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Die einzelnen News
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1.
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EuGH: Real Time Bidding, IAB und DSGVO: TC-String ist ein personenbezogenes Datum
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Versteigerung von personenbezogenen Daten für Werbezwecke: der Gerichtshof stellt die Regeln auf der Grundlage der DSGVO klar Wenn ein Nutzer eine Website oder eine Anwendung mit einem Werbeplatz aufruft, können Werbeunternehmen, Datenbroker und Werbeplattformen, die Tausende von Werbetreibenden vertreten, anonym in Echtzeit Gebote abgeben, um diesen Werbeplatz zu erhalten und dort auf das Profil des Nutzers abgestimmte Werbung anzuzeigen (Real Time Bidding). Bevor jedoch eine solche gezielte Werbung angezeigt wird, muss die vorherige Einwilligung des Nutzers zur Erhebung und Verarbeitung seiner Daten (insbesondere seinen Standort, sein Alter, den Verlauf seiner Suchanfragen und seine zuletzt getätigten Einkäufe betreffend) für bestimmte Zwecke, wie u. a. Marketing oder Werbung, oder zum Austausch dieser Daten mit bestimmten Anbietern eingeholt werden. Der Nutzer kann dem auch widersprechen. IAB Europe ist ein Verband ohne Gewinnerzielungsabsicht mit Sitz in Belgien, der Unternehmen der digitalen Werbe- und Marketingindustrie auf europäischer Ebene vertritt. IAB Europe hat eine Lösung entwickelt, die dieses Versteigerungssystem mit der DSGVO1 in Einklang bringen können soll. Die Nutzerpräferenzen werden in einem aus einer Kombination von Buchstaben und Zeichen bestehenden String kodiert und gespeichert, der als „Transparency and Consent String“ (TC-String) bezeichnet wird und der mit Brokern für personenbezogene Daten und Werbeplattformen geteilt wird, damit diese wissen, worin der Nutzer eingewilligt oder wogegen er Widerspruch eingelegt hat. Auf dem Gerät des Nutzers wird auch ein Cookie gespeichert. Miteinander kombiniert, können der TC-String und das Cookie der IP-Adresse dieses Nutzers zugeordnet werden. Im Jahr 2022 stellte die belgische Datenschutzbehörde fest, dass der TC-String ein personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO darstelle und dass IAB Europe als Verantwortlicher aufgetreten sei, ohne die Vorschriften der DSGVO vollständig einzuhalten. Die Behörde verhängte gegen IAB Europe mehrere Abhilfemaßnahmen sowie eine Geldbuße. IAB Europe focht diese Entscheidung an und wandte sich an den Appellationshof Brüssel, der dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Mit seinem Urteil bestätigt der Gerichtshof, dass der TC-String Informationen über einen identifizierbaren Nutzer enthält und somit ein personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO darstellt. Anhand der in einem TC-String enthaltenen Informationen kann nämlich, wenn sie einer Kennung wie insbesondere der IP-Adresse des Geräts des Nutzers zugeordnet werden, ein Profil dieses Nutzers erstellt und die betreffende Person identifiziert werden. Darüber hinaus ist IAB Europe als „gemeinsam Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO anzusehen. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen scheint diese Organisation nämlich bei der Speicherung der Einwilligungspräferenzen der Nutzer in einem TC-String auf die Verarbeitungen personenbezogener Daten Einfluss zu nehmen und gemeinsam mit ihren Mitgliedern sowohl die Zwecke dieser Verarbeitungen als auch die ihnen zugrunde liegenden Mittel festzulegen. Allerdings kann, unbeschadet einer etwaigen im nationalen Recht vorgesehenen zivilrechtlichen Haftung, IAB Europe für Datenverarbeitungen, die nach der Speicherung der Einwilligungspräferenzen der Nutzer in einem TC-String erfolgen, nur dann als im Sinne der DSGVO verantwortlich angesehen werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass dieser Verband Einfluss auf die Festlegung der Zwecke und Modalitäten dieser Weiterverarbeitungen ausgeübt hat. Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-604/22 | IAB Europe Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 07.03.2024
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2.
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EuGH: Nur 2.000, - EUR Schadensersatz für Datenschutzverletzung bei unzulässiger Verarbeitung intimer Gespräche
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Datenverarbeitung: Europol und der Mitgliedstaat, in dem aufgrund einer widerrechtlichen Datenverarbeitung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Europol und diesem Mitgliedstaat ein Schaden eingetreten ist, haften für diesen Schaden gesamtschuldnerisch Die betroffene Person, die von Europol oder dem betreffenden Mitgliedstaat vollständigen Ersatz ihres Schadens begehrt, muss lediglich nachweisen, dass anlässlich der Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Stellen eine widerrechtliche Datenverarbeitung vorgenommen wurde, durch die ihr ein Schaden entstanden ist. Es ist nicht erforderlich, dass sie darüber hinaus nachweist, welcher dieser Stellen die widerrechtliche Verarbeitung zuzurechnen ist. Nach der Ermordung des slowakischen Journalisten Ján Kuciak und von dessen Verlobter Martina Kušnírová am 21. Februar 2018 in der Slowakei führten die slowakischen Behörden umfangreiche Ermittlungen durch. Auf Ersuchen dieser Behörden extrahierte die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) die Daten, die auf zwei mutmaßlich Herrn Marian K. gehörenden Mobiltelefonen gespeichert waren. Europol übermittelte den genannten Behörden sodann ihre wissenschaftlichen Berichte und übergab eine Festplatte mit den extrahierten verschlüsselten Daten. Im Mai 2019 veröffentlichte die slowakische Presse Informationen betreffend Herrn K., die aus dessen Mobiltelefonen stammten, darunter Transkriptionen seiner intimen Kommunikation. Zudem wies Europol in einem ihrer Berichte darauf hin, dass Herr K. seit 2018 wegen des Verdachts einer Finanzstraftat in Haft sei und dass sein Name u. a. unmittelbar mit den sogenannten „Mafia-Listen“ und den „Panama Papers“ in Zusammenhang stehe. Herr K. erhob beim Gericht der Europäischen Union gegen Europol Klage auf eine Entschädigung in Höhe von 100 000 Euro als Ersatz des immateriellen Schadens, den er seiner Ansicht nach aufgrund der rechtswidrigen Verarbeitung seiner Daten erlitten hat. Mit Urteil vom 29. September 20211 wies das Gericht die Klage ab. Es kam zu dem Ergebnis, dass Herr K. zum einen keinen Beweis für einen Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Schaden und dem Verhalten von Europol erbracht habe und zum anderen nicht nachgewiesen habe, dass die sogenannten „Mafia-Listen“ von Europol erstellt und geführt worden seien. Herr K. hat daraufhin beim Gerichtshof ein Rechtsmittel eingelegt. Der Gerichtshof stellt in seinem Urteil fest, dass das Unionsrecht eine Regelung der gesamtschuldnerischen Haftung Europols und des Mitgliedstaats, in dem der Schaden infolge einer widerrechtlichen Datenverarbeitung im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Europol und diesem Mitgliedstaat eingetreten ist, einführt. In einer ersten Stufe kann die gesamtschuldnerische Haftung Europols bzw. des betreffenden Mitgliedstaats vor dem Gerichtshof der Europäischen Union bzw. vor dem zuständigen nationalen Gericht geltend gemacht werden. Gegebenenfalls kann eine zweite Stufe vor dem Verwaltungsrat von Europol zur Klärung der Frage folgen, ob „letztlich“ Europol und/oder der betreffende Mitgliedstaat für den einer natürlichen Person gewährten Schadensersatz „zuständig“ sind bzw. ist. Zur Geltendmachung dieser gesamtschuldnerischen Haftung muss die betroffene natürliche Person lediglich im Rahmen der ersten Stufe nachweisen, dass anlässlich der Zusammenarbeit zwischen Europol und dem betreffenden Mitgliedstaat eine widerrechtliche Datenverarbeitung vorgenommen wurde, durch die ihr ein Schaden entstanden ist. Anders als das Gericht entschieden hat, ist es nicht erforderlich, dass diese Person darüber hinaus nachweist, welcher dieser beiden Stellen die widerrechtliche Verarbeitung zuzurechnen ist. Folglich hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts in diesem Punkt auf. Der Gerichtshof entscheidet den Rechtsstreit selbst und urteilt, dass die widerrechtliche Datenverarbeitung, die in der Weitergabe von Daten betreffend intime Gespräche zwischen Herrn K. und seiner Freundin an Unbefugte zum Ausdruck kam, dazu führte, dass diese Daten durch die slowakische Presse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Er stellt fest, dass diese widerrechtliche Verarbeitung das Recht von Herrn K. auf Achtung seines Privat- und Familienlebens sowie seiner Kommunikation verletzt hat und seine Ehre und sein Ansehen beeinträchtigt hat, wodurch ihm ein immaterieller Schaden entstanden ist. Der Gerichtshof spricht Herrn K. eine Entschädigung in Höhe von 2 000 Euro als Ersatz dieses Schadens zu. Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-755/21 P - K. / Europol Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 05.03.2024
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3.
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EuGH: Frühere Offenbarung eines Puma-Schuhmodells durch Künstlerin Rihanna führt zur Nichtigkeit des Geschmacksmusters
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Die frühere Offenbarung eines Schuhmodells von Puma durch die Künstlerin Rihanna hat die Nichtigerklärung eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters zur Folge Das Gericht bestätigt die Entscheidung des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) Mit Entscheidung des EUIPO vom 11. August 2022 erwirkte die Handelsmaatschappij J. Van Hilst (HJVH) die Nichtigerklärung eines im August 2016 zugunsten von Puma eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters für Turnschuhe. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das EUIPO aus, dass Robyn Rihanna Fenty (bekannt als Rihanna) Schuhe getragen habe, die ein älteres Geschmacksmuster mit den gleichen Merkmalen wie das eingetragene Geschmacksmuster aufgewiesen hätten, und zwar zwölf Monate vor Einreichung der Anmeldung. Unter diesen Umständen war das EUIPO der Auffassung, dass das ältere Geschmacksmuster offenbart worden sei, was die Nichtigerklärung des eingetragenen Geschmacksmusters rechtfertige. Das Gericht weist die von Puma gegen diese Entscheidung erhobene Klage ab. HJVH hatte zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung u. a. Fotos des Instagram-Kontos „badgalriri" vorgelegt, die auf Mitte Dezember 2014 datiert waren und sich auf die Ernennung von Rihanna zur neuen Kreativdirektorin von Puma bezogen. Auf diesen Fotos war zu sehen, dass Rihanna ein Paar weiße Turnschuhe mit einer dicken schwarzen Sohle trug. Die Fotos wurden in mehreren Artikeln in Online-Zeitschriften abgebildet. Das Gericht bestätigt die Beurteilung des EUIPO, wonach diese Fotos für den Nachweis einer Offenbarung des älteren Geschmacksmusters ausreichen, und dass die Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs Kenntnis von dieser Offenbarung haben konnten. Hierzu stellt es fest, dass auf den dem Instagram-Account mit dem Namen „badgalriri" entnommenen, im Dezember 2014 verbreiteten Fotos alle wesentlichen Merkmale des älteren Geschmacksmusters mit bloßem Auge oder mithilfe einer Vergrößerung dieser Fotos erkennbar sind. In diesem Zusammenhang weist das Gericht das Vorbringen von Puma zurück, wonach sich im Dezember 2014 niemand für die Schuhe von Rihanna interessiert und daher niemand das ältere Geschmacksmuster wahrgenommen habe. Im Dezember 2014 war Rihanna nämlich ein weltweit bekannter Popstar. Dies impliziert, dass ihre Fans und die Fachkreise im Modebereich zu diesem Zeitpunkt ein besonderes Interesse an den Schuhen entwickelt hatten, die sie am Tag der Unterzeichnung des Vertrags trug, durch den der Star Kreativdirektorin von Puma wurde. Nach alledem hat das EUIPO nach Ansicht des Gerichts zu Recht angenommen, dass das ältere Geschmacksmuster im Dezember 2014 offenbart worden war, so dass das angemeldete Geschmacksmuster für nichtig erklärt werden konnte. Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-647/22 | Puma / EUIPO - Handelsmaatschappij J. Van Hilst (Schuhe) Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 06.03.2024
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4.
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EuGH: Europäische harmonisierte technische Normen müssen für EU-Bürger frei zugänglich sein
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Europäische harmonisierte technische Normen über die Sicherheit von Spielzeug müssen für Unionsbürger zugänglich sein Der Gerichtshof erklärt den Beschluss der Kommission, mit dem der Zugang zu solchen Normen verweigert wurde, für nichtig und hebt das Urteil des Gerichts auf, mit dem die Weigerung für rechtmäßig erklärt wurde Public.Resource.Org und Right to Know sind zwei gemeinnützige Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, allen Bürgern das Recht frei zugänglich zu machen. 2018 beantragten sie bei der Kommission, ihnen Zugang zu auf Unionsebene harmonisierten technischen Normen im Bereich der Sicherheit von Spielzeugwaren zu gewähren. Diese Normen betrafen im Einzelnen chemisches Spielzeug und chemische Experimentierkästen. Die Kommission lehnte ihren Antrag ab. Das von den Organisationen angerufene Gericht bestätigte diese Ablehnung. Im Rechtsmittelverfahren hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts auf und erklärt den Beschluss der Kommission für nichtig. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass das Unionsrecht jedem Unionsbürger und jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat den Zugang zu Dokumenten gewährleistet, u. a. zu denjenigen, die sich im Besitz der Europäischen Kommission befinden. Der Zugang zu einem Dokument kann allerdings verweigert werden, falls durch dessen Verbreitung der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums, beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. Im vorliegenden Fall sind die Normen über die Sicherheit von Spielzeug harmonisierten Normen Teil des Unionsrechts. Eine Unionsvorschrift kann nämlich solchen Normen Rechtswirkungen verleihen, insbesondere wenn für Erzeugnisse, die diese Normen beachten, die Vermutung besteht, dass sie die Standards einhalten, die in diesen Vorschriften festgelegt werden und von denen die Vermarktung in der Union abhängt. In diesem Sinne kann eine harmonisierte Norm die den Einzelnen eingeräumten Rechte sowie ihnen obliegende Pflichten näher bestimmen. Unter Verweis u. a. auf die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des freien Zugangs zum Gesetz ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die Bürger darauf angewiesen sein können, von diesen Normen Kenntnis zu nehmen, damit sie prüfen können, ob ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung tatsächlich die Anforderungen einer solchen Vorschrift erfüllt. Daher stellt der Gerichtshof fest, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der in Rede stehenden harmonisierten Normen besteht. Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-588/21 P | Public.Resource.Org und Right to Know/Kommission u. a. Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 05.03.2024
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5.
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BGH: Wettbewerbsrechtliche Abmahnbefugnis spielt im Ordnungsmittelverfahren keine Rolle mehr
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Ob der Gläubiger eines Urteils (hier: verbotene Garantiewerbung auf Amazon) überhaupt noch zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen befugt ist, ist für ein Ordnungsmittelverfahren unerheblich. Denn die Antragsbefugnis ergibt sich allein aus der Stellung als Gläubiger (BGH, Beschl. v. 21.12.2023 - Az.: I ZB 42/23). In der Vergangenheit war der Beklagten gerichtlich verboten worden, auf der Amazon-Plattform in unzulässiger Weise mit einer Garantie zu werben. Die Klägerin, ein Wettbewerbsverband, war nach altem Wettbewerbsrecht noch befugt, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Ende 2020 trat eine Gesetzesänderung in Kraft, mit der die Klägerin diese Befugnis verlor. Nun stellte sich die Frage, ob sie befugt war, Ordnungsmittel-Verfahren zu beantragen, obgleich ihr formal gar keine Anspruchsberechtigung nach § 8c UWG mehr zustand. Der BGH bejahte dies. Die Berechtigung in der Zwangsvollstreckung ergebe sich rein aus der formalen Stellung als Gläubigerin. Ein Rückgriff auf § 8c UWG komme nicht in Betracht: "Für die Zulässigkeit eines Ordnungsmittelantrags des Gläubigers sind die Änderung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 sowie die Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF danach ohne Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob § 15a Abs. 1 UWG nF auch auf das Ordnungsmittelverfahren Anwendung findet (…) und ob für den Stichtag des 1. September 2021 auf das dem Titel zugrundeliegende Erkenntnisverfahren abzustellen ist oder ob der Stichtag auch für das nachfolgende Ordnungsmittelverfahren maßgeblich ist. b) Die Neuregelung der sachlich-rechtlichen Anspruchsberechtigung in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nF und der daraus folgende Wegfall der Sachbefugnis des Gläubigers, wenn dieser nicht in die Liste gemäß § 8b UWG nF eingetragen ist, greift in das streitgegenständliche Zwangsvollstreckungsverfahren ebenfalls nicht ein. aa) Es gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsrechts, dass die Vollstreckbarkeit eines Titels von dem Schicksal des sachlich-rechtlichen Anspruchs unabhängig ist (…)."
Der betreffende Wettbewerbsverband ist also auch weiterhin berechtigt, formal Ordnungsmittel-Verfahren anzustreben. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Der Schuldner eines solchen gerichtlichen Titels ist in diesen Fällen nicht schutzlos. Vielmehr kann er, aufgrund der geänderten Abmahnbefugnis, das zugrunde liegende Urteil selbst aus der Welt zu schaffen. Dann besteht nämlich auch nicht die Gefahr eines Ordnungsgeldes. Der BGH weist am Ende seiner Entscheidung selbst - überdeutlich - auf diese Möglichkeiten hin: "bb) Ob und inwieweit die aufgrund der Gesetzesänderung (jedenfalls derzeit) entfallene Sachbefugnis des Gläubigers der Schuldnerin unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 15a Abs. 1 UWG nF die Möglichkeit eröffnet, sich wegen dieser materiellen Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungstitel zu wenden, bedarf im Streitfall mithin keiner Entscheidung (…) cc) Ebenfalls offenbleiben kann deshalb, ob gegen Unterlassungstitel, die - wie hier - im Verfahren der einstweiligen Verfügung erlassen worden sind, die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO statthaft ist oder ob die Schuldnerin dagegen allein mit einem Antrag auf Aufhebung wegen veränderter Umstände gemäß § 927 Abs. 1 ZPO vorgehen kann (…) und wie sich die Abgabe einer Abschlusserklärung auswirkt, in der die Schuldnerin - wie hier - auf ihre Rechte aus § 927 ZPO verzichtet hat (…)."
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6.
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OLG Hamm: Bei Online-Verstößen gegen die PAngVO genügt einfache Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe
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Bei Online-Verstößen gegen die Preisangabenverordnung (PAngVO) genügt die Abgabe einer einfachen Unterlassungserklärung ohne Vertragsstrafe aus, wenn der Schuldner weniger als 100 Mitarbeiter hat (OLG Hamm, Beschl. v. 06.02.2024 - Az.: 4 W 22/23). Inhaltlich ging es um den Verstoß einer Grundpreisangabe im Online-Bereich. Der Beklagte besaß weniger als 100 Angestellte. Auf die außergerichtliche Abmahnung der Klägerin gab der Beklagte lediglich eine Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung ab. Dies genügte der Klägerin nicht, die daraufhin vor Gericht ging. Im Rahmen der Kostenentscheidung hatte das OLG Hamm zu bewerten, ob das Handeln des Beklagten ausreichend gewesen war. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die einfache Unterlassunsgerklärung hier ausreichend gewesen sei, da § 13a Abs.2 UWG greife. "Denn nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen war der Antragsteller entgegen seiner Sichtweise nicht berechtigt, von dem Antragsgegner die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu fordern. Dies folgt unmissverständlich aus § 13a Abs. 2 UWG. Danach ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nach § 13a Abs. 1 UWG für anspruchsberechtigte Mitbewerber bei einer erstmaligen Abmahnung wegen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten, die im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen wurden, ausgeschlossen, wenn der Abgemahnte – wie hier – in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung ist nach dem Willen des Gesetzgebers gerade, dass die nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 UWG anspruchsberechtigten Personen, zu denen auch der Antragsteller zählt, von dem Unterlassungsschuldner keine Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mehr verlangen können. Etwas Anderes kann bei verständiger Würdigung des in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens, wonach die nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 UWG Anspruchsberechtigten – in Abgrenzung zu der Abmahnung durch einen Mitbewerber – weiterhin die Möglichkeit haben sollen, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung zu verlangen (…), nicht angenommen werden. Daher hat der Antragsgegner mit dem Abstellen des Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung und der Abgabe der nicht strafbewehrten Unterlassungserklärung – ungeachtet der Frage, ob diese geeignet war, die fraglos begründete Gefahr eines neuerlichen Verstoßes zu beseitigen – dasjenige getan, was das Gesetz von ihm fordert."
Bei einem Verstoß gegen die PAngVO handle es sich auch um einen Fall der gesetzlichen Informationspflicht: "Dass die Ausnahmevorschrift des § 13a Abs. 2 UWG (…) im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangt, steht außer Frage. Denn bei dem (…) begangenen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV handelt es sich um einen im elektronischen Rechtsverkehr – namentlich in dem von ihm betriebenen Online-Shop – begangenen Verstoß gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten i. S. v. § 13 Abs. 4 UWG. Neben dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut von § 13 Abs. 4 UWG folgt dies auch aus der hierzu verfassten Gesetzesbegründung. Darin sind als Beispiele für Kennzeichnungs- und Informationspflichten i. S. d. § 13 Abs. 4 UWG ausdrücklich die Vorschriften der Preisangabenverordnung genannt. Zudem wird darin weiter klargestellt, dass es sich bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten i. S. d. § 13 Abs. 4 UWG nicht um Verstöße gegen spezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder auf Webseiten handeln muss, sondern dass es bereits ausreichend ist, dass die Verstöße in diesem Bereich auftreten (…)."
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7.
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OLG Nürnberg: Inhalte im Wayback Machine-Archiv lösen keine Vertragsstrafe
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Sind im Archiv der Wayback Machine-Archiv noch urheberrechtlich geschützte Kartenausschnitte abrufbar, hinsichtlich derer sich der Schuldner zur Unterlassung verpflichtet hat, löst dies keine Vertragsstrafe aus (OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.02.2024 - Az.: 3 U 229/23). Die Beklagte hatte in der Vergangenheit unerlaubt online Kartenausschnitte verwendet und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit dem folgenden Inhalt abgegeben: “es zu unterlassen, „die nachstehenden insgesamt 17 Kartenausschnitte ohne Zustimmung des Unterlassungsgläubigers zu vervielfältigen und/oder der Öffentlichkeit im Internet zugänglich zu machen, wie unter der URL www.s[…]-m[…].de geschehen“.
Die Klägerin stellte einige Zeit später zweierlei Dinge fest. Zum einen waren die Inhalte noch im Archiv der Wayback Machine abrufbar. Zum anderen fanden sich auch noch Hinweise in den Bing-Suchergebnissen. Darauf machte die Klägerin eine Vertragsstrafe geltend. Zu Unrecht, wie nun das OLG Nürnberg entschied: 1. Wayback Machine-Archiv kein Verstoß gegen Unterlassungserklärung: Dass die Inhalte noch in der Wayback Machine abrufbar gewesen seien, sei kein Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung, so die Nürnberger Richter: "Im Streitfall kann bereits deshalb kein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. § 19a UrhG angenommen werden, weil die Beklagte auf dem Internetarchiv „w...“ nicht die Kontrolle über die Bereithaltung der Kartenausschnitte ausübt und sich diese daher nicht in ihrer Zugriffssphäre befinden (…). Darüber hinaus fehlt es an den Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe i.S.v. § 15 Abs. 2 UrhG, da die Beklagte über die „w...“ nicht absichtlich und gezielt Dritten einen Zugang zu den Kartenausschnitten verschafft und auch Umstände, die im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung von Bedeutung sind, gegen eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag sprechen.
In diesem Zusammenhang ist der Zweck der „w...” – eine Internetbibliothek mit dem Ziel zu schaffen, Forschern, Historikern, Wissenschaftlern und allen weiteren Interessierten einen permanenten Zugang insbesondere zu nicht mehr vorhandenen Webseiten zu bieten (…) – zu berücksichtigen. So wie die fortdauernde Auffindbarkeit einer früheren, mittlerweile zu unterlassenden Werbung in der „w...“ mangels Marktbezugs keine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG darstellt, da die Auffindbarkeit darüber kein denkbarer Kanal zur Absatzförderung ist (…), liegt kein urheberrechtlich relevantes Verschaffen eines Zugangs zum geschützten Werk vor, da dem durchschnittlichen Internetnutzer bekannt ist, dass es sich bei den von der „w...“ vorgehaltenen Seiten um eine frühere Fassung des Internetauftritts handelt (…). Die Beklagte verschafft somit nicht Dritten in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens Zugang zu den Kartenausschnitten."
Und weiter: "Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die „w...“ nicht von üblichen Internet-Suchmaschinen durchsucht werden kann. Vielmehr muss der Internetnutzer gezielt das Internetarchiv aufrufen und dort – da das Archiv keine eigene Suchfunktion aufweist – gezielt nach Inhalten suchen.
Schließlich kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe eine wertende Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände erforderlich macht. Daraus folgt für den Streitfall, dass in die Auslegung des Unterlassungsvertrags eingestellt werden kann, dass die Beklagte keine zentrale Rolle einnahm, um Nutzern über die „w...“ Zugang zu den Kartenausschnitten zu verschaffen, dass die (ursprüngliche) Veröffentlichung der Notfalltreffpunkte im Gemeindegebiet nicht Erwerbszwecken diente, sowie dass bei einer „Wiedergabe“ über die „w...“ nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine aufnahmebereite Öffentlichkeit für die Kartenausschnitte selbst besteht. Außerdem trägt die Beklagte vor, dass sie gegenüber den Betreibern des Internetarchivs entsprechende Löschungsanträge gestellt habe. Damit hätte sie ihren – unterstellten – Handlungspflichten zur Beseitigung des Störungszustandes genügt. Einen Erfolg des Bemühens der Einwirkung auf Dritte schuldet der Unterlassungsschuldner nicht (…).
2. Bing-Suchergebnis alleine noch kein Vertragsverstoß: Ein bloßer Treffer in der organischen Suche der Suchmaschine Bing sei noch keine Verletzung gegen die Unterwerfung, so die Richter. "Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Unterwerfungsvertrag schließlich darauf stützt, dass bei der Eingabe bestimmter Begriffe in Suchmaschinen ein Link zu der Datei mit dem streitgegenständlichen Kartenausschnitt auf der Homepage der Beklagten an erster Stelle der Ergebnisliste erschienen sei, kann dies aus den nachfolgenden beiden Gründen der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.
a) Zum einen fehlt es beim Vortrag im Zusammenhang mit den Suchmaschinen an der Darlegung des Zugänglichmachens der Kartenausschnitte, also der Wiedergabe, selbst. Auf den vorgelegten Screenshots mit den Ergebnislisten der Suchmaschinen ist lediglich ein Link zu einem PDF-Dokument auf der von der Beklagten betriebenen Homepage ersichtlich. Die Werke sind in der Ergebnisliste weder als Vorschaubilder (…) noch sonst erkennbar.
Dass beim Klicken auf den Link tatsächlich die Homepage der Beklagten geöffnet und Zugang zu den Kartenausschnitten geschaffen wird, ist weder dargetan noch vor dem Hintergrund des nicht bestrittenen Vortrags der Beklagten des vollständigen Löschens aus dem CMS der Beklagten, weshalb ein Aufruf über die Seitennavigation der URL www.s[…]-m[…].de nicht mehr möglich sei, ersichtlich. Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Kartenausschnitte bei heute abrufbar seien, kann den im Zusammenhang mit diesem Vortrag vorgelegten Anlagen K 15, BK 1 und BK 2 entnommen werden, dass diese Seiten bei der sogenannten „w...“ (https://archive.org/web) aufgerufen wurden. Die Aufrufbarkeit über das Internetarchiv „w...“ kann – wie bereits ausgeführt – eine Zuwiderhandlung gegen den Unterlassungsvertrag jedoch nicht begründen."
Und weiter: “b) Zum anderen fehlt es – wegen der Übertragbarkeit der im Zusammenhang mit der Eingabe der genauen URL gemachten Überlegungen zur Öffentlichkeit der Zugänglichmachung (vgl. dazu die obigen Ausführungen unter Ziffer 1.) auf die im vorliegenden Fall notwendige Eingabe bestimmter Begriffe in Suchmaschinen – an der Darlegung einer öffentlichen Wiedergabe. Aufgrund der vorliegend maßgeblichen Einzelfallumstände ist in der konkreten Situation nicht damit zu rechnen, dass eine entsprechend große Personengruppe die Kartenausschnitte suchen und auffinden könnte.”
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Bei dem Beschluss des OLG Nürnberg handelt es sich - soweit ersichtlich - um die zweite Entscheidung zur Cache-Problematik Wayback Machine und Unterlassungserklärung, vgl. die Kanzlei-News v. 28.02.2023. Nachdem Google seinen Google Cache eingestellt hat, ist absehbar, dass sich die Rechtsstreitigkeiten zu diesem Bereich mehr und mehr zu Bing und zur Wayback Machine verlagern werden.
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LG Köln: Mithaftung von YouTube nur bei leicht erkennbarer Rechtsverletzung eines Videos
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Nur wenn für YouTube die Rechtsverletzung eines hochgeladenen Videos leicht und unschwer erkennbar ist, ist der Anbieter zur Löschung verpflichtet und haftet mit (LG Köln, Az.: 14 O 20/22). Es ging um ein Video, das der Beklagte auf YouTube hochgeladen hatte. Es handelte sich um einen etwa 10 Jahre alten Kurzfilm, in dem die Klägerin mitspielte und der Nacktszenen enthielt. Der Beklagte war Regisseur und Produzent des Films. Die Klägerin verlangte nun von YouTube und dem Beklagten die Löschung mit der Begründung, es sei seinerzeit nur vereinbart worden, den Film auf Filmfestivals zu zeigen. Eine Online-Veröffentlichung sei nicht erlaubt gewesen. Die Klägerin beschwerte sich bei YouTube, die das Schreiben an den Beklagten zur Stellungnahme weiterleitete. Dieser erklärte, dass eine solche Vereinbarung nicht existiere und die Veröffentlichung rechtmäßig sei. Unter Verweis auf diese Stellungnahme nahm YouTube keine Löschung vor. Daraufhin erhob die Klägerin parallel Klage gegen YouTube und den Regisseur. 1. Klage gegen Regisseur: Erfolgreich Die Klage gegen den Regisseur und Produzenten des Films gewann die Klägerin, da der Beklagte die Einräumung der Nutzungsrechte auch für den Online-Bereich nicht nachweisen konnte. 2. Klage gegen YouTube: Abgewiesen Die Klage gegen YouTube hingegen wies das LG Köln ab. Denn für die Online-Plattform sei nicht ausreichend sicher gewesen, dass das Video tatsächlich rechtswidrig war. Das Gericht führt zunächst grundsätzlich aus, welche Anforderungen an den Nachweis der Rechtswidrigkeit zu stellen sind: "Der Diensteanbieter soll komplizierte Rechtsfragen nicht entscheiden müssen und nicht als „Schiedsrichter der Online-Rechtmäßigkeit“ agieren, sonst bestehe die Gefahr des Overblockings (...). Genau diese Gefahr des Overblockings hätte sich in diesem konkreten Fall realisiert, wenn die Beklagte zu 1) auf "erstes Anfordern" der Klägerin den Inhalt blockiert hätte. Dass sich nunmehr im Laufe des Prozesses herausgestellt hat, dass die Stellungnahmen des Beklagten zu 2) nicht mit seinem aktuellen Prozessverhalten im Einklang stehen, ist dabei nicht entscheidend, weil die Beklagte zu 2) logischerweise nur mit den ihr zur Verfügung stehenden Informationen beurteilen kann, ob der Hinweis des vermeintlichen Rechteinhabers hinreichend begründet ist. Erforderlich ist danach ein klarer Hinweis auf die Rechtsverletzung. Der Hinweis muss so konkret gefasst sein, dass der Adressat den Rechtsverstoß unschwer und ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung feststellen kann (...). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Vorliegen einer Rechtsverletzung unschwer und ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Prüfung nur auf der Grundlage einer klaren und zweifelsfreien Rechtsberühmung erfolgen kann (...). (...) Der EuGH bekräftigt unter Verweis auf sein Urteil (EuGH, Urteil vom 22.06.2021 - C-682/18 = GRUR 2021, 1054 Rn. 116 - YouTube und Cyando), dass ein solcher Hinweis ausreichende Angaben enthalten muss, um es dem Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten zu ermöglichen, sich ohne eingehende rechtliche Prüfung davon zu überzeugen, dass die Mitteilung des betreffenden Inhalts rechtswidrig ist und seine etwaige Löschung mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit vereinbar wäre (...)."
Diese ausreichenden Beweise hätten im vorliegenden Fall nicht vorgelegt werden können, so dass YouTube nicht tätig werden musste: "Die Klägerin beruft sich hinsichtlich der streitgegenständlichen Filmsequenzen des Films auf Rechte als ausübende Künstlerin und behauptet eine Vereinbarung mit dem Beklagten zu 2), wonach es sich um einen privaten Film gehandelt habe, der nur auf Festivals hätte gezeigt werden dürfen, was nicht geschehen sei. I In diesem Falle musste die Beklagte zu 1) als Adressat des Hinweises in die Lage versetzt werden, das Verbleiben dieser Nutzungsrecht bei der Klägerin und der fehlenden Berechtigung des Beklagten zu 2) zum Hochladen auf die Plattform YouTube unschwer und ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Prüfung nachzuvollziehen (…). Dies war vorliegend nicht der Fall. Zwar ist der Name der Klägerin im Abspann des Films genannt, wodurch ein Beleg ihrer Beteiligung an dem Film als ausübende Künstlerin anzunehmen ist. Allerdings streitet die Vermutung aus § 92 Abs. 1 UrhG für den Beklagten zu 2) als Hersteller des Films, weil aus der Vereinbarung der Klägerin mit dem Beklagten zu 2) über ihre Mitwirkung bei der Herstellung des Films die Einräumung des Rechts folgt, die Darbietung der Klägerin auf eine ihr als ausübende Künstlerin nach § 77 Abs. 1 und 2 S. 1 UrhG sowie § 78 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UrhG vorbehaltenen Nutzungsarten zu nutzen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe und einer Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) liegt demnach - jedenfalls im Verhältnis zur Beklagten zu 1) - bei der Klägerin (…)."
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9.
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VG Köln: Wettbewerber erhalten vorerst Zugang zu Kabelkanälen der Telekom
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Die Deutsche Telekom GmbH ist vorläufig verpflichtet, ihren Wettbewerbern Zugang zu ihren gesamten Kabelkanalanlagen, Masten und Trägersystemen zu eröffnen. Das hat das Verwaltungsgericht Köln mit Eilbeschluss vom 1. März 2024 entschieden. Die Telekom war schon länger verpflichtet, anderen Wettbewerbern den Zugang zu ihren Teilnehmeranschlussleitungen zu eröffnen. Diese auch als „TAL“ bezeichneten Leitungen binden Endkunden an die „letzte Meile“ des Netzes der Telekom an. Mit Beschluss vom 21. Juli 2022 erlegte die Bundesnetzagentur der Telekom zusätzlich auf, ihren Wettbewerbern ab dem 1. Januar 2024 den Zugang zu ihren gesamten Kabelkanalanlagen, Masten und Trägersystemen zum Zweck des Aufbaus und Betriebs von Netzen mit sehr hoher Kapazität an festen Standorten oder zum Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu eröffnen. Erklärtes Ziel war dabei die Beschleunigung des Glasfaserausbaus in Deutschland. Hiergegen ging die Telekom im Klage- und Eilverfahren vor. Zur Begründung machte sie unter anderem geltend, die der Entscheidung der Bundesnetzagentur zugrundeliegende Abwägung sei fehlerhaft. Die Bundesnetzagentur habe zu Unrecht nicht geprüft, ob ohne eine Auferlegung der Verpflichtung die Entwicklung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Endkundenmarkts behindert und die Interessen der Endnutzer beeinträchtigt würden. Dieser Argumentation ist das Verwaltungsgericht im Eilverfahren im Ergebnis nicht gefolgt. Dabei hält das Gericht die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache für offen und führt aus: Die Auferlegung der genannten Verpflichtung und der ihr zugrunde liegenden Abwägung wirft teils schwierige Fragen des Europarechts auf, die im Klageverfahren durch eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs geklärt werden müssen. Die vor diesem Hintergrund nur anzustellende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Telekom aus: Hätte der Eilantrag Erfolg, würde der beschleunigte Ausbau breitbandiger Netze auf Grundlage vorhandener Infrastrukturen mit sofortiger Wirkung unterbunden. Die so eingetretene Verzögerung beim Netzausbau könnte selbst bei einer späteren Abweisung der Klage der Telekom nicht mehr wettgemacht werden. Umgekehrt seien die Folgen einer Ablehnung des Eilantrags reversibel; so müssten die Wettbewerber nach einem späteren Erfolg der Klage der Telekom etwaige – auf eigene Kosten eingebrachte – Kabel auf eigene Kosten wieder entnehmen. Der Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Az.: 21 L 2013/22 Quelle: Pressemitteilung des VG Köln v. 04.03.2024
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AG Lörrach: Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO erfasst auch Audio-Aufzeichnungen des Werbe-Calls
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Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO erfasst auch etwaige Voice-Files, die ein Anbieter bei Werbe-Anrufen aufgenommen hat (AG Lörrach, Urt. v. 05.02.2024 - Az.: 3 C 661/23). Der Kläger warf der Beklagten vor, ihn unerlaubt angerufen und für den Abschluss eines Gas- und Stromliefervertrages geworben zu haben. Das Gespräch wurde auch aufgenommen. Nun verlangte der Kläger nach Art. 15 DSGVO die Übersendung einer Kopie dieser Aufzeichnung. Zu Recht, wie nun das AG Lörrach entschied: "Die Klage ist hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO unstreitig gegeben. Zwischen den Parteien blieb bis zuletzt lediglich streitig, ob der Audiomitschnitt vom Telefongespräch Ende 2022 übermittelt wurde. Dafür bot die Beklagte keinen Beweis an, obwohl sie die Erfüllung zu beweisen hatte. Damit war die Beklagte dahingehend noch zu verurteilen."
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