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Newsletter vom 14.04.2010 |
Betreff: Rechts-Newsletter 15. KW / 2010: Kanzlei Dr. Bahr |
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____________________________________________________________ 1. BVerfG: Zitate aus E-Mails verletzen nicht immer Allgemeines Persönlichkeitsrecht _____________________________________________________________ Der Beschwerdeführer betreibt die Internetseite www., auf der er die „N. Zeitung online“ publiziert. Er beabsichtigte, dort einen Artikel des Autors R. zu veröffentlichen, der sich mit einem Rechtsstreit befasste, in dem R. auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Buches in Anspruch genommen wurde. Deshalb fragte der Beschwerdeführer schriftlich bei dem Sozius des Rechtsanwalts H., der den Kläger in jenem Rechtsstreit vertrat, an, ob er ein auf dessen Kanzleihomepage vorhandenes Foto für die Veröffentlichung verwenden dürfe. Die Anfrage war in einem teils unfreundlichen, teils ironischen Ton gehalten. Der Sozius (im Folgenden: Kläger) widersprach ausdrücklich der Nutzung von Bildern seiner Person und seines Sozius H. und drohte dem Beschwerdeführer mit rechtlichen Schritten. Im Zusammenhang mit dem anschließend veröffentlichten Artikel des R. auf seiner Website, in dem sowohl das Auftreten als auch die äußere Erscheinung des Prozessvertreters H. kommentiert wurden, merkte die Redaktion an, dass der Beschwerdeführer auf Anfrage ein eindrucksvolles Homepage-Foto seiner Kanzlei zu R.s Glosse nicht habe freigeben wollen. Zudem wurde der Inhalt der E-Mail des Klägers sowie einer weiteren E-Mail, mit der H. ausdrücklich der Verwendung seines Bildes widersprochen hatte, wörtlich wiedergegeben. Der Kläger nahm den Beschwerdeführer daraufhin beim Landgericht Berlin auf Unterlassung wörtlicher Zitate aus dem anwaltlichen Schreiben in Anspruch. Mit dem hier angegriffenen Urteil vom 5. Juni 2007 bejahte das Landgericht einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Kläger werde durch die Wiedergabe seiner harsch formulierten Ablehnung auf der Website des Beschwerdeführers öffentlich als jemand vorgeführt, der auf eine schlichte Anfrage mit einer scharfen Drohung reagiere. Die dadurch erfolgte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers wiege schwerer als das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Information. Die Berufung des Beschwerdeführers wurde nach entsprechendem Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Verfassungsbeschwerde die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG gerügt. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die gerichtlichen Entscheidungen aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus dem anwaltlichen Schreiben des Klägers verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG). In den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallen auch Tatsachenbehauptungen, sofern sie - wie im vorliegenden Fall - zur Bildung von Meinungen beitragen können. Zwar können § 823 Abs. 1 und § 1004 BGB als grundrechtsbeschränkende Normen i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG herangezogen werden. Die Gerichte haben aber bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften die wertsetzende Bedeutung des beeinträchtigten Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt. Bereits die Annahme der Gerichte, dass die Veröffentlichung des Zitats das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtige, begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit die Gerichte hier auf die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Fallgruppe der sogenannten „Prangerwirkung“ abgestellt haben, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung. Die Urteilsgründe lassen insbesondere nicht erkennen, dass das mit dem Zitat berichtete Verhalten des Klägers ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder wesentlicher Teile desselben nach sich ziehen könnte, wie es der Annahme einer Anprangerung vorausgesetzt ist. Es erscheint vielmehr schon zweifelhaft, ob die Mitteilung, dass jemand sich in scharfer Form gegen die Veröffentlichung des eigenen Bildes verwahrt, überhaupt geeignet ist, sich abträglich auf dessen Ehre oder dessen Ansehen auszuwirken. Auch die ergänzende Erwägung des Kammergerichts, die Äußerung rufe insgesamt einen falschen Eindruck hervor, indem sie den Kläger als jemanden darstelle, der auf eine schlichte Anfrage sogleich mit einer scharfen Drohung reagiere, erweist sich als nicht tragfähig. Der Text verhält sich ausdrücklich nicht zu dem Wortlaut oder dem Charakter der Anfrage, sondern teilt lediglich mit, dass der Kläger das Foto nicht habe freigeben wollen. Das Gericht hat hier insbesondere den Textzusammenhang nicht hinreichend gewürdigt und insoweit die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Deutung in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallender Äußerungen verfehlt. Ebenfalls zu beanstanden ist die von den Gerichten vorgenommene Abwägung zwischen dem ihrer Auffassung nach betroffenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers. Die Gerichte stellen im Wesentlichen darauf ab, dass das öffentliche Informationsinteresse an der streitgegenständlichen Äußerung gering sei. Die Meinungsfreiheit ist jedoch nicht allein unter dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt, sondern gewährleistet primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht die Meinungsfreiheit ihr in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann. Angesichts dessen stellt es eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verkürzung dar, wenn die Gerichte dem Kläger vorliegend allein deshalb einen Unterlassungsanspruch zuerkannt haben, weil dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege. Beschluss vom 18. Februar 2010 - 1 BvR 2477/08 Beschluss des KG v. 19.05.2008 - 10 U 190/07 - Urteil des LG Berlin v. 05.06.2007 - 27 O 184/07 - Quelle: Pressemitteilung des BVerfG v. 07.04.2010 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. BGH: Aufgabe des "bestimmungsgemäßen Abrufs" bei Online-Persönlichkeitsverletzungen _____________________________________________________________ Der BGH (Urt. v. 02.03.2010 - Az.: VI ZR 23/09) hat eine relativ weitreichende Entscheidung für die Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Online-Rechtsverletzungen getroffen. Existierte bislang nur die amtliche Pressemitteilung, liegen nunmehr die ausführlichen schriftlichen Entscheidungsgründe vor. Die höchsten deutschen Richter geben ihre bisherige Rechtsprechung des sogenannten "bestimmungsgemäßen Abrufs" bei Online-Rechtsverletzungen auf. Diese Aufgabe gilt jedoch nur für Persönlichkeitsverletzungen. Bei allen "marktbezogenen Delikten" (z.B. Wettbewerbsverletzungen) sei hingegen die Grundsätze des "bestimmungsgemäßen Abrufs" weiterhin voll anwendbar. Bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet soll es für die Zuständigkeit deutscher Gerichte (und somit letzten Endes auch für die Anwendbarkeit deutschen Rechts) hingegen ausreichen, wenn "die rechtsverletzenden Inhalte einen deutlichen Bezug zum Inland aufweisen." Im vorliegenden Fall hatte die "New York Times" einen Artikel über den Kläger herausgegeben, der zugleich auch im Online-Archiv der Zeitung abrufbar war. Da der Kläger in Deutschland seinen Wohnsitz habe und der Inhalt des Artikels sich auch mit inländischen Ereignissen beschäftige, sei der erforderliche "deutliche Bezug zu Deutschland" gegeben, so dass die deutschen Gerichte zuständig seien. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Das Urteil des BGH dürfte eine der für die alltägliche Rechtspraxis wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahre sein. Die Instanzgerichte und auch der BGH haben sich über zehn Jahre hinweg geradezu "gequält", einzelne, brauchbare Kriterien für den "bestimmungsgemäßen Abruf" bereitzustellen. Nun wird ein Füllwort durch ein neues ersetzt: "Deutlicher Bezug zum Inland". Und es fehlt jede weitere Ausführung, was genau darunter zu verstehen ist. Ohne jede wirkliche Notwendigkeit beginnt der BGH nun zwischen Persönlichkeitsverletzungen auf der einen Seite und "marktbezogenen Delikten" wie Wettbewerbsverletzungen zu differenzieren. Eine Begründung für diese Unterscheidung bleiben die Richter schuldig. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. BGH: Internet-System-Vertrag ist insgesamt als Werkvertrag einzustufen _____________________________________________________________ Ein Internet-System-Vertrag ist insgesamt als Werkvertrag zu qualifizieren, so dass nicht der Besteller, sondern der Werkunternehmer vorzuleisten hat, so der BGH in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 04.03.2010 - Az.: III ZR 79/09). Geklagt hatte ein Unternehmer, der seine Dienste in Form eines Internet-System-Vertrages anbot (u.a. Zusammenstellen der Web-Dokumentation, Gestaltung einer individuellen Webpräsenz, Hosting der Webseite sowie weitere Beratung und Betreuung über eine Hotline). Der Auftraggeber, ein Handwerks-Unternehmen, wollte die angefallenen Entgelte nicht bezahlen, da die in den klägerischen AGB aufgestellte Vorleistungspflicht unzulässig sei. Die höchsten deutschen Zivilrichter haben den Internet-System-Vertrag insgesamt als Werkvertrag eingestuft. Bei Werkverträgen sei grundsätzlich der Auftragnehmer vorleistungspflichtig. Der Kunde müsse grundsätzlich erst dann bezahlen, wenn das bestellte Werk erstellt und abgenommen worden sei. Obgleich die klägerischen AGB also nicht mit dem gesetzlichen Leitbild übereinstimmten, hielt der BGH die Bedingungen für wirksam. Denn im vorliegenden Fall hätten zwei Unternehmer die Abweichung vom gesetzlichen Grundsatz vereinbart. Verbraucher seien unbeteiligt gewesen. Insofern sei die Beklagte, die verklagte Handwerks-Firma, nicht übermäßig schutzbedürftig. Die Parteien hätten daher die abweichende Vorleistungspflicht wirksam vereinbaren dürfen. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Brandenburg: Kein Urheberrechtsschutz für Standardverträge einer Agentur für Pflegekräfte _____________________________________________________________ Herkömmliche Standard-Arbeitsverträge für Pflegekräfte genießen keinen urheberrechtlichen Schutz, so das OLG Brandenburg in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 16.03.2010 - Az.: 6 U 50/09). Die Klägern, Vermittlerin für ausländische Pflegekräfte, bemerkte wie ein konkurrierendes Unternehmen einen ihrer Standard-Verträge ungefragt verwendete. Sie hielt dies für eine Urheberrechtsverletzung und ging vor Gericht. Die Brandenburger RIchter verneinten einen urheberrechtlichen Schutz. Zwar könnten Verträge durchaus urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie die erforderlicher Schöpfungshöhe erreichten. Im vorliegenden Fall sei dies aber zu verneinen, weil die Texte lediglich allgemein-übliche Formulierungen enthielten, ohne nähere Besonderheiten. Das Vertragsmuster weise keine sprachlichen oder individuellen Eigenheiten auf. Identisch entschied das LG Stuttgart (Beschl. v. 06.04.2008 - Az.: 17 O 68/08), dass einen Mustervertrag zur Vermittlung von polnischen Pflegekräften ebenfalls den urheberrechtlichen Schutz absprach. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 5. OLG Frankfurt a.M.: Bezeichnung "Online-Branchenbuch" nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt _____________________________________________________________ Die Bezeichnung "Online-Branchenbuch" für ein Adress-Sammelwerk ist nur unter ganz bestimmten Bedingungen erlaubt, so das OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 25.02.2010 - Az.: 6 U 237/08). Der Kläger wandte sich gegen die Beklagte, die ein Adress-Sammelwerk herausgab. Im Internet bewarb sie es als Branchenbuch und bezeichnete es auch als "Online-Branchenbuch". Die Frankfurter Richter wiesen die Klage ab. Die Verwendung des Begriffes "Online-Branchenbuch" sei grundsätzlich geeignet, dem User den irreführenden Eindruck zu vermitteln, dass das bezeichnete Adress-Sammelwerk vollständig sei. Von einem solchen Irrtum könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, da die gesamte Gestaltung der Werbung und die Website hinreichend deutlich machen würden, dass auf die Vollständigkeit der Einträge kein Anspruch erhoben werde. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OLG Hamburg: Markenverletzung bei vollständigem Firmennamen im URL-Pfad einer Webseite _____________________________________________________________ Das OLG Hamburg (Beschl. v. 02.03.2010 - Az.: 5 W 17/10) hat entschieden, dass es eine Markenverletzung darstellt, wenn ein fremder Firmenname in den URL-Pfad und in den Title-Tag einer Webseite übernommen wird, obwohl inhaltlich kein Bezug zur fremden Firma gegeben ist. Der Beklagte übernahm die vollständige (!) Firmenbezeichnung - nicht nur eine Abkürzung - in den URL-Pfad seines Weblogs und in den Title-Tag seiner Webseite. Dies bewertete das genannte Unternehmen als Markenverletzung und klagte auf Unterlassung. Die Hamburger Richter gaben der Firma Recht. Es liege eine Kennzeichenverletzung vor. Durch die Erwähnung der Klägerin in der URL und im Title versuche der Beklagte ein höheres Ranking bei den Suchmaschinen zu erzielen. Ein solches Handeln sei ähnlich zu bewerten wie bei Meta-Tags, als diese noch einen wichtigen Einfluss auf die Ergebnis-Positionen bei Google & Co. hatten. Durch die vollständige Übernahme der Firmenbezeichnung, d.h. Name zzgl. Rechtsform, könne beim Betrachter der Eindruck erweckt werden, es handle sich um die Seite des genannten Unternehmens. Daher liege eine Markenverletzung vor. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Die Entscheidung sagt - anders als teilweise behauptet - nicht aus, dass die Nennung von geschützten Marken grundsätzlich beim URL-Rewriting verboten ist. Zum einen lag nämlich der Entscheidung des OLG Hamburg die Besonderheit zugrunde, dass der vollständige Firmenname inkl. Rechtsform benutzt wurde. Das ist in den seltensten Fällen beim URL-Rewriting gegeben. Zum anderen tenorieren die Hamburger Richter ausdrücklich mit der Einschränkung, "...soweit diese Seiten keinen Bezug zu [Klägerin] haben." Daraus ergibt sich, dass Knackpunkt dieser gerichtlichen Entscheidung auch der Umstand war, dass der abzurufende Inhalt keinen Bezug zur genannten Firma hatte. Bereits 2005 als der Shopblogger.de Post vom Sozialgericht Bremen bekam (vgl. unsere Kanzlei-News v. 31.12.2005), stellte sich diese Problematik. Wie wir bereits damals anmerkten, gibt es mehrere einstweilige Verfügungen des LG Hamburg, die markenrechtliche Streitigkeiten betreffen, wo die Hamburger Richter alleine die Benennung der Datei mit einem Markenbegriff als Kennzeichenverletzung angesehen haben. In all diesen Fällen geschah die Nutzung der fremden Marke aber stets kennzeichenmäßig, d.h. um eigene Waren und Dienstleistungen abzuverkaufen. Darüber ist in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit die fremde Kennzeichenverwendung im Rahmen der beschreibenden Benutzung nach § 23 MarkenG erlaubt ist. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. OLG Hamburg: Doping-Verstöße dürfen online nur zeitlich begrenzt veröffentlicht werden _____________________________________________________________ Das OLG Hamburg (Urt. v. 09.02.2010 - Az.: 7 U 73/09) hat entschieden, dass die Veröffentlichung eines Doping-Verstoßes online nur zeitlich begrenzt veröffentlicht werden darf. Die Vorinstanz - das LG Hamburg (Urt. v. 29.05.2009 - Az.: 324 O 1002/08) - hatte noch geurteilt, dass eine Online-Publikation auch zeitlich unbegrenzt zulässig ist. Der Kläger war Mitglied eines Rudervereins, der seinerseits Mitglied des Beklagten, des Spitzensportverbandes des Rudersports, war. Er wurde 2007 in den Bundeskader aufgenommen und hierzu aufgefordert, die Bestimmungen der Beklagten, u.a. das Anti-Doping-Regelwerk, zur Kenntnis zu nehmen und deren Anerkennung zu unterschreiben. Dies tat der Kläger. Ende 2007 verstieß der Kläger gegen diese Regeln, woraufhin die Beklagte - entsprechend dem Anti-Doping-Regelwerk - auf ihrer Homepage eine öffentliche Verwarnung veröffentlichte. Der Kläger sah darin eine Verletzung seines Allgemeines Persönlichkeitsrecht. Die Richter des OLG Hamburg haben nun eine differenzierte Antwort auf die Frage gegeben. Grundsätzlich sei eine Online-Veröffentlichung zulässig, wenn die Bestimmungen des jeweiligen Sportverbandes dies vorsähen. Im vorliegenden Fall seien die Daten jedoch über einen Zeitraum von 6 Monaten publiziert gewesen, während die Verwarnung nach 3 Monaten weggefallen sei. Angesichts dieses Umstandes sei es unverhältnismäßig gewesen, dass die Informationen ein halbes Jahres online zum Abruf bereit gehalten worden seien. Insbesondere weil die Daten weltweit für jedermann einsehbar gewesen seien, überwiege spätestens nach Ablauf der 3 Monate das Interesse des Klägers auf Anonymität. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. OLG Köln: Pflichtangaben-Weblink muss auf Internetpräsenz klar zu sehen sein _____________________________________________________________ Befindet sich ein Link zu besonderen heilmittelrechtlichen Pflichtangaben unscheinbar eingebettet zwischen den Angaben zum Impressum und dem Datenschutz auf einer Webseite, so ist eine deutliche Erkennbarkeit nicht gegeben (OLG Köln, Urt. v. 18.09.2009 - Az.: 6 U 49/09). Die Beklagte verpflichtete sich in der Vergangenheit außergerichtlich in Form einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, ihre Webseite so zu gestalten, dass die notwendigen heilmittelrechtlichen Pflichtangaben deutlich abgesetzt und gut erkennbar platziert werden mussten. Als die Klägerin die Webseite aufrief, befand sich am unteren Ende der Seite ein Link zu den Pflichtangaben, der zwischen dem Link zum Impressum und zu den datenschutzrechtlichen Bestimmungen platziert war. Dies sah die Klägerin als nicht ausreichend an und forderte die Vertragsstrafe ein. Zu Recht wie die Kölner Richter entschieden. Die Juristen hielten den Hinweis für nicht ausreichend erkennbar. Der Link sei erst durch Scrollen einsehbar. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass jeder User auch an den unteren Rand des Bildschirms navigiere, so dass der Großteil der Nutzer den Link gar nicht ausmachen könne. Darüber hinaus reduziere sich die Wahrnehmbarkeit auch durch den Umstand, dass er zwischen anderen Menü-Einträgen wie Impressum und Datenschutz positioniert sei und dadurch im Blickfeld untergehe. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. OLG Köln: Irreführende Reklame eines Stromanbieters bei ungenauen Internet-Tarifen _____________________________________________________________ Ein Stromanbieter handelt irreführend und somit wettbewerbswidrig, wenn er auf seine Webseite Stromtarife mit den Preisen anderer Anbieter vergleicht, dabei die Berechnung aber falsch ist (OLG Köln, Urt .v. 22.01.2010 - Az.: 6 U 137/09). Die Parteien des Rechtsstreits waren konkurrierende Stromanbieter. Auf ihrer Webseite bot die Beklagte eine Tarif-Gegenüberstellung der einzelnen Unternehmen an. Die Klägerin sah dies als irreführend an, da nur ihr Grundversorgungstarif berücksichtigt wurde, jedoch keine günstigeren Tarife von ihr. Die Kölner Richter teilten die Ansicht der Klägerin und bejahten eine wettbewerbswidrige Irreführung. Die Beklagte habe jeweils nur den Grundtarif ihrer Mitbewerber berücksichtigt und damit ihren eigenen günstigsten Tarif verglichen. Damit erwecke die Beklagte einen falschen und unzutreffenden Eindruck hinsichtlich der tatsächlichen Preise. Denn im Rahmen eines objektiven Vergleichs verfüge die Klägerin in Wahrheit durchaus in bestimmten Tarifen günstigere Preise als die Beklagte. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. OLG Saarbrücken: Insolvenzverwalter kann kurzfristige Domainübertragung auf Mitarbeiter anfechten _____________________________________________________________ Eine kurz vor einer Insolvenz stattgefundene Domainübertragung kann vom Insolvenzverwalter wirksam angefochten werden, so das OLG Saarbrücken (Urt. v. 10.06.2009 - Az.: 8 U 102/08). Kurz vor ihrer Insolvenz übertrug die Firma ihrer Mitarbeiterin mehrere Domains, um ausstehende Lohnzahlungen ersatzweise auszugleichen. Nachdem das Unternehmen vom Insolvenzverwalter übernommen wurde, focht er diese Übertragung an. Zu Recht wie die Saarbrücker Richter entschieden. Die Domain-Übertragungen seien nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen anfechtbar. Insbesondere auch deshalb, weil die Übertragung unmittelbar vor Stellung des Insolvenzantrags geschehen sei und die Mitarbeiterin aufgrund der ausstehenden Lohnzahlungen über die Zahlungsschwierigkeiten Bescheid wusste. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 11. LG Berlin: Verstoß gegen Unterlassungserklärung bei Abruf rechtswidrigen Inhalts durch genaue URL _____________________________________________________________ Eine Rechtsverletzung liegt auch dann vor, wenn die eigentliche Webseite, auf der der Stadtplan ursprünglich unerlaubt abrufbar war, gelöscht wurde, jedoch die Grafikdatei nach wie vor durch Eingabe der direkten URL zugänglich ist (LG Berlin, Urt. v. 30.03.2010 - Az.: 15 O 341/09 ). Der Kläger, ein Stadtplan-Diensteanbieter, ging gegen den Beklagten vor. Dieser hatte sich in der Vergangenheit aufgrund einer begangenen Urheberrechtsverletzung verpflichtet, keine Kartenausschnitte des Klägers mehr zu verwenden. Zwar hatte der Beklagte die entsprechende HTML-Webseite gelöscht, nicht jedoch auch die Grafik-Datei. Diese war weiterhin bei Eingabe der direkten URL in den Browser abrufbar. Der Kläger sah hierin einen Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung und forderte die verwirkte Vertragsstrafe ein. Die Berliner Richter gaben dem Kläger Recht und bejahten einen Zahlungsanspruch iHv. 5.100,- EUR. Der Beklagte habe verbindlich erklärt, die Materialien nicht mehr zu veröffentlichen und zu verbreiten. Da die Grafik-Datei - wenn auch nur durch Eingabe der URL - weiterhin öffentlich zugänglich sei, verletze der Beklagte diese Erklärung und mache sich ersatzpflichtig. Daran ändere auch nichts die Tatsache, dass er die Webseite selbst gelöscht hatte. Denn dadurch werde nicht der unberechtigte Zugriff auf den Kartenausschnitt verhindert. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Das LG Berlin erklärt in den schriftlichen Entscheidungsgründen ausdrücklich, dass es seine alte Rechtsansicht nicht weiter aufrecht erhält. Das Gericht hatte Ende 2007 (LG Berlin, Urt. v. 02.10.2007 - Az. 15 S 1/07) geurteilt, dass in solchen Fällen, wo die Datei nur noch durch eine unmittelbare URL-Eingabe abrufbar war, keine Veröffentlichung vorliege. Vielmehr handle sich bei dem Auffinden über eine Bildersuchmaschine nicht um den üblichen Zugangsweg, sondern vielmehr um eine zufällige Kenntnisnahme. Diese Meinung folgt das Gericht nun nicht mehr, sondern teilt explizit mit, dass es sich vielmehr der Rechtsansicht des OLG Hamburg nschließt, das bereits mehrfach (OLG Hamburg, Urt. v. 09.04.2008 - Az.: 5 U 151/07; OLG Hamburg, Beschl. v. 08.02.2010 - Az.: 5 W 5/10) eine urheberrechtswidrige Veröffentlichung in diesen Fällen bejaht hat. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 12. LG Hamburg: Abmahner muss Inhaberschaft von Urheberrechten darlegen _____________________________________________________________ Wird eine urheberrechtliche Abmahnung ausgesprochen, in welcher der Abmahner behauptet, Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte zu sein, muss er seine Aktivlegitimation im Zweifel darlegen können (LG Hamburg, Urt. v. 29.01.2010 - Az.: 308 S 2/09). Eine pauschale Behauptung reicht hierfür nicht aus. In dem Rechtsstreit ging es um die Abmahnkosten aufgrund einer urheberrechtlichen Abmahnung. Die Klägerin behauptete, Inhaberin entsprechender Nutzungsrechte und daher zur Verfolgung der Rechtsverstöße ermächtigt zu sein. Auch nach einem gerichtlichen Hinweis begründete die Klägerin ihren Vortrag bezüglich der Rechteinhaberschaft nicht näher und bot kein ausreichenden Beweis an. Zwar hatte die Klägerin auf ein Parallelverfahren hingewiesen, in dem ihre Rechtsposition bestätigt worden sei. Dieses Urteil wirke jedoch nur zwischen den Parteien und habe daher für das vorliegende Verfahren keine weiterreichende Relevanz. Da die Klägerin ihre Inhaberschaft nicht nachweisen konnte, wies das LG Hamburg die Klage ab. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 13. LG Heilbronn: Unternehmen darf mit nur einem einzigen Bus nicht mit "Fuhrpark" werben _____________________________________________________________ Ein Bus-Unternehmer darf nicht mit der Bezeichnung "Fuhrpark" werben, wenn er lediglich ein einziges Fahrzeug selbst besitzt und alle anderen bedarfsweise anmietet (LG Heilbronn, Urt. v. 10.11.2009 - Az.: 23 O 68/09). Der Beklagte, ein Omnibus-Unternehmen, warb mit der Aussage, dass ihm ein eigener "moderner Omnibusfuhrpark zur Verfügung" stehe. Ein Mitbewerber sah dies als irreführend an, denn in Wahrheit verfüge der Beklagte lediglich über einen einzigen Bus und miete im Bedarfsfalle fremde Fahrzeuge hinzu. Die Heilbronner RIchter gaben dem Kläger Recht und stuften die Werbeaussagen als irreführend ein. Die Bezeichnung "Fuhrpark" erwecke beim Kunden den Eindruck, der Beklagte habe eine Vielzahl von eigenen Fahrzeugen. Der Verbraucher gehe daher von einer gewissen Größe und Marktmacht des betreffenden Unternehmens aus. Gerade dies aber sei im vorliegenden Sachverhalt gerade nicht der Fall. Der Beklagte täusche durch die Werbung über seine wirtschaftliche Bedeutung und Größe, was wettbewerbswidrig sei. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 14. AG München: Überwachungskamera im Hauseingang verletzt Persönlichkeitsrecht _____________________________________________________________ Die Überwachung des Hauseingangs durch eine Kamera stellt einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mieters dar. Dieser wäre nur gerechtfertigt, wenn die Überwachung zur Abwehr schwerwiegender Beeinträchtigungen erforderlich wäre. Ist dies nicht der Fall, kann die Entfernung der Videokamera verlangt werden. Der Vermieter einer Wohnung installierte im Oktober 2008 im Treppenhaus seines Mietshauses im Erdgeschoss eine Videokamera. Die Kamera war von innen auf die Eingangstüre gerichtet und erfasste jede Person, die das Haus betrat und sich im Eingangsbereich aufhielt. Eine Mieterin des Anwesens sah dies und forderte den Vermieter auf, die Kamera zu entfernen. Als er dies verweigerte, erhob sie Klage vor dem AG München. Schließlich sei ihr Persönlichkeitsrecht verletzt. Dies sah der Vermieter anders: Vor dem Anwesen seien Fahrräder gestohlen, die Hauseingangstüre sowie der Hauseingangsbereich mit Farbe besprüht worden. Deshalb sei er berechtigt, die Kamera anzubringen. Der zuständige Richter des AG München gab der Mieterin jedoch Recht: Die Überwachung des Hauseingangs durch eine Kamera – und zwar unabhängig davon, ob eine Speicherung der Bilder erfolge – stelle einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mieters dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse auch die Freiheit von unerwünschter Kontrolle und Überwachung durch Dritte. Dies beinhalte für den Mieter einer Wohnung nicht nur die Freiheit, die eigene Wohnung zu verlassen und zu betreten, ohne dass dies überwacht werde. Es beinhalte auch das Recht, ungestört und unüberwacht Besuch zu empfangen. Der Eingriff wäre allenfalls gerechtfertigt gewesen, wenn die Überwachung zur Abwehr von schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Beklagten erforderlich und eine drohende Rechtsverletzung anderweitig nicht zu verhindern gewesen wäre. Entgegen der Ansicht des Vermieters komme es hierbei nicht darauf an, ob eine offene oder verdeckte Überwachung vorliege. Bei einer offenen Überwachung könne der Mieter zwar sein Verhalten darauf einstellen, dass er überwacht werde, die Überwachungsfunktion und Unfreiheit bleibe aber bestehen. Für eine derartige Rechtfertigung lägen keine Gründe vor. Konkret habe nur ein Vorfall berichtet werden können, bei dem eine Besprühung der Hauseingangstüre, der Klingel, des Lichtschalters und des Gehweges erfolgt sei. Es sei schon fraglich, ob ein einmaliger Vorfall überhaupt ausreichen würde. Eine Überwachung wäre jedenfalls nur gerechtfertigt, wenn diese derartige Vorfälle auch verhindern könnte. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der im Außenbereich besprühte Bereich könne allenfalls bei geöffneter Hauseinganstür von der Kamera erfasst werden. Bei geschlossener Türe nütze die Kamera nichts. Diese sei daher zur Verhinderung von Straftaten nicht geeignet. Das gelte auch für gestohlene Fahrräder, da die Kamera die Abstellplätze nicht erfasse. Das Urteil ist rechtskräftig. Urteil vom 16.10.2009, Az.: 423 C 34037/08 Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 12.04.2010 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 15. Law-Podcasting: Deutsche Datenschutzkontrolle verletzt Europäisches Recht _____________________________________________________________ Auf Law-Podcasting.de, dem 1. deutschen Anwalts-Audio-Blog, gibt es heute einen Podcast zum Thema "Deutsche Datenschutzkontrolle verletzt Europäisches Recht" Inhalt: In den letzten Jahren zeigt sich auf dem Gebiet des deutschen Datenschutzrechts immer mehr, dass der nationale Gesetzgeber Regeln erlässt, die mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sind. Das Bundesverfassungsgericht hat Anfang 2008 aus diesem Anlass ein neues Grundrecht entwickelt: Das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Die Inkompetenz des nationalen Gesetzgebers in puncto Datenschutz lässt sich an den Entscheidungen der Karlsruher Richter, die in stetiger Regelmäßigkeit datenschutzbezogene Gesetze wegen Verstößen gegen Grundrechte aufheben. Nun hat der Europäische Gerichtshof im März 2010 eine Entscheidung (EuGH, Urt. v. 09.03.2010 - Az.: C-518/07)) getroffen, die der deutschen Legislative vollends die Bretter unter dem Boden entzogen hat. Mit dieser Entscheidung beschäftigt sich der heutige Podcast. zurück zur Übersicht |