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Newsletter vom 15.02.2017
Betreff: Rechts-Newsletter 7. KW / 2017: Kanzlei Dr. Bahr


anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 7. KW im Jahre 2016. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Schwerpunkten Recht der Neuen Medien, Glücksspiel- / Gewinnspielrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutzrecht, Presserecht und Wirtschaftsrecht.

Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Dr-Bahr.com/kontakt.html


1. EuGH: Preisvergleiche bei Unternehmen unterschiedlicher Größe u.U. rechtswidrig

2. BGH: Bei Online-Werbung mit Testsiegeln reicht Angabe der Internetseite aus, Verlinkung nicht erforderlich

3. BGH: Bot-Software "Honorbuddy" und "Gatherbuddy" verletzen Blizzard-Rechte an World of Warcraft

4. OLG Dresden: Fehlender Hinweis auf OS-Schlichtungsplattform bei Amazon-Marketplace-Verkäufer angeblich keine Wettbewerbsverletzung

5. OLG Hamburg: Online-Buchhändler haftet für Persönlichkeitsverletzungen der von ihm veräußerten Werke

6. VGH Mannheim: Berufung gegen Äußerungen der Staatsanwaltschaft Mannheim zugelassen

7. LG Essen: Routerfreiheit gilt auch für Bestandskunden

8. LG Hamburg: Entscheidung im Verfahren Erdogan gegen Böhmermann bestätigtn

9. VG Köln: Bundesrechnungshof muss der Presse Zugang zu Prüfungsmitteilungen gewähren

10. FG Köln: Unternehmen darf Kartellbußgelder nicht von der Steuer abziehen

Die einzelnen News:

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1. EuGH: Preisvergleiche bei Unternehmen unterschiedlicher Größe u.U. rechtswidrig
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Werbung, die Preise zwischen Geschäften unterschiedlicher Art und Größe vergleicht, ist unter bestimmten Umständen nicht zulässig

Eine solche Werbung kann zudem irreführend sein, wenn der Verbraucher nicht in der Werbung selbst auf klare Weise von den Unterschieden in Art und Größe der verglichenen Geschäfte informiert wird

Im Dezember 2012 lancierte Carrefour eine Fernsehwerbekampagne mit dem Titel „Tiefstpreisgarantie Carrefour". Darin wurden die in den Carrefour-Geschäften verlangten Preise für 500 Waren großer Marken mit denen in Geschäften konkurrierender Handelsgruppen (darunter Intermarché-Geschäften) verglichen. Den Verbrauchern wurde angeboten, ihnen die zweifache Preisdifferenz zu erstatten, falls sie die Waren anderswo günstiger fänden. Ab dem zweiten Fernsehwerbespot waren die für den Vergleich ausgewählten Intermarché-Geschäfte ausnahmslos Supermärkte, während die Carrefour-Geschäfte sämtlich Hypermärkte waren. Diese Information erschien nur in kleinerer Schrift unterhalb des Namens „Intermarché".

ITM, ein für die Strategie und Geschäftspolitik der Geschäfte der Intermarché-Handelsgruppe zuständiges Unternehmen, klagt bei den französischen Gerichten auf Unterlassung dieser Werbung sowie auf Schadensersatz wegen irreführender Werbung.

Die mit der Rechtssache befasste Cour d'appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) möchte vom Gerichtshof wissen, ob eine solche Werbung, in der die Preise für in Geschäften unterschiedlicher Größe oder Art vertriebenen Waren verglichen werden, nach der Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung  zulässig ist. Das vorlegende Gericht möchte weiter wissen, ob der Umstand, dass die betreffenden Geschäfte unterschiedlicher Größe und Art sind, eine wesentliche Information ist, die gemäß der Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken  notwendigerweise den Verbrauchern zur Kenntnis zu bringen ist.

Mit seinem heutigen Urteil weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass nach der Richtlinie 2006/114 jede vergleichende Werbung die Preise objektiv vergleichen muss und nicht irreführend sein darf. Gehören aber sowohl der Werbende als auch die Mitbewerber zu Handelsgruppen, die jeweils über eine Reihe von Geschäften unterschiedlicher Größe und Art verfügen, und bezieht sich der Vergleich nicht auf die gleiche Größe und Art, kann die Objektivität des Vergleichs durch diesen Umstand verfälscht werden, wenn dieser Unterschied nicht in der Werbung erwähnt wird.

Die Preise gängiger Verbrauchsgüter können nämlich je nach der Art oder Größe des Geschäfts variieren, so dass ein asymmetrischer Vergleich bewirken könnte, dass der Preisunterschied zwischen dem Werbenden und den Mitbewerbern künstlich erzeugt oder vergrößert wird, je nachdem, welche Geschäfte für den Vergleich herangezogen werden.

Eine Werbung ist zudem irreführend, wenn sie wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, oder die solche Informationen verheimlicht oder auf unklare, unverständliche, zweideutige Weise oder nicht rechtzeitig bereitstellt und daher den Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen kann, die er ansonsten nicht getroffen hätte.

Eine Werbung wie die vorliegend in Rede stehende kann das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers beeinflussen, indem sie ihn dazu veranlasst, eine Entscheidung in dem irrigen Glauben zu treffen, dass er in den Genuss der in der Werbung hervorgehobenen Preisersparnis kommt, wenn er die jeweiligen Waren in allen Geschäften der Handelsgruppe des Werbenden statt in Geschäften konkurrierender Handelsgruppen erwirbt.

Eine solche Werbung wird jedoch nur dann irreführend sein, wenn der Verbraucher nicht darüber informiert wird, dass der Vergleich zwischen den Preisen, die in den Geschäften größeren Umfangs oder größerer Art der Handelsgruppe des Werbenden verlangt werden, und den Preisen stattfindet, die in Geschäften kleineren Umfangs oder kleinerer Art konkurrierender Handelsgruppen ermittelt wurden. Diese Information muss dabei nicht nur auf klare Weise bereitgestellt werden, sondern auch in der Werbebotschaft selbst enthalten sein. Es wird Sache der Cour d'appel de Paris (Berufungsgericht Paris) sein, zu prüfen, ob diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt ist.

Urteil in der Rechtssache C-562/15 Carrefour Hypermarchés SAS / ITM Alimentaire International SASU

Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 08.02.2017

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2. BGH: Bei Online-Werbung mit Testsiegeln reicht Angabe der Internetseite aus, Verlinkung nicht erforderlich
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Bei der Online-Werbung mit Testsiegeln (z.B.  "1. Platz") reicht die Angabe der Internetseite, die den Test durchgeführt hat, aus. Eine Verlinkung ist nicht erforderlich (BGH, Beschl. v. 08.12.2016 - Az.: I ZR 88/16).

Die Beklagte, ein Telekommunikations-Anbieter, warb mit einem "1. Platz"-Emblem der Webseite "billig-tarif.de". Das Angebot war mit dem Angebot von Mitbewerbern verglichen und duch "billig-tarif.de" als beste Leistung gekürt worden.

Im Rahmen der Auseinandersetzung stellte der BGH noch einmal klar, dass bei der Online-Werbung mit derartigen Testsiegeln keine Verlinkung auf die Webseite, die das Testsiegel ausgestellte hatte, erforderlich sei. Vielmehr genüge es, wenn die URL der Webseite selbst angegeben würde. Wörtlich:

"Es wird ferner zu berücksichtigen sein, dass der Bundesgerichtshof im Bereich der Testsiegelwerbung nicht die Schaltung eines elektronischen Verweises (Links) zum Testergebnis verlangt, sondern die Angabe einer Internetseite ausreichen lässt (...)."


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3. BGH: Bot-Software "Honorbuddy" und "Gatherbuddy" verletzen Blizzard-Rechte an World of Warcraft
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Die Rechte von Blizzard am bekannten Spiel "World of Warcraft" werden durch die Bot-Software "Honorbuddy" und "Gatherbuddy" verletzt (BGH, Urt. v. 12.01.2017 - Az.: I ZR 253/14).

Die Karlsruher Juristen bestätigen damit die instanzgerichtliche Entscheidung des OLG Hamburg (Urt. v. 06.11.2014 - Az.: 3 U 86/13), siehe dazu unsere News v. 22.01.15.

Die BGH-Richter sehen im vorliegenden Fall eine gezielte Absatz- und Vertriebsstörung. Durch den Einsatz der Bot-Software könnten die Spielabläufe ganz erheblich manipuliert werden, so dass die Gefahr bestehe, dass die ehrlichen Spieler enttäuscht würden und von der weiteren Nutzung von "Word of Warcraft" Abstand nähmen.

Dadurch würden Blizzard aber ganz erhebliche Einnahme-Verluste drohen.

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4. OLG Dresden: Fehlender Hinweis auf OS-Schlichtungsplattform bei Amazon-Marketplace-Verkäufer angeblich keine Wettbewerbsverletzung
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Nach Meinung des OLG Dresden (Urt. v. 17.01.2017 - Az.: 14 U 1462/16) sind Amazon-Händler nicht verpflichtet, ihre Käufer auf die europäische OS-Schlichtungsplattform hinzuweisen. Vielmehr trifft eine solche Pflicht lediglich Amazon selbst.

Damit bestätigt es die erstinstanzliche Entscheidung des LG Dresden (Urt. v. 16.09.2016 - Az.: 42 HK O 70/16 EV), über die wir bereits berichtet hatten .

Ab dem 9. Januar 2016 gibt es eine neue Informationspflicht für Online-Händler. Diese trifft eine Hinweis- und Verlinkungspflicht auf eine europäische Schlichtungsplattform. Wir hatten über dieses Thema hier und hier ausführlich berichtet.

Das OLG Dresden ist der Meinung, dass sich aus dem Wortlaut der Norm ergebe, dass bei Online-Plattformen die Verpflichtung nur den Plattform-Betreiber selbst treffe, aber nicht den einzelnen Händler:

"Diesen Marktplatz-Betreiber trifft vielmehr eine eigenständige Pflicht, einen Link zur OS-Plattform einzustellen. (...) Da solche Online-Plattformen es Unternehmern ermöglichen, den Verbrauchern ihre Waren und Dienstleistungen anzubieten, sollen sie „gleichermaßen“ zur Bereitstellung des Links verpflichtet sein. Gleichermaßen bedeutet jedoch nicht zugleich; vielmehr ist auf der Website des Online-Markplatzes nicht auch zusätzlich durch jeden dort anbietenden Händler ein entsprechender Link einzustellen. Der Verordnungsgeber hat den Bedarf eines solchen Links auf dem Online-Marktplatz gesehen und ist ihm dort nachgekommen.

Dieser  Bedarf hätte nicht bestanden, wenn auch (jeder) der Onlineshop-Betreiber auf dieser für ihn fremden Website des Online-Marktplatzes seinerseits zusätzlich einen Link zur OS-Plattform bereitzustellen hätte."

Und weiter:

"Dem Zweck, dass möglichst viele Verbraucher Kenntnis von dem Bestehen der OS-Plattform erlangen sollen, läuft dies nicht zuwider. Ein Kaufinteressent, der die Angebotseite des Online-Marktplatzes aufsucht, erhält bereits durch den dafür vorgeschriebenen Link hiervon Kenntnis. Die Hinzufügung eines - oder bei einer Vielzahl von Verkäufern sogar mehrerer - Links auf dieser Seite ist zur Erreichung dieses Zwecks deshalb nicht erforderlich.

Es wäre im Gegenteil auch kontraproduktiv, wenn ein Online-Marktplatz nicht nur den Link des Markplatzbetreibers enthielte, sondern mit einer Vielzahl weiterer – gleichlautender – Links der dort anbietenden Onlineshop-Betreiber überhäuft würde."

Die Mehrzahl der bislang angerufenen anderen Gerichte (u.a. OLG, Urt. v. 25.01.2017 - Az.: 9 W 426/16 und OLG München, Urt. v. 22.09.2016 - Az.: 1 HK O 1019/16) vertritt exakt die gegenteilige Ansicht und bejaht auch die Pflicht für eBay- und Amazon-Händler.

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5. OLG Hamburg: Online-Buchhändler haftet für Persönlichkeitsverletzungen der von ihm veräußerten Werke
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Ein Online-Buchhändler haftet für die Rechtmäßigkeit der von ihm veräußerten Werke. Verkauft er einen Kalender, der unerlaubt Fotos einer bekannten Persönlichkeit enthält, ist er für die Persönlichkeitsverletzungen verantwortlich (OLG Hamburg, Urt. v. 27.01.2017 - Az.: 5 U 138/13)

Die Beklagte war Buchhändlerin und Betreiberin eines Online-Shops. Der Kläger, ein international bekannter Popmusiker, war unerlaubt in einem Kalender abgelichtet, der über die Webseite der Beklagten vertrieben wurde. Der Kalender selbst war von einem Dritten hergestellt worden.

Aufgrund dieses Kalenders nahm der Kläger die Buchhändlerin auf Unterlassung in Anspruch. Die Beklagte wandte ein, dass sie lediglich die Online-Plattform betreibe, für den Inhalt der fremden Bücher aber nicht verantwortlich sei. Sie berief sich auf ihr Privileg als Buchhändlerin.

Das OLG Hamburg hat eine Haftung der Beklagten als Täterin bejaht.

Eine besondere Privilegierung könne die verklagte Buchhändler nicht geltend machen. Erforderlich für den Unterlassungsanspruch sei lediglich die Erfüllung des objektiven Tatbestandes. Ein Verschulden sei nicht erforderlich.

Die Beklagte habe hier selbst den betreffenden Kalender verbreitet und somit die Persönlichkeitsverletzung begangen. Eine Verantwortlichkeit trete somit auch dann ein, wenn sie von der Rechtsverletzung gar keine Kenntnis gehabt habe.

Auf eine besondere Privilegierung könne sich die Online-Buchhändlerin nicht berufen, denn sie sei keine Diensteanbieterin im Sinne der §§ 7 - 10 TMG.

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6. VGH Mannheim: Berufung gegen Äußerungen der Staatsanwaltschaft Mannheim zugelassen
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Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zugelassen, das eine Klage gegen das Land Baden-Württemberg (Beklagter) auf Unterlassung bestimmter Äußerungen der Staatsanwaltschaft Mannheim abgewiesen hatte.

Gegen den Kläger wurde ab dem Jahr 2010 ein Strafverfahren geführt, in dem ihm eine mit einem Messer erzwungene Vergewaltigung seiner früheren Lebensgefährtin zur Last gelegt wurde. Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts Mannheim vom 07.10.2011 vom Tatvorwurf freigesprochen. Im Oktober 2012 wurde an die Staatsanwaltschaft Mannheim eine Presseanfrage gestellt, in der sie um Stellungnahme zu Vorwürfen gebeten wurde, die der Kläger gegen sie in einem damals zur Veröffentlichung anstehenden Buch erhoben hatte. Die Staatsanwaltschaft nahm zu diesen Vorwürfen Stellung und machte hierbei unter anderem Angaben zu den an dem Messer gefundenen DNA-Spuren.

Diese Stellungnahme wurde in einer Fernsehsendung auszugsweise zitiert. Der Kläger war der Auffassung, die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft stelle eine unwahre und unvollständige Tatsachenbehauptung dar, weil sie beim Zuschauer den unzutreffenden Eindruck erweckt habe, die Spurenlage belaste ihn. Der Kläger forderte die Staatsanwaltschaft Mannheim deshalb zunächst außergerichtlich auf, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, was diese u.a. mit der Begründung ablehnte, die von ihr erteilte Presseauskunft sei zutreffend gewesen.

Die vom Kläger anschließend erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, es könne offen bleiben, ob die Äußerungen der Staatsanwaltschaft rechtswidrig gewesen seien. Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe jedenfalls deshalb nicht, weil eine Wiederholung der beanstandeten Äußerung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Hierfür spreche bereits, dass die Stellungnahme in Reaktion auf eine Presseanfrage im Zusammenhang mit der Buchveröffentlichung im Herbst 2012 erfolgt sei und inzwischen mehrere Jahre seit dem Freispruch und der Buchveröffentlichung vergangen seien.

Unabhängig davon stünden inzwischen die zivilgerichtlichen Verfahren des Klägers im medialen Interesse und es sei nicht dargelegt, weshalb dennoch die strafrechtliche Einschätzung der Staatsanwaltschaft noch einmal presserelevant werden könne. Der Kläger beantragte, die Berufung gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen. Dieser Antrag hatte Erfolg.

Der 1. Senat des VGH hat mit Beschluss vom 25.01.2017 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 25.01.2017 zugelassen und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Kläger habe mit seinem Zulassungsantrag die tragende Annahme des VG, dem Kläger stehe mangels Wiederholungsgefahr kein Anspruch auf Unterlassung der in Rede stehenden Äußerung der Staatsanwaltschaft Mannheim zu, hinreichend erschüttert. Der Ausgang des Verfahrens sei offen.

Das Verfahren wird nach Zulassung der Berufung als Berufungsverfahren (1 S 191/17) fortgesetzt.

Quelle: Pressemitteilung des VGH Mannheim v. 13.02.2017

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7. LG Essen: Routerfreiheit gilt auch für Bestandskunden
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Die zum 01.08.2016 eingeführte Routerfreiheit gilt auch für Bestandskunden und nicht nur für Neukunden (LG Essen, Urt. v. 23.09.2016 - Az.: 45 O 56/16).

Im August 2016 ist die sogenannte Routerfreiheit eingeführt worden. Danach dürfen Telekommunikations-Anbieter grundsätzlich den Zugang nicht mehr von der Wahl eines bestimmten Routers abhängig machen. Der Anbieter ist vielmehr verpflichtet, die für die Einwahl notwendigen Zugangsdaten dem Kunden zu übermitteln, damit er das Endgerät seiner Wahl benutzen kann.

Gesetzlich ist die Routerfreiheit in § 11 Abs.3 FTEG (Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen) geregelt:

"§ 11 Inbetriebnahme und Anschlussrecht
(...)
(3) Die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und die Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten dürfen den Anschluss von Telekommunikationsendeinrichtungen an das öffentliche Telekommunikationsnetz nicht verweigern, wenn die Telekommunikationsendeinrichtungen die grundlegenden Anforderungen nach § 3 Absatz 1 erfüllen. Sie können dem Teilnehmer Telekommunikationsendeinrichtungen überlassen, dürfen aber deren Anschluss und Nutzung nicht zwingend vorschreiben. Notwendige Zugangsdaten und Informationen für den Anschluss von Telekommunikationsendeinrichtungen und die Nutzung der Telekommunikationsdienste haben sie dem Teilnehmer in Textform, unaufgefordert und kostenfrei bei Vertragsschluss zur Verfügung zu stellen.
(...)"

Bei dem vorliegenden Rechtsstreit ging es nun um die Frage, ob diese erst kürzlich in Kraft getretene Bestimmung nur Neukunden erfasst oder auch auf bereits bestehende Vertragsverhältnisse Anwendung findet.

Das LG Essen kommt zum Ergebnis, dass die Norm für alle Kunden gilt, seien es Neukunden oder Bestandskunden.

Zwar sei der Wortlaut nicht eindeutig, aber aus dem Sinn und Zweck der Bestimmung ergebe sich eine solche Auslegung. Andernfalls würde nämlich die Neuregelung unterlaufen und die Mehrzahl der Vertragsverhältnisse würde nicht in den Genuss der Routerfreiheit kommen. Dadurch würde aber ein Status Quo bestätigt, der rechtswidrig sei.

Daher könne jeder Kunde sich auf  § 11 Abs.3 FTEG berufen, unabhängig davon, wann er den Vertrag abgeschlossen habe.

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8. LG Hamburg: Entscheidung im Verfahren Erdogan gegen Böhmermann bestätigt
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Der Beklagte, der Fernsehmoderator Jan Böhmermann, hat in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein als „Schmähkritik“ bezeichnetes Gedicht verlesen, in dem er sich mit dem Kläger, dem Präsidenten der türkischen Republik, befasst.

Auslöser des Gedichtes war die Einbestellung des deutschen Botschafters aufgrund eines im ZDF ausgestrahlten Beitrages, der ebenfalls den Kläger zum Gegenstand hat. Die Verlesung des Gedichtes unterbrach der Beklagte mehrfach durch Gespräche mit seinem sogenannten Sidekick Kabelka. Das Gedicht wurde durch Untertitel in die türkische Sprache übersetzt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass er schwer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Das Gedicht sei schlicht rassistisch. Mit einem Großteil der Beschimpfungen würden Türken seit Jahrzehnten beleidigt. Durch die Erklärung des Beklagten in der Sendung „Das kann bestraft werden“ würden übelste Beschimpfungen nicht zu einer zulässigen Satire. Auch der Rechtsbruch zur Illustration sei ein Rechtsbruch.

Der Beklagte hat geltend gemacht, dass er sich auf die Meinungs- und Kunstfreiheit berufen könne. Das Gedicht sei im Gesamtkontext zu beurteilen. Es trage zur öffentlichen Meinungsbildung über die Grenzen von Satire bei. Es sei zudem der Umgang des Klägers mit seinen Kritikern zu berücksichtigen; der Kläger habe die Unterdrückung kritischer Stimmen auf die Spitze getrieben.

Das Gericht hat in seinem heute verkündeten Urteil dieselben Passagen wie im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren untersagt, der Klage – der Kläger wollte das Gedicht insgesamt untersagen lassen – wurde daher nur teilweise stattgegeben. Es hat festgestellt, dass für den Beklagten die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG streitet und dass der Fernsehbeitrag Satire ist.

Ob der Beklagte sich außerdem auf die – anders als die Meinungsfreiheit – vorbehaltlos gewährte Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG berufen kann, hat die Kammer offen gelassen, da dies zu keiner anderen Entscheidung geführt hätte. Zugunsten des Beklagten hat die Kammer bei der vorzunehmenden Abwägung angenommen, dass jener sich auf die Kunstfreiheit berufen kann. Dennoch falle die Abwägung hinsichtlich der untersagten Passagen zu seinen Lasten aus. Zu Gunsten des Klägers hat das Gericht hinsichtlich der nicht untersagten Passagen angenommen, dass die Kunstfreiheit nicht für den Beklagten streitet. Dennoch falle insoweit die Abwägung zu Lasten des Klägers aus.

Die Kunstfreiheit – so das Gericht – sei nach dem Bundesverfassungsgericht zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos. Wenn sie mit anderen Werten wie dem verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht kollidiere, auf das sich auch der Kläger als Ausländer berufen könne, so bedürfe es einer Abwägung. Hierbei sei zu beachten, dass Satire einen großen Freiraum beanspruchen dürfe. Auch eine durch die Kunstfreiheit geschützte Satire könne jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen so in seinem Kernbereich berühren, dass sie zu untersagen sei.

Bei der vorzunehmenden Abwägung hat das Gericht den Gesamtkontext berücksichtigt, in den das Gedicht eingebettet ist, d.h. u.a. den Diskurs des Beklagten mit seinem Sidekick über die Meinungsfreiheit, den Hintergrund mit dem Porträt des Klägers und der türkischen Flagge sowie die Vorgeschichte mit der Einbestellung des deutschen Botschafters.

Bei der Abwägung spielte auch der Umgang des Klägers mit Kritikern eine zentrale Rolle.

Das Gericht betont weiterhin, dass gerade der Kläger als Staatsoberhaupt sich auch besonders heftige Kritik gefallen lassen müsse, da die Meinungsfreiheit aus dem besonderen Bedürfnis der Machtkritik erwachsen sei.

Unter Berücksichtigung des vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstabes müsse der Kläger die untersagten Passagen nicht mehr hinnehmen. Zwar erkenne der Zuschauer, dass beispielsweise die in das Absurde gewendeten Beschreibungen des Sexuallebens des Klägers keinen realen Bezug hätten, aber Beleidigungen oder Beschimpfungen müsse der Betroffene nicht bereits deswegen hinnehmen, weil sie ersichtlich nicht ernst gemeint seien. Im Vordergrund stehe nicht nur die sexuelle Komponente, der Kläger werde als sexbesessene Person dargestellt, sondern es würden zudem als inakzeptabel geltende sexuelle Verhaltensweisen auf den Kläger bezogen, wie „Kinderpornos schauen“.

Der Kläger werde auf eine Stufe mit den beiden im Gedicht genannten österreichischen Sexualstraftätern gestellt. Es würden darüber hinaus nicht nur gegenüber Türken bestehende Vorurteile aufgegriffen, sondern der Kläger werde noch unterhalb eines Schweins bzw. „Schweinefurzes“ stehend beschrieben. Es sei allgemein bekannt, dass für einen Moslem die Verbindung zu einem Schwein besonders verletzend sei. Es werde auch davon ausgegangen, der Beklagte habe gewusst, dass seine Antwort „Dies mache doch keiner“ auf den Einwurf seines Sidekicks, das Gedicht werde doch nicht im Internet verbreitet werden, gerade nicht zutreffe. Das in Rede stehende Setting sei daher mit einer ansonsten üblichen juristischen Diskussion über die Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit nicht vergleichbar.

Das Gericht führt in seinem Urteil aus, dass die Entscheidungen im strafrechtlichen Verfahren nicht gegen die Untersagung sprächen, da die Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft die Frage der Zulässigkeit der Darbietung gerade offen gelassen und eine Einstellung damit begründet hätten, dass kein Vorsatz anzunehmen sei. Die Frage eines Vorsatzes sei für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch jedoch ohne Bedeutung.

Die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die zum Gegenstand hatte, ob ein Verteidiger eine Staatsanwältin gegenüber einem Journalisten u.a. als „durchgeknallt“ bezeichnen dürfe, führe nicht zu einem anderem Ergebnis, da die Kammer, wie bereits im Beschluss zum einstweiligen Verfügungsverfahren ausgeführt, eine Auseinandersetzung in der Sache und damit keine Schmähkritik festgestellt habe. In dem fraglichen Beschluss mache das Bundesverfassungsgericht außerdem deutlich, dass allein die Tatsache, dass keine Schmähkritik vorliege, nicht die Zulässigkeit der Äußerung bedeute.

Die nicht untersagten Passagen erreichen nach Ansicht des Gerichtes nicht die notwendige Schwere, um sie zu untersagen. Zu Lasten des Klägers wirke sich hierbei insbesondere seine Politik in Hinblick auf Kritiker und seine Stellung als Politiker aus.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestehe nur ein Anspruch auf Untersagung, soweit eine Rechtsverletzung vorliege und nicht darüber hinaus. Die Klage, die auch rechtmäßige Passagen zum Gegenstand habe, werde daher zum Teil abgewiesen. Die Rechtsprechung habe lediglich in Ausnahmefällen nicht nur die einzelnen rechtswidrigen Passagen untersagt, sondern das gesamte Werk, wenn durch eine Untersagung nur der rechtswidrigen Aussagen in die künstlerische Gesamtkonzeption unverhältnismäßig eingegriffen worden wäre.

Letzteres sei hier nicht der Fall. Das Gedicht bleibe auch ohne die untersagten Passagen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die konkrete Einbettung fortbestehe, verständlich und eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kläger. Wenn eine Aufteilung nicht für möglich erachtet werden würde, hätte dies zudem nicht zur Folge, dass der Unterlassungsanspruch trotz der festgestellten Rechtswidrigkeit insgesamt abzuweisen wäre, sondern es wäre ihm insgesamt stattzugeben.

(324 O 402/16)

Quelle: Pressemitteilung des LG Hamburg v. 10.02.2017


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9. VG Köln: Bundesrechnungshof muss der Presse Zugang zu Prüfungsmitteilungen gewähren
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Mit einem heute den Beteiligten bekannt gegebenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht Köln in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass der Bundesrechnungshof in Bonn verpflichtet ist, einem Journalisten Zugang zum Wortlaut seiner die Jahre 1999 bis 2006 betreffenden abschließenden Prüfungsmitteilungen hinsichtlich der Prüfung der öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zu gewähren.

Abgelehnt hat es dagegen den Antrag auf Zugang auch zu den vorläufigen Prüfungsmitteilungen noch laufender Prüfungen.

Das Verwaltungsgericht hat in der Sache darauf abgestellt, dass der Journalist einen Anspruch auf Zugang zu den abschließenden Prüfungsmitteilungen glaubhaft gemacht habe. Das Ermessen des Bundesrechnungshofs sei insoweit auf Null reduziert. Berechtigte Interessen, denen gegenüber dem Informationsinteresse Vorrang einzuräumen wäre, lägen nicht vor.

Die besondere Eilbedürftigkeit habe der Journalist mit Blick auf die Bundestagswahlen am 24. September 2017 ebenfalls hinreichend glaubhaft gemacht. Demgegenüber bestehe jedoch kein Anspruch auf Zugang zu noch nicht abgeschlossenen Vorgängen. § 96 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung gewähre nur Zugang zu Prüfungsergebnissen, die abschließend festgestellt wurden. Dies sei hier nicht der Fall.

Gegen den Beschluss steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Beschwerde zu, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheidet.

Az.: 6 L 2426/16

Quelle: Pressemitteilung des VG Köln v. 10.02.2017

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10. FG Köln: Unternehmen darf Kartellbußgelder nicht von der Steuer abziehen
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Ein vom Bundeskartellamt aufgrund verbotswidriger Absprachen verhängtes Bußgeld darf nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Dies gilt auch für den Fall, dass sich die Höhe der Geldbuße am Gewinnpotential der Kartellabsprache orientiert. So hat der 10. Senat des Finanzgerichts Köln in seinem heute veröffentlichten Urteil vom 24.11.2016 (10 K 659/16) entschieden.

Das Bundeskartellamt hatte gegen die Klägerin wegen Kartellabsprachen hohe Bußgelder verhängt. Die Klägerin ging davon aus, dass das Bußgeld zu 49% den aus der Kartelabsprache resultierenden Gewinn abschöpfe und bildete hierfür eine gewinnmindernde Rückstellung. Diese erkannte das Finanzamt jedoch nicht an. Auch die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Der 10. Senat wies die Klage ab, weil aus dem Bußgeldbescheid nicht ersichtlich sei, dass der durch die Kartellabsprache erlangte wirtschaftliche Vorteil bei der Klägerin abgeschöpft werden sollte. Ein Betriebsausgabenabzug im Zusammenhang mit einem Kartellbußgeld komme aber nur in Betracht, soweit das Bundeskartellamt ausdrücklich den unrechtmäßig erlangten Gewinn abschöpfe (sog. Abschöpfungsteil). Der "strafende" Teil des Bußgeldes (sog. Ahndungsteil) könne dagegen nicht steuermindernd berücksichtigt werden.

Es könne nicht unterstellt werden, dass ein Kartellbußgeld immer schon dann auch den wirtschaftlichen Vorteil abschöpfe, wenn sich die Höhe des Bußgeldes nach dem tatbezogenen Umsatz bemesse. Dies ergebe sich bereits aus § 81 Abs. 5 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Danach sei es in das Ermessen des Bundeskartellamts gestellt, ob es den wirtschaftlichen Vorteil abschöpfe.

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens gegen sein Urteil die Revision zum Bundesfinanzhof in München zugelassen (Aktenzeichen des BFH: I R 2/17).

Quelle: Pressemitteilung des FG Köln v. 01.02.2017

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