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Newsletter vom 14.12.2022
Betreff: Rechts-Newsletter 50. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr


1. EuG: Keine Direktklagemöglichkeit gegen Beschlüsse des Europäischen Datenschutzausschusses

2. EuGH: Google muss Suchtreffer löschen, wenn verlinkte Webseite offensichtlich unrichtige Inhalte enthält (Recht auf Vergessen)

3. BAG: Erhebung einer Kündigungsschutzklage im DOCX-Format unzulässig

4. BGH: Zum Schadensersatz von Anton Schlecker wegen des Drogeriekartells

5. OLG Köln: Bezeichnung "BronchoStop" für Hustensaft keine irreführende Bezeichnung

6. VG Berlin: Auch Tantra-Studio ist Prostitutionsgewerbe

7. LG Hannover: Wettbewerbswidrige Werbung im Blog einer Apotheke für verschreibungspflichtiges Arzneimittel

8. LG Hannover: Bloße Weiternutzung des Bankkontos keine konkludente Zustimmung zu geänderten AGB

9. LG Karlsruhe: Online-Marktplatz für apothekenpflichtige Arzneimittel ist verboten = Wettbewerbsverstoß

10. LG Trier: Keine ausreichenden B2B-Beschränkung in einem Online-Shop


Die einzelnen News:

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1. EuG: Keine Direktklagemöglichkeit gegen Beschlüsse des Europäischen Datenschutzausschusses
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Direkte Klagen gegen Beschlüsse des Europäischen Datenschutzausschusses vor dem Europäischen Gerichtshof sind unzulässig. Vielmehr muss der Beschluss vor dem nationalen Gericht angefochten werden, der dem Gerichtshof dann ein Vorabentscheidungsersuchen vorlegen kann (EuG, Beschl. v. 07.12.2022 - Az.: T-709/21).

WhatsApp wollte sich gerichtlich gegen einen Beschluss des Europäischen Datenschutzausschusses wehren, in dem es um die datenschutzrechtliche Bewertung zum Instant Messanger ging.

Das Unternehmen griff die Äußerungen mit einer direkten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an.

Das Gericht entschied nun, dass eine solche direkte Klageerhebung unzulässig sei. Vielmehr müsse Beschluss vor einem nationalen Gericht angegriffen werden. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchen könne das nationale Gericht dann den EuGH einschalten:

"Next, the Court observes that WhatsApp is not directly concerned by the contested decision. In order to be of direct concern to an applicant who is not an addressee of a measure, that measure must, first, directly affect that applicant’s legal situation and, second, leave no discretion to its addressees, who are entrusted with the task of implementing it, such implementation being automatic and resulting from EU rules without the application of other intermediate rules.

As regards the first of those conditions, the Court recalls that the contested decision is not enforceable against WhatsApp in a way that would allow it, without further procedural steps, to be a source of obligations for WhatsApp or, as the case may be, rights for other individuals. In the present case, the contested decision is not the final step of the full procedure provided for by the GDPR."


Und weiter:
"With regard to the second of those conditions, the Court finds that, even though the contested decision was binding on the Irish supervisory authority as regards the aspects to which it related, it left a measure of discretion to that authority as to the content of the final decision, which also covers other aspects, in particular as regards the amount of the administrative fines.

Lastly, the Court notes that the inadmissibility of WhatsApp’s action before it against the contested decision is consistent with the logic of the system of judicial remedies established by the TEU and the TFEU. More specifically, the TFEU, in particular by providing for the possibility of bringing a direct action for annulment before the Court of Justice of the European Union or of making a request to the latter for a preliminary ruling, has established a complete system of legal remedies designed to ensure judicial review of the legality of acts of the European Union, in which the national courts also participate.

Under that system, where persons cannot, by reason of the conditions for admissibility, directly challenge EU acts before the Courts of the European Union, they are able to plead, by way of a plea of illegality, the invalidity of such an act before the national court, which, in turn, is able to make a request to the Court of Justice for a preliminary ruling."



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2. EuGH: Google muss Suchtreffer löschen, wenn verlinkte Webseite offensichtlich unrichtige Inhalte enthält (Recht auf Vergessen)
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Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“): Der Betreiber einer Suchmaschine muss die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen auslisten, wenn der Antragsteller nachweist, dass sie offensichtlich unrichtig sind

Allerdings ist es nicht erforderlich, dass sich dieser Nachweis aus einer gerichtlichen Entscheidung ergibt, die gegen den Herausgeber der Website erwirkt wurde

Zwei Geschäftsführer einer Gruppe von Investmentgesellschaften forderten Google auf, aus den Ergebnissen einer anhand ihrer Namen durchgeführten Suche die Links zu bestimmten Artikeln auszulisten, die das Anlagemodell dieser Gruppe kritisch darstellten. Sie machen

geltend, dass diese Artikel unrichtige Behauptungen enthielten. Ferner forderten sie Google auf, dass Fotos von ihnen, die in Gestalt von Vorschaubildern („thumbnails“) angezeigt werden, in der Übersicht der Ergebnisse einer anhand ihrer Namen durchgeführten Bildersuche gelöscht werden. In dieser Übersicht wurden nur die Vorschaubilder als solche angezeigt, ohne die Elemente des Kontexts der Veröffentlichung der Fotos auf der verlinkten Internetseite wiederzugeben. Anders ausgedrückt, wurde bei der Anzeige des Vorschaubildes der ursprüngliche Kontext der Veröffentlichung der Bilder nicht benannt und war auch im Übrigen nicht erkennbar.

Google lehnte es ab, diesen Aufforderungen Folge zu leisten, und zwar unter Hinweis auf den beruflichen Kontext dieser Artikel und Fotos sowie unter Berufung darauf, nicht gewusst zu haben, ob die in diesen Artikeln enthaltenen Informationen unrichtig seien.

Der mit diesem Rechtsstreit befasste deutsche Bundesgerichtshof hat den Gerichtshof darum ersucht, die Datenschutz-Grundverordnung, die u. a. das Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“) regelt, und die Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr unter Berücksichtigung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auszulegen.

In seinem heutigen Urteil erinnert der Gerichtshof daran, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss.

So sieht die Datenschutz-Grundverordnung ausdrücklich vor, dass das Recht auf Löschung ausgeschlossen ist, wenn die Verarbeitung u. a. für die Ausübung des Rechts auf freie Information erforderlich ist.

Die Rechte der betroffenen Person auf Schutz der Privatsphäre und auf Schutz personenbezogener Daten überwiegen im Allgemeinen gegenüber dem berechtigten Interesse der Internetnutzer, die potenziell Interesse an einem Zugang zu der fraglichen Information haben. Der Ausgleich kann aber von den relevanten Umständen des Einzelfalls abhängen, insbesondere von der Art dieser Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren kann.

Allerdings kann das Recht auf freie Meinungsäußerung und Information dann nicht berücksichtigt werden, wenn zumindest ein für den gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil der in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig ist.
Was zum einen die Verpflichtungen der Person, die wegen eines unrichtigen Inhalts die Auslistung begehrt, anbelangt, betont der Gerichtshof, dass dieser Person der Nachweis obliegt, dass die Informationen offensichtlich unrichtig sind oder zumindest ein für diese Informationen nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist.

Damit dieser Person jedoch keine übermäßige Belastung auferlegt wird, die die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Auslistung beeinträchtigen könnte, hat sie lediglich die Beweise beizubringen, die von ihr vernünftigerweise verlangt werden können. Insoweit kann diese Person grundsätzlich nicht dazu verpflichtet werden, bereits im vorgerichtlichen Stadium eine – auch in Form einer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangene – gerichtliche Entscheidung vorzulegen, die gegen den Herausgeber der betreffenden Website erwirkt wurde.

Was zum anderen die Verpflichtungen und den Verantwortungsbereich des Betreibers der Suchmaschine anbelangt, führt der Gerichtshof aus, dass sich dieser Betreiber infolge eines Auslistungsbegehrens auf alle betroffenen Rechte und Interessen sowie auf alle Umstände des Einzelfalls zu stützen hat, um zu prüfen, ob ein Inhalt in der Ergebnisübersicht der über seine Suchmaschine durchgeführten Suche verbleiben kann. Gleichwohl ist dieser Betreiber nicht verpflichtet, bei der Suche nach Tatsachen, die von dem Auslistungsantrag nicht gestützt werden, aktiv mitzuwirken, um festzustellen, ob dieser Antrag stichhaltig ist.

Folglich ist der Betreiber der Suchmaschine dann, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlegt, die ihr Begehren stützen können und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen offensichtlich unrichtig sind, verpflichtet, diesem Auslistungsantrag nachzukommen. Dies gilt umso mehr, wenn diese Person eine gerichtliche Entscheidung vorlegt, die das feststellt.

Dagegen ist bei Nichtvorliegen einer solchen gerichtlichen Entscheidung dieser Betreiber, wenn sich aus den von der betroffenen Person vorgelegten Nachweisen nicht offensichtlich ergibt, dass die in dem aufgelisteten Inhalt stehenden Informationen unrichtig sind, nicht verpflichtet, einem solchen Auslistungsantrag stattzugeben. Allerdings muss sich die Person, die in einem solchen Fall die Auslistung begehrt, an die Kontrollstelle oder das Gericht wenden können, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den Verantwortlichen anweisen, die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Ferner verlangt der Gerichtshof von dem Betreiber der Suchmaschine, dass er die Internetnutzer über ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren informiert, in dem die Frage geklärt werden soll, ob in einem Inhalt enthaltene Informationen unrichtig sind, sofern dem Betreiber dieses Verfahren zur Kenntnis gebracht worden ist.

In Bezug auf die Anzeige der Fotos in Gestalt von Vorschaubildern („thumbnails“) betont der Gerichtshof, dass die nach einer namensbezogenen Suche erfolgende Anzeige von Fotos der betroffenen Person in Gestalt von Vorschaubildern einen besonders starken Eingriff in die Rechte dieser Person auf Schutz des Privatlebens und der personenbezogenen Daten dieser Person darstellen kann.

Der Gerichtshof stellt fest, dass der Betreiber einer Suchmaschine, wenn er in Bezug auf in Gestalt von Vorschaubildern angezeigte Fotos mit einem Auslistungsantrag befasst wird, prüfen muss, ob die Anzeige der fraglichen Fotos erforderlich ist, um das Recht auf freie Information auszuüben, das den Internetnutzern zusteht, die potenziell Interesse an einem Zugang zu diesen Fotos haben. Insoweit stellt der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse einen entscheidenden Gesichtspunkt dar, der bei der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte zu berücksichtigen ist.

Der Gerichtshof stellt klar, dass eine unterschiedliche Abwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen vorzunehmen ist: Einerseits dann, wenn es sich um Artikel handelt, die mit Fotos versehen sind, die in ihrem ursprünglichen Kontext die in diesen Artikeln enthaltenen Informationen und die dort zum Ausdruck gebrachten Meinungen veranschaulichen, und andererseits dann, wenn es sich um Fotos handelt, die in Gestalt von Vorschaubildern in der Ergebnisübersicht außerhalb des Kontexts angezeigt werden, in dem sie auf der ursprünglichen Internetseite veröffentlicht worden sind.

Im Rahmen der Abwägung hinsichtlich der in Gestalt von Vorschaubildern angezeigten Fotos kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass ihrem Informationswert unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, Rechnung zu tragen ist. Allerdings ist jedes Textelement zu berücksichtigen, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann.

Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-460/20 | Google (Auslistung eines angeblich unrichtigen Inhalts)

Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 08.12.2022

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3. BAG: Erhebung einer Kündigungsschutzklage im DOCX-Format unzulässig
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Eine anwaltlich eingereichte Kündigungsschutzklage in einem Arbeitsgerichtsprozess ist unzulässig, wenn sie im DOCX-Format übermittelt wird. Dies gilt auch dann, wenn das empfangende Gericht die Datei öffnen und lesen kann (BAG, Urt. 25.08.2022 - Az.: 6 AZR 499/21).

Der Anwalt der Klägerin hatte gegen die Beendigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber Kündigungsschutzklage vor Gericht erhoben. Die Klage war elektronisch im WinWord-Format (DOCX) vom Advokaten übermittelt worden.

Das BAG stufte dies als unzulässig ein, sodass die erhobene Klage unzulässig war:

"Die Kündigungsschutzklage ist auch nicht (...) fristwahrend an das Arbeitsgericht übermittelt worden. Das auf elektronischem Wege als Word-Datei eingereichte Dokument erfüllt nicht die Anforderungen an eine formwirksame Einreichung (...), da es nicht im Dateiformat PDF übermittelt worden ist.

Nach § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG muss das elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. (...). ua. geregelt, dass das Dokument im Dateiformat PDF zu übermitteln ist (...)."


Etwas anderes ergebe sich auch nicht dadurch, dass bei Gericht die DOCX-Datei geöffnet und gelesen werden konnte:
"Danach handelt es sich bei einer Word-Datei um ein nicht formwirksam eingereichtes Dokument (...).

Entgegen der Auffassung der Klägerin führt auch die Möglichkeit, dass im Einzelfall durch das bei einem Gericht eingesetzte IT-System die Bearbeitung eines nicht den Formatvorgaben (...) entsprechenden elektronischen Dokuments erfolgen kann, nicht zu seiner Formwirksamkeit. Der Gesetzgeber hat die für die Bearbeitung der elektronischen Dokumente maßgeblichen Anforderungen bundeseinheitlich und verbindlich festgelegt und hierdurch Rechtssicherheit in der elektronischen Kommunikation mit der Justiz geschaffen (...).

Neben dem Gericht soll auch der Verfahrensgegner mit dem eingereichten Schriftsatz arbeiten können. Ihm ist zwar zuzumuten, seine technische Ausstattung auf die Vorgaben (...) auszurichten, nicht aber, sich zusätzlich auf weitere Formate einstellen zu müssen (...).

Der Gesetzgeber hat sich bewusst gerade für das Dateiformat PDF entschieden, weil dieses von den verbreiteten Computersystemen gelesen und regelmäßig ohne Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes dargestellt werden kann. Es bietet Schutz vor Schadsoftware, ist barrierefrei und auch insoweit für die Kommunikation im elektronischen Rechtsverkehr gut geeignet (...). Bereits dieser eindeutig erkennbare Wille des Gesetzgebers steht der von der Klägerin angestrebten teleologischen Reduktion der Formanforderungen (...)entgegen.

Eine „Aufweichung“ des Verständnisses der „Bearbeitbarkeit“ (...) etwa dahin, es genügen zu lassen, wenn sich aus dem eingereichten elektronischen Dokument ein sog. Repräsentat erstellen lässt (...), hätte zudem zur Folge, dass die Formanforderungen vom jeweiligen Empfänger und damit von der technischen Ausstattung der Gerichte und ihrem Umgang mit der Beurteilung, welche Dokumente als bearbeitbar angesehen werden, abhingen (..). Dies würde die bezweckte Rechtssicherheit unterlaufen und insbesondere bei Verweisungen an andere Gerichte und Gerichtsbarkeiten zu Zweifelsfragen führen.

Die Gefahr, dass technische Vorgaben im elektronischen Rechtsverkehr zum bloßen Selbstzweck degradiert werden, besteht deshalb nicht (...)."



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4. BGH: Zum Schadensersatz von Anton Schlecker wegen des Drogeriekartells
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Der Kläger ist Insolvenzverwalter von Anton Schlecker e.K. i.L. (im Folgenden: Schlecker). Er verlangt von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von mindestens 212,2 Mio. €. Schlecker war bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2012 eines der bundesweit größten Einzelhandelsunternehmen für Drogeriemarkenartikel.

Die Beklagten stellen Drogeriemarkenartikel her. Die Preise für die von Schlecker erworbenen Produkte wurden in den Jahren 2000 bis 2012 zwischen der jeweiligen Beklagten und Schlecker bilateral in Jahresvereinbarungen festgelegt.

Das Bundeskartellamt verhängte u.a. gegen die Beklagten Bußgelder wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot gemäß § 1 GWB und Art. 81 EGV (nunmehr Art. 101 AEUV). Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts waren die Beklagten in den Jahren 2004 bis 2006 in unterschiedlichem zeitlichen und sachlichen Umfang an einem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch beteiligt.

Im Kern betraf der Vorwurf den Austausch von Informationen über gegenüber Schlecker beabsichtigte und durchgesetzte Bruttopreiserhöhungen sowie über den aktuellen Stand der Jahresverhandlungen mit Schlecker insbesondere hinsichtlich Rabatten und Sonderforderungen.

Der Kläger behauptet, Schlecker habe aufgrund des Drogeriekartells überhöhte Preise für Drogeriemarkenartikel bezahlen müssen. Schlecker sei dadurch ein Schaden in Höhe von mindestens 212,2 Mio. € entstanden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision hat der Kläger die geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Er hat entschieden, dass ein kartellrechtswidriger Austausch zwischen Wettbewerbern über geheime Informationen, die das aktuelle oder geplante Preissetzungsverhalten gegenüber einem gemeinsamen Abnehmer zum Gegenstand haben, zugunsten dieses Abnehmers den Erfahrungssatz begründet, dass die danach erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die Wettbewerbsbeschränkung gebildet hätten. Betreffen geheime Informationen aktuelles oder geplantes Preissetzungsverhalten, besteht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die an dem Informationsaustausch beteiligten Wettbewerber gemeinsam ein höheres Preisniveau erreichen.

Der Annahme dieses Erfahrungssatzes steht nicht entgegen, dass die Wirkungen eines solchen Informationsaustauschs von den Umständen des Einzelfalls (wie etwa dem auf dem betreffenden Markt herrschenden Bedingungen, dessen Struktur sowie dem mit dem Informationsaustausch verfolgten Zweck) abhängen. Diese Umstände sind vielmehr im Rahmen der Gesamtwürdigung vom Tatrichter darauf zu überprüfen, ob sich daraus Indizien ergeben, die im konkreten Fall den Erfahrungssatz, dem regelmäßig eine starke Indizwirkung zukommt, bestätigen oder entkräften.

Dieser Erfahrungssatz gilt auch für das Drogeriekartell, soweit der Informationsaustausch Listenpreiserhöhungen und die Verhandlungen über von Schlecker geforderte Rabatte und Sonderbedingungen zum Gegenstand hatte.

Das Berufungsgericht hatte zwar einen entsprechenden Erfahrungssatz unterstellt, ihm jedoch rechtsfehlerhaft ein zu geringes Gewicht beigemessen. Seine Annahme, es könne sich keine Überzeugung von einem Schaden Schleckers bilden, beruhte auf einer fehlerhaften Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände und hielt der revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht stand.

Urteil vom 29. November 2022 - KZR 42/20

Vorinstanzen:
Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 10. August 2018 - 2-03 O 239/16
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12. Mai 2020 - 11 U 98/18 (Kart)

Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 29.11.2022

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5. OLG Köln: Bezeichnung "BronchoStop" für Hustensaft keine irreführende Bezeichnung
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Die Bezeichnung "BronchoStop"  für einen Hustensaft ist keine irreführende Bezeichnung, so das OLG Köln (Urt. v. 16.09.2022 - Az.: 6 U 24/22).

Die Beklagte war ein Pharmaunternehmen und vertrieb ein Arzneimittel mit der Bezeichnung "Bronchostop Sine Hustensaft".

Der Kläger stufte diesen Begriff als Irreführung ein. Der Wortbestandteil "Broncho"  werde als Hinweis auf Atemwegserkrankungen verstanden, die Endung "stop" im Sinne von Aufhören, so der Kläger.

Der Verbraucher verstehe den Begriff so, dass die Einnahme des Arzneimittels Husten beende. Diese Erwartung werde jedoch nach dem registrierten Anwendungsgebiet nicht erfüllt, weil Husten und auch nur trockener Husten lediglich gelindert werde.

Das OLG Köln wies die Klage ab und bewertete die Bezeichnung als ordnungsgemäß:

"Wie das Landgericht mit Recht ausgeführt hat, entnimmt der Verkehr aus der Bezeichnung alleine nicht, dass Husten oder Hustenreiz gestoppt wird.

Der Verkehr wird dem Bestandteil „Broncho“ der Bezeichnung „Bronchostop“ zwar entnehmen, dass es sich um ein Arzneimittel handelt, das bei einer Erkrankung im Bereich der Bronchien eingesetzt wird. Der weiteren Bezeichnung „Hustensaft“ wird der Verkehr auch entnehmen, dass das Arzneimittel gegen Husten wirken soll.

Allerdings sind diese Worte nicht kombiniert worden. Vielmehr legt der Wortlaut der Bezeichnung „Bronchostop“ zunächst die sinnfreie Aussage nahe, dass die Bronchien gestoppt werden sollen. Was konkret durch den „Hustensaft“ gestoppt werden soll, ergibt sich aus der Aussage vor diesem Hintergrund nicht.

Vielmehr ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, auf welche Erkrankung oder Fehlfunktion, die sich sodann auf den Husten auswirken, sich der „Stop“ beziehen soll. Der Verkehr wird der dargestellten Bezeichnung daher keine weitere Bedeutung beimessen."


Und weiter:
"Soweit der BGH in der Entscheidung „Grippewerbung III“ (Urteil vom 14.04.1983 – I ZR 173/80, GRUR 1983, 595) davon ausgegangen ist, dass die Kennzeichnungen „Kontragripp“ und „Kontragripp RR“ den Eindruck erweckten, dass die Produkte als Mittel zur Bekämpfung einer Grippe geeignet sind, führen diese Grundsätze zu keinem anderen Ergebnis.

Zwar war in diesem Fall ebenfalls das Verkehrsverständnis der Bezeichnung eines Medikamentes zu prüfen. Durch die Bezeichnungen im damaligen Fall wurde aber gerade deutlich, dass das Mittel selbst gegen Grippe wirken sollte. Nur so konnte die Kombination aus „Kontra“ im Sinne von gegen und „Gripp“, erkennbar für Grippe, verstanden werden.

Im vorliegenden Fall wird aber nicht die Bezeichnung einer Erkrankung mit einem weiteren Begriff kombiniert, sondern eine Abkürzung, die - wie dargelegt - erkennbar für Bronchien steht, die weder bekämpft noch gestoppt werden sollen."



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6. VG Berlin: Auch Tantra-Studio ist Prostitutionsgewerbe
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Der Betrieb eines Tantra-Studios erfordert eine Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG). Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden.

Nach dem ProstSchG bedarf der Betrieb eines Prostitutionsgewerbes der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Antragstellerin betreibt ein Tantra-Studio in Berlin-Charlottenburg.

Sie begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung, dass sie für ihren Betrieb keine Erlaubnis benötige. Sie biete – ähnlich gynäkologischen Untersuchungen – eine „alternativmedizinische Behandlung“ an, die eine umfassende und qualifizierte Ausbildung erfordere. Geschlechtsverkehr werde nicht angeboten. Die Ausstattung ihres Betriebs erinnere an den Wellness- und Spabereich eines Hotels. Ihre Klientel stehe nicht mit Kriminalität in Verbindung.

Die 4. Kammer hat den Eilantrag zurückgewiesen. Der Betrieb der Antragstellerin unterfalle dem ProstSchG und unterliege einem Erlaubnisverfahren.

Nach dem weiten Verständnis des ProstSchG sollten nahezu alle Formen bezahlter sexueller Kontakte erfasst sein, um die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen in diesem Tätigkeitsfeld umfassend zu schützen. Ein Prostitutionsgewerbe i.S.d. Gesetzes betreibe, wer gewerbsmäßig sexuelle Dienstleistungen anbiete oder Räumlichkeiten hierfür bereitstelle, indem er eine Prostitutionsstätte betreibe.

Prostituierte seien danach Personen, die sexuelle Handlungen gegen Entgelt erbrächten.

Diese Voraussetzungen seien im Hinblick auf das Tantra-Studio erfüllt.

Die Antragstellerin habe nicht in Abrede gestellt, sexuelle Dienstleistungen zu erbringen; vielmehr seien sexuelle Handlungen Teil der Massage, bei der auch der Genitalbereich einbezogen werde. Die Behandlung werde gegen Entgelt erbracht; eine zweistündige Massage im Studio der Antragstellerin koste 200 Euro.

Beide Beteiligten seien nackt. Damit ziele die Antragstellerin bewusst auch auf eine sexuelle Erregung ihrer Kundschaft ab. Medizinische Behandlungsmaßnahmen, wie etwa gynäkologische Untersuchungen, die jedenfalls größtenteils bekleidet abliefen, seien mit dem Angebot der Antragstellerin offenkundig nicht vergleichbar. Es bestehe kein Zweifel, dass ein/e objektive/r Beobachter/in der im Betrieb der Antragstellerin angebotenen Behandlung einen Sexualbezug beimessen würde.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erhoben werden.

Beschluss der 4. Kammer vom 17. November 2022 (VG 4 L 460/22)

Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin v. 07.12.2022

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7. LG Hannover: Wettbewerbswidrige Werbung im Blog einer Apotheke für verschreibungspflichtiges Arzneimittel
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In einem öffentlich zugänglichen Blog einer Apotheke darf nicht für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel geworben werden. Eine Werbung liegt bereits bei der Aussage "jetzt wieder lieferbar" vor (LG Hannover, Urt. v. 01.07.2022 - Az.: 18 O 273/21).

Der Beklagte betrieb eine stationäre Apotheke und eine Versandapotheke. Auf seiner Homepage betrieb er auch einen Blog. Dort hieß es u.a.

"S(...) T(...): jetzt wieder lieferbar“

Bei dem Produkt handelt es sich um ein  verschreibungspflichtiges Arzneimittel. 

Die Klägerin sah darin einen Verstoß gegen § 10 HWG, wonach jede Werbung für derartige rezeptpflichtige Produkte in der Öffentlichkeit verboten ist:

§ 10 HWG
(1) Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel treiben, geworben werden. (...)

Dieser Bewertung schloss sich das LG Hannover an und bejahte in der Veröffentlichung eine unerlaubte Werbung:
"Die Zugänglichmachung der betreffenden Information über den der Homepage der Apotheke angegliederten Blog erfüllt die Voraussetzungen einer Werbung.

Grundsätzlich gilt für Arzneimittel ein weiter Werbungsbegriff (...). Unter den Begriff der Werbung fallen alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern (...).

Diesen allgemeinen Werbebegriff des HWG zugrunde gelegt, stellt der Eintrag Werbung für den Verkauf des Strophantinmittels dar.

Von Maßnahmen zur Schaffung von Kaufanreizen ist auszugehen. Verbraucher, die nach einer Quelle zum Bezug von Strophantin-Präparaten suchen, werden auf den Beklagten aufmerksam; ihnen wird u.a. auch durchaus nahegelegt, das Produkt direkt dort bestellen zu können: „jetzt wieder lieferbar“.

Damit ergibt sich eine verkaufsfördernde Wirkung, denn der Verbraucher, der diese Informationen liest, wird im Zweifel seinen Bedarf an diesen Präparaten auch beim Beklagten decken wollen."



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8. LG Hannover: Bloße Weiternutzung des Bankkontos keine konkludente Zustimmung zu geänderten AGB
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In der bloßen Weiternutzung eines Bankkontos liegt keine konkludente Zustimmung zu von dem Kreditinstitut geänderten AGB. Vielmehr bedarf es bei derartigen Änderungen einer ausdrücklichen Zustimmung des Kunden (LG Hannover, Urt. v. 28.11.2022 - Az.: 13 O 173/22).

Die Sparda-Bank Hannover hatte die Weiternutzung eines Bankkontos als stillschweigende Genehmigung in ihre zwischenzeitlich geänderten AGB gewertet.

Die Krediteinrichtung hatte ihren Kunden Folgendes mitgeteilt:

"Wir freuen uns sehr, wenn Sie unser Angebot auf Aktualisierung der allgemeinen Geschäfts- und Sonderbedingungen, dem Preis- und Leistungsverzeichnis sowie dem Preisaushang nunmehr annehmen.

Hierzu haben Sie folgende Möglichkeiten:
1.    Online-Banking
Melden Sie sich im Online-Banking an und folgen Sie einfach den Anweisungen auf dem Info-Layer. Auf diese Weise können Sie die notwendigen Zustimmungen einfach, schnell und sicher erledigen.]

2.    Konkludentes Handeln
Nutzen Sie Ihr Konto/Ihre Konten im gewohnten Umfang einfach weiter. Eine weitere Nutzung Ihres Kontos/Ihrer Konten liegt insbesondere dann vor, wenn Sie
•    eine Überweisung tätigen (beleghaft, am SB-Terminal, telefonisch oder online)
•    Ihre girocard (Debitkarte) oder Mastercard/Visacard (Kreditkarte) am Geldautomaten oder beim bargeldlosen Bezahlen einsetzen
•    gegen einen Rechnungsabschluss nach dessen Zugang keine Einwendungen innerhalb von sechs Wochen erheben und dadurch den Rechnungsabschluss genehmigen. Machen Sie Ihre Einwendungen in Textform geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist.

Ihre Annahme akzeptieren wir bis spätestens 30.12.2022.

Mit Ihrer Annahme gelten die neuen Vereinbarungen (...) frühestens ab dem Monat nach Ihrer Zustimmung ...
Sofern Sie sich endgültig gegen eine Fortführung Ihrer Geschäftsbeziehung mit uns entscheiden und Ihr Konto nicht mehr nutzen wollen, teilen Sie uns dies sowie eine Kontoverbindung (...)"


Dies stufte das LG Hannover als rechtswidrig ein, denn nach der BGH-Rechtsprechung sei eine explizite Willenserklärung des Verbrauchers notwendig:
"Die von der Beklagten mit Schreiben (...) angekündigte Auslegung des Verhaltens ihrer Kunden verstößt (...) gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

aa. Der BGH hat mit Urteil vom 27.04.2021, a.a.O. (unter Rn. 21 - 30, juris) ausgeführt
"(...) Nr. 1 (2) AGB weicht von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, §311 Abs. 1, §§145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifiziert. (...)"

bb. Diese Wertungen treffen allesamt auch auf die von der Beklagten mit Schreiben vom 20.09,2022 erklärte Absicht zu, eine unter Nr. 2 und der Überschrift „Konkludentes Handeln“ (zudem nicht einmal abschließende, sondern lediglich beispielhaft beschriebene) Nutzung des Kontos als Zustimmungserklärung auszulegen.

Die dadurch (bloß unterstellte) konkludente Zustimmung weicht vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab und die Vermutung einer unangemessenen Benachteiligung ist nicht widerlegt, wenn dem Kunden als Verbraucher die Last auferlegt wird, der Vertragsänderung widersprechen zu müssen.

Bleibt er dagegen in diesem Sinne einer ausdrücklichen Zustimmung schlicht untätig und nutzt er lediglich sein Konto durch die Inanspruchnahme vertraglich geschuldeter Leistungen wie gewohnt weiter, geht die Beklagte von einer konkludenten Zustimmung auch in den Fällen aus, in denen der Verbraucher eine solche Zustimmung bislang gerade nicht erteilt hat und auch nicht erteilen will. (...)"


Und weiter:
"Soweit die Beklagte weiter darauf hinweist, dass es den Kunden möglich sei, der Änderung zu widersprechen und dennoch die Geschäftsverbindung weiter zu nutzen, kommt es darauf nicht an, weil die unangemessene Benachteiligung nach Vorgesagtem bereits darin liegt, widersprechen zu müssen."


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9. LG Karlsruhe: Online-Marktplatz für apothekenpflichtige Arzneimittel ist verboten = Wettbewerbsverstoß
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Der Betrieb eines Online-Marktplatz, über den Apotheken apothekenpflichtige Arzneimittel an Verbraucher veräußern, ist gesetzlich verboten und stellt somit einen Wettbewerbsverstoß dar (LG Karlsruhe, Urt. v. 08.12.2022 - Az.: 13 O 17/22 KfH).

Mit Urteil vom heutigen Tage hat das Landgericht Karlsruhe (Kammer für Handelssachen) in einem Rechtsstreit eines (von einem großen niederländischen Anbieter betriebenen) Online-Marktplatzes für Apotheken mit einer Apothekerkammer, deren Mitglieder niedergelassene Apotheker*innen sind, wie folgt entschieden:

Angesichts der Regelungen in § 8 Satz 2, § 11 Abs. 1a ApoG ist es nicht zulässig, für Apotheken eine Online-Plattform bereitzustellen, über welche Apotheken Arzneimittel an Patienten verkaufen können, wobei der Marktplatzbetreiber von den teilnehmenden Apotheken eine monatliche Grundgebühr und eine umsatzabhängige Transaktionsgebühr (letztere auf Verkäufe von rezeptfreien Arzneimitteln) verlangt. Die beklagte Apothekerkammer kann einen entgegen den Vorschriften des Apothekengesetzes erfolgten Betrieb eines solchen Online-Marktplatzes nach den Vorschriften des Wettbewerbsrechts (UWG) untersagen lassen.

Dies ergibt sich insbesondere aus dem vom Gesetzgeber mit den genannten Vorschriften verfolgten Zweck. Der Schutzzweck des § 11 Abs. 1a ApoG liegt im Allgemeininteresse an der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Dafür ist nach der Wertung des Gesetzes ein flächendeckendes Netz wohnortnaher Apotheken erforderlich.

Die Versorgung der Bevölkerung mit wohnortnahen Apothekendienstleistungen kann gefährdet sein, wenn wirtschaftlicher Druck auf die niedergelassenen Apotheken entsteht. Sind solche Marktplätze wie derjenige der Klägerin erst einmal am Markt etabliert, stehen Apotheker*innen vor der Wahl, sich entweder an entsprechenden Geschäftsmodellen zu beteiligen oder Verschreibungen zu verlieren.

Der Gesetzeszweck des § 8 Satz 2 ApoG liegt darin, Rechtsverhältnisse zu vermeiden, in denen sich ein Dritter die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten von Apotheker*innen zunutze macht und an den Früchten der Apotheke partizipiert. Apotheker*innen soll die eigenverantwortliche Führung und Leitung ihres Betriebs sowohl in fachlicher, also wissenschaftlich-pharmazeutischer, als auch in betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht möglich sein, ohne (auch nur indirekt) bei ihren Entscheidungen von Dritten beeinflusst oder bestimmt zu werden.

Dadurch soll sichergestellt werden, dass Apotheker*innen ihrer öffentlichen Aufgabe, eigenverantwortlich an der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mitzuwirken, in sachgerechter Weise nachkommen. Apotheken können, wenn sie sich dem Marktplatz der Klägerin angeschlossen haben, möglicherweise in einigen Jahren aufgrund gestiegener Marktmacht der Klägerin und sich ggf. ändernder Vertragsbedingungen in wirtschaftliche Abhängigkeit geraten, wie dies von anderen Marktplätzen, etwa booking.com, als allgemeinbekannt vorausgesetzt werden kann.

Das Urteil gewinnt zusätzliche Bedeutung vor dem Hintergrund des elektronischen Rezepts, welches seit 01.09.2022 schrittweise in Deutschland eingeführt wird. Dabei übermitteln Arztpraxen die Verordnungsdaten elektronisch an den e-Rezept-Server. Patient*innen erhalten einen Zugangscode, den sie (ggf. unter Nutzung einer e-Rezept-App) einer Apotheke ihrer Wahl bereitstellen. Die Apotheke kann sich damit die Daten vom Server laden und die Medikamente ausgeben. Indem die Abläufe im Gesundheitswesen aufgrund der Einführung des e-Rezepts in naher Zukunft weitaus digitaler sein werden, würden sich die aufgezeigten – möglichen – Entwicklungen am Markt, die der Gesetzgeber gerade verhindern will, nochmals beschleunigen.

Die Klägerin (Marktplatzbetreiberin) kann das Urteil durch Berufung zum Oberlandesgericht anfechten.

Quelle: Pressemitteilung des LG Karlsruhe v. 08.12.2022

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10. LG Trier: Keine ausreichenden B2B-Beschränkung in einem Online-Shop
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Dürfen Waren in einem Online-Shop nur bestimmte Personengruppen erwerben (hier: medizinisches Fachpersonal) erwerben, so sind ausreichende Zugangsbeschränkungen. Ein bloßer Hinweis auf der Webseite und eine Erwähnung in den AGB ist nicht dafür nicht ausreichend (LG Trier, Urt. v. 29.07.2022 - Az.: 7 HK O 20/21).

Die Beklagte bot in ihrem Online-Shop Medizinprodukte( Corona-Antigen-Tests) an, die nur an einen bestimmten B2B-Personenkreis abgegeben werden durfte. Auf der Webseite hieß es dazu:

"Exklusiv für Medizinprofis: Die Angebote dieses Shops sind für Personen, Anstalten, Behörden und Unternehmen bestimmt, welche die Artikel in ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit anwenden."

Der Hinweis war auf jeder Unterseite abgedruckt.

In den AGB war vermerkt:

"Die Angebote dieses Internetshops sind für Personen, Anstalten, Behörden und Unternehmen bestimmt, die die Erzeugnisse in ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit anwenden."

In dem Online-Shop konnten auch Verbraucher bestellen. Dies stufte die Klägerin als wettbewerbswidrig ein und verklagte den Shop-Betreiber.

Zu Recht, wie nun das LG Trier entschied.

Die vorgenommenen Kontrollen seien nicht ausreichend, um sicherzustellen, dass der Abverkauf nur an die gewünschte Personengruppe aus dem B2B-Bereich erfolge:

"Die Beklagte hat aber überdies auch keine geeigneten Kontrollmechanismen zum Ausschluss von Geschäftsabschlüssen beim Bestellvorgang eingebaut.

Entgegen ihren Ausführungen ergibt sich aus den Screenshots vom Bestellvorgang wie auch aus der Inaugenscheinnahme der Homepage der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung, die versehentlich nicht protokolliert wurde, dass der Kunde bei der Bestellung gerade nicht zwingend erklären muss, dass er einer bestimmten Fachgruppe angehört und die Artikel in seiner beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit anwendet.

Es handelt sich dabei nur um den letzten Satz vor dem Button „Kaufen“. In dem ganzen Absatz steht „Ich habe die AGB gelesen und bin einverstanden. Darüber hinaus bestätige ich ausdrücklich einer Fachgruppe anzugehören und die Artikel in meiner beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit anzuwenden.“

Eine ausdrückliche Bestätigung – beispielsweise durch Anklicken eines Kästchens – war nicht erforderlich. Die Beklagte kann dann aber nicht sicher sein, dass der Kunde den Satz wahrgenommen hat, da dieser in einem Fließtext steht, an deren Beginn auf die AGB hingewiesen wird.

Dasselbe gilt letztlich für den auf der Homepage aufgeführten Satz „Exklusiv für Medizinprofis Die Angebote dieses Shops sind für Personen, Anstalten, Behörden und Unternehmen bestimmt, welche die Artikel in ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit anwenden.“ Auch insoweit verlangt die Beklagte keine ausdrückliche Bestätigung dafür, dass es sich bei dem Kunden um eine Person handelt, an die die Produkte verkauft werden dürfen."



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