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Die Klägerin bringt die von ihr hergestellten Bonbons und Schokoladen-Spezialitäten unter anderem in Beuteln in den Verkehr, in denen sich mehrere einzeln mit Bonbonpapier umwickelte oder auf ähnliche Weise umhüllte Stücke befinden.
Bei einer amtlichen Kontrolle stellte das Landesamt für Mess- und Eichwesen des beklagten Landes Rheinland-Pfalz fest, dass auf mehreren der auf diese Weise im Handel angebotenen Produkte zwar das Gesamtgewicht der Süßigkeiten angegeben war, nicht hingegen die Zahl der enthaltenen Stücke.
Es bemängelte das Fehlen der Angabe und leitete gegen einen Mitarbeiter der Klägerin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein. Die Klägerin wandte sich daraufhin an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag festzustellen, dass sie nicht gegen die maßgeblichen Regelungen der LMIV verstoße, wenn sie bestimmte Produkte ihres Sortiments ohne Angabe der Zahl der enthaltenen Stücke in den Handel bringe. Die Klage blieb erfolglos; die hiergegen eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht zurück.
Auch die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Nach Art. 23 Abs. 1 und 3 i.V.m. Anhang IX Nr. 4 LMIV sind auf einer Vorverpackung, die aus zwei oder mehr Einzelpackungen besteht, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind, die Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen anzugeben.
Die Produkte der Klägerin unterfallen dieser Vorschrift.
Für ihre Annahme, die Vorschrift sei auf Vorverpackungen nicht anzuwenden, die kleinere, einzeln verpackte Stücke enthalten, findet sich im maßgeblichen Unionsrecht kein Anhaltspunkt. Die Pflicht zur Angabe der Anzahl der in der Verpackung enthaltenen Stücke greift nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte der Lebensmittelunternehmer ein. Die Angabe hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen zusätzlichen Informationswert und fördert den durch die LMIV verfolgten Zweck, sie bei ihrer Kaufentscheidung in die Lage zu versetzen, das für ihre Bedürfnisse passende Lebensmittel auszuwählen.
Durch diese Pflicht werden die Lebensmittelunternehmer nicht unangemessen belastet. Insbesondere ist es ihnen nach den zugrunde zu legenden Feststellungen des Berufungsgerichts auch angesichts produktionsbedingter Schwankungen des Gewichts der Einzelstücke möglich, Gesamtgewicht und Stückzahl so anzugeben, dass sie nicht gegen die Vorschriften über die maximal zulässigen Füllmengenabweichungen verstoßen.
BVerwG 3 C 15.21 - Urteil vom 09. März 2023
Vorinstanzen:
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 09.03.2023
Die Klägerin bot ihren Kunden in einem kostenpflichtigen Abonnement ein Ratsgebermagazin sowie die Inanspruchnahme telefonischer Beratungs- und Auskunftsdienstleistungen an. Rief der Kunde die Ortsnetzrufnummer an, erhielt er folgende Ansage:
Die BNA erließ gegen das Unternehmen daraufhin ein Rechnungslegungs- und Inkassoverbot, weil es gegen die gesetzlichen Preisangabepflichten verstoßen habe. Es verwende für einen kostenpflichtigen Premium-Dienst eine Ortsnetzrufnummer, was aber unzulässig sei. Dadurch würden zudem zahlreiche Pflichtvorschriften für Premium-Dienste umgangen.
Gegen diesen Bescheid wehrte sich die betroffene Firma.
Jedoch ohne Erfolg:
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass eine rechtswidrige Rufnummernnutzung durch die Antragstellerin vorliegt, weil ihr Geschäftsmodell gegen die Preisregelungen in § 110 und § 112 TKG verstoße. Dabei hat es darauf abgestellt, dass das Telekommunikationsgesetz für sprachgestützte Premium-Dienste in § 110 TKG lediglich eine zeitabhängige Abrechnung je Verbindungsminute und einen Preis pro Verbindung kenne.
Weitere Abrechnungsmöglichkeiten sehe es für sprachgestützte Premium-Dienste nicht vor.
Insbesondere sei ein Abonnementmodell wie das der Antragstellerin, bei dem im Extremfall bei nur einer Verbindung über Jahre hinweg jeweils ca. 12,- Euro monatlich anfallen würden, nicht vorgesehen und damit unzulässig. Angesichts der detaillierten Regelungen, die der Gesetzgeber für zeitunabhängige und zeitabhängige Abrechnungen vorgesehen habe, sei auszuschließen, dass er daneben weitere „atypische“ Abrechnungen ermöglichen wollte.
Auch die Regelung der Preishöchstgrenze des § 112 Abs. 2 TKG, wonach Preise nur erhoben werden dürfen, wenn sie höchstens 30,- Euro pro Verbindung betragen, spreche unter systematischen Gesichtspunkten gegen das Geschäftsmodell der Antragstellerin; denn bei diesem sei die Einhaltung dieser Preishöchstgrenze nicht sichergestellt. Stelle der betroffene Kunde nach dem telefonischen Vertragsschluss – also einer einmaligen Verbindung – keine weiteren Verbindungen mehr her, werde die zulässige Preishöchstgrenze von 30,- Euro pro Verbindung bereits nach 3 Monaten Vertragslaufzeit deutlich überschritten.
Die dagegen von der Beschwerde erhobenen Einwände greifen nicht durch."
Danach dürfen Preise für zeitunabhängig über Rufnummern für Premium-Dienste, Kurzwahldienste und Auskunftsdienste abgerechnete Verbindungen und Dienstleistungen nur erhoben werden, wenn sie höchstens 30,- Euro pro Verbindung betragen, soweit nach Absatz 6 keine abweichenden Preise erhoben werden können.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Einhaltung dieser Preishöchstgrenze bei dem Abonnementmodell der Antragstellerin nicht sichergestellt ist."
Es soll gerade verhindert werden, dass infolge eines Anrufs Kosten entstehen, die einen Betrag von 30,- Euro übersteigen. Eben dieses Risiko besteht, wenn ein Verbraucher telefonisch ein Abonnement für den „XYZ SERVICE“ abschließt. Infolge eines einmaligen Anrufs können für diese Verbindung zeitunabhängige Kosten entstehen, die bereits nach einer neunwöchigen Dauer 31,41 Euro (9 x 3,49 Euro) betragen und damit die Preishöchstgrenze von 30,- Euro überschreiten.
Nach 18 Wochen sind die Kosten für das von der Antragstellerin in Rechnung gestellte Abonnement bereits doppelt so hoch wie die gesetzliche Preishöchstgrenze. Die von der Antragstellerin eingeräumte monatliche Kündigungsmöglichkeit ändert daran nichts. Der durch § 112 Abs. 2 Halbs. 1 TKG bezweckte Verbraucherschutz erfordert, dass in jedem Fall die Einhaltung der Preishöchstgrenze sichergestellt ist und damit das finanzielle Risiko für den Verbraucher von vornherein minimiert wird, ohne dass es seines späteren Tätigwerdens bedarf."
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) hatte eine entsprechende Untersagung gegen einen Access-Provider erlassen, der sich hiergegen wehrte.
Erfolgreich, wie nun das VG Düsseldorf entschied:
Liegen – wie hier – diese einschränkenden Voraussetzungen nicht vor, kommt nach der oben zitierten Literaturauffassung eine Inanspruchnahme des Diensteanbieters nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 nicht in Betracht. Damit sind Access-Provider nicht für unerlaubte Glücksspiele im Internet verantwortlich, zu denen sie lediglich den Zugang vermitteln.
Die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, dass sich die Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 aus der Norm selbst bestimme und nicht auf eine Verantwortlichkeit nach dem TMG abstelle, wird dagegen in Rechtsprechung und Literatur, soweit für das Gericht ersichtlich, bisher nicht vertreten."
Liegen damit überwiegend wahrscheinlich die tatbestandlichen Voraussetzungen des grundsätzlich thematisch einschlägigen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 nicht vor, spricht auch wenig dafür, dass sich an diesem Ergebnis etwas durch die Heranziehung allgemeinerer Vorschriften ändern würde.
Insbesondere dürfte ein Vorgehen auf der Grundlage der Generalbefugnis des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 ausscheiden. Hierfür fehlt es schon – anders als bei § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 – an einem ausdrücklichen, den Anforderungen des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG genügenden Hinweis auf eine Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 GG,"
Die Beklagte warb in ihrer Werbung wie folgt:
Denn die näheren Erläuterungen in den Fußnoten seien nicht hinreichend klar:
Aus diesen Angaben geht für die Verbraucher nicht hervor, welche Produkte konkret von der Werbeaktion der Beklagten ausgeschlossen werden. Den angesprochenen Verkehrskreisen erschließt sich damit nicht, auf welche Waren die Beklagte den angekündigten Rabatt gewährt und auf welche nicht. Damit zielt die beanstandete Anzeige der Beklagten darauf ab, die Verbraucher zu einem Besuch des Einrichtungshauses oder ihrer Webseite zu veranlassen (vgl. BGH GRUR 2018, 199 – 19 % MwSt. GESCHENKT).
Der Hinweistext der Beklagten ist zudem nicht hinreichend transparent und stellt für sich genommen einen Verstoß gegen § 5a Abs. 4 UWG, § 6 Abs. 1 Nr. 3 TMG analog, § 5a Abs. 2 S. 2 UWG dar. So wird nicht eindeutig ersichtlich, dass die 4.999 Euro nach Abzug sämtlicher Rabatte übrigbleiben müssen, um das im Blickfang beworbene Elektrogerät gratis zu erhalten."
Gem. § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. (...)
Die angesprochenen Verkehrskreise benötigen die Angaben zu den von der Werbung des Unternehmers ausgeschlossenen Waren, um informiert eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, sich im Einrichtungshaus oder im Online-Shop des Unternehmers über dessen konkrete Angebote von Möbeln und Küchen zu unterrichten (vgl. BGH GRUR 2018, 199 – 19 % MwSt. GESCHENKT). Fehlen Angaben zur gegenständlichen Beschränkung der Verkaufsförderungsmaßnahme stellt dies ein Vorenthalten wesentlicher Informationen i.S. v. § 5a Abs. 2 UWG dar.
Die Beklagte hätte den angesprochenen Verkehrskreisen alle wesentlichen Informationen in dem für die Verkaufsförderungsmaßnahme verwendeten Kommunikationsmittel in klarer, verständlicher und eindeutiger Weise bereitstellen müssen. Dies ist nicht geschehen.
Der Verweis auf die Webseite der Beklagten in der Werbeanzeige stellt einen „Medienbruch“ dar. Ein „Medienbruch“, d.h. die Verweisung des Verbrauchers von einer Print-, Audio- oder Fernsehwerbung für weitere Informationen auf die Webseite des werbenden Unternehmens, ist jedoch nur zulässig, wenn es unter Berücksichtigung der Eigenart der Verkaufsförderungsmaßnahme und der Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums unmöglich ist, sämtliche wesentlichen Informationen zu der in Rede stehenden Aktion in diesem Kommunikationsmedium bereitzustellen (EuGH, GRUR 2016, 1307 – Canal Digital)."
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) hatte eine entsprechende Untersagung gegen einen Access-Provider erlassen, der sich hiergegen wehrte.
Zu Recht, wie nun das VG Berlin urteilte:
a) Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüstV 2021 hat Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrages begründeten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Nach Satz 2 kann die für alle Länder oder in dem jeweiligen Land zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 kann sie unbeschadet sonstiger im Glücksspielstaatsvertrag und anderen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehener Maßnahmen insbesondere nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote Maßnahmen zur Sperrung dieser Angebote gegen im Sinne der §§ 8 bis 10 des Telemediengesetzes (TMG) verantwortliche Diensteanbieter, insbesondere Zugangsvermittler und Registrare, ergreifen, sofern sich Maßnahmen gegenüber einem Veranstalter oder Vermittler dieses Glücksspiels als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen; diese Maßnahmen können auch erfolgen, wenn das unerlaubte Glücksspielangebot untrennbar mit weiteren Inhalten verbunden ist.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die Antragstellerin ist zwar Diensteanbieterin im Sinne des § 2 Nr. 1 TMG, was jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt, umfasst; als sog. Access-Provider bietet sie als Zugangsvermittlerin Dienste für die Glückspielangebote der Beigeladenen an.
Sie ist aber kein im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG verantwortlicher Diensteanbieter. Nach der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung, der sich das Gericht anschließt, setzt eine Inanspruchnahme nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GIüStV 2021 nämlich auch voraus, dass der jeweilige Dienstanbieter verantwortlich im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG ist (vgl. Liesching, in „Sperrverfügungen gegen Access-Provider in Bezug auf unerlaubte Glücksspielangebote im Internet", ZfWG 2022, S. 404 (405) m.w.N.).
Diese Auffassung hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz unter Verweis auf den eindeutigen Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und die Systematik in dem Parallelverfahren eines dort geschäftsansässigen Diensteanbieters eindrücklich bestätigt (vgl. ausführlich OVG Koblenz, Beschluss vom 31. Januar 2023 – 6 B 11175/22.OVG – juris). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auf die allen Beteiligten bekannten Ausführungen in dem Beschluss und macht sie sich zu eigen."
Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 TMG findet Satz 1 dieser Regelung keine Anwendung, wenn der Diensteanbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen. Eine positive Kenntnis von Drittinhalten und rechtswidrigen Handlungen von Drittanbietern hebt die in § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG geregelte Verantwortlichkeitsprivilegierung hingegen grundsätzlich nicht auf (vgl. Liesching, a.a.O., S. 406 m.w.N.).
Der Verantwortlichkeitsprivilegierung nach § 8 TMG liegt das Regulierungsziel zugrunde, Diensteanbieter von solchen Verantwortlichkeitsrisiken zu befreien, die aus einer rein technischen, automatisierten Durchleitung von Informationen resultieren können (vgl. BT-Drs. 14/6098, 23, 24).
Die Antragstellerin erfüllt die Voraussetzungen dieser Privilegierung. Weder veranlasst sie die Übermittlung der Glücksspielinhalte noch wählt sie diese oder den Adressaten aus. Zudem fehlt es an einem kollusiven Zusammenwirken."
Der Beschuldigte wehrte sich gegen eine polizeiliche Maßnahme. Die Strafverfolgungsbehörden hatten ihm zwangsweise Fingerabdrücke abgenommen und diese eingesetzt, um sein Handy zu entsperren.
Er sah darin eine Verletzung seiner Grundrechte.
Diese Ansicht teilte das LG Ravensburg nicht, sondern beurteilte das Handeln der Polizei ausdrücklich als zulässig.
Bei dieser Maßnahme handelt es sich sicherlich nicht um den klassischen Fall, welcher dem Erlass des § 81b Abs. 1 StPO zugrunde lag. (...) Durch die offene Formulierung wird erreicht, dass sich der statische Gesetzeswortlaut an den jeweiligen Stand der Technik anpasst (...). Mit der „technikoffenen" Formulierung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass auch solche Maßnahmen gedeckt sind, die dem gesetzlichen Leitbild der Abnahme und Verwendung von äußeren körperlichen Beschaffenheitsmerkmalen zu Identifizierungs- oder Tatnachweiszwecken entsprechen (...)"
Inwieweit die Maßnahme notwendig für das Strafverfahren ist, ist eine Frage der noch zu thematisierenden Verhältnismäßigkeit. Die Verwendung von biometrischen Körpermerkmalen zur Entschlüsselung von Daten durch einen Abgleich mit den im Endgerät hinterlegten Schlüsselmerkmalen ist deshalb auch vom Wortlaut umfasst (...)."
Das Entsperren des Mobiltelefons soll in einem nachfolgenden Schritt die Erlangung der auf dem Mobiltelefon gespeicherten Daten ermöglichen. Der Zugriff auf die gespeicherten Daten kann in der Regel mit ähnlicher Begründung auf andere StPO-Normen wie etwa § 110 StPO gestützt werden. Das Entsperren des Speichermediums ist mithin ein notwendiges Zwischenziel. Letztlich sind die dadurch erlangten Daten geeignet, den Tatnachweis für den Verdacht des vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu führen.
Die Maßnahme ist auch erforderlich, weil eine Entsperrung des Mobiltelefons per Code mangels freiwilliger Herausgabe durch den Beschuldigten und Nicht-Auffindens etwaiger Zugangspasswörter bei der Durchsuchung nicht möglich ist. Ein Zugriff auf die gespeicherten Daten kann unter gewissen Umständen je nach Modell zwar auch auf andere Weise erreicht werden. Ein solches Vorgehen ist jedoch aufgrund des Zeit- und Kostenaufwands nicht gleichermaßen effektiv im Vergleich zur hiesigen Maßnahme."
Bei der Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Speicherung der Fingerabdrücke von nur kurzer Dauer ist und der Zweck der Maßnahme mit dem Entsperren des Mobiltelefons erreicht ist. Auch in die Abwägung zu stellen ist der ermöglichte eingriffsintensivere Zugriff auf die gespeicherten Daten, welcher neben dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme tangiert."
Der Münchner Kläger fand an der Briefkastenanlage zwei Werbeflyer des Umzugsunternehmens vor, die in eine Ritze zwischen einem Briefkasten und einem darunter liegenden Spalt der Briefkastenanlage geklemmt waren. Sämtliche Briefkästen der Anlage waren mit dem Hinweis „Bitte keine Werbung einwerfen“ gekennzeichnet.
Nach Auffassung des Klägers habe die Beklagte die Werbeflyer in rücksichtsloser Art verteilen lassen. Die Bewohner des Hauses, die schon keine Werbung erhalten möchten, legten erst recht keinen Wert auf wild abgelegte oder befestigte Reklame. Hierdurch erhöhe sich der Lästigkeitsfaktor erheblich.
Die Beklagte meinte demgegenüber, sie habe die angeblich störende Art einer Verteilung von Werbematerial nicht veranlasst und auch nicht zu vertreten. Die von ihr beauftragten Verteiler seien angewiesen, Werbung nur in Briefkästen einzulegen, die keinen Hinweis enthielten, dass der Nutzer keine Werbung haben möchte.
Die Beklagte verweist außerdem darauf, dass die Briefkastenanlage der Wohnanlage für jeden Passanten zugänglich sei und daher auch unbekannte Dritte das Werbematerial dort abgelegt haben könnten.
Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt.
Der zuständige Richter führte in der Begründung aus:
Eine Besitzstörung ist grundsätzlich anzunehmen durch das Einwerfen von Werbe-Flyern, wenn wie hier erkennbar zu verstehen gegeben wird, dass der Einwurf von Werbung nicht erwünscht ist.
Dem Wohnungsbesitzer steht das Recht aus § 862 BGB zu, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlich-gegenständlichen Sphäre durch das Aufdrängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen.
Zwar wurde im vorliegenden Fall der Werbeflyer nicht in den dem Kläger zugewiesenen Briefkasten gesteckt; der Kläger wurde jedoch jedenfalls in seinem Mitbesitz an der Briefkastenanlage und am Eingangsbereich des Mehrfamilienhauses gestört.
Die Beklagte ist mittelbare Störerin, da sie Flyer der gegenständlichen Art unstreitig auch im streitgegenständlichen Zeitraum in München hat verteilen lassen. Der Einwand der Klägerin, ihre Austräger hätten die Flyer im konkreten Fall nicht verteilt, greift nicht durch. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises kann davon ausgegangen werden, dass Handzettel eines Unternehmens auch von Werbeverteilern, die für das Unternehmen tätig sind, im Zuge von Werbeaktionen eingeworfen wurden.
Hierbei handelt es sich um einen typischen Geschehensablauf. Die pauschale Behauptung, Dritte könnten Handzettel verteilt haben, steht der Bejahung des Anscheinsbeweises nicht entgegen.
Der Beklagten ist es auch im Rahmen der Beweisaufnahme nicht gelungen, Tatsachen zu beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden (atypischen) Ablaufs ergibt.
Auch der Einwand der Beklagten, sie habe die von ihr beauftragten Austräger angewiesen, Werbung nur auf erlaubte Weise zu verteilen, verfängt nicht.
Die Beklagte ist gehalten, die von ihr beauftragten Verteiler eindringlich auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Organisation und Kontrolle der Werbeaktion hinzuweisen, sich über den Einsatz geeigneter Schutzvorkehrungen zu vergewissern, Beanstandungen nachzugehen, schließlich gegebenenfalls dem Anliegen durch Androhung wirtschaftlicher und rechtlicher Sanktionen einen stärkeren Nachdruck zu verleihen.
Zu denken ist hier etwa an eine Vertragsstrafenvereinbarung. Zur Einleitung derartiger Maßnahmen hat die Beklagte jedenfalls nach dem vom Kläger gerügten Verstoß jedoch nichts vorgetragen. (…)“
Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 03.03.2023
Der Betroffene machte einen DSGVO-Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO wegen der Scraping-Vorfälle gegen Facebook geltend.
Das AG München wies die Klage ab, denn es fehle bereits an einem Schaden:
Dieser Aspekt wurde zudem vom Klägervertreter in der Sitzung an späterer Stelle nochmals aufgegriffen, der betont hat, der Vorfall sei ärgerlich, aber tue dem Kläger nicht weh, dieser habe aber ein ungutes Gefühl bzgl. künftiger Schäden. Der Kläger hat diesen Vortrag seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt.
Ein allgemeines und nicht weiter greifbares Unwohlsein alleine in der dargelegten Form genügt dem Gericht jedoch nicht, um von einem immateriellen Schaden ausgehen zu können, da damit die notwendige spürbare Beeinträchtigung nicht festgestellt werden kann (...).,"
Der Kläger hat in seiner mündlichen Anhörung erklärt, dass er auch weitere soziale Netzwerke im Internet nutzte und nutzt - er selbst hat fünf weitere aufgezählt - so dass das Gericht nicht davon überzeugt ist, der behauptete Vorfall sei ursächlich für das Auffinden der Daten des Klägers im Internet und für behauptete vermehrte Spam Nachrichten und Anrufe - bis auf die Telefonnummer, waren es bei Facebook zudem öffentlich auffindbare Daten, die so vom Kläger hinterlegt wurden.
Der Kläger selbst hat hier auch glaubhaft und lebensnah in der mündlichen Verhandlung erläutert, er könne es selbst nicht sagen, ob vermehrte Spam Nachrichten und anonyme Anrufe vom „Facebook.-Vorfall“ herrühren (...)."
Für den Betroffenen sollte eine Betreuung eingerichtet. Dafür wurde er von dem zuständigen Gericht zuvor persönlich angehört.
Dabei reicht es auch, wenn diese Anhörung per Video geschieht:
Das Gericht hat den Betroffenen, der hierbei von der Klinik unterstützt wurde, über eine Video-Anhörung (Webex) persönlich angehört und sich auf diesem Weg auch einen ausreichenden persönlichen Eindruck verschaffen können (§ 278 Abs. 1 FamFG). Gleiches gilt für den Verfahrenspfleger, der ebenfalls über Webex zugeschaltet war. Eine solche Verfahrensweise war vorliegend zulässig (vgl. § 32 Abs. 3 FamFG iVm § 128a ZPO) und aufgrund der Entfernung zwischen Berlin und Offenburg geboten bzw. gegenüber einer Anhörung im Wege der Rechtshilfe vorzugswürdig.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2016, 2559, Rn. 14) steht einer Anhörung im Wege der Video-Konferenz nicht entgegen, zumindest nicht dann, wenn wie hier alle Beteiligten mit einer solchen Verfahrensweise einverstanden sind.
Das Bundesverfassungsgericht fordert in der zitierten Entscheidung eine persönliche Anhörung „im Angesicht“ des Betroffenen, also ein Sehen und - wie auch anders - ein Hören."
Das regelmäßig mittels Videokonferenzanlage übertragene Bild entspricht in etwa der Lebenssituation, wie sie in einer Klinik mit einem in wenigen Metern Entfernung sitzenden Anzuhörenden entsteht. Verhalten, Auftreten, Mimik und Körpersprache des Gegenübers werden direkt übermittelt. Dem Gericht ist es schließlich mit Hilfe der Videokonferenztechnik auch möglich, die Tragweite einer Betreuung oder Unterbringung deutlich zu machen und auch der Betroffene sowie der Verfahrenspfleger haben die unmittelbare Gelegenheit zur persönlichen Äußerung (in diesem Sinne bereits AG Darmstadt, Beschluss vom 12. August 2014 – 50 F 1990/13 –, juris)."
Das Gericht verneinte einen Schadensersatz-Anspruch. Denn es fehle an einem konkreten Schaden:
Es muss der Nachweis eines konkret erlittenen Schadens geführt werden. Ein bloßes Ärgernis über einen Rechtsverstoß reicht nicht aus (...).
Der Kläger hat keine hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkte darlegt, die auf eine nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO anknüpfungsfähige relevante spürbare persönliche Beeinträchtigung schließen lassen. Der Kläger hat nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass er durch den Vorfall einen Kontrollverlust über seine Daten, Ängste, Sorgen, Stress oder sonstige Komforteinbußen, die eine spürbare persönliche Beeinträchtigung begründen, erlitten hat."
Gegen die Behauptungen des Klägers spricht ferner, dass er nach dem Bekanntwerden des Vorfalls das Facebook-Profil ohne weitergehende Änderungen zumindest bis zum 31.10.2022 weiternutzte. Der Kläger hat nicht dargelegt, warum er nicht etwa die Löschung des Facebook-Profils aufgrund seiner vorgeblichen Angst vor einem Kontrollverlust in Erwägung gezogen hat."
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Newsletter
vom 15.03.2023
Betreff:
Rechts-Newsletter 11. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr
1. BVerwG: Pflicht zur Angabe von Gewicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren
2. OVG Münster: Rechnungslegungs- und Inkassoverbot für TK-Premium-Dienst rechtmäßig, wenn Höchstpreise überschritten werden
3. VG Düsseldorf: Sperrungsanordnung für unerlaubte Internet-Glücksspielangebote rechtswidrig
4. LG München I: Irreführende Werbung mit Aussage "20 % Rabatt + zusätzlich 20 % on top in ALLEN Abteilungen"
5. VG München: Sperrungsanordnung gegen Access-Provider für unerlaubte Internet-Glücksspielangebote rechtswidrig
6. LG Ravensburg: Entsperrung von Mobiltelefon durch zwangsweise Abnahme von Fingerabdrücken
7. AG München: "Bitte keine Werbung einwerfen"-Verbot gilt auch für lose abgelegte Werbeflyer
8. AG München: Bei Facebook-Scraping kein DSGVO-Schadensersatz
9. AG Offenbach: Videoverhandlung auch im Betreuungsverfahren möglich
10. AG Waldbröl: User erhält keinen DSGVO-Schadensersatz bei Daten-Scraping auf Facebook
Die einzelnen News:
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1. BVerwG: Pflicht zur Angabe von Gewicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren
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Auf der zum Verkauf bestimmten Verpackung eines Lebensmittels, in der sich mehrere Einzelpackungen befinden, müssen nach der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) auch dann sowohl das Füllgewicht als auch die Anzahl der enthaltenen Einzelpackungen angegeben werden, wenn es sich bei den Einzelpackungen um kleinteilige Einzelstücke - wie etwa einzeln umwickelte Bonbons - handelt.
Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
OVG Koblenz, OVG 6 A 10695/21 - Urteil vom 02. November 2021 -
VG Koblenz, VG 2 K 511/20.KO - Urteil vom 28. April 2021 -
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2. OVG Münster: Rechnungslegungs- und Inkassoverbot für TK-Premium-Dienst rechtmäßig, wenn Höchstpreise überschritten werden
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Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Bundesnetzagentur (BNA) ein Rechnungslegungs- und Inkassoverbot für Premium-Dienste im Telekommunikationsbereich erlässt, wenn die gesetzlichen Höchstpreise überschritten werden (OVG Münster, Beschl. v. 31.01.2023 - Az.: 13 B 155/22).
"Die ersten vier Wochen für die Teilnahme am XY Service sind gratis. Danach betragen die Kosten alle sieben Tage nur 3,49 Euro. Die Kündigung ist jederzeit möglich. Bitte bestätigen Sie die Teilnahme und drücken Sie die Tasten 1 und 9 nacheinander auf Ihrem Telefon."
Drückte der Verbraucher die entsprechende Taste, wurde ein entsprechendes Dauerschuldverhältnis begründet.
"Das Rechnungslegungs- und Inkassierungsverbot ist bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beschwerde zieht die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Zweifel, dass die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage des § 123 Abs. 5 Satz 1 TKG erfüllt sind. (...)
Und weiter:
"Die rechtswidrige Rufnummernnutzung durch die Antragstellerin ergibt sich jedenfalls aus einem Verstoß gegen § 112 Abs. 2 Halbs. 1 TKG (bzw. in Verbindung mit dem Umgehungsverbot des § 122 TKG, soweit der Vertrag unter Nutzung der geographischen Rufnummer zustande gekommen ist und deshalb nicht unmittelbar als Premium-Dienst im Sinne von § 3 Nr. 47 TKG eingestuft werden kann).
Und weiter:
Der Einwand der Beschwerde, die Preishöchstgrenze sei innerhalb der wöchentlichen Abrechnungsperiode ihres Abos oder des für die Telefonrechnung maßgeblichen Monatszeitraums zu beachten, findet im Gesetz keine Stütze. Im Wortlaut der Vorschrift ist ein solches Verständnis nicht angelegt. Im Gegenteil stellt § 112 Abs. 2 TKG ausdrücklich auf den Preis „pro Verbindung“ und nicht – wie die Antragstellerin meint – „pro Abrechnung“ ab. Die Genese der Vorschrift verdeutlicht die Intention des Gesetzgebers, Verbraucher davor zu schützen, durch Inanspruchnahme einer Rufnummer eines Premium-Dienstes einen hohen Geldbetrag zu schulden.
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3. VG Düsseldorf: Sperrungsanordnung für unerlaubte Internet-Glücksspielangebote rechtswidrig
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Das VG Düsseldorf (Beschl. v. 03.02.2023 - Az.: 3 L 2261/22) hat entschieden, dass eine Sperrungsanordnung gegenüber Access-Providern hinsichtlich unerlaubter Internet-Glücksspielangebote rechtswidrig ist, da keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für ein solches Verbot besteht.
"Nach der überwiegend vertretenen Auffassung in der Literatur setzt aber eine Inanspruchnahme nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 voraus, dass der jeweilige Dienstanbieter verantwortlich im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG ist. (...)
Und weiter:
"Die widerspricht auch schon dem Wortlaut der Vorschrift. Das Gesetz spricht hier nämlich ausdrücklich von im Sinne des TMG „verantwortlichen Diensteanbietern“. Dass damit auch Diensteanbieter gemeint sein sollen, die gerade nicht nach §§ 8 bis 10 TMG verantwortlich sind, erschließt sich der Kammer nicht.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Der Beschluss des VG Düsseldorf liegt auf einer Linie mit den Entscheidungen des OVG (Beschl. v. 31.01.2023 - Az.: 6 B 11175/22 OVG) Koblenz und des VG Berlin (Beschl. v. 16.02.2023 - Az.: 4 L 505/22).
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4. LG München I: Irreführende Werbung mit Aussage "20 % Rabatt + zusätzlich 20 % on top in ALLEN Abteilungen"
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Es ist irreführend, mit der Aussage "20 %R Möbel- & Küchen-Rabatt + zusätzlich 20 %R on top in ALLEN Abteilungen" zu werben, ohne nicht gleichzeitig hinreichend transparent darüber zu informieren, wie die genauen Konditionen der Inanspruchnahme sind (LG München I, Urt. v. 12.01.2023 - Az.: 17 HK O 17393/21).
"20 %R Möbel- & Küchen-Rabatt + zusätzlich 20 %R on top in ALLEN Abteilungen"
In den Fußnoten hieß es dann:"„R) X gewährt Ihnen folgende Rabatte: Auf Möbel, Küchen und Matratzen ‚20 % Möbel- und Küchenrabatt‘ und zusätzlich ‚20 % in allen Abteilungen‘, was einer Gesamtminderung von 36 % entspricht. Auf Artikel der Abteilungen Haushalt, Geschenke, Dekoration, Bettwaren, Gardinen Leuchten und Teppiche ‚20 % in allen Abteilungen‘. Beim Kauf einer Küche deren Kaufsumme nach Abzug der gewährten Rabatte ‚20 % Möbel- und Küchenrabatt‘ und zusätzlich ‚20 % in allen Abteilungen‘ mindestens 4.999 € beträgt, schenken wir Ihnen vom 19. bis 21.08.2021 zusätzlich ein Küchengerät Ihrer Wahl im Wert von 599 €. Ausgenommen von diesen Rabatten sind Kaufgutscheine, Bücher, anderweitig reduzierte Produkte, als ‚Tiefpreis‘ oder ‚Aus unserer Werbung‘ gekennzeichnete Artikel sowie Artikel der Marken Q, O, L, T, W, M, Le, AS, Si, W, J, PL, V und C. Alle Preise in Anzeigen und Prospekten sind Endpreise. Aktuelle Prospekte sind auf der jeweiligen Standortseite Ihres X Einrichtungshauses unter www.x.de/standorte einzusehen. Kundenkartensofortrabatt bereits enthalten. Keine Barauszahlung möglich. Gültig für Neukäufe. Gültig bis mindestens 31.08.2021.“
Das LG München stufte dies als irreführend und somit als Wettbewerbsverstoß ein.
"Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellte, der Hinweis (R) sei ein Teil des Blickfangs, ist die dazugehörige Fußnotenauflösung zumindest inhaltlich nicht geeignet, die durch die Werbeanzeige der Beklagten bei den angesprochenen Verkehrskreisen verursachte Irreführung auszuräumen. Die Beklagte verwendet in ihrer Fußnotenauflösung für die angesprochenen Verkehrskreise nicht bestimmbare Angaben wie z.B. „anderweitig reduzierte Produkte“.
Zudem liege auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, denn der Hinweis auf ihre Webseite genüge nicht:
"Soweit auch der beworbene „20 %R Möbel- & Küchen-Rabatt“ eingeschränkt ist, ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (...) gegeben.
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5. VG München: Sperrungsanordnung gegen Access-Provider für unerlaubte Internet-Glücksspielangebote rechtswidrig
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Eine Sperrungsanordnung für unerlaubte Internet-Glücksspielangebote gegenüber Access-Providern ist rechtswidrig, da keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für ein solches Verbot besteht (VG Berlin, Urt. v. 16.02.2023 - Az.: 4 L 505/22).
"Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Anordnungen weder auf die Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 (a) noch auf die Auffangermächtigung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 unter Heranziehung der allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätze über die Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher gemäß § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) (b) gestützt werden können.
Und weiter:
"Die Antragstellerin ist kein in diesem Sinne verantwortlicher Diensteanbieter. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 TMG sind Diensteanbieter für fremde Informationen, zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (Nr.1), den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben (Nr. 3).
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6. LG Ravensburg: Entsperrung von Mobiltelefon durch zwangsweise Abnahme von Fingerabdrücken
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Werden Fingerabdrücke eines Beschuldigten zwangsweise genommen, können diese auch dazu verwendet werden, ein Mobilfunk zu entsperren (LG Ravensburg, Beschl. v. 14.02.2023 - Az.: 2 Qs 9/23).
"Auch die Nutzung der festgestellten Fingerabdrücke für Zwecke des Entsperrens des Mobiltelefons des Beschuldigten. ist als „ähnliche Maßnahme" von § 81b Abs. 1 StPO umfasst. (...)
Und weiter:
"Im weiteren Sinn kommt der Nutzung der festgestellten Fingerabdrücke zum Entsperren eines Mobiltelefons auch eine Identifizierungsfunktion zu (...). Die Identifizierungsfunktion wird hier im Unterschied zum klassischen Fall des § 81b StPO allerdings nicht unmittelbar zum Führen eines Tatnachweises verwendet, sondern als Zwischenziel zur Erlangung der für den Nachweis erforderlichen gespeicherten Daten.
Die erfolgte Maßnahme sei auch verhältnismäßig, so das Gericht:
"Die Abnahme und Verwendung von Fingerabdrücken für das Entsperren des Mobiltelefons ist für Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens notwendig und mithin verhältnismäßig. Insbesondere bleibt das Grundrecht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung hinter dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafrechtspflege zurück. (...)
Und schließlich:
"Die Verwendung der festgestellten Fingerabdrücke ist auch angemessen, da das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aufgrund der hier eher geringen Eingriffsintensität hinter dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung zurückbleibt.
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7. AG München: "Bitte keine Werbung einwerfen"-Verbot gilt auch für lose abgelegte Werbeflyer
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Mit Urteil vom 18.03.2022 untersagte das Amtsgericht München einem Umzugsunternehmen, Werbematerial auf der Briefkastenanlage oder vor dem Hauseingang des von dem Kläger bewohnten Mehrfamilienhauses abzulegen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR angedroht, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten.
„Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 823 Abs. 1, 863 BGB in Verbindung mit § 1004 BGB analog zu. Der Kläger wurde durch die Beklagte in seinem Besitz bzw. Mitbesitz rechtswidrig gestört, es besteht Wiederholungsgefahr und die Beklagte ist Störerin.
Urteil des Amtsgerichts München vom 18.03.2022 - Aktenzeichen 142 C 12408/21
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8. AG München: Bei Facebook-Scraping kein DSGVO-Schadensersatz
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Werden öffentlich zugängliche Daten bei Facebook durch Dritte abgegriffen (sog. Scraping), so hat der Betroffene keinen DSGVO-Schadensersatzanspruch (AG München, Urt. v. 08.02.2023 - Az.: 178 C 13527/22).
"Der Kläger hat persönlich auf Nachfrage des Gerichtes erläutert, ihm habe der Vorfall keine schlaflosen Nächte bereitet, er sei noch nicht einmal aufgeregt gewesen, nachdem er von dem Vorfall Kenntnis erlangt hatte und habe auch nicht seine Einstellungen bei Facebook nachträglich geändert. Insgesamt sei ihm nur unwohl, weil er befürchte, seine Telefonnummer, die im Internet auffindbar ist, könnte für anonyme Anrufe benutzt werden.
Ferner fehle es auch an der notwendigen Kausalität, so das Gericht weiter:
"Im Übrigen fehlt es auch an der Kausalität zwischen behaupteten Datenschutzverstößen und einem Schaden, selbst wenn man diesen anders, etwa allein in Form von Spam Nachrichten und Anrufen und damit letztlich in einem Kontrollverlust über die eigenen Daten begründen wollte.
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9. AG Offenbach: Videoverhandlung auch im Betreuungsverfahren möglich
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Eine gerichtliche Videoverhandlung ist auch im Betreuungsverfahren möglich, d.h. es ist ausreichend, wenn der Betroffene sich per Video äußert (AG Offenbach, Beschl. v. 23.02.2023 - Az.:2 XVII 403/22).
"Der Betroffene hat bei seiner heutigen persönlichen Anhörung der Einrichtung der Betreuung zugestimmt. Auch der Verfahrenspfleger hat der Maßnahme zugestimmt und hält diese für notwendig.
Und weiter:
"Beides ist über Video gewährleistet. Die moderne Videokonferenztechnik lässt ein unmittelbares Gegenüber zu und ist geeignet, die Ziele des § 278 FamFG zu erreichen, wonach ein unmittelbarer Kontakt zum Betroffenen hergestellt werden und das Gericht in die Lage versetzt werden soll, sich ein eigenes Bild von den aktuellen Lebensumständen des Betroffenen zu machen.
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10. AG Waldbröl: User erhält keinen DSGVO-Schadensersatz bei Daten-Scraping auf Facebook
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Werden öffentlich zugängliche Daten bei Facebook durch Dritte abgegriffen (sog. Scraping), so hat ein betroffener User gegen Facebook keinen Anspruch auf DSGVO-Schadensersatz, da ein konkreter Schaden notwendig ist (AG Waldbröl, Urt. v. 12.01.2023 - Az.: 3 C 100/22).
Der Kläger, der bei der Online-Plattform Facebook User war, verlangte von der Plattform einen finanziellen Ausgleich, weil seine Daten durch Scraping abgegriffen worden seien.
"Nach Ansicht des Gerichts setzt der Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO den Nachweis eines konkreten immateriellen Schadens voraus (...). Die bloße Verletzung einer datenschutzrechtlichen Vorschrift begründet allein noch keinen Schadensersatzanspruch.
Und weiter:
"Soweit der Kläger behauptet, er habe durch den Scraping-Vorfall die Angst vor einem Kontrollverlust über seine Daten erlitten, so ist diese Behauptung unplausibel. Die abgerufenen Daten waren bereits vor dem Scraping-Vorfall öffentlich zugänglich. Daran hat der streitgegenständliche Vorfall nichts geändert. Auch vor dem Vorfall waren die Daten bereits für die Allgemeinheit zugänglich und abrufbar. Es liegt insofern durch das Scraping keine Verschlechterung der Position des Klägers vor. Ein Kontrollverlust kann sich hieraus nicht ergeben, weil der Kläger schon vor dem Vorfall die Kontrolle über die Daten insofern abgegeben hatte (...).