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Die Themen im Überblick:
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1. BGH: Urheberrechtlicher Schutz von Datenbankwerken
2. BGH: Inverssuche bei Telefonauskunftsdiensten
3. BGH: Veröffentlichung von Fotos Prominenter in der Presse
4. OLG Hamburg: Wertersatz-Klausel bei eBay doch zulässig
5. OLG Hamburg: Firmenname als Bezeichnung eines Blogs ist Namensverletzung
6. LG Berlin: Aktivierungsmail bei Double-Opt-In erlaubt
7. VG Frankfurt a.M.: Deutsche Genehmigungspflicht für Schweizer Internetbank rechtmäßig
8. LG Hanau: Widerrufsfrist bei eBay beträgt 1 Monat
9. Bundestag beschließt Novelle des Urheberrechts
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1. BGH: Urheberrechtlicher Schutz von Datenbankwerken
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Der BGH (Urt. v. 24.05.2007 - Az.: I ZR 130/04 = http://shink.de/gplgc) hat über den urheberrechtlichen Schutz von Datenbanken entschieden:
"a) Für den Schutz einer Sammlung (hier: einer Gedichttitelliste) als Datenbankwerk reicht es aus, dass die Sammlung in ihrer Struktur, die durch Auswahl oder Anordnung des Inhalts der Datenbank geschaffen worden ist, einen individuellen Charakter hat.
b) Die Verkörperung der auf persönlicher geistiger Schöpfung beruhenden Konzeption in einer Datenbank ist zwar Voraussetzung für den urheberrechtlichen Schutz als Datenbankwerk; der Urheber muss die dafür notwendigen nichtschöpferischen Arbeiten aber nicht selbst erbracht haben.
Das Recht des Urhebers an einem Datenbankwerk und das Leistungsschutzrecht des Datenbankherstellers bestehen unabhängig voneinander mit verschiedenem Schutzgegenstand."
Mit anderen Worten: Das Urheberrecht (§ 4 UrhG) und das Leistungsschutzrecht (§§ 87a ff. UrhG) besteht jeweils getrennt voneinander.
Das Leistungsschutzrecht kann auch dann entstehen, wenn die in der Datenbank enthaltenen Informationen keine individuelle Schöpfungshöhe erreichen, aber die Auswahl oder Anordnung des Inhalts einen individuellen Charakter hat.
Schon mehrfach hat die Rechtsprechung so entschieden. Das OLG Köln stufte die Übernahme des elektronischen Zolltarifs (= Kanzlei-Infos v. 03.04.2006 = http://shink.de/fx8pe) und die Übernahme von Flugwetterinformationen (= Kanzlei-Infos v. 09.05.2007 = http://shink.de/dxdzd5) als Rechtsverletzung ein. So ist nach Meinung des BGH auch die Übernahme von Musik-Charts verboten, vgl. die Kanzlei-Infos v. Kanzlei-Infos v. 14.08.2005 = http://shink.de/roeunm
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2. BGH: Inverssuche bei Telefonauskunftsdiensten
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Der unter anderem für das Telekommunikationsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über folgenden Sachverhalt entschieden:
Die Beklagte betreibt in mehreren Städten ein Telekommunikationsnetz für die Öffentlichkeit und vergibt an ihre Endnutzer Rufnummern. Die Klägerin unterhält einen telefonischen Auskunftsdienst, bei dem Anrufer Telefon- und Telefaxnummern erfragen und sich gegebenenfalls weitervermitteln lassen können. Die Klägerin bietet hierbei auch die sogenannte Inverssuche an, bei der Name und Anschrift eines Anschlussinhabers in Erfahrung gebracht werden können, von dem nur die Rufnummer bekannt ist.
Die Beklagte versieht ihre Teilnehmerdaten, die sie für die Zwecke der Auskunftsdienste weitergibt, bislang mit einem die Zulässigkeit der Inverssuche kennzeichnenden Vermerk nur, sofern ihre Kunden in diese ausdrücklich eingewilligt haben. Die Klägerin hält die Beklagte hingegen für verpflichtet, in ihren Datensätzen diesen Vermerk ("Inverssuche: ja") bereits dann anzubringen, wenn deren Anschlussnehmer dieser Suchfunktion nicht widersprochen haben.
Der größte Teil der Anschlussnehmer willigt erfahrungsgemäß weder in die Inverssuche ein noch widerspricht er ihr. Die Vorinstanzen haben die Klage, mit der die Klägerin ihre Auffassung gegenüber der Beklagten durchzusetzen versucht, abgewiesen.
Der III. Zivilsenat hat jedoch der Klägerin im wesentlichen Recht gegeben. Nach § 47 Abs. 1 und 2 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) kann ein Auskunftsdienstunternehmen von einem Teilnehmernetzbetreiber verlangen, dass dieser unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Regelungen die für die Erteilung der Auskünfte erforderlichen Daten zur Verfügung stellt. Der Datenschutz für die Inverssuche ist unter anderem in § 105 Abs. 3 TKG geregelt. Danach ist diese Suchoption zulässig, wenn ihr der Kunde nach einem entsprechenden Hinweis nicht widersprochen hat. Entgegen der Ansicht des Land- und des Oberlandesgerichts gewährt diese Bestimmung nicht nur einen datenschutzrechtlichen Mindeststandard, über den der Teilnehmernetzbetreiber hinausgehen darf.
Vielmehr kann er hierüber nicht disponieren, weil den Datenschutz bei der Auskunftserteilung nicht er, sondern der jeweilige Auskunftsdienstleister zu gewährleisten hat. Der Teilnehmernetzbetreiber hat lediglich seinen Kunden den nach § 105 Abs. 3 TKG erforderlichen Hinweis zu erteilen und einen etwaigen Widerspruch in seinen Kundendateien, welche er nach § 47 Abs. 1 und 2 TKG den Auskunftsdienstunternehmen zur Verfügung zu stellen hat, zu vermerken (§ 105 Abs. 4 TKG).
Urteil vom 5. Juli 2007 – III ZR 316/06
Quelle: Pressemitteilung Nr. 92/2007 des BGH v. 06.07.2007
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3. BGH: Veröffentlichung von Fotos Prominenter in der Presse
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Die Beklagte veröffentlichte in der Ausgabe Nr. 30/2005 der Zeitschrift "Frau im Spiegel" eine Fotografie, die den Kläger Oliver Kahn bei einem Spaziergang in Begleitung seiner Freundin V.K. auf der Promenade in St. Tropez zeigt. Im hierzu gehörigen Begleittext wird berichtet, dass der Kläger mit seiner Freundin verliebte Blicke tausche. Eine Woche vorher habe noch bei ihm der Familienurlaub auf dem Programm gestanden. Er habe sich mit seiner Noch-Ehefrau und den Kindern auf Sardinien entspannt.
Der Kläger verlangt von der Beklagten, es zu unterlassen, die Aufnahme erneut zu veröffentlichen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Der VI. Zivilsenat hat seine Rechtsprechung zu dem aus §§ 22, 23 KUG entwickelten Schutzkonzept bei der Abwägung zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz des Betroffenen (vgl. u. a. Urteile vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06 – VersR 2007, 697, 698 f. und -VI ZR 51/06- GRUR 2007, 527) fortgeführt und die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Ohne Einwilligung dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur verbreitet werden, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft (§§ 22, 23 KunstUrhG). Das kann für den vorliegenden Fall nicht bejaht werden.
Auch wenn die Presse grundsätzlich selbst darüber bestimmen darf, was sie für berichtenswert hält, muss bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Anspruch der Öffentlichkeit, über das Zeitgeschehen unterrichtet zu werden, und dem Schutz des Betroffenen berücksichtigt werden, dass der Beitrag selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes keinen Vorgang von zeitgeschichtlichem Interesse betrifft, zumal die beanstandete Aufnahme den Kläger und seine Begleiterin im Urlaub zeigt, der auch bei "Prominenten" zum regelmäßig geschützten Kernbereich der Privatsphäre gehört.
Urteil vom 3. Juli 2007 – VI ZR 164/06
Quelle: Pressemitteilung Nr. 88/2007 des BGH v. 03.07.2007
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4. OLG Hamburg: Wertersatz-Klausel bei eBay doch zulässig
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Der aktuelle Streit um die Textform bei der fernabsatzrechtlichen Widerrufsbelehrung hat nicht nur auf die Dauer der Widerrufsfrist Auswirkungen, sondern auch auf die Wertersatzklausel.
Denn nach § 357 Abs.3 BGB muss der Verbraucher nur dann Wertersatz für "eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung" leisten, wenn er vor Vertragsschluss hierüber belehrt wurde. Da bei eBay eine solche vorherige Belehrung nicht möglich ist, greift die Regel des § 346 Abs.2 Nr.3 BGB: Für die "bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme" des Gegenstandes kann der Unternehmer keinen Geldausgleich verlangen. Praktische Konsequenz: Der Verbraucher kann bei eBay einen Gegenstand kaufen, diesen locker 3 Wochen benutzen und dann wieder zurückgeben, ohne dass er irgendeinen Wertersatz leisten muss.
Das LG Berlin hat erst vor kurzem entschieden, dass bei eBay demnach die Wertersatz-Klausel unzulässig ist, vgl. die Kanzlei-Infos v. 07.05.2007 = http://shink.de/exv7mu
In einer aktuellen Entscheidung widerspricht das OLG Hamburg (Beschl. v. 19.06.2007 – Az.: 5 W 92/07) dieser Ansicht. Ein eBay-Anbieter könne sehr wohl eine Wertersatz-Klausel benutzen.
Zwar ist das OLG Hamburg - wie auch schon in seinen bisherigen Entscheidungen und in Übereinstimmung mit dem KG Berlin - der Ansicht, dass eine schriftliche Belehrung vor Vertragsschluss bei eBay nicht möglich sei. Dennoch könne ein Wertersatz geltend gemacht werden.
Die Vorschrift des § 312c BGB sei - so die Richter - eine Spezialregelung gegenüber § 357 BGB. Es genüge daher, wenn die Belehrung spätestens bis zur Lieferung der Ware in Textform erfolge.
"Die Erfüllung der Informationspflichten hat (...) in Textform zu erfolgen, und zwar bei Waren (...) spätestens bis zur Lieferung an den Verbraucher (...).
Diese Regelungen zur Widerrufsbelehrung im Fernabsatz sind als Spezialregelungen zum Zeitpunkt und zur Art und Weise der Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs anzusehen und gehen in ihrem Anwendungsbereich § 357 Abs. 3 S. 1 BGB vor (...).
Somit kann der Antragsgegner sich die Haftung des Käufers für Verschlechterungen in der Weise erhalten, dass er innerhalb der Online-Auktion entsprechend der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV über die Rechtsfolgen des Widerrufs informiert, sofern er noch spätestens bis zur Lieferung der Ware dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung in Textform zukommen lässt.“
Ähnlich hatte auch schon das LG Flensburg entschieden und die Wertersatz-Klausel ebenfalls zugelassen, vgl. die Kanzlei-Infos v. 08.09.2006 = http://shink.de/u84jea
Die aktuelle Entscheidung des OLG Hamburg lässt sich am besten so zusammenfassen: Der Wahnsinn und das Chaos im deutschen Fernabsatzrecht geht lustig weiter.
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5. OLG Hamburg: Firmenname als Bezeichnung eines Blogs ist Namensverletzung
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Das OLG Hamburg (Beschl. v. 31.05.2007 - Az.: 3 W 110/07 = http://shink.de/3mboid) hat entschieden, dass die Benutzung eines Firmennamens als Bezeichnung eines Blogs die Namensrechte des Unternehmens aus § 12 BGB verletzt .
Der Antragsgegner hatte sich die Domain "[Firmenname]Blog.de" gesichert. Unter dieser Adresse berichtete er kritisch über die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Antragstellerin, einem Unternehmen aus der Finanzdienstleistungs-Branche.
Die Antragstellerin sah in der Benutzung ihres Firmennamens eine Namensverletzung. Zu Recht wie die Hamburger Richter entschieden:
"Kennzeichnend in der von dem Antragsgegner verwendeten Kombination "www.(...)blog.de" ist allein der Zeichenbestandteil "…", denn der Zusatz "blog" wird als auf den Gegenstand des Internet-Auftritts hinweisende Angabe vom Publikum als rein beschreibend verstanden werden.
Jedenfalls wettbewerblich signifikante Anteile des Verkehrs werden annehmen, dass sich hinter dem so bezeichneten Internetauftritt das Unternehmen namens "…" verbirgt, um den Leuten im Rahmen eines "Corporate Blogs" ein offizielles Tagebuch des Unternehmens anzudienen.
Insoweit ist jedenfalls den normal informierten, durchschnittlich verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Referenzverbrauchern heutzutage geläufig, dass ein "blog" ein Internettagebuch ist und aus der Anschriftenbildung aus dem allein kennzeichnungskräftigen Unternehmensschlagwort "…" mit dem rein beschreibenden Sachbegriff "blog" liegt jedenfalls der Schluss nahe, dass sich hinter der Anschrift eine Aktivität des Namensinhabers verbirgt."
Und weiter:
"Insoweit kommt es also noch nicht einmal darauf an, ob den Leuten Corporate Blogs anderer Unternehmen bekannt sind. Bezüglich der Identifizierung des hinter der Bezeichnung stehenden Anbieters kann das Publikum sich also allein an dem Bestandteil "…" orientieren, so dass der Tatbestand des Gebrauchs des Namens der Antragstellerin vorliegt.
Die Bezeichnung "(…)blog.de" ist in der Gesamtkombination auch nicht rein beschreibend und sie lässt - anders als die Begriffsbildung "awd-aussteiger.de" - schon gar nicht erkennen, dass sich dahinter jemand verbirgt, der sich kritisch mit den geschäftlichen Aktivitäten der Antragstellerin auseinandersetzen will."
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6. LG Berlin: Aktivierungsmail bei Double-Opt-In erlaubt
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Das LG Berlin (Urt. v. 23.01.2007 - Az.: 15 O 346/06: PDF via MIR = http://shink.de/rok8l) hat entschieden, dass die Check-Mail bei einem Double-Opt-In-Verfahren für eine Newsletter-Bestellung kein Spam ist.
Das Gericht vertritt damit - objektiv gesehen - eine klare Mindermeinung, da die Mehrheit der bislang angerufenen Gerichte in identischen oder ähnlichen Fällen eine Mitstörerhaftung bejaht hat.
Das LG Rostock (Beschl. v. 24.06.2003 - Az.: 1 S 49/03 = http://shink.de/h4thd8) hat die Mitstörerhaftung eines Portal-Betreibers bejaht, wenn er Dritten unkontrolliert die Möglichkeit zur Verfügung stellt, E-Cards zu versenden. Dieselbe Ansicht vertritt auch das LG München (Urt. v. 05.11.2002 - Az.: 33 O 17030/02 = http://shink.de/5t3xfm; Urt. v. 15.04.2003 - Az.: 33 O 5791/03 = http://shink.de/m4wl0y). Auch das OLG München (Urt. v. 12.02.2004 - Az.: 8 U 4223/03 = http://shink.de/ook5e4) hat diese Rechtsprechung bestätigt.
Ähnliches gilt für Newsletter: Bei Verifizierung mittels Double-Opt-In kann sich ein Webseiten-Betreiber nach Ansicht des KG Berlin (Beschl. v. 08.01.2002 - Az.: 5 U 6727/00 = http://shink.de/9z17ij) und des LG Berlin (Beschl. v. 19.09.2002 - Az.: 16 O 515/02 = http://shink.de/0i66uz) nicht sicher sein, dass er nicht wegen Spamming abgemahnt wird. Denn die Berliner Richter werteten schon die erste, die sog. "Check"-Mail als Spam und somit als Abmahnungsgrund.
Nun hat eine andere Kammer des LG Berlin (Urt. v. 23.01.2007 - Az.: 15 O 346/06: PDF via MIR = http://shink.de/zkuq54) aktuell anders entschieden und eine Mitstörerhaftung für Check-Mails abgelehnt:
"Es ist der Antragsgegnerin nicht zuzumuten, in jedem Einzelfall sicherzustellen, dass das sogenannte Double-Opt-In-Verfahren, das sie nach ihrer Darstellung der Versendung ihres Newsletters vorgeschaltet hat, nicht missbraucht wird.
Diese Feststellung ist das Ergebnis einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, d. h. des Interesses des Antragstellers, durch unerwünschte E-Mails werbenden Inhalts nicht behelligt zu werden, einerseits sowie des Interesses der Antragsgegnerin an einer möglichst unkomplizierten Verbreitung ihres Newsletters andererseits unter Berücksichtigung des Zwecks des Double-Opt-In-Verfahrens und der Gefahr seines Missbrauchs.
Die Beeinträchigung, der der Antragsgegner mit der Zusendung der streitgegenständlichen E-Mail ausgesetzt war, wer als gering anzusehen. Seien Beeinträchtigung war nicht schwerwiegender als in jedem anderen Fall der Zusendung einer beliebigen falsch adressierten E-Mail. Tatsächlich dürfte der Aufwand, der erforderlich ist, um die streitgegenständliche E-Mail als unverlangt zugesendete Post einzuordnen, wegen ihrer Kürze und ihres eindeutigen Inhalt weniger groß sein, als dies bei Irrläufern aus dem privaten und geschäftlichen Bereich sonst der Fall ist.
Die Belästigung durch den Empfang versehentlich oder absichtlich fehlgeleiteter elektronischer Post gehört aber zu den Nachteilen, die derjenige, der am E-Mail-Verkehr durch die Einrichtung einer E-Mail-Adresse teilnimmt, als mit der Teilnahme an diesem Verkehr verbundene sozialadäquate Belästigung hinzunehmen hat."
Jedoch gilt dies nicht unbeschränkt:
"Der Gefahr des Missbrauchs des angebotenen Verfahrens zur Bestellung des Newsletters mit dem Ziel, Dritte zu belästigen oder zu ärgern, hat die Antragsgegnerin zudem vorgebeugt, indem die tatsächliche Versendung des Newsletters davon abhängig gemacht wird, dass der Empfänger einer E-Mail der streitgegenständlichen Art noch einmal aktiv wird und seinen Wunsch, den Newsletter zu erhalten, bestätigt.
Schließlich fällt zugunsten der Antragsgegnerin ins Gewicht, dass sie das Double-Opt-In-Verfahren eingeführt hat, um die Gefahr der Belästigung anderer durch missbräuchliche Bestellungen ihres Newsletters zu verringern, während dem Antragsteller aus den oben genannten Gründen ohnehin kein vollkommener Schutz vor unerwünschter Post zugebilligt werden kann, wenn er seine E-Mail-Adresse einrichtet.
Anders mag die Frage der Störerhaftung der Antragsgegnerin zu beurteilen sein, wenn andere durch Missbrauch ihrer Double-Opt-In-Verfahrens mit massenhaften und/oder zahlreichen E-Mails belästigt werden. Ein solcher Fall war hier aber nicht zu entscheiden. Der Antragsteller hat lediglich eine E-Mail erhalten."
Ein Licht am Ende des Tunnels? Leider wohl kaum.
Das LG Berlin spricht hier endlich etwas aus, worauf jeder halbwegs vernünftigte Internet-User seit langem gewartet hat: Check-Mails haben ihren Sinn und lösen gerade keine Haftung aus. Anders als andere Gerichte berücksichtigt die aktuelle Entscheidung zutreffend die technischen Besonderheiten des Internets.
Der rechtliche Wahnsinn und die bestehende Unsicherheit hinsichtlich Newsletter ist durch das Urteil aber keineswegs gebannt. Im Gegenteil, vielmehr ist davon auszugehen, dass die Entscheidung nahezu alleine auf weiter Flur bleiben wird, denn die Rechtsprechung bejaht angesichts der Spam-Problematik immer früher und weitgehender die Mitstörerhaftung.
Lediglich das kleine, unscheinbare AG Brakel war bereits im Jahre 2003 der identischen Ansicht wie nun das LG Berlin, vgl. die Kanzlei-Infos v. 19.08.2004 = http://shink.de/0ggdjc
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7. VG Frankfurt a.M.: Deutsche Genehmigungspflicht für Schweizer Internetbank rechtmäßig
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Die Klägerin hat ihren Firmensitz in der Schweiz (Kanton St. Gallen) und betreibt von dort aus eine gewerbsmäßige Kreditvergabe an in der Bundesrepublik Deutschland lebende Personen, ohne im Besitz einer Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu sein. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat ihr dies untersagt, weil sie die erforderliche Erlaubnis für derartige Kreditgeschäfte nicht besitzt.
Die Klägerin ist der Auffassung, sie könne diese Kreditvergabegeschäfte ohne Erlaubnis betreiben, weil die einschlägige Vorschrift des Kreditwesengesetzes auf das Betreiben von Finanzdienstleistungen
im Inland, also in der Bundesrepublik Deutschland, abstelle. Sie hingegen betreibe ihre Geschäfte vom Ausland aus, weil ihr Firmensitz in der Schweiz sei.
Das Verfahren war vom hiesigen Verwaltungsgericht dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) zur Vorabentscheidung zur Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Rechtsfragen vorgelegt worden.
Der EUGH hat insoweit entschieden, dass sich ein in einem Drittland ansässiges Unternehmen (hier: Schweiz) nicht auf die auf den Bereich der EU beschränkte Dienstleistungsfreiheit berufen kann.
Mit Urteil vom heutigen Tage hat die für das Finanzdienstleistungsaufsichtsrecht zuständige 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main die Klage gegen die Untersagungsverfügung der Bafin abgewiesen.
Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen darauf abgestellt, dass sich – unabhängig von dem Firmensitz – die Geschäftstätigkeit der Klägerin überwiegend im Inland auswirke, insbesondere sich ihre Kunden in der Bundesrepublik Deutschland befänden, so dass von einem Betreiben einer Finanzdienstleistung im Inland im Sinne von § 32 Kreditwesengesetz auszugehen sei.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats ab Zustellung die Zulassung der Berufung beantragt werden, über die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel entscheidet.
Aktenzeichen: 1 E 4355/06(V)
Quelle: Pressemitteilung des VG Frankfurt a.M. v. 05.07.2007
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8. LG Hanau: Widerrufsfrist bei eBay beträgt 1 Monat
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Das LG Hanau (Urt. v. 12.06.2007 - Az.: 5 O 34/07: PDF via MIR = http://shink.de/2u3v0p) hat in einem Urteil entschieden, dass bei eBay die fernabsatzrechtliche Widerrufsfrist einen 1 Monat und nicht 14 Tage beträgt.
"(...) Die vom Verfügungskläger beanstandete Widerrufsbelehrung ist (...) fehlerhaft und daher (...) wettbewerbswidrig. Die Widerrufsfrist beträgt hier nicht 2 Wochen, sondern 1 Monat.
Gemäß § 355 Abs. II Satz 1 BGB ist die Widerrufsbelehrung "in Textform" mitzuteilen. "Textform" bedeutet nach der nach Ansicht der Kammer nicht interpretationsbedürftigen oder interpretationsfähigen Regelung in § 126b BGB Widergabe "in einer Urkunde oder auf eine andere zur dauerhaften Widergabe in Schriftzeichen geeignete Weise". Die Kammer folgt nicht der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Ansicht, diese Voraussetzungen seien auch erfüllt, wenn der Empfänger einer elektronischen Widerrufsbelehrung diese speichern oder ausdrucken und damit dauerhaft machen könne.
Nicht der Empfänger der Widerrufsbelehrung hat die Erfüllung der die Textform bestimmenden Merkmale zu leisten, sondern der Anbieter von Waren hat die Belehrung in Textform mitzuteilen, also eine Mitteilung herauszugeben, die seinerseits bereits die genannten Anforderungen erfüllt."
Das LG Hanau schließt sich damit den Ansichten des OLG Hamburg (=Kanzlei-Infos v. 02.09.2006 = http://shink.de/bmhfyw, v. 13.02.2007 = http://shink.de/bjii2j und v. 04.07.2007 = http://shink.de/3cc1zp), des KG Berlin (= Kanzlei-Infos v. 10.08.2006 = http://shink.de/umtqzq und v. 01.01.2007 = http://shink.de/b7f7nz) und des LG Kleve (= Kanzlei-Infos v. 10.03.2007 = http://shink.de/66cp8y) an.
Das LG Flensburg (= Kanzlei-Infos v. 08.09.2006 = http://shink.de/qzwtex) und das LG Paderborn (= Kanzlei-Infos v. 17.01.2007 = http://shink.de/17s7i) sind dagegen genau der entgegengesetzten Ansicht.
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9. Bundestag beschließt Novelle des Urheberrechts
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Das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft hat heute den Bundestag passiert. Es ist der sogenannte „Zweite Korb“ der Urheberrechtsnovelle. Der Bundesrat muss dem Gesetzentwurf noch zustimmen.
Mit dem Zweiten Korb wird das Urheberrecht – aufbauend auf die erste Novelle aus dem Jahr 2003 – weiter an das digitale Zeitalter und die neuen technischen Möglichkeiten angepasst. Das Gesetz bringt die Interessen der Urheber an der Wahrung und Verwertung ihres geistigen Eigentums und die Belange der Geräteindustrie, der Verbraucher und der Wissenschaft an der Nutzung der Werke in einen angemessenen Ausgleich.
„Die Rahmenbedingungen im Urheberrecht müssen regelmäßig hinterfragt und dem technischen Wandel angepasst werden. Die Balance zwischen den Rechten der Urheber und den Interessen der Allgemeinheit muss immer wieder austariert werden. Das Gesetz kann sich sehen lassen. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Modernisierung Deutschlands in der Informationsgesellschaft“, erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Im Kern geht es um folgende Neuregelungen:
1. Erhalt der Privatkopie
Die private Kopie nicht kopiergeschützter Werke bleibt weiterhin, auch in digitaler Form, erlaubt. Das neue Recht enthält aber eine Klarstellung: Bisher war die Kopie einer offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage verboten. Dieses Verbot wird nunmehr ausdrücklich auch auf unrechtmäßig online zum Download angebotene Vorlagen ausgedehnt. Auf diese Weise wird die Nutzung illegaler Tauschbörsen klarer erfasst.
In Zukunft gilt also: Wenn für den Nutzer einer Peer-to-Peer-Tauschbörse offensichtlich ist, dass es sich bei dem angebotenen Film oder Musikstück um ein rechtswidriges Angebot im Internet handelt – z. B. weil klar ist, dass kein privater Internetnutzer die Rechte zum Angebot eines aktuellen Kinofilms im Internet besitzt –, darf er keine Privatkopie davon herstellen.
Es bleibt auch bei dem Verbot, einen Kopierschutz zu knacken. Das ist durch EU-Recht zwingend vorgegeben. Die zulässige Privatkopie findet dort ihre Grenze, wo Kopierschutzmaßnahmen eingesetzt werden. Die Rechtsinhaber können ihr geistiges Eigentum durch derartige technische Maßnahmen selbst schützen. Diesen Selbstschutz darf der Gesetzgeber ihnen nicht aus der Hand nehmen. Es gibt kein „Recht auf Privatkopie“ zu Lasten des Rechtsinhabers. Dies ließe sich auch nicht aus den Grundrechten herleiten: Eine Privatkopie schafft keinen Zugang zu neuen Informationen, sondern verdoppelt lediglich die bereits bekannten.
2. Pauschalvergütung als gerechter Ausgleich für die Privatkopie
Als Ausgleich für die erlaubte Privatkopie bekommt der Urheber eine pauschale Vergütung. Sie wird auf Geräte und Speichermedien erhoben und über die Verwertungsgesellschaften an die Urheber ausgeschüttet. Privatkopie und Pauschalvergütung gehören also untrennbar zusammen. Dabei bleibt es auch. Allerdings ändert der Zweite Korb die Methode zur Bestimmung der Vergütung. Bisher waren die Vergütungssätze in einer Anlage zum Urheberrechtsgesetz gesetzlich festgelegt.
Diese Liste wurde zuletzt 1985 geändert und ist veraltet. Das hat zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten über die Vergütungspflichtigkeit neuer Geräte geführt, die bis heute die Gerichte beschäftigen. Eine gesetzliche Anpassung der Vergütungssätze wäre hier keine ausreichende Lösung. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung im digitalen Zeitalter müsste die Liste schon nach kurzer Zeit erneut geändert werden. Nach dem neuen Recht sollen daher die Beteiligten selbst, also die Verwertungsgesellschaften und die Verbände der Geräte- und Speichermedienhersteller, die Vergütung miteinander aushandeln.
Für den Streitfall sind beschleunigte Schlichtungs- und Entscheidungsmechanismen vorgesehen. Mit diesem marktwirtschaftlichen Modell soll flexibler auf neue technische Entwicklungen reagiert werden können. Außerdem sollen Einigungen über die Vergütungszahlungen zügiger zustande kommen.
Vergütungspflichtig sind in Zukunft alle Geräte und Speichermedien, deren Typ zur Vornahme von zulässigen Vervielfältigungen benutzt wird. Keine Vergütungspflicht besteht für Geräte, in denen zwar ein digitaler, theoretisch für Vervielfältigungen nutzbarer Speicherchip eingebaut ist, dieser tatsächlich aber ganz anderen Funktionen dient.
Der Gesetzgeber gibt den Beteiligten nur noch einen verbindlichen Rahmen für die Vergütungshöhe vor. Sie soll sich nach dem tatsächlichen Ausmaß der Nutzung bemessen, in dem Geräte und Speichermedien typischer Weise für erlaubte Vervielfältigungen genutzt werden. Dies ist durch empirische Marktuntersuchungen zu ermitteln. Soweit nicht mehr privat kopiert werden kann, weil etwa Kopierschutz oder Digital-Rights-Management-Systeme (DRM) eingesetzt werden, gibt es auch keine pauschale Vergütung.
Der Verbraucher wird also nicht doppelt belastet. Zugleich werden auch die Interessen der Hersteller der Geräte und Speichermedien berücksichtigt. Die ursprünglich vorgesehene 5 %-Obergrenze vom Verkaufspreis des Gerätes ist in den Beratungen im Bundestag zwar gestrichen worden. Die wirtschaftlichen Belange der Gerätehersteller werden gleichwohl hinreichend berücksichtigt. Es bleibt dabei, dass deren berechtigte Interessen nicht unzumutbar beeinträchtigt werden dürfen und die Vergütung in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder Speichermediums stehen muss.
3. Schranken für Wissenschaft und Forschung
Die Novelle erlaubt es öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven erstmalig, ihre Bestände an elektronischen Leseplätzen zu zeigen. Damit behalten diese Einrichtungen Anschluss an die neuen Medien. Die Medienkompetenz der Bevölkerung wird gestärkt. Neu ist auch, dass Bibliotheken auf gesetzlicher Basis Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken auf Bestellung anfertigen und versenden dürfen, z.B. per E-Mail. Das dient dem Wissenschaftsstandort Deutschland.
Die berechtigten Interessen der Verlage werden dadurch gewahrt, dass diese Nutzungsmöglichkeiten bestimmten Einschränkungen unterliegen. So ist die Anzahl der Vervielfältigungen eines bestimmten Werkes, die an Leseplätzen gleichzeitig gezeigt werden dürfen, grundsätzlich an die Anzahl der Exemplare im Bestand der Einrichtung geknüpft. Nur bei Belastungsspitzen darf darüber hinausgegangen werden. Bibliotheken dürfen Kopien per E-Mail nur dann versenden, wenn der Verlag nicht ein offensichtliches eigenes Online-Angebot zu angemessenen Bedingungen bereithält. Diese Einschränkungen sind zum Schutz des geistigen Eigentums der Verlage und Autoren erforderlich, denn der Gesetzgeber darf keine Regelungen treffen, die es den Verlagen unmöglich machen, ihre Produkte am Markt zu verkaufen.
4. Unbekannte Nutzungsarten
Bisher durften keine Verträge über die Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in einer Nutzungsart geschlossen werden, die es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht gab, z. B. in einem zwischenzeitlich entwickelten Internet. Wollte der Verwerter das Werk auf diese neue Art nutzen, musste er mit viel Aufwand nach Urhebern oder ihren Erben suchen und sich mit ihnen über die Verwertung einigen. Nach dem Gesetzentwurf soll der Urheber über seine Rechte auch für die Zukunft vertraglich verfügen können.
Dies liegt nicht nur im Interesse der Verwerter und der Verbraucher, sondern dient auch dem Urheber selbst. Sein Werk bleibt zukünftigen Generationen in neu entwickelten Medien erhalten. Der Urheber wird durch die Neuregelung auch ausreichend geschützt. Er erhält eine gesonderte, angemessene Vergütung, wenn sein Werk in einer neuen Nutzungsart verwertet wird. Außerdem muss der Verwerter den Urheber informieren, bevor er mit der neuartigen Nutzung beginnt. Danach kann der Urheber die Rechtseinräumung binnen drei Monaten widerrufen. Mit einer parallelen Regelung wird auch die Verwertung schon bestehender Werke, die in Archiven liegen, in neuen Nutzungsarten ermöglicht.
Eine Öffnung der Archive liegt auch im Interesse der Allgemeinheit, weil sie gewährleistet, dass Werke aus der jüngeren Vergangenheit in den neuen Medien genutzt werden können und Teil des Kulturlebens bleiben.
Das Gesetz trägt auch den Besonderheiten des Films Rechnung. Dort sind typischerweise zahlreiche Mitwirkende beteiligt. Schon bislang galt deshalb die gesetzliche Vermutung, dass der Filmproduzent im Zweifel das Recht erwarb, den Film in allen bekannten Nutzungsarten zu verwerten. Diese Vermutung wird jetzt auf unbekannte Nutzungsarten ausgedehnt. Im Gegensatz zu anderen Medien haben die Urheber hier aber kein Widerrufsrecht. Das gibt den Produzenten ausreichende Sicherheit beim Erwerb der Rechte und gewährleistet, dass der deutsche Film künftig auch international präsent bleibt.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesministerium der Justiz v. 05.07.2007
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