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Newsletter vom 15.02.2023 |
Betreff: Rechts-Newsletter 7. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. EuGH: Strengere nationale Regelung zur Abberufung eines Datenschutzbeauftragten europarechtskonform _____________________________________________________________ Der EuGH hat die Frage, ob eine strengere. nationale, Regelung zur Abberufung eines Datenschutzbeauftragten europarechtskonform ist, mit einem klaren "Ja" beantwortet (EuGH, Urt. v. 09.02.2023 - Az.:C-560/21). Bei der Entscheidung ging es um die deutsche Regelung in § 6 Abs.4 BDSG, wonach ein wichtiger Grund vorliegen muss, damit ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter abberufen werden kann. Die DSGVO verlangt hingegen keinen solchen wichtigen Grund.
Der amtliche Leitsatz lautet:
"Art. 38 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (...) ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der ein bei einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter beschäftigter Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund abberufen werden kann, auch wenn die Abberufung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängt, sofern diese Regelung die Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung nicht beeinträchtigt." zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. KG Berlin: Unerlaubte E-Mail-Werbung trotz Einwilligung auch dann, wenn Newsletter mit kürzerer Frequenz verschickt wird _____________________________________________________________ Eine unerlaubte E-Mail-Werbung ist trotz Einwilligung auch dann gegeben, wenn der Newsletter in kürzerer Frequenz (anstatt 1x wöchentlich mehrfach) verschickt wird (KG Berlin, Urt. v. 22.11.2022 - Az.: 5 U 1043/20). Dem Sachverhalt lag eine ganz besondere Konstellation zugrunde. Es lag eine wirksame Einwilligung in die wöchentliche Zusendung von Werbung per E-Mail zu. Die Beklagte schickte unterschiedliche Werbe-Nachrichten jedoch innerhalb einer Woche mehrfach und wich damit von der vorgegebenen Frequenz ab.
Das KG Berlin stufte dies als unzumutbare Belästigung und somit als Spam ein:
"Das Charakteristische der Verletzungshandlung besteht vorliegend darin, dass E-Mails mit werblichem Inhalt nicht im Wochenabstand, sondern in kürzerer Frequenz versandt werden, obwohl eine Einwilligung nur hinsichtlich eines wöchentlichen Versandes erteilt worden ist. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. VGH Kassel: Betroffener hat bei datenschutzrechtlicher Klage Wahlrecht bei örtlicher Zuständigkeit _____________________________________________________________ Erhebt ein Betroffener gegen den Verantwortlichen eine datenschutzrechtliche Klage, hat er ein Wahlrecht bei der örtlichen Zuständigkeit. § 44 BDSG ergänzt insofern nämlich die DSGVO, sodass die Klage entweder am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen oder am Sitz des Verantwortlichen erhoben werden kann (VGH Kassel, Beschl. v. 01.12.2022 - Az.: 10 B 1898/22).
Im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung hatte das Gericht zu überprüfen, inwieweit dem Kläger bei einem DSGVO-Anspruch ein Wahlrecht für die gerichtliche Zuständigkeit zusteht:
"Zwar räumt Art. 79 Abs. 2 DS-GVO dem Kläger (...) kein Wahlrecht bezüglich des örtlich zuständigen Gerichts ein. (...) zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. LG Frankfurt a.M.: Unerlaubte Domain-Übertragung ist strafbare Datenveränderung _____________________________________________________________ Eine unerlaubte Domain-Übertragung ist eine strafbare Datenveränderung nach § 303a StGB (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 22.09.2022 - Az.: 2-28 O 173/22). Der Kläger, ein Verein, begehrte von dem Beklagten, dem ehemaligen Vereins-Vorstand, die Domain der Vereinigung zurück. Der Beklagte hatte die Inhaberschaft unerlaubt an sich selbst übertragen.
Das LG Frankfurt a.M. bejahte einen Anspruch und stellte zudem fest, dass in dem nicht genehmigten Transfer eine strafbare Handlung liege:
"Der Verfügungskläger war berechtigter Inhaber der streitgegenständlichen Domain (...). Er war auch Inhaber des zugehörigen Kontos beim Provider (...) SE, bei dem die Domain registriert war. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 5. LAG Hannover: Kündigung des Arbeitsvertrages wegen ehrverletzender Äußerungen in einem privaten WhatsApp-Chat unwirksam _____________________________________________________________ Die Kündigung eines Arbeitsvertrages wegen ehrverletzender Äußerungen in einem privaten WhatsApp-Chat unwirksam (LAG Hannover, Urt. v. 19.12.2022 - Az.: 15 Sa 286/22). Der Kläger wehrte sich gegen eine Kündigung durch die Beklagte, seinen Arbeitgeber. Die Firma hatte gegenüber dem Kläger wegen ehrverletzender Äußerungen außerordentlich das Vertragsverhältnis beendet.
In einer privaten WhatsApp-Chat-Gruppe hatte sich der Kläger über die Beklagte herabwürdigend geäußert. Zu den Nachrichten hatten nur 7 Personen Zugang, die alle untereinander langjährig befreundet waren und zudem alle bei der Beklagten angestellt waren.
Die Aussagen des Klägers lauteten u.a.:
"Drecks L. stellt es so hin als würden wir hier alle nur rausfliegen weil die Piloten geblockt habenUnd weiter: "Ich hasse ihn und den ganzen LadenUnd weiter: "Covidioten sollten vergast werden (…) Der Arbeitgeber erfuhr von der Unterhaltung, weil einer Chat-Personen die Informationen weiterreichte. Das LAG Hannover stufte die außerordentliche Kündigung des Unternehmens als unbegründet ein. Der Arbeitgeber habe zwar die erhaltenen Informationen verwerten dürfen, da diese keinem Beweisverwertungsverbot unterlägen, so das Gericht.
Es sei aber bei der Frage, ob ein wichtiger Grund für eine Kündigung vorliege, zu berücksichtigen, dass die Äußerungen in einem rein privaten Umfeld gefallen seien:
"Bei Äußerungen gegenüber Familienangehörigen und Vertrauenspersonen, die in einer Sphäre fallen, die gegen die Wahrnehmung durch den Betroffenen oder Dritte abgeschirmt ist, tritt der Aspekt der Ehrverletzung eines von der Äußerung Betroffenen gegenüber dem einer freien Entfaltung der Persönlichkeit des sich Äußernden zurück. Zum Persönlichkeitsschutz gehört unter den Bedingungen eines besonderen Vertrauensverhältnisses die Möglichkeit des Einzelnen, seine Emotionen frei auszudrücken, geheime Wünsche oder Ängste zu offenbaren und das eigene Urteil über Verhältnisse und Personen oder eine entlastende Selbstdarstellung freimütig kundzugeben. (...) Und weiter: "Die Annahme der Vertraulichkeit ist nicht wegen der Größe der Chatgruppe ausgeschlossen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es läuft das Revisionsverfahren vor dem BAG (2 AZR 19/23). zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. LG München I: Focus-Siegel für Ärzte ("Top-Mediziner") ist irreführend _____________________________________________________________ Die 4. Kammer für Handelssachen hat heute der Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale hinsichtlich der Verleihung und Publizierung sog. „Ärzte-Siegel“ gegen einen Verlag stattgegeben (Az 4 HKO 14545/21). Der Kläger beanstandete, dass die Beklagte gegen Entgelt an Ärztinnen und Ärzte Siegel verleiht, die sie als sogenannte „Top Mediziner“ bzw. „Focus Empfehlung“ auszeichnen. Einmal im Jahr erscheint bei der Beklagten das Magazin „FOCUS Gesundheit“ unter dem Titel „Ärzteliste“. Gegen eine zu bezahlende Lizenz in Höhe von rund 2.000 EUR netto erhalten Ärzte ein Siegel unter der Rubrik „FOCUS EMPFEHLUNG“, das sie sodann werbend benutzen können und dies auch (unter Angabe der Fachrichtung bzw. des Landkreises) tun. Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot. Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als „TOP-Mediziner“ bezeichnet bzw. als „FOCUS-Empfehlung“ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen. Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sog. Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet. Hierzu führt die Kammer Folgendes aus: Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auffassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden. Nach der Lebenserfahrung habe der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwarte, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen. Tatsächlich sei es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse. Vielmehr seien von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt würden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten, wie z. B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit. Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NJW 2003, 277, Juve-Handbuch, zu Grunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren. Hiervon unterscheide sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend: Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt. Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen zu finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 13.02.2023
Der beklagte Autokonzern beschrieb und bewarb im April 2022 auf seiner Internetseite eines seiner Modelle unter der Rubrik „Verbrauch und Emissionen“ mit Werten in räumlicher Nähe zu dem Zusatz „WLTP“. Die von ihm angegebenen Werte waren jedoch nicht mit dem WLTP berechnet, sondern mit dem NEFZ. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Methoden der Verbrauchs- und Abgasberechnung. Die beim (neueren) WLTP berechneten Werte liegen regelmäßig über denen des NEFZ. Nach Abmahnung durch den klägerischen Umweltverein änderte der beklagte Autohersteller seine Darstellung, lehnte jedoch die Abgabe eine strafbewehrten Unterlassungserklärung ab. Hiergegen wandte sich der Kläger in seiner Klage auf Unterlassung. Das Gericht bejahte im Ergebnis eine Irreführung von Verbrauchern. Der Gefahr der Fehlvorstellung, dass es sich bei den ausgewiesenen Werten um WLTP-Werte handelt, seien insbesondere Verbraucher ausgesetzt, denen die Bedeutung des Zeichens „WLTP“ bereits bekannt sei, d.h. die wüssten, dass es sich dabei um eine Abkürzung für eine Prüfmethode bei der Verbrauchs- und Schadstoffberechnung handele und dass der WLTP den NEFZ abgelöst habe. Anders als die Beklagte geltend mache, sei das Zeichen „WLTP“ nämlich nicht ausreichend abgesetzt von den ausgewiesenen Werten, um eine gedankliche Verbindung auszuschließen. Es sei zwar in Fettdruck geschrieben, aber das sei die Überschrift „Verbrauch & Emissionen“ auch. Das Zeichen „WLTP“ sei jedenfalls nicht merklich größer als die Überschrift. Dass es in Großbuchstaben geschrieben sei, stelle bei Kenntnis von der Abkürzungsfunktion ebenfalls keinen Umstand dar, der eine selbständige, unabhängige Stellung des Zeichens „WLTP“ nahelege. Zuletzt sei der Abstand zwischen der Überschrift zu den konkret angegeben Werten der gleiche wie der zwischen den Werten und dem Zeichen. Dass das Zeichen „WLTP“ auf der Internetseite einen Link zu einer anderen Seite mit den richtigen WLTP-Werten beinhalte, beseitige die Gefahr einer Fehlvorstellung nicht. Die Verlinkung sei von außen nicht erkennbar. Der Verbraucher stoße allenfalls zufällig darauf, wenn er mit der Maus über das Zeichen fahre. Insoweit könne nicht davon ausgegangen werden, dass dies häufig geschehe. Hinzu komme, dass zur Vermeidung einer Fehlvorstellung der Verbraucher dann den Link auch noch betätigen und anhand der verlinkten Angaben erkennen müsse, dass die zuerst angegebenen Werte NEFZ-Werte seien. Auch daran bestünden erhebliche Zweifel, da die verlinkte Seite über die Werte hinausgehend keinerlei Erklärung enthalte. Insoweit bleibe die Situation für den Verbraucher auch nach Kenntnis der Unterseite verwirrend, weil ihm nirgends klar mitgeteilt werde, dass die zuerst angegebenen Werte solche nach dem NEFZ seien. Es sei auch davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Verbraucher zur Zeit des Verstoßes im April 2022 entsprechend informiert war, d.h. Kenntnis von der Existenz und Bedeutung des WLTP hatte. Durch den sog. „Dieselskandal“, bei dem festgestellt wurde, dass Abgaswerte von Personenkraftwagen im Prüfverfahren nach dem NEFZ manipuliert wurden, sei das Thema der Prüfmethode der Abgas- und Verbrauchswerte bei Kraftfahrzeugen seit Mitte der 2010er-Jahre stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt und werde entsprechend viel diskutiert. Bereits im Jahr 2018 sei dann der WLTP eingeführt worden. Auch dies sei nicht nur in der Fachpresse im Automobilbereich, sondern auch in der allgemeinen Presse thematisiert worden. Die Gefahr einer wesentlichen Beeinflussung der Verbraucher sei hier zweifellos zu bejahen, so das Gericht: „Für die Verbraucher sind Verbrauchswerte, aber auch Abgaswerte ein zunehmend wichtiges Kriterium bei der Beurteilung von Personenkraftwagen. Geht der Verbraucher von falschen (insbesondere besseren) Werten aus, hat dies offensichtlich Einfluss darauf, ob er sich weiter - im Internet oder real - mit dem Fahrzeug beschäftigt.“ Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 07.02.2023
Die Kläger sind Geschäftsführer bzw. stellvertretende Geschäftsführer des Deutschen Umwelthilfe e.V.. Sie machen mit der Klage geltend, der PKW-Vertrieb des beklagten Automobilherstellers führe zu Treibhausgasemissionen, die zu zwingenden rechtswidrigen Eingriffen in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger führten. Produktion und Vertrieb der PKW seien daher, zeitlich gestaffelt, auf ein Höchstmaß an Treibhausgasemissionen zu begrenzen. Ein darüber hinaus gehender weiterer Vertrieb von PKW durch das beklagte Automobilunternehmen sei zu untersagen. Der beklagte Automobilhersteller ist der Auffassung, der von den Klägern aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Anspruch scheitere schon daran, dass die Begrenzung von Fahrzeugemissionen auf europarechtlicher Ebene harmonisiert sei. Die europäischen Regelungen, die der beklagte Automobilhersteller umfassend befolge, gingen dem hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch vor. Jedenfalls sei auch der Vortrag der Kläger zu den zukünftigen Auswirkungen der Treibhausgasemissionen auf das soziale Leben und den damit einhergehenden zu befürchtenden Einschränkungen zu abstrakt, um darauf Unterlassungsansprüche zu stützen. Schließlich ergebe sich im Rahmen einer Gesamtabwägung mit den grundrechtlich verbürgten Berufs- und Eigentumsfreiheiten des beklagten Automobilherstellers, dass die beantragte Vertriebsunterlassung nicht zu begründen sei. Das Landgericht hat entschieden, dass der von den Klägern geltend gemachte Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Derzeit drohe jedoch noch kein rechtswidriger Eingriff in den Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Nach jetziger Abwägung aller Umstände seien die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung deshalb unbegründet. Zu berücksichtigen sei bei der gebotenen Interessenwägung, dass sowohl der nationale als auch der europäische Gesetzgeber eine Vielzahl von Regelungen erlassen habe, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Diesen Regelungen lägen umfassende Abwägungen der Interessen und Belange aller Beteiligten zu Grunde. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss vom 24. März 2021, Az. 1 BvR 2656/18, mit Gesetzeskraft entschieden, es könne aktuell nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber seinen durch die Grundrechte vorgegebenen Spielraum insofern überschreite. Ausgehend auch von dieser aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seien keine Besonderheiten ersichtlich, die gegenwärtig zu einer abweichenden zivilrechtlichen Bewertung führten. Über die öffentlich-rechtlichen Pflichten hinausgehende zivilrechtliche Pflichten der Beklagten, etwa wegen Fehlens einer gesetzlichen Regelung, bestehen nach Auffassung der Kammer jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Regierung wie Gesetzgeber werden zudem stets die Effektivität ihrer Maßnahmen zur Sicherung der Klimaschutzziele zu überprüfen haben, wobei gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen sein werden. Im Ergebnis sei daher der von den Klägern geltend gemachte, auf ihr intertemporales Allgemeines Persönlichkeitsrecht gestützter Abwehranspruch derzeit nicht begründet. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 07.02.2023
Die Klägerinnen betreiben eine Prostitutionsstätte in Speyer, die neben zehn Arbeitszimmern zur Erbringung sexueller Dienstleistungen, einem Lagerraum, drei Bädern und zwei Empfangsräumen auch einen mittels Vorhang und Tür abgetrennten und als „Privat“ gekennzeichneten Sozialraum mit Küche und Wintergarten sowie 11 Ruheräume und ein großes Bad für die Prostituierten und sonstigen Beschäftigten umfasst. Bei einer Routinekontrolle zur Überwachung der Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften am 13. Juni 2022 betraten Mitarbeiter der beklagten Stadt Speyer auch diese als „Privat“ gekennzeichneten Räumlichkeiten, wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob dies mit Erlaubnis einer Mitarbeiterin der Klägerinnen geschah. Dies halten die Klägerinnen für rechtswidrig, da die Beklagte bei den Kontrollen im Rahmen ihrer Überwachungspflichten auf den „konzessionierten Bereich“, d.h. den auch für Kunden zugänglichen Bereich, in dem sexuelle Dienstleistungen erbracht werden, beschränkt sei. Das Betreten der als „Privat“ gekennzeichneten Räumlichkeiten stelle indes eine Verletzung ihres Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz dar. Dem trat die Beklagte insbesondere unter Berufung auf die seitens einer Mitarbeiterin der Klägerin erteilte Erlaubnis zum Betreten der Räumlichkeiten entgegen.
Die 4. Kammer des Gerichts wies die Klage mit folgender Begründung ab:
Dafür, dass darunter auch die als „Privat“ gekennzeichneten Räumlichkeiten der Klägerinnen zu fassen seien, spreche bereits der Umstand, dass schon die Erlaubnis zum Betrieb der Prostitutionsstätte auf den Grundrissplan des Betriebs verweise und dabei keine Unterscheidung zwischen einem „Privatbereich“ und einem Geschäftsbereich treffe. Auch kenne weder das Prostituiertenschutzgesetz noch die Gewerbeordnung einen Unterschied zwischen einem konzessionierten und einem nicht konzessionierten Bereich. Darüber hinaus sei die Vorhaltung von Ruheräumen zum Betrieb einer Prostitutionsstätte verpflichtend und bei dem Antrag auf Erlaubniserteilung nachzuweisen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Mitarbeiter der Beklagten diese Räumlichkeiten zu einem anderen Zweck als dem der gewerberechtlichen Überwachung betreten hätten. Vor diesem Hintergrund stelle das Betreten der Räume der Prostitutionsstätte auch keinen Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung dar. Zwar unterfielen auch reine Betriebs- und Geschäftsräume diesem Grundrecht, ein - grundsätzlich dem Richtervorbehalt unterliegender - Eingriff liege aber dann nicht vor, wenn Kontrollbehörden diese auf Grundlage einer konkreten Ermächtigungsgrundlage zu den üblichen Geschäftszeiten lediglich zu dem Zweck der Überwachung betreten würden. Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden. Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 26. Januar 2023 – 4 K 602/22.NW
Quelle: Pressemitteilung des VG Neustadt v. 10.02.2023
"ChatGPT & Bing: Rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen für Webseiten-Betreiber, Agenturen und Online-Verlage" Die Veranstaltung ist kostenfrei. Anmeldungen können hier vorgenommen werden. Datum: 02.03.2023 Uhrzeit: 11:00 - 12:30 Uhr |