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Newsletter vom 13.10.2021
Betreff: Rechts-Newsletter 41. KW / 2021: Kanzlei Dr. Bahr


1. EuGH: Tochtergesellschaft kann für Kartellrechtsverstöße des Mutterkonzerns haften

2. BGH: DSGVO-Auskunftsanspruch muss auch bei Zwangsverwalter kostenlos sein

3. OLG Braunschweig: Berufung der financialright GmbH in dem Verfahren gegen die VW AG abgewiesen

4. OLG Dresden: Negative DSGVO-Auskunft ausreichend, keine weitergehenden Auskunftspflichten

5. OLG Hamburg: Werbeaussage "Günstig wie im Supermarkt" ist nicht irreführendg

6. LAG Stuttgart: Löschung eines Geschäftsgeheimnisses reicht für Wegfall des Unterlassungsanspruchs

7. FG Köln: Anwaltskosten wegen strafbarem Facebook-Kommentar können Werbungskosten seins

8. LG München I: Eventagentur darf Tickets für das Oktoberfest nicht weiterveräußern

9. AG Berlin-Charlottenburg: Öffentliche Beleidigung des Vermieters im Fernsehen rechtfertigt außerordentliche Kündigung

10. Hessischer Datenschutzbeauftragter: Fax-Nutzung verstößt gegen DSGVO

Die einzelnen News:

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1. EuGH: Tochtergesellschaft kann für Kartellrechtsverstöße des Mutterkonzerns haften
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Das Opfer einer von einer Muttergesellschaft begangenen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union kann von deren Tochtergesellschaft Ersatz für die daraus resultierenden Schäden verlangen

Dafür muss es nachweisen, dass die beiden Gesellschaften zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung eine wirtschaftliche Einheit bildeten

Zwischen 1997 und 1999 erwarb die Sumal SL zwei Lastkraftwagen von der Mercedes Benz Trucks Espana SL (MBTE), einer Tochtergesellschaft des Daimler-Konzerns, deren Muttergesellschaft die Daimler AG ist.

Mit Beschluss vom 19. Juli 20161 stellte die Europäische Kommission fest, dass die Daimler AG gegen die Vorschriften des Unionsrechts über das Kartellverbot  verstoßen hat, indem sie zwischen Januar 1997 und Januar 2011 Absprachen mit 14 weiteren europäischen Lkw-Herstellern über Preise und die Erhöhung der Bruttolistenpreise für Lastkraftwagen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) getroffen habe. Im Anschluss an diesen Beschluss erhob Sumal eine Schadensersatzklage gegen MBTE, mit der sie die Zahlung von 22 204,35 Euro für den sich aus diesem Kartell ergebenden Schaden forderte.

Die Klage von Sumal wurde jedoch vom Juzgado de lo Mercantil n° 07 de Barcelona (Handelsgericht Nr. 7 von Barcelona, Spanien) mit der Begründung abgewiesen, dass MBTE von dem Beschluss der Kommission nicht betroffen sei. Sumal legte gegen dieses Urteil Berufung bei der Audiencia Provincial de Barcelona (Provinzgericht Barcelona, Spanien) ein. Vor diesem Hintergrund fragt sich das vorlegende Gericht, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen im Anschluss an einen Beschluss der Kommission, mit dem wettbewerbswidrige Verhaltensweisen einer Muttergesellschaft festgestellt worden sind, eine Schadensersatzklage gegen deren Tochtergesellschaft erhoben werden kann. Dieses Gericht hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof diese Frage im Wege der Vorabentscheidung vorzulegen.

In seinem von der Großen Kammer erlassenen Urteil legt der Gerichtshof die Voraussetzungen fest, unter denen die Opfer einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise einer von der Kommission mit einer Sanktion belegten Gesellschaft berechtigt sind, im Rahmen von Schadensersatzklagen vor nationalen Gerichten die zivilrechtliche Haftung von Tochtergesellschaften der sanktionierten Gesellschaft geltend zu machen, die von dem Beschluss der Kommission nicht betroffen sind.

Würdigung durch den Gerichtshof
Nach ständiger Rechtsprechung kann jedermann von „Unternehmen“, die an einem nach Art. 101 AEUV verbotenen Kartell oder Verhalten beteiligt waren, Ersatz des durch diese wettbewerbswidrigen Praktiken entstandenen Schadens verlangen. Auch wenn solche Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten erhoben werden, richtet sich die Bestimmung der zum Ersatz des verursachten Schadens verpflichteten Einheit unmittelbar nach dem Unionsrecht.

Da diese Schadensersatzklagen ebenso integraler Bestandteil des Systems zur Durchführung der Wettbewerbsregeln der Union sind wie deren Durchführung durch die Behörden, kann der Begriff „Unternehmen“ im Sinne von Art. 101 AEUV im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldbußen durch die Kommission gegen „Unternehmen“ (public enforcement) und im Zusammenhang mit Schadensersatzklagen, die vor den nationalen Gerichten gegen diese „Unternehmen“ erhoben werden (private enforcement), keine unterschiedliche Bedeutung haben.

Der Begriff „Unternehmen“ im Sinne von Art. 101 AEUV umfasst nach der Rechtsprechung indes jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung, und bezeichnet somit eine wirtschaftliche Einheit, selbst wenn diese rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen besteht.

Wenn erwiesen ist, dass eine zu einer solchen wirtschaftlichen Einheit gehörende Gesellschaft so gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, dass das „Unternehmen“, zu dem sie gehört, die Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift begangen hat, führen der Begriff „Unternehmen“ und damit der Begriff „wirtschaftliche Einheit“ von Rechts wegen zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Einheiten, die zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung die wirtschaftliche Einheit bilden.

Insoweit stellt der Gerichtshof außerdem fest, dass der in Art. 101 AEUV verwendete Begriff „Unternehmen“ ein funktionaler Begriff ist, bei dem die wirtschaftliche Einheit, die das Unternehmen bildet, unter dem Gesichtspunkt des Gegenstands der fraglichen Vereinbarung zu bestimmen ist.

Ist das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV seitens einer Muttergesellschaft festgestellt worden, steht es somit dem Opfer dieser Zuwiderhandlung frei, anstelle der Muttergesellschaft eine von deren Tochtergesellschaften zivilrechtlich haftbar zu machen, vorausgesetzt, dass das Opfer nachweist, dass zum einen im Hinblick auf die wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen diesen beiden rechtlichen Einheiten und zum anderen im Hinblick auf das Bestehen eines konkreten Zusammenhangs zwischen der wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Tochtergesellschaft und dem Gegenstand der Zuwiderhandlung, für die die Muttergesellschaft haftbar gemacht wurde, diese Tochtergesellschaft mit ihrer Muttergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit bildete.

Folglich muss Sumal unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, um eine Schadensersatzklage gegen MBTE als Tochtergesellschaft der Daimler AG erheben zu können, grundsätzlich nachweisen, dass die von der Daimler AG geschlossene wettbewerbswidrige Vereinbarung die gleichen Produkte betrifft, die von MBTE vermarktet werden. Damit würde Sumal nachweisen, dass gerade die wirtschaftliche Einheit, zu der MBTE zusammen mit ihrer Muttergesellschaft gehört, das Unternehmen bildet, das die von der Kommission festgestellte Zuwiderhandlung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV begangen hat.

Im Rahmen einer solchen Schadensersatzklage gegen die Tochtergesellschaft einer Muttergesellschaft, deren Verstoß gegen Art. 101 AEUV festgestellt wurde, muss die Tochtergesellschaft jedoch vor dem betreffenden nationalen Gericht über alle Mittel verfügen, die für die sachdienliche Ausübung ihrer Verteidigungsrechte erforderlich sind, insbesondere um ihre Zugehörigkeit zu demselben Unternehmen wie ihre Muttergesellschaft bestreiten zu können.

Stützt sich jedoch eine Schadensersatzklage wie im vorliegenden Fall auf die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV durch die Kommission in einem an die Muttergesellschaft der beklagten Tochtergesellschaft gerichteten Beschluss, kann die Tochtergesellschaft das Vorliegen der von der Kommission festgestellten Zuwiderhandluvor dem nationalen Gericht nicht bestreiten.

Nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003  dürfen die nationalen Gerichte nämlich keine Entscheidungen erlassen, die dem Beschluss der Kommission zuwiderlaufen.
Hat die Kommission dagegen ein rechtswidriges Verhalten der Muttergesellschaft nicht in einem Beschluss nach Art. 101 AEUV festgestellt, ist die Tochtergesellschaft naturgemäß berechtigt, nicht nur ihre Zugehörigkeit zu demselben „Unternehmen“ wie die Muttergesellschaft, sondern auch das Vorliegen der dieser zur Last gelegten Zuwiderhandlung zu bestreiten.

Insoweit stellt der Gerichtshof außerdem klar, dass die Möglichkeit des nationalen Gerichts, eine etwaige Haftung der Tochtergesellschaft für die verursachten Schäden festzustellen, nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil gegebenenfalls die Kommission keinen Beschluss erlassen hat oder weil mit dem Beschluss, mit dem sie die Zuwiderhandlung festgestellt hat, dieser Gesellschaft keine Verwaltungssanktion auferlegt wurde.

Daher steht Art. 101 Abs. 1 AEUV einer nationalen Regelung entgegen, die die Möglichkeit vorsieht, die Haftung für das Verhalten einer Gesellschaft einer anderen Gesellschaft nur dann zuzurechnen, wenn die zweite Gesellschaft die erste kontrolliert.

Urteil in der Rechtssache C-882/19 Sumal

Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 06.10.2021

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2. BGH: DSGVO-Auskunftsanspruch muss auch bei Zwangsverwalter kostenlos sein
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Wird ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO gegenüber dem Zwangsverwalter einer Immobilie geltend gemacht, dürfen hierfür keine Kosten berechnet werden, da die Auskunftserteilung zu den allgemeinen Pflichten des Zwangsverwalters gehört (BGH, Beschl. v. 15.7.?2021 - Az.: V ZB 53/20).

Die Beklagte war Zwangsverwalterin einer Immobilie. Der Schuldner der Verbindlichkeiten machte gegenüber der Zwangsverwalterin nun einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO geltend.

Hierfür berechnete ihm die Zwangsverwalterin Kosten iHv. von mehr als 530,- EUR an. Sie setzte für die Bearbeitung der Anfrage einen Zeitaufwand von 340 Minuten nebst Auslagen und Mehrwertsteuer an.

Diese Forderung sei nicht begründet, so der BGH nun. Denn die Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO gehöre zu den allgemeinen Pflichten eines Zwangsverwalters:

"Danach zählt die Bearbeitung eines Antrags des Schuldners an den Zwangsverwalter auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nicht zu den allgemeinen Geschäftskosten im Sinne des § 21 Abs. 1 ZwVwV, sondern ist Teil der Geschäftsführung des Verwalters.(...)

An der Zuordnung der Bearbeitung von Anträgen nach Art. 15 DS-GVO zur Geschäftsführung ändert es nichts, dass die Erfüllung datenschutzrechtlicher Pflichten nicht unmittelbar der Erhaltung und Benutzung des fremdverwalteten Grundeigentums dient. Zur Geschäftsführung des Verwalters gehört regelmäßig auch die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten, soweit sie an die Verwaltung eines fremden Grundeigentums anknüpfen (...). 

Für die Erfüllung datenschutzrechtlicher Pflichten, die den Verwalter aufgrund seiner Bestellung in einem konkreten Zwangsverwaltungsverfahren treffen, gilt nichts anderes."


Die Unentgeltlichkeit der Auskunftserteilung sei in Art. 12 Abs.5. S.2 DSGVO explizit geregelt, so der BGH. Eine Berechnung von Kosten scheide daher in jedem Fall aus:
"Die auf die Bearbeitung von Auskunftsanträge des Schuldners nach Art. 15 DS-GVO entfallende Geschäftsführung des Verwalters ist (...) nicht zu vergüten.

Nach Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO wird u.a. eine Mitteilung nach Art. 15 DS-GVO unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die Verordnung ist als Unionsverordnung nach Art. 288 Abs. 2 AEUV in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in den Mitgliedstaaten (...). Sie ist in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht auf die Anfrage des Schuldners an die Verwalterin anwendbar. (...)

Die Tätigkeit des Zwangsverwalters ist auch nicht gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a DS-GVO aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Danach findet die Datenschutz-Grundverordnung im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, keine Anwendung. Diese Ausnahme ist indessen nicht einschlägig, weil die Tätigkeit als Zwangsverwalter unionsrechtlich eine Dienstleistung im Sinne von Art. 57 Abs. 1 AEUV ist, die als Teil der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 56-63 AEUV in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt. "



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3. OLG Braunschweig: Berufung der financialright GmbH in dem Verfahren gegen die VW AG abgewiesen
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Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat mit Urteil vom 07. Oktober 2021 (8 U 40/21) die Berufung der Klägerin, die financialright GmbH, gegen die Entscheidung des Landgerichts Braunschweig (11 O 3092/19) zurückgewiesen. Der Senat hat – wie bereits das Landgericht Braunschweig zuvor – entschieden, dass der Klägerin, die aus abgetretenem Recht gegen die beklagte VW AG vorgegangen ist, die dafür notwendige Aktivlegitimation fehle.

Die Klägerin, eine nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) registrierte Inkassodienstleisterin, ließ sich im Zuge des sog. Diesel-Abgasskandals europaweit von Käufern von Dieselfahrzeugen Ansprüche abtreten, um diese gegenüber der Beklagten, der VW AG, im eigenen Namen durchzusetzen.

So auch in dem vorliegenden Berufungsverfahren, in dem sie mit einem in der Schweiz ansässigen Käufer eines Fahrzeuges VW Tiguan, das über einen Dieselmotor vom Typ EA 189 verfügt, eine entsprechende Abtretungsvereinbarung getroffen hatte. Die Klägerin machte diese Forderung zunächst „gebündelt“ im Wege einer objektiven Klagehäufung mit ca. 2.000 weiteren Ansprüchen beim Landgericht anhängig.

Das Landgericht trennte den streitgegenständlichen Anspruch ab, verhandelte über ihn in einem gesonderten Verfahren und wies ihn mit Urteil vom 30.04.2020 wegen fehlender Aktivlegitimation zurück. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die Klägerin mit dem streitgegenständlichen Geschäftsmodell die Befugnisse zur Erbringung von Inkassodienstleistungen überschreite, weshalb die Abtretung nichtig sei.

Diese rechtliche Bewertung ist nach Auffassung des 8. Zivilsenats zutreffend. Bei der Abtretungsvereinbarung handele es sich um eine Inkassodienstleistung in Form einer Rechtsdienstleistung gem. § 2 Abs. 2 RDG, da die Klägerin die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäftsmodell betreibe.

Damit unterfällt die Tätigkeit dem Rechtsdienstleistungsgesetz, dessen Schutzzweck darin besteht, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. § 3 RDG sieht daher für die selbstständige Erbringung von außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen eine Erlaubnispflicht vor.

Einen solchen Erlaubnistatbestand enthält § 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG. Danach dürfen registrierte Personen, die - wie vorliegend die Klägerin - im Rechtsdienstleistungsregister eingetragen sind, aufgrund nachgewiesener Sachkunde grundsätzlich Rechtsdienstleistungen in dem Bereich der Inkassodienstleistungen erbringen.

In der vorliegenden Konstellation habe die Klägerin aber die ihr danach erteilte Befugnis überschritten, da sie die Einziehung einer Forderung übernommen habe, deren Berechtigung sich nach einem ausländischen (hier dem schweizerischen) Recht beurteile. Zwar dürfen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 RDG auch Rechtsdienstleistungen „in einem ausländischen Recht“ aufgrund besonderer Sachkunde erbracht werden.

Eine solche habe die Klägerin jedoch nicht nachgewiesen. Auch könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass der Rechtsdienstleister bei einer Einziehung einer Forderung deren Bestand nicht rechtlich zu prüfen habe. Das Inkassounternehmen übernehme nämlich - so der Senat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - vielmehr die Verantwortung für die wirkungsvolle Durchsetzung fremder Rechte oder Vermögensinteressen.

Daraus folge aber auch, dass die rechtliche Bewertung von solchen Forderungen durchaus zum Kernbereich der Inkassotätigkeit gehöre. In dem vorliegenden Fall wäre die Klägerin zudem ohne diese rechtliche Bewertung und materielle Prüfung des behaupteten Schadensersatzanspruchs gar nicht in der Lage gewesen, diesen zu beziffern. Aufgrund des Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht sei die Abtretung nach § 134 BGB nichtig und die Klägerin in dem Verfahren daher nicht befugt, die Rechte des Käufers geltend zu machen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zugelassen und damit die Überprüfung der Entscheidung durch den Bundesgerichtshof ermöglicht.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig v. 08.10.2021

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4. OLG Dresden: Negative DSGVO-Auskunft ausreichend, keine weitergehenden Auskunftspflichten
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Erteilt ein Unternehmen im Rahmen eines geltend gemachten Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO eine negative Auskunft, so bestehen keine weitergehenden Auskunftspflichten (OLG Dresden, Urt. v. 31.08.2021 - Az.: 4 U 324/21).

Der Kläger erwarb in der Vergangenheit einen Laptop bei der Beklagten. Im Rahmen der Garantie trat ein Defekt an der Festplatte auf, sodass der Kläger das Bauteil an die Beklagte zurücksandte. Darauf befanden sich personenbezogene Daten des Klägers.

Die Beklagte hatte vorab darauf hingewiesen, dass sie keine Datensicherung vornehmen werde, sondern alleine der Kläger für das Backup verantwortlich sei.  Wenig später übersandte die Beklagte eine andere Festplatte, auf der sich keine Daten des Klägers befanden.

Der Kläger machte daraufhin einen umfangreichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO geltend. Er wollte insbesondere wissen, an wen die Daten auf der ursprünglichen Festplatte weitergegeben worden seien und welchen Inhalt diese hatten. Zusätzlich begehrte er Schadensersatz iHv. mindestens 10.000,- EUR für die erlittene Rechtsverletzung nach Art. 82 DSGVO.

Die Beklagte erteilte ihm eine negative DSGVO-Auskunft, dass sie keine Daten gespeichert habe, sondern die Festplatte vielmehr vernichtet bzw. an den Hersteller zurückgesandt worden sei.

Das OLG Dresden lehnte alle Ansprüche des Klägers ab.

Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO:

"Liegt (...) eine negative Verarbeitungsbestätigung vor, kommt ein Anspruch auf weitergehende Auskunft hinsichtlich der in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a - h beschriebenen Informationsbestandteile von vornherein nicht in Betracht (...)).

Auch der unter b) geltend gemachte Anspruch auf Rechenschaftslegung nach § 666 BGB scheidet aus.

Ob § 666 BGB im Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung durch Art. 15 DSGVO verdrängt wird, kann offenbleiben, weil auch dieser Anspruch erfüllt wäre. Eine weitergehende Rechenschaft als die hier allein mögliche Angabe, dass die Festplatte sich nicht mehr in ihrem Besitz befindet und sie keinen Zugriff auf die aufgespielten Daten genommen hat, schuldet die Beklagte auch nach dieser Vorschrift nicht.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie vernünftigerweise nach den Umständen des konkreten Falles und des Hinweises auf die Verantwortlichkeit des Kunden für die Datensicherheit in der E-Mail vom 30.3.2020 (K5) davon ausgehen durfte, dass der Kläger im Tausch gegen eine neue Festplatte auf den eingesandten Datenträger und die aufgespielten Daten verzichtet hatte. Wie das Landgericht auf der Grundlage der Zeugenaussagen ohne Fehler in der Beweiswürdigung festgestellt hat, hat die Beklagte jedenfalls auf die Festplatte und die aufgespielten Daten keinerlei Zugriff mehr, Aufzeichnungen hierüber hat sie ebenfalls nicht geführt. Weitere Rechenschaftspflichten sind ihr damit unmöglich geworden."


Hinsichtlich des Schadensersatzes nach Art. 82 DSGVO führt das Gericht aus, dass die Festplatten-Vernichtung zwar eine Datenverarbeitung iSd. DSGVO sei. In diesen Vorgang habe der Kläger jedoch konkludent eingewilligt:
"In der Rücksendung der Festplatte lag angesichts dessen nach dem objektiven Empfängerhorizont die Zustimmung dazu, die eingeräumte Garantie entweder durch Reparatur oder Austausch unter gleichzeitigem Datenverlust vorzunehmen, zumal in diesem Kontext ebenfalls darauf hingewiesen wurde, dass die Beklagte Datensicherung und Datenrettung nicht anbietet und jeder Kunde "für die Sicherheit der Daten selbst verantwortlich" sei (K 5). (...)

Entgegen der Auffassung des Klägers ist es auch ohne Belang, dass er nicht ausdrücklich in die Löschung seiner Daten eingewilligt hat. Wie sich aus Erwägungsgrund 32 der DSGVO ergibt, ist eine solche ausdrückliche Einwilligung gerade nicht erforderlich (...)."



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5. OLG Hamburg: Werbeaussage "Günstig wie im Supermarkt" ist nicht irreführend
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Die Werbeaussage eines Getränkelieferanten "Günstig wie im Supermarkt"  ist auch dann nicht irreführend, wenn viele Waren nicht zu Supermarktpreisen angeboten werden. Denn dem Verbraucher ist bekannt, dass Supermarktketten, unterschiedliche, teils täglich wechselnde Preise haben (OLG Hamburg, Beschl. v. 03.02.2021 - Az.: 3 U 136/29).

Der Kläger griff nachfolgende Werbeaussage des Beklagten, einem Getränkelieferanten, an:

 "Günstig wie im Supermarkt" 
Er stufte diese Aussage als irreführend und somit wettbewerbswidrig ein, weil viele der Getränke nicht so billig wie im Supermarkt angeboten wurden.

Das OLG Hamburg folgte dieser Ansicht nicht, sondern sah darin keinen Verstoß.

Das Gericht stellt zunächst auf die konkrete Wortwahl ab und weist darauf hin, dass gerade nicht mit einem niedrigeren Preis geworben worden sei:

"Die vom Kläger vorgetragene Verkehrsvorstellung (...) ist unzutreffend. (...)

Auch spricht sie nur von "günstig wie", nicht von "günstiger als""


Darüber hinaus führt das Gericht aus:
"Andererseits aber auch deshalb, weil dem Verkehr auch nach der Beurteilung durch den Senat bekannt ist, dass Supermärkte (...) unterschiedliche, teils täglich wechselnde (...) Preise haben. Er rechnet deshalb dami, dass Getränke der verschiedenen Sorten und Anbieter im Supermarkt einmal zu niedrigen und einmal zu höheren Preisen angeboten werden."


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6. LAG Stuttgart: Löschung eines Geschäftsgeheimnisses reicht für Wegfall des Unterlassungsanspruchs
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Löscht ein Mitarbeiter unerlaubt an sich weitergeleitete Geschäftsgeheimnisse seines Arbeitgebers, so soll dies nach Ansicht des LAG Stuttgart zum Wegfall des Unterlassungsanspruchs führen (LAG Stuttgart, Urt. v. 18.08.2021 - Az.: 4 SaGa 1/21)

Der Beklagte war Mitarbeiter der Klägerin und hatte sich Geschäftsgeheimnisse an seinen privaten E-Mail-Account weitergeleitet.

Darin sah der Arbeitgeber eine schwerwiegende Rechtsverletzung und machte einen Unterlassungsanspruch nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) geltend.

Zunächst bejahte das Gericht die Schutzfähigkeit des weitergeleiteten Inhalts. Bei der betreffenden Kostenkalkulation handle es sich um ein Geschäftsgeheimnis:

"Vorliegend handelte es sich bei der übersandten Preiskalkulation um ein 21-seitiges Template (Schablone) mit einer Auflistung der exakten Berechnungsgrundlagen. Die Preiskalkulation beinhaltet u.a. die genaue Berechnung und Zusammensetzung von Personalkosten, Maschinen-/Gerätekosten und Materialkosten, die jeweils selbst hinsichtlich aller in Betracht kommenden Teilfaktoren aufgeschlüsselt sind.

Dieses Template wird auch nach Darstellung des Verfügungsbeklagten selbst immer wieder für aktuelle Angebotserstellungen benutzt.

Von Bedeutung sind somit hauptsächlich die Rechenschritte und weniger die aktuell einzutragenden Zahlen, weshalb es unerheblich ist, dass die vom Verfügungsbeklagten an sich weitergeleitete Tabelle die Zahlen aus der Kalkulation 2015/2016 enthielten. Der Verfügungsbeklagte räumte selbst ein, mit dieser Schablone am Montag nach der Übersendung an der Angebotserstellung für die Ausschreibung 2021/2022 gearbeitet zu haben."


Es seien auch die notwendigen Schutzmaßnahmen ergriffen worden:
"Bei der Verfügungsklägerin gilt eine allen Mitarbeitern bekannte IT-Richtlinie (..), nach dessen § 6.1 das Emailsystem der Verfügungsklägerin nur im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und nur zu geschäftlichen Zwecken benutzt und eingesetzt werden darf. Gem. § 8 dieser IT-Richtlinie dürfen ohne Zustimmung unternehmensinterne Datenbestände weder mittels Email oder Fax noch mittels anderer Datenträger oder in ausgedruckter Form außer Haus gebracht werden. Diese Ansage ist deutlich und unmissverständlich.

Im Übrigen galt bei der Verfügungsklägerin bezogen auf Kalkulationen und Angebote ein sogenanntes „need to know“- Prinzip, welches als angemessene Geheimhaltungsmaßnahme geeignet sein kann (...). Dieses Prinzip wurde insbesondere bei der Videokonferenz zur aktuellen Ausschreibung am 10. März 2020 auch angewandt (...).

(3) Hinzu kommt, dass die Verfügungsklägerin ein Unternehmenscompliancesystem geschaffen hat, mit dem Verfügungsbeklagten als Compliance Officer. Es war gerade der Verfügungsbeklagte selbst, der die Einhaltung der Regelwerke überwachen und kontrollieren sollte. Eine solche organisatorische Maßnahme ist als Geheimhaltungsmaßnahme grundsätzlich geeignet (...)."
 


Im Ergebnis verneint das Gericht jedoch einen Anspruch, weil der verklagte Arbeitnehmer angab, die Inhalte bereits gelöscht zu haben. Hierdurch sei die Wiederholungsgefahr weggefallen.

Grundsätzlich führen die Richter zunächst aus:

"Durch einen bereits begangenen Wettbewerbsverstoß wird in der Regel die tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr begründet. Sie kann regelmäßig nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Sie entfällt nicht schon mit der Einstellung oder Änderung des beanstandeten Verhaltens (...)."

Der vorliegende Sachverhalt sei aber anders zu bewerten, so die Robenträger, denn es handle sich um einen untypischen Geschehensablauf:
"Eine solche aus der Erstbegehung abgeleitete Vermutungswirkung hinsichtlich einer Wiederholungsgefahr greift aber nur bei typischen Geschehensabläufen.

Die Tatsache des unbefugten Beschaffens eines Betriebsgeheimnisses besagt jedoch noch nichts regelhaft über eine Verwendung der Unterlagen (...). Es wird deshalb als zweifelhaft erachtet, ob die Erstbegehungs- oder Wiederholungsgefahr allein durch die Weiterleitung von Dokumenten des Arbeitgebers an den privaten Emailaccount des Arbeitnehmers begründet werden kann. Denn selbst aus der Verschaffung von Betriebsgeheimnissen durch den Arbeitnehmer kann nicht per se auf eine beabsichtigte Nutzung oder Offenlegung dieser Daten durch den Arbeitnehmer geschlossen werden (...).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann ohne weitere tatsächliche Anhaltspunkte aus der bloßen Übermittlung einer Email durch den Verfügungsbeklagten an seinen privaten Emailaccount nicht mit Vermutungswirkung rückgeschlossen werden, dass damit regelhaft eine unberechtigte (Weiter-)Nutzung beabsichtigt war."


Zudem sei die Wiederholungsgefahr auch deswegen beseitigt, weil der Beklagte an Eides statt versichert habe, dass er die Inhalte dauerhaft gelöscht habe:
"Macht im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens der Verfügungsbeklagte durch Versicherung an Eides statt glaubhaft, dass er nicht mehr im Besitz der streitgegenständlichen Dokumente ist, entfällt ein etwaiger Anspruch auf Unterlassung der Nutzung bzw. Offenlegung der erlangten Daten bereits deshalb, weil dem Verfügungsbeklagten die zu verbietenden Handlungen nicht mehr möglich sind.

Der Verfügungsbeklagte kann sich gleichermaßen wie die Verfügungsklägerin hierbei einer eidesstattlichen Versicherung als Glaubhaftmachungsmittel bedienen (...).

Der Verfügungsbeklagten hat bereits in der eidesstattlichen Versicherung vom 7. Dezember 2020 versichert, das an seine private Emailadresse weitergeleitete Dokument endgültig und unwiederbringlich gelöscht zu haben. Er habe dieses weder in irgendeiner Form an Dritte weitergeleitet, noch sei er im Besitz dieses Dokuments. Er sei auch nicht in der Lage, dieses Dokument in irgendeiner Form wiederherzustellen." 



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7. FG Köln: Anwaltskosten wegen strafbarem Facebook-Kommentar können Werbungskosten sein
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Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Disziplinarverfahren können auch dann als Werbungskosten bei der Einkommensteuer abgezogen werden, wenn das Verfahren wegen eines strafbaren Kommentars in den sozialen Medien eingeleitet wurde. Dies hat der 14. Senat des Finanzgerichts Köln mit seinem heute veröffentlichten Urteil vom 17.06.2021 entschieden (14 K 997/20).

Der Kläger wurde aufgrund eines bei Facebook veröffentlichten privaten Kommentars wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten rechtskräftig verurteilt. Daneben wurde gegen ihn als Soldat ein gerichtliches Wehrdisziplinarverfahren durchgeführt, in dem es auch um den Fortbestand des Dienstverhältnisses ging.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger 1.785 Euro Rechtsanwaltskosten für seine Verteidigung im Disziplinarverfahren als Werbungskosten geltend.

Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung ab. Die berufliche Veranlassung der Kosten werde durch das vorsätzliche strafbare Handeln des Klägers auf seinem privaten Facebook-Account überlagert.

Der Kläger hatte mit seiner hiergegen erhobenen Klage Erfolg. Der 14. Senat ließ den Abzug der Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten zu. Die Kosten beträfen das Arbeitsverhältnis und die Ansprüche hieraus.

Die strengere Rechtsprechung des BFH zu Strafverteidigungskosten sei auf arbeitsrechtliche oder dienstrechtliche Verfahren nicht anwendbar. Denn solche Aufwendungen seien bereits durch ihren Zweck, das Gehalt zu erhalten, untrennbar dem Dienstverhältnis zugewiesen. Die strafbare Handlung stelle demgegenüber nur eine entferntere Ursache dar.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Finanzamt hat gegen das Urteil Revision eingelegt, die unter dem Aktenzeichen VI R 16/21 beim Bundesfinanzhof in München geführt wird.

Quelle: Pressemitteilung des FG Köln v. 10.10.2021

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8. LG München I: Eventagentur darf Tickets für das Oktoberfest nicht weiterveräußern
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Heute hat die unter anderem auf Wettbewerbssachen spezialisierte 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I einer Eventagentur verboten, Tischreservierungen des Oktoberfest-Festzelts der „Ochsenbraterei“ im Internet anzubieten und zu veräußern (Az. 3 HK O 5593/20).

Die beklagte Eventagentur wurde zur Unterlassung des Verkaufs von Tickets der Klägerin, zur Auskunft über ihre Bezugsquellen und über den Umfang der Verkäufe, sowie zur Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin verurteilt. Zudem stellte das Gericht die grundsätzliche Verpflichtung der beklagten Agentur zur Zahlung von Schadensersatz fest.

Die Klägerin ist ein Münchner Gastronomiebetrieb und betreibt neben Restaurants und Biergärten insbesondere auf dem Oktoberfest das Festzelt "Ochsenbraterei". Die Beklagte ist eine Eventagentur mit Sitz in München und Chemnitz und betreibt die Internetseite "tischreservierung-Oktoberfest.de". Über die Internetseite werden Tischreservierungen auf dem Oktoberfest, unter anderem auch im Festzelt der Klägerin, vertrieben, welche die Beklagte zuvor von den Inhabern entsprechender Reservierungen einkauft.

Während sich bei der Klägerin die Tischreservierung - wegen des verpflichtenden Mindestverzehrs - auf maximal ca. 400 € für einen Tisch mit 10 Personen beläuft, betrugen die Preise bei der Beklagten im Frühjahr des Jahres 2020 zwischen 1990 € und 3299 € (Das Angebot wurde nach der Absage des Oktoberfest entfernt).

Zur Überzeugung der Kammer ist das Angebot der Beklagten irreführend und verstößt gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, da die Beklagte ihren Kunden tatsächlich keinen rechtswirksamen Anspruch auf eine Reservierung gegenüber der Klägerin verschaffen könne. Die Klägerin verbiete in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam unter anderem die Veräußerung der Tischreservierungen an kommerzielle Weiterverkäufer und stelle in diesen auch klar, dass sie nicht verpflichtet sei, diesen Kunden derart erworbene Tischreservierungen zur Verfügung zu stellen, so die Kammer.

Die Beklagte hatte hiergegen insbesondere unter Berufung auf ein Urteil des BGH vom 11.09.2008 – bundesligakarten.de (Az. I ZR 74/06) argumentiert, dass es sich bei den Tischreservierungen um ein verkehrsfähiges Wirtschaftsgut handele und damit das Weiterveräußerungsverbot schon deshalb keine Wirksamkeit entfalten könne.

Dies überzeugte die Kammer nicht, sie führte vielmehr aus, dass die vorliegende Fallgestaltung mit der BGH-Entscheidung nicht vergleichbar sei. Die Klägerin stelle - im Unterschied zu dem vom BGH entschiedenen Sachverhalt – personalisierte Reservierungsbestätigungen aus, die auch einen Hinweis auf die ausgeschlossene Übertragbarkeit enthielten. Alleine die Inhaberschaft der Reservierungsbestätigung könne daher keinen Anspruch auf die erworbene Tischreservierung verschaffen.

Das vereinbarte Veräußerungsverbot an kommerzielle Weiterverkäufer sei auch wirksam, da die Klägerin damit den anerkennenswerten Zweck verfolge, ein sozialverträgliches Preisgefüge sicherzustellen und damit auch weniger wohlhabenden Bürgern einen möglichst gleichberechtigten Zugang zum Oktoberfest zu ermöglichen.

Die 37. Zivilkammer des Landgerichts München I hatte bereits in einem inzwischen rechtskräftigen Urteil vom 02.08.2017 festgestellt, dass auch der Handel mit personalisierten Eintrittskarten zu Bundesligaspielen unterbunden werden kann (Az. 37 O 17726/16). Ebenso entschieden hatte die 39. Zivilkammer des Landgerichts München I am 07.12.2020 (Az. 39 O 11168/19). Das Urteil aus dem Jahr 2020 ist derzeit noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 08.10.2021

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9. AG Berlin-Charlottenburg: Öffentliche Beleidigung des Vermieters im Fernsehen rechtfertigt außerordentliche Kündigung
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Beleidigt ein Mieter seinen Vermieter öffentlich im Fernsehen ("Arschlöcher aus München"), rechtfertigt dies eine außerordentliche Kündigung des Mietvertrages (AG Berlin-Charlottenburg, Urt. v. 12.08.2021 - Az.: 210 C 198/20).

Der Beklagte war mit seiner Ehefrau Mieter bei dem klägerischen Vermieter. Diese hatten das Mietshaus übernommen und Renovierungsarbeiten eingeleitet.

Im Rahmen einer Fernsehsendung äußerte sich der Mieter wie folgt:

"Diese Arschlöcher aus München - ich muss das mal loswerden - die vertreiben uns"

und
"Musiker, Theater und so und denen geht's richtig dreckig, aber der Baubranche und diesen Arschlöchern aus München ..."

Daraufhin kündigte der Vermieter außerordentlich.

Zu Recht, wie das AG Berlin-Charlottenburg nun entschied. Durch de vorgenommene Beleidigung  sei für den Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar geworden.

Die Kündigung habe auch gegenüber dem Ehepartner erfolgen dürfen, denn die rechtswidrigen Äußerungen seien ihm zuzurechnen, da eine Distanzierung nicht erfolgt sei:

"Zwar ist der Beklagtenseite zuzugestehen, dass die Äußerung allein von dem Beklagten zu 1) getätigt wurde und keine äußeren Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Beklagte zu 2) die genannten Äußerungen des Beklagten zu 1) aktiv unterstützt hätte.

Die Ehefrau als Mitmieterin einer Wohnung muss sich eine Vertragsverletzung ihres Ehemanns als Mieter jedoch zumindest dann zurechnen lassen, wenn sie sich nicht unverzüglich nachhaltig von dieser distanziert (...). Die Beklagte zu 2) hat sich jedoch weder öffentlich noch persönlich gegenüber dem Kläger von den Äußerungen des Beklagten zu 1) distanziert.

Zudem gilt in Mietverhältnissen mit mehreren Personen auf der Mieterseite der Grundsatz, dass es für die Beendigung eines Mietverhältnisses ausreicht wenn einer der Mieter sich in einer Weise verhält, dass dies zur fristlosen Kündigung gereicht (...)."



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10. Hessischer Datenschutzbeauftragter: Fax-Nutzung verstößt gegen DSGVO
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Die Übermittlung von personenbezogenen Daten per Fax kann gegen die DSGVO verstoßen, so der Hessischer Datenschutzbeauftragter in einer aktuellen Stellungnahme. Dies gilt zumindest dann, wenn es sich um personenbezogene Daten mit einem besonderen Schutzbedarf handelt.

In der Stellungnahme heißt es:

"Grundsätzlich weist der Faxversand vergleichbare Risiken auf, wie diese etwa auch beim unverschlüsselten Versand von E-Mail-Nachrichten gegeben sind. Hervorzuheben sind insbesondere die folgenden Risiken:

- personenbezogenen Daten könnten wegen einer nicht korrekten Eingabe der Zielfaxnummer Dritten unbefugt offenbart werden.
- Der Absender hat in der Regel keine Informationen zur Empfängerseite, z.B. wo ein etwaiges Empfangsgerät steht und wer Zugang zu diesem hat.
- Bei der heutzutage weit überwiegend genutzten paketvermittelten Übertragungsmethode als Fax over IP (FoIP) über das Internet, oder bei der Nutzung von Diensten, die Faxe automatisiert in E-Mails umwandeln, werden die Daten in der Regel nicht verschlüsselt und damit ungeschützt übertragen. Durch die Übertragung über mehrere verteilte Zwischenstellen besteht dabei grundsätzlich eine Zugriffsmöglichkeit für unbefugte Dritte.


Im Ergebnis ist die Übermittlung von personenbezogenen Daten per Fax daher mit dem Risiko des Verlustes der Vertraulichkeit der übermittelten Daten behaftet."


Als Ergebnis hält der Datenschutzbeauftragte schließlich fest:
"Personenbezogene Daten, die einen besonderen Schutzbedarf aufweisen, sollten daher grundsätzlich nicht per Fax übertragen werden, wenn keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen bei den Versendern und Empfängern implementiert sind.

In Betracht kommt insoweit insbesondere der Einsatz standardisierter Verschlüsselungstechnologie für den Verbindungsaufbau und die Übertragung von Daten.

Hierbei ist darauf zu achten, dass von einer sicheren Voice-over-IP-Verbindung (VoIP) nicht automatisch auf eine sichere Faxübertragung geschlossen werden kann, da für die beiden Anwendungsszenarien verschiedene technische Protokolle mit unterschiedlichen Voraussetzungen für eine Verschlüsselung zum Einsatz kommen. Vielmehr muss die korrekte Auswahl und Kompatibilität der verwendeten Protokolle für die Faxübertragung geprüft werden."


Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Stellungnahme entspricht der Ansicht der Bremischen Datenschutzbeauftragten, vgl. unsere Kanzlei-News v. 14.05.2021.

Anders als seine Bremer Kollegin beschränkt der Hessische Datenschutzbeauftragte das Verbot nicht nur auf besondere personenbezogene Daten nach Art. 9 DSGVO (z.B. Gesundheitsdaten), sondern spricht ganz allgemein von "personenbezogenen Daten, die einen besonderen Schutzbedarf aufweisen". Die Untersagung kann somit für alle Arten von Daten gelten.

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