung der BGH-Juristen bezieht sich nur auf die Rechtslage vor Dezember 2007. Denn seitdem gilt die EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken. Ob sich hierdurch auch im vorliegenden Fall die Rechtslage geändert hat, ist jedoch unklar. Auch die Richter lassen diese Frage offen.
Grundsätzlich muss gem. § 7 Abs.5 RfStV bei Dauerwerbesendungen der Werbecharakter für den Zuschauer klar erkennt sein und zudem während der gesamten Sendung besonders gekennzeichnet sein. Üblicherweise wird hierzu im oberen Bereich des Fernsehbildes dauerhaft die Bezeichnung "Dauerwerbesendung" eingeblendet. Hier hatte der Fernsehsender SAT.1 lediglich den Begriff "Promotion" verwendet. Dies sahen die Koblenzer als nicht ausreichend an, denn die Bezeichnung "Promotion" sei sprachlich mehrdeutig: "Um ihren Bedeutungsgehalt als „Werbung“ zu erfassen, muss sich der Zuschauer zunächst vergegenwärtigen, ob mit ihr der lateinische, in Deutschland vor allem mit der Verleihung der Doktorwürde verbundene Begriff der „Promotion“ oder die englische Bezeichnung „promotion“ gemeint ist. Des Weiteren muss er in einem zweiten Schritt dem englischen Begriff „promotion“ die richtige Bedeutung zuordnen. So kann dieser nicht nur mit „Werbung“, sondern u. a. auch mit „Beförderung“ und „Förderung“ übersetzt werden. Mag auch im vorliegenden Fall das Verständnis „Verleihung der Doktorwürde“ oder „Beförderung“ fern liegen, so besteht gerade in den Fällen, in denen der Kennzeichnung „Promotion“ der Name des beworbenen Herstellers vorangestellt ist, bei der möglichen Übersetzung als „Förderung“ die Gefahr der Mehrdeutigkeit, weil danach nicht erkennbar ist, ob durch die Sendung der benannte Hersteller oder umgekehrt die Sendung durch diesen gefördert wird. Damit aber droht eine Verwechselung mit dem Sponsoring, welches sich von der Dauerwerbesendung darin unterscheidet, dass der Inhalt der Sendung redaktionell unabhängig und daher gerade keine Werbung ist."
Dies ist nach Ansicht der Hamburger Richter dann der Fall, wenn der Domain-Inhaber kein wirkliches eigenes Interesse am Besitz der Domain habe, sondern die Adressen nur deswegen reserviert habe, um sie später gegen Bezahlung Dritten anzubieten. "Von Domain-Grabbing spricht man nach herrschender Meinung (...), wenn bereits der Domain-Erwerb allein darauf gerichtet ist, sich diese vom Kenzeicheninhaber abkaufen oder lizenzieren zu lassen und der Erwerber sich damit ohne eigenes Interesse an der Domain an Dritten, die wirtschaftlich auf deren Nutzung angewiesen sind, bereichern will. Davon ist vorliegend hinsichtlich der Domains, die typischerweise auch für in D. abgerufene Internetangebote genutzt werden, auszugehen. Der Beklagte hat kein eigenes Interesse an der Nutzung der Bezeichnung (...) geltend gemacht. Allein der Hinweis, dass ein (...)-Motorrad "(...)cycles“ genannt wird (...), belegt nicht sein Interesse, dieses Kürzel auch in Kombination mit dem Wort (...) zu benutzen." Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte die TLD ".eu",".mobi", ".nl" und ".es" reserviert. Jedoch nur hinsichtlich der Endungen ".eu" und ".mobi" bejahte das Gericht einen Löschungsanspruch, denn nur in diesen Fällen konnte der Markeninhaber sein berechtigtes Interesse nachweisen. "Dass der Kläger allerdings auch durch die Registrierung der spanischen .es-Domain auf den Beklagten wettbewerbswidrig behindert wird, hat er nicht schlüssig geltend gemacht. Wegen des Auslandsbezugs der Domain ist ein Interesse des Klägers an der Nutzung dieser Domain nicht offensichtlich. Er hätte darum dazu vortragen müssen, welches eigene Interesse er an der Nutzung gerade dieser Domains hat, ob er also z. B. auch auf dem spanischen Markt tätig ist bzw. sein will."
Das verklagte Unternehmen hatte dem Kläger eine Werbe-E-Mail zugeschickt und und machte dabei geltend, dass der Kläger bei einem Software-Download seine E-Mail-Adresse angegeben hätte. Dies bestritt der Kläger und legte eine eidesstattliche Versicherung vor, in der er zusicherte, in der Vergangenheit weder einen Download noch die Eingabe seiner Mail-Adresse auf den Seiten der Beklagten vorgenommen zu haben. Die Hamburger Richter verurteilten das Unternehmen daraufhin zur Unterlassung: "Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht (vgl. die eidesstattliche Versicherung...), keine Einwilligung (...) erteilt zu haben. (...) Unter Berücksichtigung dieser Glaubhaftmachung erscheint es überwiegend wahrscheinlich, dass die von der Antragsgegnerin angeführte Einwilligung in den Erhalt weiterer Produktinformationen nicht vom Antragsteller erteilt worden ist."
Der klagende Verbraucher hatte einen mehrjährigen Vertrag beim Anbieter abgeschlossen, sich dann aber zwischendurch anders entschieden und erklärte die fristlose Kündigung. Diese Kündigung war jedoch unwirksam, da ein wichtiger Grund für die sofortige Beendigung fehlte. Gleichwohl wollte der Kunde die Freigabe des DSL-Ports, damit er zu einem kunkurrierenden Anbieter wechseln konnte. Dies haben die Koblenzer Richter abgelehnt. Da der alte Vertrag weiterhin bestehe, müsse der Anbieter seine vertraglichen Pflichten erfüllen. Dies könne er nur dann, wenn der Port bestehen bleibe: "Die Beklagte ist (...) vertraglich zur Leistung der versprochenen Dienste verpflichtet. Würde man die Beklagte während der Vertragslaufzeit zur Freischaltung des DSL-Ports verurteilen, könnte sie ihre vertraglich übernommenen Pflichten nicht erfüllen. Eine Pflicht des Telefonanbieters, sich selbst die vertraglich geschuldete Leistung unmöglich zu machen, besteht nicht."
Diesmal ging es um die Homepage für eine Münchner Kneipe am Marienplatz. Das besondere an dem Fall: Die mittlerweile getrennt lebenden Münchner Wirtsleute wollten es beide nicht gewesen sein, sondern schoben die Sache jeweils dem anderen in die Schuhe. Er berief sich darauf, nur Inhaber der Kneipe zu sein, während sie Inhaberin der Domain sei und deshalb allein den Inhalt zu verantworten habe. Auch sie wollte allerdings von der ganzen Angelegenheit nichts gewusst haben; er habe die Domain hinter ihrem Rücken auf ihren Namen angemeldet und die fragliche Seite ins Netz gestellt. Und überhaupt: Wer – bitteschön – sollte die Seite überhaupt je aufgerufen haben? In der mündlichen Verhandlung räumte er schließlich ein, ein Gast habe den Wirtsleuten angeboten, die Website der früheren Wirtschaft von ihr auf das neue gemeinsame Lokal umzustellen. Das Ergebnis (samt Stadtplanausschnitt) habe man sich dann auch gemeinsam im Internet angesehen. Das Gericht verurteilte nun beide Wirtsleute zur Schadensersatzleistung und nahm dabei an, dass auch sie von Anfang an Bescheid gewusst hatte. Das Gericht nahm ihr nicht ab, dass alles hinter ihrem Rücken geschehen sein sollte: Irgendjemand musste dem Gast ja die Zugangsdaten für die frühere Domain gegeben haben. Außerdem buchte der Internetprovider der Website in schöner Regelmäßigkeit von ihrem Konto ab. Sie habe geglaubt – so ließ sie das Gericht wissen – es habe sich dabei um „Aktivitäten ihres Sohnes“ gehandelt. (Urteil des Landgerichts München I, Az. 7 O 330/08; nicht rechtskräftig) Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 04.12.2008
Der Kläger hatte behauptet, das Gitarrensolo in „Still got the Blues“ (1990) sei aus seinem Werk „Nordrach“ (1974) entnommen worden. „Nordrach“ war allerdings seinerzeit nicht auf Tonträger erhältlich, sondern lediglich auf diversen Live-Konzerten und jedenfalls einmal im Radio zu hören gewesen. Der Beklagte hatte dann auch behauptet, „Nordrach“ nicht gekannt zu haben. Nach Ansicht des Gerichts waren die Übereinstimmungen beider Stücke aber so frappierend, dass von einer Übernahme auszugehen war, zumal das Gericht auch annahm, dass der Beklagte „Nordrach“ gehört haben konnte. Zu klären war auch, ob sich der Beklagte das Stück aus „Nordrach“ über 16 Jahre merken konnte – schließlich gab es keine Tonträger, auf denen man es sich immer wieder anhören hätte können. Der zu dieser Frage gehörte gerichtliche Sachverständige wollte eine solche Gedächtnisleistung eines Musikers nicht ausschließen. Das Gericht hatte jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Übernahme bewusst erfolgte; allerdings stellt auch eine nur unbewusste Übernahme eine Urheberrechtsverletzung dar. Deshalb verurteilte das Gericht den Beklagten und seine Plattenfirma zur Auskunft und Schadensersatzleistung. Den geltend gemachten Unterlassungsanspruch versagten die Richter dem Kläger hingegen. Er hatte nämlich gleichzeitig beantragt, bei der GEMA als Mitkomponist geführt zu werden. Das – so meinte das Gericht – ginge dann doch nicht zusammen: Einerseits an der Auswertung des Songs partizipieren zu wollen, andererseits aber Aufführung und Verbreitung des Werkes verhindern zu wollen. (Urteil des Landgerichts München I, Az. 21 O 23120/00; nicht rechtskräftig) Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 03.11.2008
"Der Kläger konnte aber nicht darlegen, dass die Beklagte Störer ist. Alleine die Zuweisung der Kurzwahlen an die Beklagte und die Weitergabe an Vertragspartner begründet nicht die Eigenschaft der Beklagten als (...) Störer. Vorliegend ist eine (...) Verursachung nicht dargelegt. Es kann nicht (...) angenommen werden, dass die Kurzmitteilungen von der Beklagten oder einem ihrer Vertragspartner versandt wurden. Eine Kurzmitteilung muss ebenso wie eine E-Mail nicht zwingend von dem ausgewiesenen Absender stammen. Der Kläger ist der Darlegung auch nicht enthoben, weil die Beklagte in der Vergangenheit (...) abgemahnt wurde." Und weiter: "Auch die Frage, wer statt der Beklagten einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Übersendung der SMS zieht, ersetzt die Darlegung nicht, dass die Beklagte oder ein Vertragspartner der Beklagten die Kurzmitteilung versendet hat. Solche Erwägungen können keinen Tatsachenvortrag ersetzen."
In den Geschäftsbedingungen versteckt befand sich auch der Hinweis, dass der Eintrag 1076,75 Euro plus Mehrwertsteuer pro Jahr kosten würde. Der Gewerbetreibende füllte das Formular aus und sandte es zurück. Prompt kam die Rechnung über 1249,03 Euro. Als er nicht bezahlte, erhob der Betreiber des Branchenverzeichnisses Klage vor dem AG München. Der zuständige Richter wies die Klage jedoch ab: Zwischen den Parteien sei keine wirksame Entgeltvereinbarung zustande gekommen, weil die Zahlungsverpflichtung und der Preis innerhalb der ungegliederten, kleingedruckten allgemeinen Geschäftsbedingungen so versteckt gewesen seien, dass sie leicht überlesen werden konnten. Die Klausel sei daher überraschend und damit unwirksam. Das Urteil ist rechtskräftig. Urteil des AG München vom 9.4.08, AZ 262 C 33810/07 Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 08.12.2008
Inhalt: Es lässt sich leider nicht anders sagen: Beide Gesetze sind in puncto Internet eine der schwachsinnigsten Regelungen, die der deutsche Gesetzgeber je verbrochen hat. Selbst so katastrophale Onlinerechts-Bereiche wie das Fernabsatzrecht, in denen die Legislative seit nunmehr 10 Jahren absolute Inkompetenz beweist, strahlt demgegenüber in hellem Licht. Aber beginnen wir vorne: Was regelt nun genau die Pflichtablieferungs-Verordnung? Diese Frage beantwortet der heutige Podcast.
|