anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 50. KW im Jahre 2004. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien, Gewerblicher Rechtsschutz, Wirtschaftsrecht und Gewinnspiel- / Glücksspielrecht.
Neben den Entscheidungen des BGH (SIM-Lock-Entfernung ist Markenverletzung; unzulässige Veröffentlichung früherer Promi-Fotos) sind hier vor allem die Urteile des OLG Hamm (doch keine wettbewerbswidrige Suchmaschinen-Beeinflussung), des AG Potsdam (Identitätsklau bei eBay-Account) und des AG Gronau (keine Strafbarkeit bei Anbieten von privaten Sportwetten) zu nennen. Aus dem außergerichtlichen Bereich gibt es folgende Neuigkeiten zu vermelden: RegTP: Preisobergrenze für Rufnummern-Mitnahme, umstrittene Lycos-Anti-Spam-Kampagne und zwei neue Aufsätze von RA Dr. Bahr.
Die Kanzlei Heyms & Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Heyms-DrBahr.de/findex.php?p=kontakt.html
Die Themen im Überblick:
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1. BGH: SIM-Lock-Entfernung bei Handy ist Markenverletzung
2. BGH: Unzulässige Veröffentlichung früherer Promi-Fotos
3. OLG Hamm: Doch keine wettbewerbswidrige Suchmaschinen-Beeinflussung
4. OLG Stuttgart: Werbung mit veralteten Preisempfehlungen wettbewerbswidrig
5. KG Berlin: Wiederholungsgefahr auch bei Löschung d. Rechtsverletzung
6. AG Potsdam: Identitätsklau bei eBay-Account
7. AG Gronau: Keine Strafbarkeit bei Anbieten von privaten Sportwetten
8. RegTP: Preisobergrenze für Rufnummern-Mitnahme
9. Rechtlich umstrittene Anti-Spam-Kampagne von Lycos
10. c´t: Aktuelle Berichte zu Suchmaschinen
11. In eigener Sache: Neue Aufsätze von RA Dr. Bahr
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1. BGH: SIM-Lock-Entfernung bei Handy ist Markenverletzung
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Der BGH (Urt. v. 09.06.2004 - Az.: I ZR 13/02 = http://snipurl.com/bd1u) hatte darüber zu entscheiden, ob das Entfernen des SIM-Locks bei Handys eine Markenverletzung ist.
Die Klägerin ist Inhaberin einer eingetragenen Marke für Mobilfunkgeräte. Sie verkäuft Handys mit einem entsprechenden SIM-Lock, so dass die Geräte die ersten 24 Monate nur über einen einzigen Netz-Betreiber benutzt werden können. Nach Ablauf dieser Frist können die Geräte dann genutzt werden.
Die Beklagte hatte ohne Genehmigung der Klägerin 150 Handys entsperrt und zum Verkauf angeboten.
Hierin sah die Klägerin eine Verletzung ihrer Marke und bekam vom BGH Recht. Hauptproblem dabei war der Grundsatz der Erschöpfung. Gemäß § 24 Abs.1 MarkenG hat ein Markeninhaber keinen Anspruch auf Unterlassung gegen einen Dritten, wenn dieser die Marke für Waren benutzt, die mit Genehmigung des Markeninhabers nach Deutschland eingeführt wurden.
Im vorliegenden Fall erklärten die Richter die Ausnahme-Regel zur Erschöpfung gem. § 24 Abs.2 MarkenG für anwendbar. Danach muss sich der Markeninhaber mit der Namensverwendung durch einen Dritten nicht einverstanden erklären, wenn berechtigte Gründe gegen die Weiterbenutzung sprechen.
"Die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes (...) hängt (...) davon ab, ob die Klägerin sich dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzen kann, insbesondere ob der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert worden ist. Denn der Inhaber eines Zeichenrechts kann Handlungen verbieten, welche die Herkunfts- und Garantiefunktion seines Zeichens verletzen (...).
Eine solche Beeinträchtigung ist anzunehmen, wenn die Veränderung die Eigenart der Ware berührt (...). Dies gilt unabhängig davon, ob die Änderung des Produkts sichtbar ist oder nicht."
Auf den konkreten Fall übertragen bedeutet dies:
"Haben die Beklagten - wie die Klägerin behauptet hat - die installierte durch eine andere Software ersetzt, ist von einer Änderung der Eigenart der Mobiltelefone der Klägerin auszugehen, ohne daß es darauf ankommt, ob sich hierdurch die Funktion der Mobiltelefone verschlechtert hat. Denn die Produktänderung i.S. von § 24 Abs. 2 MarkenG erfordert nicht die Feststellung einer Verschlechterung der mit der Marke gekennzeichneten Originalware (..). Doch auch wenn die Mobiltelefone - wie die Beklagten behaupten - ohne Eingriff in die installierte Software entsperrt worden sind, ist ebenfalls eine Veränderung der mit der Marke der Klägerin gekennzeichneten Mobiltelefone anzunehmen.
Auch in diesem Fall wird auf eine Eigenschaft der mit der Marke der Klägerin gekennzeichneten Mobiltelefone eingewirkt. Es wird ihr Verwendungszweck verändert, den die Markeninhaberin beim Inverkehrbringen der Mobiltelefone vorgesehen hat. Zu den Merkmalen, auf die sich die Garantiefunktion der Marke bezieht, gehört die von der Klägerin vorgesehene Sperrfunktion, deren Vorhandensein von den Betreibern von Mobilfunknetzen (...), die zu den Kunden der Klägerin gehört, erwartet wird. Wird diese Sperrfunktion aufgehoben, reicht ein derartiger Eingriff in die Eigenschaften der Mobiltelefone der Klägerin aus, um die Erschöpfung (...) auszuschließen."
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2. BGH: Unzulässige Veröffentlichung früherer Promi-Fotos
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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in drei neuen Entscheidungen zu der Frage Stellung genommen, inwieweit sich Prominente auch die Veröffentlichung von Fotos aus der Zeit vor Erlangung ihrer prominenten Stellung gefallen lassen müssen.
Der BGH hatte über die Revisionen in drei Klagen zu entscheiden, bei denen es um die Veröffentlichung von Fotos der (neuen) Lebensgefährtin des inzwischen geschiedenen Ehemanns von Uschi Glas ging. (Urteile vom 19. Oktober 2004, Az.: VI ZR 291/03 = http://snipurl.com/bd1w, VI ZR 292/03 = http://snipurl.com/bd1x, VI ZR 293/03 = http://snipurl.com/bd1y)
Die Klägerin unterhält seit 2001 zu dem seinerzeitigen Ehemann von Uschi Glas eine Beziehung. Über diese Beziehung und die Krise der inzwischen geschiedenen Ehe von Uschi Glas wurde in der Presse umfangreich berichtet. Mittlerweile haben sich der geschiedene Ehemann von Uschi Glas und die Klägerin als Paar in der Öffentlichkeit mehrfach gezeigt, insbesondere über ihre Beziehung Interviews gegeben und dazu Fotos fertigen lassen.
Die Klagen richteten sich gegen die Veröffentlichung von Fotos der Lebensgefährtin in drei Zeitschriften, die sie zum einen vor einem Verkaufsstand beim Nachgehen ihrer Erwerbstätigkeit zeigen, zum anderen bei einem Spaziergang mit dem früheren Ehemann von Uschi Glas. Beide Fotos wurden zu einer Zeit aufgenommen, als sich beide noch nicht in der Öffentlichkeit gezeigt hatten.
Der BGH hat die Veröffentlichung des Fotos, auf dem die Lebensgefährtin vor ihrem Verkaufsstand abgebildet ist, als zulässig erachtet. Die Veröffentlichung des Fotos, auf dem sie mit dem früherem Ehemann von Uschi Glas bei einem Spaziergang abgebildet ist, sei dagegen unzulässig.
Die Klägerin sei jedenfalls seit ihrem öffentlichen Auftreten an der Seite von Uschi Glas ehemaligem Ehemann als relative Person der Zeitgeschichte einzuordnen, so dass eine Bildberichterstattung nach § 23 Abs.1 Nr. 1 KUG grundsätzlich zulässig sei. Niemand könne sich auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die er selbst der Öffentlichkeit preisgegeben habe.
„Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt, soweit sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden.“
Die Klägerin habe sich selbst mit ihrem öffentlichen Auftritt an die Öffentlichkeit gewandt, ihre Identität und ihre Rolle als neue Lebensgefährtin des ehemaligen Ehemanns auch gegenüber der Boulevardpresse offengelegt und dies sowohl mit dem von ihr gebilligten Interview ihres Partners als auch mit der Einwilligung in von ihr und Ehemann dabei angefertigten Fotografien dokumentiert.
Insoweit könne die Klägerin auch nicht gegen die Veröffentlichung des Fotos vorgehen, das sie in neutraler Situation vor ihrem Verkaufsstand zeigt. Trotz seines fehlenden Bezuges zu dem zeitgeschichtlichen Vorgang (der Ehekrise und –scheidung von Uschi Glas) könne das Foto veröffentlicht werden, weil es die Klägerin in ihrer Sozialsphäre bei Ausübung ihrer geschäftlichen Tätigkeit zeige, zu der sie sich ausweislich eines Interviews öffentlich bekannt habe.
„Die Verwendung kontextneutraler Fotoaufnahmen bei der Presseberichterstattung ist nicht zu beanstanden, wenn weder die Veröffentlichung des jeweiligen Fotos als solche noch der Zusammenhang, in dem es gebracht wird, das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten beeinträchtigen.“
Anders sei dies bei dem Foto, das die Klägerin mit dem ehemaligen Ehemann von Uschi Glas bei einem Spaziergang zeigt und noch vor der öffentlichen Bekanntwerdung ihrer Beziehung entstanden ist.
„Das Foto zeigt die Klägerin nicht nur in einer erkennbar privaten Situation, sondern stammt auch aus einer Zeit, zu der sie ihre Privatsphäre noch nicht preisgegeben habe und zu der seine Veröffentlichung mangels eines berechtigten Informationsinteresses als rechtswidrig anzusehen war.“
Auch die inzwischen geänderten Umstände durch das öffentliche Bekenntnis der Klägerin und des früheren Ehemanns von Uschi Glas zu ihrer Beziehung könnten eine Veröffentlichung derartiger Umstände nicht rechtfertigen.
„Dass ein Foto geeignet sein kann, einen inzwischen von der abgebildeten Person der Öffentlichkeit preisgegebenen Teil ihres Privatlebens zu illustrieren, reicht nicht aus. Wer möglicherweise unter dem tatsächlichen Druck einer nicht mehr rückgängig zu machenden Berichterstattung an die Öffentlichkeit tritt, muss nicht hinnehmen, dass die nunmehr im Grundsatz zulässige Berichterstattung über ihn mit Fotos bebildert wird, die der Öffentlichkeit zunächst nur unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugänglich gemacht werden konnten. Insoweit kann ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht bejaht werden.
Diesem Interesse kann ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, daß zulässig zu veröffentlichendes Bildmaterial aus neuerer Zeit verwendet wird.“
Der BGH hat sich mit diesen Entscheidungen eindeutig zu der Veröffentlichung von Fotos von Prominenten, die aus der Zeit vor Erlangung ihres Prominentenstatus stammen, geäußert: Danach ist jede Veröffentlichung von Fotos unzulässig, die schon zu dem früheren Zeitpunkt rechtswidrig war, und an der kein berechtigtes Informationsinteresse besteht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht für völlig wertfreie, so genannte kontextneutrale Fotos.
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3. OLG Hamm: Doch keine wettbewerbswidrige Suchmaschinen-Beeinflussung
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Das OLG Hamm (Urt. v. 09.12.2004 - Az.: 4 U 115/04) hatte über die Berufung gegen das Urteil des LG Essen (Urt. v. 26.05.2004 - Az.: 44 0 166/03 = PDF = http://snipurl.com/auo2) zu entscheiden. Das LG hatte geurteilt, dass das Auflisten vieler hundert HTML-Metatags ohne jeden inhaltlichen Zusammenhang zu einer Internetseite zu einer Manipulation von Suchmaschinen führt und somit wettbewerbswidrig ist, vgl. die Kanzlei-Info v. 02.08.2004 = http://snipurl.com/bd21
In der mündlichen Verhandlung nun machten die OLG-Richter klar, dass Handeln des Beklagten zwar durchaus kritikbedürftig sei, die Grenze zur Wettbewerbswidrigkeit aber im vorliegenden Fall (noch) nicht überschreite. Auch liege weder eine Irreführung des Verkehrs noch eine gezielte Mitbewerber-Behinderung vor.
Daraufhin nahm die Klägerin ihre Klage zurück. Das Verzichtsurteil enthält somit keine Entscheidungsgründe. Das Urteil des LG Essen aus der 1. Instanz ist damit aufgehoben.
Zum Problem der unsachlichen Suchmaschinen-Beeinflussung vgl. auch unsere Rechts-FAQ "Recht der Neuen Medien", Punkt 16 "Meta-Tags / sonstige Beeinflussung von Suchmaschinen" = http://snipurl.com/5env
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4. OLG Stuttgart: Werbung mit veralteten Preisempfehlungen wettbewerbswidrig
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Das OLG Stuttgart (Urt. v. 04.11.2004 - Az.: 2 U 129/04) hat entschieden, dass die Werbung mit veralteten Preisempfehlungen wettbewerbswidrig ist.
"Die Zulässigkeit einer Werbung mit einer unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers beurteilt sich danach, ob seitens des Herstellers eine unverbindliche Preisempfehlung in der Erwartung ausgesprochen wird, dass der empfohlene Preis dem von der Mehrheit der Empfehlungsempfänger voraussichtlich geforderten Preis entspreche. (...)
Von der Fortgeltung einer Preisempfehlung kann daher regelmäßig nicht mehr ausgegangen werden, wenn der Hersteller diese nicht mehr allgemein, etwa in seinen aktuellen Preislisten, anführt, denn es fehlt danach an dem Willen des Herstellers, noch Einfluss auf die Preisbildung des Handels zu nehmen."
Um dem Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit zu entgehen, könne jedoch mit dem Hinweis einer ehemaligen Preisempfehlung geworben werden:
"Die vorliegend vertretene Auffassung bedeutet auch keine Vernachlässigung der anerkennenswerten Interessen des Händlers an einer wirksamen Werbung. Diesem bleibt die Möglichkeit, in der Zeit nach Fortfall der unverbindlichen Preisempfehlung mit dem Hinweis auf eine „ehemalige UVP“ zu werben, wie dies üblicherweise auch geschieht. Für die Zubilligung einer Übergangsfrist besteht jedenfalls bei einer mehr als 2 Monate nach Erscheinen der neuen Preisliste erfolgten Werbung mit einer UVP keine Veranlassung."
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5. KG Berlin: Wiederholungsgefahr auch bei Löschung d. Rechtsverletzung
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Das KG Berlin (Beschl. v. 15.11.2004 - Az.: W 154/04) hatte darüber zu entscheiden, welche Anforderungen an eine Wiederholungsgefahr zu stellen sind, wenn der Rechtsverletzer seine rechtswidrige Handlung schon eingestellt hat.
Das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ist Voraussetzung, um eine Klage gegen den Rechtsverletzer betreiben zu können.
Im vorliegenden Fall nahm der Kläger die Beklagte wegen einer fehlerhaften Internetäußerung in Anspruch:
"B (...) hat mehrere Projekte ohne Ausschreibung an eine parteieigene Wahlkampfagentur vergeben."
Der Kläger wies die Beklagte daraufhin, dass diese Äußerung falsch war. Daraufhin änderte die Beklagte ohne Hinweis auf die vorhergehende Version diese Erklärung ab. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die erste Äußerung nachweislich falsch war.
Der Kläger erhob daraufhin Klage. Die Beklagte wandte ein, für die Klage bestehe schon deswegen kein Bedürfnis, weil sie ja inzwischen die Veränderungen vorgenommen habe und demnach keine Gefahr drohe, dass die Rechtsverletzung sich wiederhole.
"Dem Beschwerdegegner [= Kläger] stand ein Unterlassungsanspruch (...) zu. Insbesondere war auch die Wiederholungsgefahr bis zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung der Beschwerdeführerin [= Beklagte](...).
Ist bereits ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfolgt, besteht eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr. Zwar kann diese Vermutung widerlegt werden.
Grundsätzlich entfällt die Wiederholungsgefahr aber nur dann, wenn der Verletzer dem Verletzten gegenüber eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgibt. Ohne eine solche Erklärung ist die Verneinung der Wiederholungsgefahr allenfalls in ganz ungewöhnlichen Ausnahmefällen denkbar. Im Deliktsrecht kann hierbei der Schwere des Eingriffs, den Umständen der Verletzungshandlung, dem fallbezogenen Grad der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung und vor allem der Motivation des Verletzers für die Entkräftung der Vermutung der Wiederholungsgefahr Gewicht zukommen.
Im Interesse des Rechtsschutzes des Betroffenen, der bereits einmal das Opfer eines Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht geworden ist, müssen an die Widerlegung der Vermutung der Wiederholungsgefahr jedoch hohe Anforderungen gestellt werden. (...)."
Und weiter:
"Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt.
Allein der Umstand, dass die Beschwerdeführerin den (...) auf der Internetseite (...) erschienen Bericht von sich aus berichtigte und (...) nur noch die berichtigte Version verbreitet hat, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Es kommt in diesem Zusammenhang gar nicht darauf an, ob es für den Beschwerdegegner erkennbar war, dass es sich um eine freiwillige Korrektur gehandelt hat."
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6. AG Potsdam: Identitätsklau bei eBay-Account
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Das AG Potsdam (Urt. v. 03.12.2004 - Az.: 22 C 225/04 - PDF = http://snipurl.com/bd2b) hatte darüber zu entscheiden, ob die bekannte Online-Plattform eBay gegenüber ihren Nutzern verpflichtet ist, Sicherheitsmaßnahmen gegen den Identitätsklau vorzunehmen.
Der Account des Klägers wurde mehrfach durch Dritte zu Transaktionen missbraucht. Der Kläger informierte daraufhin jeweils eBay. Die betreffenden Dritten wurden ausgeschlossen. Schließlich teilte eBay nach mehrmaligem Missbrauch der Identität mit, dass sie Anmeldungen über die Identität des Klägers vom Online-Handel ausgeschlossen habe. Der weitere Versuch eines Dritten, einen Account unter der Anschrift des Klägers einzurichten, scheiterte daher.
Dies reichte dem Kläger jedoch nicht aus, sondern er wollte weitergehende Sicherheitsmaßnahmen von eBay. Diesem Begehren entsprach nun das AG Potsdam:
"Der Beklagten ist es grundsätzlich nicht zuzumuten, jede Transaktion die über ihre Internetplattform abläuft, zu beobachten. Dies würde zum Einen dem Geschäftsmodell der Beklagten und anderen Anbietern in diesem Geschäftsbereich entgegenstehen und zum Anderen entspricht dies auch nicht den Grundsätzen, nach denen Unternehmen sonst für Rechtsverletzungen haften (...).
Im Streitfall bedeutet dies, dass die Beklagte eine Identitätsprüfung nur in einem ihr zumutbaren Rahmen durchführen muss."
Und weiter:
"Im Streitfall hat der Kläger die Beklagte jedoch erstmals mit (...) E-Mail vom 14.11.2003 auf den „Identitätsklau" und den damit verbundenen Missbrauch hingewiesen. In diesem Fall ist die Beklagte verpflichtet, Transaktionen unter dem Namen des Klägers zu verhindern (...).
Dem steht nicht entgegen, dass (...) es sich bei dem Internet und somit auch bei Internetauktionen bzw. der Registrierung bei Internetauktionsportalen um ein durchaus risikobehaftetes Medium bzw. um risikobehaftete Geschäfte handelt.
Zu beachten ist nämlich auch, dass die Beklagte durch die Schaffung eines Internetauktionsportals auch eine Gefahrenquelle geschaffen hat, die einen Identitätsdiebstahl relativ einfach ermöglicht. Dem steht nicht entgegen, dass es im Streitfall recht einfach ist, sich u.a. das Geburtsdatum des Klägers aus dem Internet zu beschaffen. (...)
Daraus folgte jedoch nicht, dass die Beklagte bei bekannten Missbrauchsfällen nicht reagieren muss, um den Nutzer zu schütze. Denn nur die Beklagte ist in der Lage einen geschädigten Nutzer vor weiteren Missbrauchsfällen zu schützen. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte eine erneute Registrierung (...) abwehrte, da allein damit nicht sichergestellt, dass es zukünftig keinen Identitätsmissbrauch mit den klägerischen Daten gibt."
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7. AG Gronau: Keine Strafbarkeit bei Anbieten von privaten Sportwetten
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Das AG Gronau (Az.: 4 Ds Js 1018/04) hatte darüber zu entscheiden, ob das Anbieten von privaten Sportwetten in Deutschland nur mit einer europäischen Glücksspiel-Lizenz strafbar ist. Zuletzt hatte das LG Hamburg eine Strafbarkeit verneint, vgl. RA Dr. Bahr "Keine Strafbarkeit bei Anbieten von privaten Sportwetten" = http://snipurl.com/azwd
Das AG hat sich dieser Meinung angeschlossen und die Eröffnung des strafrechtlichen Hauptsacheverfahrens abgelehnt:
"Der Angeklagte ist angeklagt worden (...), ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glückspiel veranstaltet, gehalten oder die Ermittlung hierzu bereitgestellt zu haben. Ihm ist vorgeworfen worden, (...) ohne die erforderliche behördliche Erlaubnis in seinem Wettbüro (...) Internet-Sportwetten durch ausländische, namentlich englische Anbieter (...) angeboten zu haben und somit ein illegales Glückspiel gem. § 284 Abs. 1 StGB betrieben zu haben."
Und weiter:
"Der Angeklagte beantragt, die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen und ist der Auffassung, dass tatbestandlich kein Glückspiel vorliege. Die Auffassung des Angeklagten wird vom erkennenden Gericht geteilt.
Zwar hat das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 03.12.03 (...) festgestellt, dass es bei vermittelten Sportwetten sich um unerlaubtes Glückspiel im Sinne des § 284 StGB handelt."
Das Gericht stellt sich damit gegen die höchstrichterliche zivilgerichtliche und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. Sowohl der Zivilsenat des BGH als auch das BVerwG sind der Ansicht, dass es sich bei Sportwetten um Glücksspiel handelt. Auch der Strafsenat des BGH (Urt. v. 28.11.2002 - Az.: 4 StR 260/02 = http://snipurl.com/bd2f) hatte sich vor kurzem mit dieser Frage zu beschäftigen. In den Entscheidungsgründe neigen die Strafrichter tendeziell eher dem Glücksspiel-Charakter zu, lassen letzten Endes diese Frage aber offen.
Auch aus weiteren Gründen hat das AG Gronau eine Strafbarkeit abgelehnt:
"Darüber hinaus wird man dem Angeklagten einen Verbotsirrtum gem. § 17 StGB zugute halten müssen, da ihm nicht bewusst war, dass er Unrecht getan hat. Bei einer derartig unklaren Rechtslage, die von verschiedenen Straf- und Verwaltungsgerichten unterschiedlich beurteilt worden ist, kann von dem Angeklagten nicht verlangt werden, dass er einen solchen Irrtum vermeiden konnte."
Das Gericht schließt sich damit eine in der letzten Zeit verstärkten Ansicht in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung an, dass angesichts der komplizierten Rechtslage ein Verbotsirrtum unvermeidbar ist. Ein Verbotsirrtum ist immer dann gegeben, wenn objektiv eine Straftat vorliegt, subjektiv der Täter aber in unvermeidbarer Weise irrtümlich annahm, er handle nicht strafbar.
Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Täter sich vorab anwaltlich hat beraten lassen und ihm unzutreffenderweise mitgeteilt wurde, es handle sich um ein kein strafbares Glücksspiel. Vgl. dazu instruktiv die Entscheidung des AG Mönchengladbach (13 Ds/102 Js 989/01-162/02).
"Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 06.05.2003 - RS. C-243/01 - ausgeführt hat, dass eine nationale Regelung, die strafbewehrte Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der Annahme, der Bestellung und der Übertragung von Wetten, insbesondere über Sportereignisses enthält, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit des freien Dienstleistungsverkehrs (...), wenn der betreffende Mitgliedstatt keine Konzession oder Genehmigung erteilt.
Die Bundesrepublik Deutschland kann eine solche Genehmigung nicht erteilen, da nach innerstaatlichem Recht dies Aufgabe der Länder ist. Daraus folgt, dass § 284 StGB (...) in Übereinstimmung mit dem Urteil des EuGH gegen die Art. 43 und 49 EG verstößt . (...)
Nach alledem kann hier dem Angeklagten kein strafrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden. Von daher musste aus Rechtsgründen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten abgelehnt werden."
Die Entscheidungsgründe des AG Gronau sind absolut nachvollziehbar und gut vertretbar, unterliegen jedoch einem Irrtum: Der englische Anbieter, für den hier vermittelt wurde, ist auf der Isle of Man ansässig und genießt damit gar nicht die Grundfreiheiten der EU.
Das AG Gronau ist jedoch mit diesem Irrtum in guter Gesellschaft. Auch der VGH Hessen (Beschl. v. 09.02.2004 - Az.: 11 TG 3060/03 = http://snipurl.com/bd2g) hatte dies bei seiner vielbeachteten Entscheidung von Anfang diesen Jahres angenommen. Erst später erkannte der VGH dann seinen Fehler und revidierte Ende Oktober 2004 seine Entscheidung (Beschl. v. 27.10.2004 - Az.: 11 TG 2096/04 = Pressemitteilung = http://snipurl.com/bd2i).
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8. RegTP: Preisobergrenze für Rufnummern-Mitnahme
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Die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) teilt in einer aktuellen Pressemitteilung (= http://snipurl.com/bd2k) mit, dass sie die Preisobergrenze für die Rufnummern-Mitnahme im Mobilfunk-Bereich bei 29,95 € festgelegt hat.
Anlass dieser Festlegungen war der Umstand, dass manche Netz-Betreiber bis zu 116,- € von ihren Kunden hierfür verlangten.
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9. Rechtlich umstrittene Anti-Spam-Kampagne von Lycos
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Lycos Europe hat vor kurzem eine Anti-Spam-Kampagne gegen unerwünschte E-Mails ausgerufen: "Make Love not Spam". Der Surfer konnte sich einen Bildschirmschoner herunterladen, der dann bestimmte Spam-Server attackierte. Durch diese künstlich produzierte hohe Nachfrage sollten die Spam-Server dann lahmgelegt bzw. in ihrer Nutzung eingeschränkt werden.
Wenige Tage nach Beginn dieser Aktion hat Lycos Europe wieder Abstand von diesem Vorhaben genommen und dafür organisatorische Gründe angegeben.
Unabhängig vom Sinn bzw. Unsinn einer solchen Aktion, dürfte der Rückzug insbesondere aus juristischen Gründen motiviert sein. Denn Lycos Europe organisiert hier nichts anderes als eine breitangelegte DDoS-Attacke gegen die betreffenden Server.
Nach deutschem Recht wird ein solches Handeln jedoch die Strafnormen der Datenveränderung (§ 303 a StGB) und der Computersabotage (§ 303 b StGB) erfüllen. Selbst wenn in dem Handeln des Surfers kein selbständiger Tatbeitrag zu sehen sein sollte, so liegt in jedem Fall eine strafbare Beihilfe (§ 27 StGB) vor.
Auch zivilrechtlich ist die Rechtslage relativ klar: Ein solches Vorgehen erfüllt sowohl die Voraussetzungen der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) als auch der unerlaubten Handlung (§ 823 BGB). Rechtsfolge ist die sofortige Beseitigung der Störung als auch die Leistung eines angemessenen Schadensersatzes.
Lycos Europe hat somit Recht getan, die Kampagne unverzüglich zu stoppen, um nicht sich selber und seine Kunden einem erheblichen Haftungsrisiko auszusetzen.
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10. c´t: Aktuelle Berichte zu Suchmaschinen
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Die aktuelle c´t (26/2004) hat diesmal in ihrer Ausgabe mehrere interessante Berichte über Internet-Suchmaschinen: "Suchmaschinen und Metasuchmaschinen", "Wie viel finden Suchmaschinen?" und "Recherchieren in Verzeichnissen und Portalen".
Den Artikel "Suchmaschinen und Metasuchmaschinen" von Jo Bager gibt es auch online = http://snipurl.com/bd2n
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11. In eigener Sache: Neue Aufsätze von RA Dr. Bahr
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Es gibt zwei neue Aufsätze von RA Dr. Bahr zum Download:
"Was bedeutet das Geldwäsche-Gesetz für Sie als Spieler?" = http://snipurl.com/bd2o
Der Aufsatz beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Geldwäschegesetz und den strafrechtlichen Regelungen der Geldwäsche in § 261 StGB.
"Erläuterungen zum Gambelli-Urteil" = http://snipurl.com/bd2p
Der Artikel klärt in Frage-und-Antwort-Form die wichtigsten Konsequenzen und Folgen aus dem EuGH-Urteil.
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