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Die einzelnen News
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1.
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EuG: McDonald's verliert die Unionsmarke "Big Mac" für Geflügelprodukte
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Das Gericht stellt fest, dass McDonald’s für bestimmte Waren und Dienstleistungen keine ernsthafte Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nachgewiesen hat Supermac's und McDonald's, eine irische und eine amerikanische Schnellrestaurantkette, führen einen Rechtsstreit über die Unionsmarke Big Mac. Diese Marke wurde im Jahr 1996 zugunsten von McDonald’s eingetragen. Im Jahr 2017 stellte Supermac's einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der Marke für bestimmte Waren und Dienstleistungen. Die Marke sei nämlich für diese Waren und Dienstleistungen in der Union während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) hat diesem Antrag teilweise stattgegeben. Allerdings hat es den McDonald's von der angefochtenen Marke gewährten Schutz u. a. für Speisen aus Fleisch- und Geflügelprodukten und für Fleisch- und Hühnchensandwiches sowie für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb und dem Franchising von Restaurants und anderen Unternehmen und Einrichtungen, die Speisen und Getränke für den direkten Verzehr und für Drive-Through-Einrichtungen bereitstellen, erbracht werden oder damit im Zusammenhang stehen und für die Zubereitung von Speisen zum Mitnehmen bestätigt. Mit seinem Urteil hebt das Gericht die Entscheidung des EUIPO auf und ändert sie teilweise ab, indem es den McDonald’s von der angefochtenen Marke gewährten Schutz weiter einschränkt. Es stellt fest, dass McDonald’s keinen Nachweis dafür erbracht hat, dass die angefochtene Marke für die Waren “Hühnchensandwiches”, die Waren “Speisen aus Geflügelprodukten” und Dienstleistungen, “die im Zusammenhang mit dem Betrieb und dem Franchising von Restaurants und anderen Unternehmen und Einrichtungen, die Speisen und Getränke für den direkten Verzehr und für Drive-Through-Einrichtungen bereitstellen, erbracht werden oder damit im Zusammenhang stehen; Zubereitung von Speisen zum Mitnehmen” ernsthaft benutzt worden ist. Die von McDonald’s vorgelegten Beweise enthalten keine Angaben zum Umfang der Benutzung der Marke für diese Waren, insbesondere was die Verkaufsmengen, die Dauer des Zeitraums der Benutzungshandlungen und deren Häufigkeit betrifft. Daher lassen die vom EUIPO berücksichtigten Beweise die Feststellung einer ernsthaften Benutzung der angefochtenen Marke für diese Waren nicht zu. Darüber hinaus kann mit den von McDonald’s vorgelegten Beweisen nicht nachgewiesen werden, dass die angefochtene Marke für „Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb und dem Franchising von Restaurants und anderen Unternehmen und Einrichtungen, die Speisen und Getränke für den direkten Verzehr und für Drive-Through-Einrichtungen bereitstellen, erbracht werden oder damit im Zusammenhang stehen; Zubereitung von Speisen zum Mitnehmen“ benutzt wurde. Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-58/23 | Supermac’s/EUIPO – McDonald’s International Property (BIG MAC) Quelle: Pressemitteilung des EuG v. 05.06.2024
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2.
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KG Berlin: Gegendarstellung bei einem Online-Video mit gesprochenem Text
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Eine ausreichende Gegendarstellung bei einem gesprochenen Text in einem Video liegt nur dann vor, wenn auch der Text der Gegendarstellung eingesprochen wird. Ein Schriftzug "ENTFERNTES BILD" und die Platzierung von Musik genügt nicht (KG Berlin, Beschl. v. 08.05.2024 - Az.: 10 W 38/24). Die Schuldnerin hatte ein Video veröffentlicht und dort bestimmte Behauptungen in Form eines eingesprochenen Textes wiedergegeben. Darauf wurde sie gerichtlich verpflichtet, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen. Als Folge änderte die Schuldnerin ihr Video wie folgt: Sie entferntes die betreffende Abbildung und blendete den Hinweis “ENTFERNTES BILD”
ein. Anstatt des eingesprochenen Textes untermalte sie das Video an dieser Stelle mit Musik. Das KG Berlin sah darin keine ausreichende Gegendarstellung, denn es fehle an dem Merkmal der “gleichen Aufmachung”. Nach § 20 Abs.1 MStV heißt es für Gegendarstellungen: "§ 20 MStV Gegendarstellung: (1) (…) Die Gegendarstellung ist ohne Einschaltungen und Weglassungen in gleicher Aufmachung wie die Tatsachenbehauptung anzubieten. Die Gegendarstellung ist so lange wie die Tatsachenbehauptung in unmittelbarer Verknüpfung mit ihr anzubieten. (…)"
Zwar verlange die Norm keine Identität. Notwendig sei aber in jedem Fall eine gestaltungsidentische Darstellung, die die gleiche Aufmerksamkeit wie die erste Nachricht erreiche. Diese Merkmale erfülle das abgeänderte Video nicht: "Im Fall ist die Tatsachenbehauptung ein vom Geschäftsführer der Schuldnerin gesprochener Text. Eine im Sinne von § 20 Absatz 1 Satz 2 MStV gleiche Aufmachung verlangt es mithin, dass auch die Gegendarstellung gesprochen wird. Der Begriff der „gleichen Aufmachung“ verlangt zwar keine Identität. Notwendig ist aber eine mit der Erstinformation gestaltungsidentische Darstellung (…). Entscheidend ist, dass die Gegendarstellung die gleiche Aufmerksamkeit finden kann wie die Erstmitteilung. Es muss sichergestellt sein, dass der gleiche Interessentenkreis erreicht und der gleiche Grad an Aufmerksamkeit gewährleistet ist (..). Bei einem gesprochenen Text in einem Video verlangt dies eine Gegendarstellung, die ebenfalls gesprochen wird."
Auch hätte das Ursprungsvideo nicht abgeändert werden dürfen: "Im Übrigen ist der Grundsatz der Waffengleichheit zu beachten. Auch dieser verlangt es aber, dass der Gläubiger vor demselben Forum mit derselben Publizität „zu Wort zu kommt“. Ein Abdruck erreicht beispielsweise für einen flüchtigen Betrachter nicht dieselbe Publizität wie ein gesprochener Text. b) Eine Gegendarstellung nach § 20 Absatz 1 Satz 3 MStV verlangt außerdem, wie vom Landgericht auch beschlossen, dass die Gegendarstellung „in unmittelbarer Verknüpfung“ mit der Tatsachenbehauptung anzubieten ist. aa) Hieraus und aus § 20 Absatz 1 Satz 4 MStV, der unter seinen Voraussetzungen verlangt, dass die Gegendarstellung an vergleichbarer Stelle angeboten wird, ist wohl zu schließen, dass es neben der Ursprungsveröffentlichung einer weiteren Veröffentlichung bedarf. Der Schuldner genügt seiner Pflicht also noch nicht, wenn er die Tatsachenbehauptung bloß löscht und an ihrer Stelle die Gegendarstellung veröffentlicht. Vielmehr muss er die Gegendarstellung in seinem (weiteren) „Angebot“ im Sinne von § 20 Absatz 1 Satz 1 MStV unter Hinweis (Link) auf die ursprüngliche Tatsachenbehauptung veröffentlichen. Für dieses Verständnis spricht auch die Überlegung der Gläubigerin, dass eine Gegendarstellung im Ausgangsbeitrag solche Personen nicht erreicht, die die unwahre Tatsachenbehauptung bereits in der Vergangenheit in dem Video zur Kenntnis genommen haben, das Video aber nunmehr nicht erneut anschauen werden."
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3.
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OLG Hamburg: Kein Wettbewerbsverhältnis zwischen Fluggesellschaft und Fluggastrechte-Online-Portal
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Zwischen einem Online-Portal für Fluggastrechte und einer Fluggesellschaft besteht kein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die betreffende Airline kann daher wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend machen (OLG Hamburg, Urt. v. 14.03.2024 - Az.: 15 U 132/22). Die größte europäische Airline wehrte sich gegen bestimmte Äußerungen, die die Beklagte - ein Fluggastrechteportal zur Durchsetzung von Ansprüchen der betroffenen Kunden - vorgenommen hatte. Dabei berief sich die Klägerin u.a. auf wettbewerbsrechtliche Normen. Zu Unrecht, wie das OLG Hamburg nun entschied. Denn zwischen den Parteien bestünde kein konkretes Wettbewerbsverhältnis: "Die Argumentation des OLG Brandenburg wäre nach Ansicht des Senats also selbst dann nicht überzeugend, wenn man insoweit auf Seiten der Fluggesellschaft die Bearbeitung von Kundenreklamationen nach der FluggastrechteVO einbeziehen wollte. Auch in diesem Fall bestünde ein wesentlicher Unterschied darin, dass es auf Seiten der Fluggesellschaft um die Prüfung bzw. Erfüllung eigener Sekundärpflichten ginge, während das Fluggastrechteportal den Verbraucher bei der Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen die Fluggesellschaft lediglich unterstützt. Dabei handelt es sich aus den in der Entscheidung „Wettbewerbsbezug“ angeführten Gründen (…) um vollständig ungleichartige Dienstleistungen. Eine Substitution findet insoweit schon deshalb nicht statt, weil die Klägerin in beiden Fällen im Wesentlichen dieselbe Handlung auszuführen hat, nämlich den jeweiligen Sekundäranspruch zu prüfen und ggf. zu erfüllen. Es gibt nach Ansicht des Senates auch sonst keinen überzeugenden Grund, im Hinblick auf die Frage des konkreten Wettbewerbsverhältnisses ein Fluggastrechteportal anders zu behandeln als einen Rechtsanwalt. Beide erbringen eine Rechtsdienstleistung, mag sich auch diejenige des Fluggastrechteportals auf die außergerichtliche Tätigkeit in dem ganz speziellen Rechtsgebiet der Fluggastrechte beschränken. Das Fluggastrechteportal ist damit insoweit letztlich nichts anderes als ein „kleiner Rechtsanwalt“."
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4.
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OLG Karlsruhe: Kostenpflichtiger Express-Versand darf in Online-Shop nicht Standard-Einstellung sein
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Ein Online-Shop darf den kostenpflichtigen Expressversand nicht als Voreinstellung wählen, die der Kunde aktiv durch ein Opt-Out abwählen muss (OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.03.2024 - Az.: 14 U 134/23). Der bekannte Online-Shop PEARL hatte auf seiner Webseite den Versand so konfiguriert, dass "Express" vorausgewählt war, wofür zusätzliche Gebühren anfielen. Wenn der Kunde den normalen Standardversand bevorzugte, musste er diesen ausdrücklich auswählen (Opt-Out). In der 1. Instanz sah das LG Freiburg i.Br. aufgrund der mangelnden Transparenz einen Wettbewerbsverstoß, vgl. die Kanzlei-News v. 14.09.2023. In der Berufungsinstanz schlossen sich die Karlsruher Richter dieser Ansicht nun an und bejahten ebenso eine Rechtsverletzung: "Gemäß § 312a Abs. 3 Satz 1 BGB kann eine Vereinbarung, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers gerichtet ist, nur ausdrücklich getroffen werden. Schließen der Unternehmer und der Verbraucher einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, wird eine solche Vereinbarung nur Vertragsbestandteil, wenn der Unternehmer die Vereinbarung nicht durch eine Voreinstellung herbeiführt. Die ausdrückliche Vereinbarung hierüber ist daher unwirksam, wenn der Verbraucher seine Vertragserklärung abgibt, ohne eine solche Voreinstellung des Unternehmers zu ändern (BT-Drs. 17/12637, S. 53, 2. Spalte, 2. Absatz), indem er beispielsweise eine vorausgewählte Nebenleistung durch Anklicken eines zuvor automatisch ausgewählten Häkchens wieder abwählt (…). Ein solches sogenanntes „Opt-Out“, das ein aktives Tätigwerden des Verbrauchers verlangt, ist unzulässig (…). Die Vereinbarung über das zusätzliche Entgelt wird in einem solchen Fall nur dann Vertragsbestandteil, wenn der Verbraucher der Regelung auf andere Weise - beispielsweise durch ausdrückliche E-Mail - zustimmt (…)."
Und weiter: “Schließlich hat bereits das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass die Angebotsgestaltung der Beklagten auch tatsächlich nicht ausreichend transparent ist. Denn der Expresszuschlag von einem Euro wird jedenfalls nach Auswahl eines expressfähigen Produkts im Warenkorb nicht ausgewiesen, sondern erst in der Bestellübersicht.”
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5.
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OVG Münster: WDR muss "Bündnis Sahra Wagenknecht" zur "Wahlarena 2024 Europa" einladen
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Der WDR muss den Spitzenkandidaten für die Europawahl der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW), Fabio De Masi, zur ARD-Sendung „Wahlarena 2024 Europa“ einladen und an der Diskussion mit dem Studiopublikum teilnehmen lassen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht heute in einem Eilverfahren entschieden und damit einen anderslautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln geändert. Am 06.06.2024 findet im unmittelbaren Vorfeld der Europawahl in der ARD die Wahlsendung "Wahlarena 2024 Europa" statt. Eingeladen hat der federführende WDR Vertreter der Parteien SPD, CDU, CSU, B90/Grüne, FDP, AfD und Die Linke. Nach der eidesstattlichen Versicherung des für die Sendung verantwortlichen Redakteurs soll diese in Form eines sogenannten Townhall Meetings durchgeführt werden, bei dem das Publikum den eingeladenen Politikern unter Begleitung der Moderatoren vorab eingereichte Fragen stellt. Das Konzept sehe bei den einzelnen Themen auch Rückblicke auf die ablaufende Wahlperiode vor. Aus diesem Grund und um die Zahl der Gäste zu begrenzen, damit noch eine für das Fernsehpublikum informationsgewinnende, verarbeitbare und lebendige Diskussion möglich sei, habe man sich dafür entschieden, Vertreter derjenigen Parteien einzuladen, die im aktuellen Europäischen Parlament mit relevanter Stärke vertreten seien und die auch im Übrigen in Deutschland ein relevantes Gewicht hätten. In erster Instanz hat des Verwaltungsgericht Köln einen auf Teilnahme gerichteten Eilantrag der Partei BSW (Antragstellerin) abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde hatte beim Oberverwaltungsgericht Erfolg. Zur Begründung hat der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Bei Prüfung im Eilverfahren kann die Antragstellerin aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot der (abgestuften) Chancengleichheit politischer Parteien die Teilnahme an der "Wahlarena 2024 Europa" beanspruchen. Das mitgeteilte Sendungskonzept rechtfertigt die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin nicht. Zwar wäre es dem WDR grundsätzlich nicht verwehrt, sich in Wahrnehmung seiner grundrechtlich geschützten redaktionellen Freiheit dafür zu entscheiden, eine Wahlsendung ausschließlich oder zumindest schwerpunktmäßig dem Rückblick auf die vergangene Wahlperiode zu widmen und dementsprechend den Teilnehmerkreis auf Vertreter der Parteien zu begrenzen, die derzeit im Europaparlament vertreten sind. Es ist allerdings weder aufgrund der Erläuterungen des WDR noch sonst erkennbar, dass ein solcher Ansatz tatsächlich im Vordergrund der Sendung steht. So sollen nach den Angaben des verantwortlichen Redakteurs bei den einzelnen Themen "auch" Rückblicke auf die vergangene Legislaturperiode vorgenommen werden. Zudem lässt gerade das gewählte Format eines "Townhall Meetings" hauptsächlich zukunftsgerichtete Fragen der in das Konzept eingebundenen Bürgerinnen und Bürger an die anwesenden Politiker erwarten. Das verbleibende Kriterium des redaktionellen Konzepts, nur Parteien einzuladen, die "auch im Übrigen in Deutschland ein relevantes Gewicht" haben, verlangt eine Teilnahme der Antragstellerin an der Sendung "Wahlarena 2024 Europa". Mit diesem Kriterium wollte der WDR dem Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit Geltung verschaffen, dem im Rahmen der Vorwahlberichterstattung besondere Bedeutung zukommt. Mit Blick auf die anstehende Europawahl lässt sich gegenwärtig jedenfalls nicht feststellen, dass die Antragstellerin gegenüber den eingeladenen Parteien FDP und Die Linke hinsichtlich ihrer gegenwärtigen Bedeutung einen derart großen Abstand aufweist, der ihren Ausschluss von der Sendung rechtfertigen könnte. Dabei ist unter den besonderen Umständen dieses Einzelfalls maßgeblich auf das Kriterium der Erfolgsaussichten bei den bevorstehenden Wahlen abzustellen, das naturgemäß bei den Parteien an besonderer Bedeutung gewinnt, die - wie die Antragstellerin aufgrund ihrer erst im Januar 2024 erfolgten Gründung - bisher nicht im Parlament vertreten sind. Seit Februar 2024 bewegt sich die Antragstellerin in einem "Umfragekorridor" von 4 bis 7 Prozent, womit ihr zum Teil bessere Wahlchancen attestiert werden als etwa den Parteien FDP und Die Linke. In den jüngsten aktuellen Wahlumfragen liegt sie zwischen 6 und 7 Prozent. Ungeachtet der eingeschränkten Verlässlichkeit von Umfragen vor einer Wahl lässt sich hieraus jedenfalls eine deutliche Tendenz für die aktuellen Erfolgsaussichten der Antragstellerin herleiten. Diese werden bestätigt durch entsprechende Wahlumfragen für verschiedene Landesparlamente und den Bundestag sowie die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Thüringen. Darüber hinaus verfügt die Antragstellerin schon nach kurzer Zeit unter anderem über eine Struktur, die es ihr erlaubt, bereits in ihrem Gründungsjahr neben der Europawahl an verschiedenen Kommunal- und Landtagswahlen mit entsprechenden Erfolgsaussichten teilzunehmen und mit Wahlkampfveranstaltungen das Interesse einer - auch im Vergleich zu den übrigen Parteien - nicht geringen Anzahl von Bürgerinnen und Bürgern auf sich zu ziehen. Dass sie gleichwohl im Hinblick auf etwa ihre Mitgliederzahl, ihre Vertretung im Parlament und ihre Beteiligung an der Regierung in Bund oder Ländern hinter den übrigen Parteien zurücksteht, ist in diesem Fall angesichts der Besonderheiten einer jungen Parteineugründung nicht ausschlaggebend. Schließlich können durch eine Einladung der Antragstellerin die kollidierende Rundfunkfreiheit des WDR und ihr Recht auf Chancengleichheit in Ausgleich gebracht werden. Eine Teilnahme eines Vertreters der Antragstellerin zwingt den WDR nicht dazu, von seinem redaktionellen Sendungskonzept in der zu erwartenden Umsetzung (erheblich) abzuweichen. Z um einen ist es weder dargelegt noch sonst festzustellen, dass bei dem gewählten Format eines "Townhall Meetings" die Gesamtzahl der möglichen Gäste zwingend auf sieben begrenzt sein muss. Weshalb die Teilnahme zumindest auch eines achten Gastes der geordneten Durchführung und Attraktivität der 90-minüten Sendung entgegenstehen sollte, ist nicht weiter substantiiert. Dass mit der Zulassung der Antragstellerin noch weiteren Parteien die Teilnahme aus Gleichbehandlungsgründen zu ermöglichen wäre, ist nicht erkennbar. Zum anderen ist davon auszugehen, dass nicht auf retrospektive Elemente in der Sendung verzichtet werden muss, wenn der WDR hieran in redaktioneller Freiheit festhalten möchte. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 494/24 (I. Instanz VG Köln 6 L 928/24) Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 05.06.2024
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LG Frankfurt a.M.: Online-Shop darf Lieferzeiten für Smartphones nicht hinter Mouseover-Hinweis verstecken
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Ein Online-Shop (hier: Samsung) darf Smartphones nur dann zum Verkauf anbieten, wenn er auch ausreichend transparent über die Lieferzeiten informiert. Unzulässig ist es, diese Informationen hinter einem Mouse-Over-Hinweis zu verstecken (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17.04.2024 - Az.: 2-06 O 361/22). Samsung bot auf seiner Website Mobiltelefone zum Kauf an. Im Bestellvorgang erfuhr der Käufer nur dann etwas über die konkrete Lieferzeit, wenn er mit der Maus über ein eingekreistes Fragezeichen fuhr (Mouse-Over-Effekt). Dann erschien folgender Text "Bei Eingang deiner Bestellung bis 17:00 Uhr erfolgt die Lieferung innerhalb von 2-3 Arbeitstagen. Bitte beachte, dass DHL ihre internen Prozesse entsprechend der jeweiligen spezifischen Covid-19-Risikossituation anpasst. Dies ist insbesondere bei der Annahme und Übergabe von Postsendungen der Fall. DHL verzichtet darauf, dass der Empfänger bei der Annahme von Paketen und Einschreiben mit persönlicher Übergabe unterschreiben muss. Statt dass der Empfänger bei der Entgegennahme unterschreibt, dokumentieren die Zusteller die erfolgreiche Zustellung mit ihrer eigenen Unterschrift. In Fällen, in denen der Empfänger nicht einverstanden ist, werden die Postsendungen an die nächstgelegene Postfiliale weitergeleitet oder an den Absender zurückgeschickt. Dadurch reduziert auch DHL den persönlichen Kontakt zwischen den Empfängern und ihren Zustellern und vermeiden die mögliche Übertragung von Viren über Handscanner und Stifte. Darüber hinaus empfiehlt DHL, wenn möglich, einen bevorzugten Ort für den Empfang deiner Pakete anzugeben oder sie direkt an eine Packstation adressieren zu lassen."
Das Gericht sah darin einen Wettbewerbsverstoß, da kein konkretes Lieferdatum angegeben werde. Der Mouse-Over-Hinweis genüge nicht: "Insbesondere erfolgt eine Information zur Lieferzeit im Rahmen des Bestellvorgangs nicht dadurch, dass sich rechts neben dem Button „Online IDENT-Check mit PurpleView (2-3 Arbeitstage)“ ein eingekreistes „?“ mit Hover-Funktion befindet, welches bei einem dortigen Verharren mit dem Mauszeiger Informationen zur Lieferzeit preisgibt. Warum ein Verbraucher auch nur erahnen sollte, dass an dieser Stellte Informationen zur Lieferzeit hinterlegt sein könnten, erschließt sich der Kammer nicht. Dass der Link über das „?" „klar erkennen lässt“, welche Informationen sich dahinter abbrufen lassen (…), kann keinesfalls festgestellt werden, zumal sich auch die Klammer neben „Online IDENT-Check mit PurpleView" erkennbar auf das PurpleView bezieht und wird vom Verbraucher somit gerade nicht als Angabe zur Lieferzeit angesehen wird."
Eine etwaige Erwähnung in den FAQ reiche ebenfalls nicht aus: “Dahingestellt bleiben kann, ob sich zum Zeitpunkt der gerügten Verletzungshandlung Angaben zur Lieferzeit in den FAQ befanden. Eine in den FAQ abrufbare Information zur Lieferzeit wäre jedenfalls schon deshalb nicht ausreichend, da nicht erkennbar ist, warum ein Verbraucher, der ein konkretes Produkt ins Auge gefasst hat, Informationen zur konkreten Lieferzeit für ebendieses Produkt in der „Zusammenstellung besonders häufig gestellter Fragen“ vermuten sollte.”
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7.
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VG Frankfurt (Oder): Lehrerin kann aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden, wenn sie für rechtsextreme Medienunternehmen arbeitet
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Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) hat mit Beschluss vom 6. Juni 2024 (Aktenzeichen: VG 2 L 78/24) den Eilantrag einer Lehramtsreferendarin abgelehnt, deren Ernennung zur Beamtin auf Widerruf wegen einer verschwiegenen Moderatorentätigkeit für ein vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuftes Medienunternehmen („COMPACT“) zurückgenommen wurde. Das Verwaltungsgericht sieht es als erwiesen an, dass die Antragstellerin nicht die für die Berufung in das Beamtenverhältnis erforderliche Gewähr der Verfassungstreue bietet. Gegen den Beschluss ist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht BerlinBrandenburg zulässig. VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 6. Juni 2024, VG 2 L 78/24 Quelle: Pressemitteilung des VG Frankfurt (Oder) v. 10.06.2024
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8.
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LG Karlsruhe: Verlinkung auf verbotene Indymedia-Webseite nicht strafbar ("Radio Dreyeckland")
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Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe hat den Angeklagten mit Urteil vom 06.06.2024 vom Vorwurf der Unterstützung einer verbotenen Vereinigung freigesprochen. I. Eine Strafbarkeit nach § 85 StGB scheiterte aus zwei voneinander unabhängigen Gründen: 1. Zum einen war eine (Fort-)Existenz der verbotenen Vereinigung im maßgeblichen Zeitpunkt der Veröffentlichung des anklagegegenständlichen Artikels am 30.07.2022 nicht nachzuweisen. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 85 Abs. 2 StGB gewesen, weil nur eine existierende Vereinigung unterstützt werden kann (vgl. BGH, Beschluss v 14.11.2023 – 3 StR 141/23). a) In personeller Hinsicht konnte die 5. Große Strafkammer zur Fortführung der Vereinigung keine Feststellungen treffen. Anhaltspunkte dafür, dass die Adressaten der Verbotsverfügung eine Tätigkeit für die Vereinigung fortgesetzt haben, lagen weder beim Landeskriminalamt noch beim Landesamt für Verfassungsschutz oder Bundesamt für Verfassungsschutz vor. b) In sachlicher Hinsicht sah die Kammer die Existenz der Archivseite nicht als Beleg für die Fortexistenz der Vereinigung an, weil das statische Archiv im Vergleich zur Open-Posting-Plattform in Bezug auf Zielrichtung und Zweck (Posting- und Kommentar-Funktion), Aktualität, Aufwand für Technik und Moderation, Kosten des Betriebs und Gefährdungspotential gänzlich anders zu bewerten sei. Auch die Tatsache, dass die Open-Posting-Plattform sich am Tag des Verbots selbstständig vom Netz genommen habe, die Nutzer ihre Tätigkeit auf die Seite de.indymedia.org verlagert hätten, die URL zwischenzeitlich nicht erreichbar war und an andere Personen erneut hätte vergeben werden können sowie die Tatsache, dass für den Betrieb der Archivseite Kosten nicht nachweisbar anfielen und beglichen wurden, spreche gegen eine Fortexistenz der Vereinigung. Insgesamt könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Datensatz der ehemaligen Open-Posting-Plattform von einer Einzelperson des ursprünglichen Betreiberkreises oder einem externen Dritten mit Zugriff auf die Dateien oder Kopien hiervon diese an eine unbekannte Einzelperson oder eine nicht vereinigungsidentischen, aber sympathisierenden Gruppe weitergegeben worden und von dieser als Archiv ins Netz gestellt worden sei. 2. Davon unabhängig, d.h. selbst für den hypothetischen Fall einer Fortexistenz der Vereinigung, war der anklagegegenständliche Artikel nicht als strafbare Unterstützungshandlung i.S.d. § 85 StGB zu bewerten – weder seinem Inhalt nach, noch durch die Verlinkung auf die Archivseite. Bei Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte die Vereinigung – quasi als deren „Sprachrohr“ – durch seinen Artikel unterstützt habe, war der Artikel in seinem objektiven Sinngehalt im Lichte von Art. 5 GG auszulegen. Dabei durfte nicht von einer zur Verurteilung führenden Deutung ausgegangen werden, ehe andere Deutungsmöglichkeiten ausgeschlossen wurden, bei der der anklagegegenständliche Artikel von der Presse-/Meinungsfreiheit gedeckt und nicht strafbar sei. Dass eine unklare Absehbarkeit strafrechtlicher Sanktionen Einschüchterungseffekte auf die freie Pressetätigkeit begründen könne, sei zu berücksichtigen. Aufgrund der Tatsache, dass der Artikel einen objektiv berichtenswerten Anlass hatte (als „Eilmeldung“ über die Verfahrenseinstellung), eine provokative und schlagwortartige Verkürzung in Überschriften üblich ist, die Tatsache des Vereinsverbots, der Einstellung des Ermittlungsverfahrens und seine Gründe und die in Bezug genommene Rechtswidrigkeit einer im Vereinsverbotsverfahren durchgeführten Durchsuchung zutreffend geschildert waren, der Slogan „Wir sind alle linksunten“ in der Bebilderung durch die Infragestellung in der Bildunterschrift relativiert wurde, überwog nach Ansicht der Kammer der berichterstattende Charakter. Die kritische Grundtendenz an dem „konstruierten Verbot“ sei zulässig und zweifellos von der grundgesetzlich verbürgten Pressefreiheit gedeckt. Auch die Verlinkung auf das Archiv der verbotenen Vereinigung führe zu keiner anderen Bewertung. Eine Verlinkung sei nicht per se verboten, sondern beurteile sich mangels Sondervorschriften über die Linksetzung nach den allgemeinen Vorschriften (hier § 85 Abs. 2 StGB). Sie sei daher hier nur strafbar, wenn sie bzw. der Artikel samt Verlinkung nach den Gesamtumständen als Unterstützungshandlung zu bewerten sei. Hierbei sei relevant, dass der Hinweis auf das verlinkte Archiv neutral und nicht werbend formuliert sei, die Archivseite seit Jahren im Internet frei zugänglich sei, von anderen überregionalen Medien ebenfalls über das Archiv berichtet und z.T. auch darauf verlinkt worden sei, das Archiv über gängige Suchmaschinen ohne weiteren Aufwand habe leicht gefunden werden können, die Funktion einer Verlinkung auch durch Internetbrowser (durch Doppelklicken oder rechten Maustastenklick) nachträglich erzeugt werden könne und die Verlinkung einen Sachbezug zur Meldung gehabt habe, da die im Ermittlungsverfahren verneinte Bewertung der Linksunten-Betreiber als kriminelle Vereinigung gerade auch mit dem Inhalt der Open-Posting-Plattform, der in dem Archiv vollständig abgebildet sei, begründet worden sei. Damit stelle die Verlinkung – einer abrundenden Fußnote gleichkommend – lediglich einen technischen Service für den Leser dar und sei nicht als verbotene Unterstützungshandlung zu qualifizieren. Die Kammer kam nach alledem zu dem Ergebnis, dass der anklagegegenständliche Artikel – auch bei deutlich werdender Kritik an dem Vereinsverbot und bei Verlinkung auf das Archiv – von der grundgesetzlich verbürgten, aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt sei. Die Berichtserstattung des Angeklagten über die Einstellung des Verfahrens wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung sei im Übrigen unabhängig von der Tatsache als straflos zu bewerten, dass ein – wenn auch geringer – Teil der Postings auf der Seite klar strafbare Inhalte aufweise und dennoch von den damaligen Moderatoren bewusst nicht gelöscht worden sei. Ein kritischer Journalist müsse Verbote kritisieren dürfen, ohne dass ihm reflexhaft Unterstützung des Verbotenen unterstellt werde. II. Eine Strafbarkeit des angeklagten Sachverhalts, insbesondere die Verlinkung auf die Archivseite, nach anderen Vorschriften war vor dem Hintergrund des Grundrechts der Pressefreiheit ebenfalls zu verneinen. Ob durch die Archiv-Verlinkung Propagandamittel verbreitet oder Kennzeichen einer verbotenen Vereinigung verwendet wurden, habe offenbleiben können, da dies jedenfalls aufgrund der Sozialadäquanzklausel bei Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens nicht tatbestandsmäßig gewesen wäre. Auch habe sich der Angeklagte durch die Verlinkung auf die Startseite des Archivs mit über 70.000 Artikeln nicht einzelne wenige, inkriminierte Artikel (in denen Straftaten gebilligt wurden oder hierzu aufgefordert wurde) zu eigen gemacht. Aufgrund des Überwiegens eines Berichterstattungscharakters des Artikels komme wegen der Wechselwirkung zwischen der Pressefreiheit und der diese einschränkenden Strafgesetze eine Strafbarkeit wegen sukzessiver Beihilfe nicht in Betracht. Quelle: Pressemitteilung des LG Karlsruhe v. 07.06.2024 § 85 StGB: Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot (1) Wer als Rädelsführer oder Hintermann im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes den organisatorischen Zusammenhalt 1. einer Partei oder Vereinigung, von der im Verfahren nach § 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, oder 2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist, aufrechterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar. (2) Wer sich in einer Partei oder Vereinigung der in Absatz 1 bezeichneten Art als Mitglied betätigt oder wer ihren organisatorischen Zusammenhalt oder ihre weitere Betätigung unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (3) § 84 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.
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LG Kiel: Cyberversicherung muss bei Falschangaben für Schäden aus einem Hacker-Angriff nicht zahlen
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Macht ein Kunde bei Abschluss einer Cyberversicherung falsche Angaben (hier: keine regelmäßigen Updates / keine Antiviren-Software), so kann die Versicherung den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (LG Kiel, Urt. v. 23.05.2024 - Az.: 5 O 128/21). Die Klägerin, ein Unternehmen, schloss im Jahr 2020 bei der Beklagten eine Cyberversicherung ab. Bei Vertragsabschluss beantwortete die Klägerin die folgenden Fragen wie folgt "Risikofragen: 1. Die IT des Unternehmens wird durch mindestens einen IT-Spezialisten betreut: Ja 2. Es werden regelmäßig (mindestens wöchentlich) Datensicherungen durchgeführt: Ja 3. Alle stationären und mobilen Arbeitsrechner sind mit aktueller Software zur Erkennung und Vermeidung von Schadsoftware ausgestattet: Ja 4. Verfügbare Sicherheitsupdates werden ohne schuldhaftes Zögern durchgeführt, und für die Software, die für den Betrieb des IT-Systems erforderlich ist, werden lediglich Produkte eingesetzt, für die vom Hersteller Sicherheitsupdates bereitgestellt werden (dies betrifft v.a. Betriebssysteme, Virenscanner, Firewall, Router, NAS-Systeme): Ja 5. Es existieren Regelungen zum Umgang mit IT-Zugangsdaten im Unternehmen, deren Umsetzung überwacht wird: Ja 6. Es werden Hard- und Software (wie Firewalls) zum Schutz des Unternehmensnetzwerks eingesetzt: Ja 7. Mitarbeiter dürfen private Geräte für dienstliche Zwecke verwenden: Ja 8. Gab es in den letzten drei Jahren einen Cyber-Schaden oder einen Datenschutzvorfall im Unternehmen?: Nein“
Ende 2020 kam es zu einem Hackerangriff. Den entstandenen Schaden wollte die Klägerin von ihrer Versicherung ersetzt bekommen. Im Rahmen der Schadensregulierung stellte sich heraus, dass die Klägerin einen Teil der Fragen nicht wahrheitsgemäß beantwortet hatte. So wurde im Unternehmen der Klägerin für den Betrieb des Webshops ein SQL-Server mit dem Betriebssystem Windows 2008 eingesetzt, für den seit Januar 2020 keine Software- und Sicherheitsupdates mehr bereitgestellt wurden. Der Support und damit die Zusatzfunktionen für diese Software endeten bereits im Jahr 2015. Einen vom Hersteller angebotenen erweiterten Support- und Updatevertrag hatte die Klägerin für dieses Gerät nicht abgeschlossen. Dieser Server war auch nicht zusätzlich durch eine Firewall geschützt und verfügte über keine Antivirensoftware. Das war aber noch nicht alles: "Außerdem wurden neben einem Fax-Server mit Windows 2003 Betriebssystem zwei weitere Rechner mit dem Betriebssystem Windows 2003 als Speicherplatz im Unternehmen der Klägerin eingesetzt, auf die Arbeitsplatzrechner im Betrieb der Klägerin zugreifen konnten. Diese drei Windows 2003 Server verfügten ebenfalls nicht über einen Virenscanner. Einer der beiden im Unternehmen eingesetzten Domain-Controller, der DC 09, befand sich im Auslieferungszustand von März 2019, das heißt seit diesem Zeitraum waren keine Aktualisierung oder Sicherheitsupdates an diesem durchgeführt worden. Auf einem der rund 399 im Betrieb der Klägerin eingesetzten Rechner war das SMB1 Protokoll aktiv, bei dem seit 2017 Schwachstellen bekannt waren und dessen Deaktivierung auf allen Systemen empfohlen worden war. Der Domain-Controller diente als Bereichssteuerung der zentralen Authentifizierung von Computern und Benutzern des gesamten Rechnernetzes der Klägerin. Im Netz der Klägerin existierte eine hohe Anzahl von Benutzerkonten mit administrativer Zugangsberechtigung, nämlich insgesamt 77 Nutzer. Bei der Begutachtung des Schadensfalls durch eine von der Beklagten beauftragte Sachverständige wurden im IT-System der Klägerin Passwörter wie (…) oder (…) festgestellt."
Die Versicherung focht den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an und verweigerte die Leistung. Zu Recht, wie nun das LG Kiel urteilte. Denn die Klägerin habe arglistig getäuscht: "Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Versicherungsleistungen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag zu, da der Vertrag aufgrund der von der Beklagten erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nichtig ist (…). Die Klägerin hat die Beklagte bei Vertragsschluss über vertragsrelevante Risiken arglistig getäuscht, indem sie nach Überzeugung der Kammer jedenfalls die im Rahmen der Invitatio gestellten Risikofragen zu Ziffer 3) und 4) durch ihren beauftragten Verhandlungsgehilfen, den Zeugen (…) falsch beantworten ließ, der seine Angaben im Bewusstsein seiner Unkenntnis ins Blaue hinein machte."
Und weiter: "Jedenfalls die hier gestellten Risikofragen zu Ziffer 3) und 4) wurden bezogen auf den als Speicherplatz genutzten Windows 2003 Rechner, den für den Betrieb des WEB-Shops eingesetzten Windows 2008 SQL-Server und den noch im Auslieferungszustand von 2019 befindlichen Domain-Controller DC09 objektiv falsch beantwortet, so dass dahin gestellt bleiben kann, inwieweit auch weitere Fragen falsch beantwortet worden sind. Die Frage zu 3), ob „alle stationären und mobilen Arbeitsrechner mit aktueller Software zur Erkennung und Vermeidung von Schadsoftware ausgestattet“ sind, wurde mit „ja“ beantwortet. Ebenso wurde die Frage zu Ziffer 4) nach der Durchführung verfügbarer Sicherheitsupdates ohne schuldhaftes Zögern und dem Einsatz von Produkten für die Software für Betriebssysteme, Virenscanner, Firewall, Router, NAS-Systeme usw., für die vom Hersteller Sicherheitsupdates bereitgestellt werden, bejaht. Tatsächlich war unstreitig auf dem Windows 2003 Rechner kein Virenschutzprogramm installiert und Sicherheitsupdates des Herstellers für die Klägerin nicht verfügbar. Das gilt auch für den zum Betrieb des WEB-Shops als Verbindung zum Warenwirtschaftssystem der Klägerin eingesetzten Windows 2008 Rechner. Auch hier war vor dem Vertragsschluss im Januar 2020 das von dem Hersteller bereit gestellte Sicherheitsupdate ausgelaufen. Einen erweiterten Supportvertrag, über den weiterhin Sicherheitsupdates hätten abgerufen werden können, hatte die Klägerin unstreitig für diesen Rechner nicht abgeschlossen. Zudem bestätigte der Zeuge (…), dass, wie sich auch aus der von der Beklagten beauftragten forensischen Analyse durch die Diplom-Informatikerin (…) ergibt, der Microsoft Windows 2008 R2 Rechner, der als WEB-SQL Server genutzt worden ist, nicht über einen Virenscanner verfügte. Schließlich befand sich auch der Domaincontroller DC 09 noch im Auslieferungszustand von 2019, dass heißt weder waren Sicherheitsupdates und Aktualisierung erfolgt noch ein Virenschutz installiert. Die Fragen zu Ziffer 3) und 4) sind damit objektiv falsch beantwortet worden."
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10.
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LG Stralsund: 4.000,- EUR Geldentschädigung für Versendung von Sexting- und Dickpix-Nachrichten
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Die 4. Kammer des Landgerichts Stralsund hat unter dem 06.06.2024 ein Urteil erlassen zu den zivilrechtlichen Folgen des ungefragten Versands von Textnachrichten mit pornografischem Inhalt, Fotos eines männlichen Gliedes sowie eines Masturbationsvideos. Die Klägerin ist durch Auftritte in einer Fernsehserie sowie mehreren Social Media-Auftritten seit längerem einem breiten Publikum bekannt. Im Frühling 2023 übersandte der zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alte Beklagte der ebenfalls volljährigen Klägerin als Antwort auf verschiedene Instagram-Stories drei Textnachrichten mit dem Wortlaut „Fick mich bby“, „Press dein arsch an mein Schwanz“ und „Zwischen deinen titten Spritzen“. Zwei Monate später übersandte der Beklagte der Klägerin fünf Fotos mit Bildern von einem entblößten Penis in verschiedenen Erektionsstadien. Weitere zwei Monate später übersandte der Beklagte der Klägerin ein Video mit einer Dauer von etwas über einer Minute, bestehend aus einer Collage von Wiederholungen von Bildnissen der Klägerin, eigenen Penisfotos und einem eigenen Masturbationsvideo. Ein Kontakt zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestand zu keinem Zeitpunkt. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000,00 €. Durch Urteil des Landgerichtes wurde ihr eine Summe von 4.000,00 € zugesprochen. Das Urteil des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Weiter wurde gegen den Beklagten aufgrund der Vorfälle bereits im Oktober letzten Jahres durch das Amtsgericht Stralsund ein rechtskräftiger Strafbefehl in Höhe 2.400,00 € erlassen. In einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht wurde dem Beklagten unter Androhung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft ein derartiges Verhalten untersagt. In der Folge hat der Beklagte auch die Gerichtskosten und die Kosten des Anwalts der Klägerin für das jeweilige Verfahren zu zahlen. Das weit verbreitete Verhalten kostete den Beklagten so (nach derzeitigem Stand) mehr als 12.500,00 €. Quelle: Pressemitteilung des LG Stralsund v. 06.06.2024
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