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Newsletter vom 12.06.2013 |
Betreff: Rechts-Newsletter 24. KW / 2013: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Anbringen von GPS-Sender durch Detektive an fremden Auto strafbar _____________________________________________________________ Das Landgericht Mannheim hat den Betreiber einer Detektei sowie einen seiner Mitarbeiter wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in mehreren Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen unterschiedlicher Höhe verurteilt, deren Vollstreckung es jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Angeklagten hatten verdeckt für verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen) Überwachungsaufträge ausgeführt, die zu Erkenntnissen über das Berufs- und/oder das Privatleben von Personen (Zielpersonen) führen sollten. Die Motive der Auftraggeber waren im Einzelnen unterschiedlich: Vorwiegend ging es um wirtschaftliche und private Interessen, die sich teilweise, etwa im Zusammenhang mit Eheauseinandersetzungen, auch überschnitten. Zur Erfüllung ihres Auftrags bedienten sich die Angeklagten in großem Umfang der GPS-Technik (Global Positioning System), indem sie einen GPS-Empfänger unbemerkt an den Fahrzeugen der Zielpersonen anbrachten. Dadurch konnten sie feststellen, wann und wo sich das jeweilige Fahrzeug aufhielt. Auf diese Weise erstellten sie Bewegungsprofile der Zielpersonen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die Angeklagten wegen einer Reihe strafbarer Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (§§ 44 iVm. 43 Abs. 2 Nr. 1BDSG) verurteilt. Nach Auffassung des Landgerichtswaren die Angeklagten nicht im Sinne von §§ 28 Abs. 1 Nr. 2 oder 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG befugt, die GPS-Empfänger einzusetzen. Differenzierungen zwischen den einzelnen Fällen hat es nicht vorgenommen. Mit ihren Revisionen haben sich die Angeklagten u.a. gegen die rechtliche Bewertung des Landgerichts gewandt, die Datenerhebung durch die Angeklagten sei unbefugt gewesen. Die erforderliche einzelfallbezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen habe das Landgericht nicht vorgenommen. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die heimliche Überwachung der "Zielpersonen" mittels eines GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar ist. Zwar ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch kann lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen ist. Ob solche Ausnahmen in einigen Fällen vorlagen, konnte nicht abschließend überprüft werden, da das Landgericht, das von einem anderen rechtlichen Maßstab ausgegangen war, hierzu keine ausreichenden Feststellungen getroffen hatte. Dies führte zu einer Aufhebung und Zurückverweisung wegen eines Teils der angeklagten Fälle an eine andere Strafkammer des Landgerichts. Soweit hingegen nach den Urteilsfeststellungen die Annahme eines solches berechtigten Interesses von vorneherein ausgeschlossen war, hatten die Schuld- und Einzelstrafaussprüche Bestand.
Urteil vom 4. Juni 2013 – 1 StR 32/13
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 04.06.2013
Die Landeskartellbehörde forderte ein Unternehmen zur Übermittlung bestimmter Daten (hier: eine Excel-Datei) mittels ungesicherter E-Mail-Übertragung auf. Das Unternehmen weigerte sich unter Hinweis auf die Sensibilität der Daten. Das Gericht stellte fest, dass das Unternehmen die Übertragung zu Recht hatte ablehnen dürfen. Denn aus Sicherheitsgründen könne dem Unternehmen nicht zugemutet werden, Informationen per E-Mail ungesichert zu übermitteln. Dabei sei es unerheblich, ob es sich um besonders schützenswerte Informationen wie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handle oder um andere Daten.
Denn die Behörde könne sich die gewünschte Excel-Datei auf anderem, sicherem Wege, z.B. auf einem physikalischen Datenträger oder über eine gesicherte elektronische Verbindung, übermitteln lassen.
Die Beklagte, ein zivilrechtliches Unternehmen, unterhielt die Domain "berlin.com" und hielt dort Informationen zu Berlin zum Abruf bereit. Das Land Berlin klagte, weil es seine Namensrechte verletzt sah. In der Vorinstanz war der Anspruch noch abgewiesen worden, weil das Landgericht gemeint hatte, ein Anspruch bestünde allenfalls für die Bezeichnung "Land Berlin" und nicht für das Wort "Berlin" alleine. In der Berufung hat nun das KG Berlin eine Rechtsverletzung bejaht. Es liege eine unberechtigte Namensanmaßung vor. Ein solcher Namensschutz bestehe nicht nur bei länderspezifischen Top-Level-Domains wie ".de", sondern auch bei generischen wie ".com". Die Namensanmaßung liege im vorliegenden Fall daran, dass der Besucher der Webseite davon ausgehe, dass das Land Berlin Betreiberin sei. Tatsächlich unterhalte aber die privatrechtlich organisierte Beklagte das Angebot.
Allein durch die Top-Level-Domain ".com" sei nicht aus sich heraus erkennbar, dass es sich um ein kommerzielles Angebot handle. Zwar stehe die Abkürzung für "commerce" bzw. "commercial". Seit Öffnung der Zulassungsbeschränkungen für Domains betrieben aber nicht nur Geschäftsleute ".com"-Domains, sondern auch viele Länder, Gemeinden und Privatpersonen seien Inhaber entsprechender URLs.
Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 30.04.2013 entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Essen be- stätigt. Die in Essen ansässige Beklagte vertreibt über das Internet „Original Spiruletten mit Gerstengras“ als Nahrungsergänzungsmittel. Diese be- warb sie u.a. mit den Aussagen, dass das Produkt „über 7.000 Vitalstoffe“ enthalte und dass das Gerstengras „das vitalstoffreichste Le- bensmittel der Welt“ sei. Diese Werbung beanstandete der klagende Verband als unzutreffend und damit irreführend und hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat den Unterlassungsanspruch des Klägers bestätigt. Die streitgegenständlichen Werbeaussagen verstießen gegen Art. 8 der Europäischen Health Claim VO (HCVO), VO (EG) Nr. 1924/2006.
Nach dieser Bestimmung dürften nährwertbezogene Angaben nur gemacht werden, wenn sie im Anhang der HCVO aufgeführt seien und den in der HCVO festgelegten Bedingungen entsprächen. Diesen Voraussetzungen genügten die beanstandeten Werbeaussagen nicht. Als Nahrungsergänzungsmittel seien die „Original Spiruletten mit Gerstengras“ Lebensmittel im Sinne der HCVO. Die Angabe, diese Spiruletten enthielten „so viele Vitalstoffe“, sei nährwertbezogen, sie weise dem Produkt besondere positive Nährwerteigenschaften zu. Unter Vitalstoffen verstehe man alle vom menschlichen Körper benötigten bzw. der Gesundheit des Organismus förderlichen Substanzen, u.a. Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme. Ausgenommen seien nur Nährstoffe, die der direkten Energiezufuhr dienen. Die beanstandete nährwertbezogene Werbung der Beklagten sei gem. Art. 8 Abs. 1 HCVO unzulässig. Der nährwertbezogene Begriff „Vitalstoffe“ sei in der Anlage zur HCVO nicht aufgeführt und dürfe deswegen nicht verwandt werden. Er sei unspezifisch und für den wissenschaftlichen Gebrauch ungeeignet, weil er eine große Anzahl verschiedener Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zusammenfasse.
Außerdem entspreche die Werbung nicht den in der HCVO festgelegten Bedingungen. So habe die Beklagte bereits nicht vorgetragen, dass die in den Spiruletten enthaltenen und als Vitalstoffe bezeichneten Substanzen in einer für den Körper verfügbaren Form Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30.04.2013 (4 U 149/12) Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 10.06.2013
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Der Kläger betrieb eine Countdown-Auktion im Internet. Dabei wurden hauptsächlich elektronische Waren angeboten. Bei der Versteigerung lief für jedes Produkt eine Zeituhr rückwärts. Gebote waren nur vor Ablauf der Zeituhr durch den Einsatz eines Gebotspunktes möglich. Die Gebotspunkte mussten zuvor von den Teilnehmern der Versteigerung gekauft werden. Ein Gebotspunkt kostete, je nach der Anzahl der insgesamt erworbenen Gebotspunkte, zwischen 0,60 - 0,75 EUR. Durch Einsatz eines solchen Gebotspunktes erhöhte sich der Preis des angebotenen Produkts um jeweils 0,01 EUR. Zugleich verlängerte der Einsatz eines Gebotspunktes die Versteigerung um 20 Sekunden, so dass die anderen Teilnehmer der Auktion die Zeit erhielten, das bislang höchste Gebot noch einmal zu überbieten. Der Teilnehmer, der beim Ablauf der Auktion das letzte Gebot abgegeben hatte, gewann die Auktion und erwarb das Recht, den betreffenden Gegenstand zu dem letzten Gebotspreis zu kaufen. Eine Rückerstattung der Kosten für die erworbenen und eingesetzten Gebotspunkte erfolgte nicht. Der VGH Mannheim stufte diese Auktion als verbotenes Glücksspiel ein. Der Begriff des Spiels sei weit auszulegen, so dass auch die vorliegenden Auktionen hierunter fallen würden. Ebenso zu bejahen sei das Vorliegen eines Zufalls. Denn dem Teilnehmer stehe keine brauchbare Einwirkungsmöglichkeit zur Verfügung. Es hänge vielmehr vom Zufall ab, ob ihn ein anderer Mitspieler überbiete oder nicht. Zwar könne der Teilnehmer durch einen neuen Einsatz seinen Erfolg versuchen herbeizuführen, hierbei handle es sich jedoch um keine relevante, finale Einwirkungsmöglichkeit.
Es liege auch ein erheblicher entgeltpflichtiger Einsatz vor, denn der konkrete Ablauf des Spiels animiere dazu, mehrfach Spielbeiträge einzusetzen. Insofern würden sich die einzelnen Entgelte kumulieren.
Der verklagte Host-Provider löschte trotz mehrerer Hinweise urheberrechtlich geschützte Audio-Dateien nicht. Hochgeladen hatte die Files ein Dritter. Daraufhin nahm die Rechteinhaberin den Provider auf Unterlassung in Anspruch. Dabei entschieden die Richter, dass das Unternehmen nicht nur als Störerin für die fremde Urheberrechtsverletzung hafte, sondern sogar als Gehilfe. Das Unternehmen leiste durch seine hartnäckige Weigerung, die Musik-Dateien nicht zu löschen, Beihilfe (§ 27 StGB). Ein Anspruch ergebe sich daher nicht (nur) aus den Grundsätzen der Störerhaftung, sondern vielmehr bereits aus Gehilfenhaftung.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Das Gericht betritt insoweit juristisches Neuland, indem es die hartnäckige Löschungsverweigerung des Host-Providers als ausreichenden Grund ansieht, hieraus eine Beihilfehandlung abzuleiten. Bei den bisherigen Urteilen ging es immer um Fälle der Mitstörerhaftung. Eine Audio-Datei wurde ursprünglich vom Provider gelöscht, tauchte dann aber kurze Zeit später unter einer anderen URL erneut auf. Dann stellte sich die Frage, welche Prüf- und Überwachungspflicht der Betreiber hatte.
Hier lag der Sachverhalt anders: Der Provider löschte nicht die ursprüngliche URL und die Datei, sondern unternahm einfach nichts trotz mehrerer Hinweise.
Die Deutsche Telekom unterhielt im Internet ein Telefon- und Adressauskunftsportal. Neben dem Namen von Hotels befand sich ein Button "Hotelbuchung". Klickte der User darauf, wurde er nicht auf die Webseite zum jeweiligen Hotel geführt, sondern auf die Seite eines Maklers, der die Buchung zum betreffenden Hotel vermittelte. Auf der Page des Maklers wurde der User über diesen Umstand informiert. Das Gericht stufte diese Form der Werbung als irreführend ein. Der User erwarte, dass er direkt eine Buchung bei dem von ihm ausgewählten Hotel vornehmen könne, wenn er den Link anklicke. Der Verbraucher gehe nicht davon aus, dass er auf der Drittseite eines Maklers lande. Daher werde der potentielle Interessent getäuscht.
Darüber hinaus halte der Makler auch nicht seine Aufklärungspflichten ein. Ein Makler müsse vorab darauf hinweisen, dass er die jeweiligen Waren und Dienstleistungen nur vermittle, aber nicht selbst anbiete. Dieser Informationspflicht werde im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Denn erst auf der Webseite des Maklers werde der User informiert. Erforderlich sei aber die Information bereits auf der Page der Deutschen Telekom.
Der Täter erhielt - aus Versehen - einen Online-Gutschein an sein E-Mail-Adresse übersandt und löste diesen ein. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin einen Durchsuchungsbeschluss, um an die Identität des Täters zu kommen. Das Gericht lehnte die Durchsuchung ab, weil keine Straftat vorliege.
Eine Unterschlagung (§ 246 StGB) scheide aus, da es sich um einen virtuellen Gegenstand und somit um keine bewegliche Sache handle. Ebenso sei der Betrugstatbestand zu verneinen. Für den Fall des normalen Betruges (§ 263 StGB) fehle es an der Täuschung einer Person. Ein Computerbetrug (§ 263 a StGB) komme nicht in Betracht, da keine unbefugte Verwendung vorliege.
Die Rechteinhaber klagten von dem Familienvater wegen P2P-Urheberrechtsverletzungen Abmahnkosten und Schadensersatz ein. Als Nachweis legten sie entsprechende Ermittlungsergebnisse der ProMedia GmbH und Auskünfte des Internet-Service-Providers vor. Der Beklagte bestritt umfangreich die Qualität der Ermittlungsergebnisse und der ISP-Informationen. Er konnte nachweisen, dass weder er noch seine Familienangehörigen zu dem Zeitpunkt online waren. Das LG Köln ließ all dies nicht ausreichen und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten und Schadensersatz.
Der Beweis des erstens Anscheins (Ermittlungsergebnisse ProMedia GmbH, ISP-Auskünfte) würden für die Kläger sprechen. Es obliege dem Beklagten im Rahmen der sogenannten sekundären Beweislast, Umstände vorzutragen, die einen anderen Geschehensablauf als wahrscheinlich nahelegen würden. Da er dieser Pflicht nicht nachgekommen sei, sei davon auszugehen, dass er hafte.
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