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Newsletter vom 16.03.2022 |
Betreff: Rechts-Newsletter 11. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Ist eine Zufriedenheitsgarantie auch eine Garantie im rechtlichen Sinn? Vorlage an den EuGH _____________________________________________________________ Der BGH (Beschl. v. 10.02.2022 - Az.: I ZR 38/21) hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Zufriedenheitsgarantie auch eine Garantie im rechtlichen Sinne ist und somit die entsprechenden Pflichten gelten.
Die Beklagte warb in ihrem Online-Shop mit einer Zufriedenheitsgarantie:
"(...) Warranty Dem BGH stellte sich die Frage, ob für eine solche Form der Zufriedenheitsgarantie auch die üblichen Vorschriften für Garantien gelten. Diese Problematik hat er nun dem EuGH vorgelegt.
Die Fragen an den EuGH lauten:
"1. Kann eine andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderung im Sinne von Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie 2011/83/EU und eine andere nicht mit der Vertragsmäßigkeit verbundene Anforderung im Sinne von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie (EU) 2019/771 vorliegen, wenn die Verpflichtung des Garantiegebers an in der Person des Verbrauchers liegende Umstände, insbesondere an seine subjektive Haltung zur Kaufsache (hier: die in das Belieben des Verbrauchers gestellte Zufriedenheit mit der Kaufsache) anknüpft, ohne dass diese persönlichen Umstände mit dem Zustand oder den Merkmalen der Kaufsache zusammenhängen müssen? zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. OLG Brandenburg: Generalunternehmer hat berechtigtes Interesse nach Art.6 Abs.1 f) DSGVO ggü. Subunternehmer _____________________________________________________________ Ein Generalunternehmer hat ein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs.1 f) DSGVO, von seinem Subunternehmer Nachweise zur Einhaltung des Mindestlohns seiner Mitarbeiter zu verlangen (OLG Brandenburg, Urt. v. 23.02.2022 - Az.: 4 U 111/21). Die Parteien stritten darum, ob ein Generalunternehmer von seinem Subunternehmer (hier: eine Reinigungsfirma) eine namentliche Auflistung der von ihm eingesetzten Mitarbeiter verlangen kann. Die klägerische Firma verlangte dies, weil sie überprüfen müsse, ob der Subunternehmer den Mindestlohn an seine Angestellten bezahlt habe. Denn sie treffe andernfalls eine Haftung für die nicht eingehaltenen Vorschriften.
Das OLG Brandenburg bejahte nun diese Auskunftspflicht:
"Der Generalunternehmer hat (...) ein berechtigtes Interesse, von dem Subunternehmer einen Nachweis zur Einhaltung der Mindestlohnzahlung zu verlangen. Dieses ergibt sich daraus, dass der Generalunternehmer gemäß § 13 MiLoG i.V.m. § 14 AEntG wie ein Bürge für die Verpflichtung des Subunternehmers gegenüber seinen Beschäftigten für die Zahlung des Mindestlohns einzustehen hat. Und weiter: "Bei all diesen alternativen Maßnahmen muss der Generalunternehmer jedoch entweder in Kauf nehmen, dass der Subunternehmer von vornherein eine höhere Vergütung verlangt, etwa um Avalkosten oder Liquiditätseinbußen durch Sicherheitseinbehalte abzudecken, oder er kann lediglich reaktiv bei Verstößen das Vertragsverhältnis beenden und Ersatz seiner Aufwendungen/Schäden verlangen. Eine Vereinbarung, wonach sich der Subunternehmer verpflichtet, dem Generalunternehmer Unterlagen zum Nachweis der Mindestlohnzahl vorzulegen, wirkt dagegen allein wegen der damit verbundenen Kontrollfunktion präventiv, d.h. sie vermeidet – in den Grenzen einer im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen gebotenen Praktikabilität -, dass es überhaupt zu seiner Inanspruchnahme des Generalunternehmers durch die Beschäftigten des Subunternehmers kommen kann. Auch dieses Haftungsvermeidungsinteresse des Generalunternehmers ist jedoch gerade wegen des Gleichlaufs mit den Zwecken des Mindestlohngesetzes als berechtigt zu erachten. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. OLG Frankfurt a.M.: Kein DSGVO-Schadensersatz bei irrtümliche Datenweiterleitung an Dritten _____________________________________________________________ Leitet ein Unternehmen die Daten eines Bewerbers irrtümlich an einen Dritten weiter und informiert nicht unverzüglich über diesen Rechtsverstoß, so hat der Betroffene keinen DSGVO-Schadensersatz-Anspruch, wenn er hierdurch keine tatsächlichen Nachteile erleidet (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 02.02.2022 - Az.: 13 U 206/20).
Der Kläger bewarb sich bei der verklagten Bank als neuer Mitarbeiter. Der Bewerbungsprozess erfolgte über das Portal XING.
Die Beklagte leitete irrtümlich eine Nachricht, die für den Kläger bestimmt war, an einen Dritten bei XING. In der Nachricht hieß es:
"Lieber Herr (...), ich hoffe es geht Ihnen gut! Unser Leiter - Herr (...) - findet ihr (…) Profil sehr interessant. Jedoch können wir ihre Gehaltsvorstellungen nicht erfüllen. Er kann 80k + variable Vergütung anbieten. Wäre das unter diesen Gesichtspunkten weiterhin für Sie interessant? Ich freue mich von Ihnen zu hören und wünsche Ihnen einen guten Start in den Dienstag. Viele Grüße," Der Kläger rügte diesen Fehler nicht weiter, sondern führte den Bewerbungsprozess erst einmal weiter fort. Die Beklagte selbst informierte den Kläger erst Monate später über die fehlerhafte Weiterleitung. Erst als er von der Beklagten abgelehnt wurde, machte er u.a. einen Schadensersatzanspruch geltend. In der 1. Instanz bekam der Kläger einen DSGVO-Schadensersatz iHv. 1.000,- EUR zugesprochen (LG Darmstadt, Urt. v. 26.05.2020 - Az.: 13 O 244/19). Diese Entscheidung ist nun vom OLG Frankfurt a.M. in der Berufungsinstanz aufgehoben worden.
Es liege zwar eine Datenschutzverletzung vor. Jedoch stünde dem Kläger kein finanzieller Ausgleichsanspruch zu, denn es fehle der konkrete Schaden:
"Der Senat folgt (...) der Auffassung, wonach über den festgestellten Verstoß gegen die Vorschriften des DS-GVO hinaus Voraussetzung für eine Entschädigung in Geld der Nachweis eines konkreten (auch immateriellen) Schadens ist. (...) Und weiter: "Das Vorliegen eines konkreten - immateriellen - Schadens, wozu auch Ängste, Stress sowie Komfort- und Zeiteinbußen zählen (...), hat der Kläger nicht dargetan. Der Vortrag in seinem auf einen entsprechenden Hinweis des Senats eingereichten Schriftsatz vom 11.1.2022 (...) erschöpft sich in der - erneuten - Darlegung des Datenschutzverstoßes. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Revision wurde zugelassen. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Frankfurt a.M.: Bundesliga-Fernsehverwertungsvertrag nicht außerordentlich kündbar wegen Corona-Unterbrechung _____________________________________________________________ Nach den Feststellungen des Schiedsgerichts begründet die Unterbrechung des Spielbetriebs der Bundesliga und der 2. Bundesliga infolge der Corona-Pandemie kein außerordentliches Kündigungsrecht für einen medialen Verwertungsvertrag über die Übertragung dieser Spiele. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute verkündeter Entscheidung den Antrag auf Aufhebung dieses Schiedsspruchs, mit dem die Unwirksamkeit der Kündigung und die Schadensersatzpflicht festgestellt worden waren, zurückgewiesen. Die Antragstellerin zu 1 ist ein französisches auf Sportberichterstattung spezialisiertes Unternehmen; die mit ihr verbundene Antragstellerin zu 2 ist u.a. für den Erwerb von Verwertungsrechten zuständig. Der Antragsgegner ist ein in Frankfurt am Main ansässiger Verein, in dem die Vereine und Kapitalgesellschaften der Fußballbundesliga und der 2. Fußballbundesliga zusammengeschlossen sind. Neben der Organisation des Spielbetriebs vermarktet er die Medienrechte an den Bundesligaspielen. Die Antragstellerin zu 1 schloss mit dem Antragsgegner einen Vertrag über näher umrissene mediale Verwertungsrechte der Spielzeiten 2017/2018 bis 2020/2021 für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gegen Zahlung einer jährlichen Servicepauschale sowie pro Spielzeit fälliger Vergütung. Die Antragstellerin zu 2 übernahm diesen Vertrag nachfolgend und übertrug später Rechte an die Antragstellerin zu 1 zurück. Infolge der Corona-Epidemie stellte der Antragsgegner den gesamten Spielbetrieb ab dem 13.3.2020 ohne Bestimmung von Ersatzterminen ein. Nach gescheiterten Gesprächen kündigten die Antragstellerinnen den Vertrag Ende April 2020. Der Spielbetrieb wurde Mitte Mai 2020 wiederaufgenommen. Der Antragsgegner widersprach der Kündigung und erhob am 11.5.2020 Schiedsklage. Das Schiedsgericht stellte mit Schiedsspruch vom 12.11.2020 u.a. die Unwirksamkeit der Kündigungen und eine daran anknüpfende Schadensersatzverpflichtung der Antragstellerin zu 1 fest. Es habe kein Leistungshindernis, sondern nur eine Leistungserschwernis für den Antragsgegner vorgelegen. Die Wiederaufnahme der Spiele sei zum Kündigungszeitpunkt bereits vorhersehbar gewesen. Der Antragsgegner habe unter Nutzung der ihm eingeräumten Freiheiten bei der Spielplanfestlegung seine vertraglichen Pflichten erfüllen können. Ohne Erfolg haben die Antragstellerinnen vor dem OLG die Aufhebung dieses Schiedsspruches begehrt. Das OLG stellte fest, dass kein Aufhebungsgrund (§ 1059 Abs. 2 ZPO) vorliegt. Das Schiedsgericht habe insbesondere nicht den Anspruch der Antragstellerinnen auf rechtliches Gehör verletzt. Die zahlreichen von den Antragstellerinnen erhobenen Einwände begründeten im Ergebnis in keinem Fall eine Gehörsverletzung. Das Schiedsgericht habe vielmehr den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Vortrag in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hinreichend gewürdigt. Das Ergebnis des Schiedsspruchs halte auch einer kartellrechtlichen Kontrolle stand, wobei zur Wahrung der Anerkennung der Schiedsfähigkeit kartellrechtlicher Streitigkeiten nur eine auf das Ergebnis des Schiedsspruchs bezogene eingeschränkte Kontrolle erfolge. Angesichts der baldigen Wiederaufnahme des Spielbetriebs und der im Hinblick auf die Dauer des Vertrags nur geringen Dauer der Unterbrechung sei die weitere Bindung an den Vertrag zumutbar. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 03.03.2022, Az. 26 Sch 2/21)
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 03.03.2022
Beide Parteien vertreiben apothekenpflichtige Arzneimittel. Das Sortiment der Beklagten umfasst ein nicht verschreibungspflichtiges Schmerzgel mit einem Apothekenabgabepreis von 9,97 €. Dieses Arzneimittel gaben Außendienstmitarbeiter der Beklagten kostenlos an Apotheken ab. Die Verkaufsverpackungen waren dabei mit der Aufschrift „Zu Demonstrationszwecken“ gekennzeichnet. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassen in Anspruch. Sie sieht in dieser Abgabe einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) sowie gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Das Landgericht hatte zunächst einen Unterlassungsanspruch wegen unzulässiger Abgabe von Mustern eines Fertigarzneimittels an Apotheken im Sinne des § 47 Abs. 3 AMG bejaht. Auf die Revision gegen das die Berufung zurückweisende Urteil des Landgerichts hatte der BGH den EuGH zur Auslegung der § 47 Abs. 3 AMG zugrundliegenden Richtlinie angerufen. Dieser entschied, dass die Richtlinie nicht der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken entgegenstehe (EuGH, Urteil vom Urt. v. 11.6.2020 - C-786/18). Im daraufhin neu durchzuführenden Berufungsrechtzug wies das OLG nunmehr die Unterlassungsanträge der Klägerin zurück. Die Abgabe des Arzneimittels zu Demonstrationszwecken verstieße gemäß der Auslegung des EuGH nicht gegen § 47 Abs. 3 AMG.
Es liege aber auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 S. 1 HWG vor, entschied das OLG. Nach § 7 Abs. 1 HWG sei es unzulässig,
“Zuwendungen und sonstige Werbegaben ... anzubieten oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass es sich ... um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt“. Hier sei von einer Zuwendung von geringem Wert auszugehen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 10.2.2022, Az. 6 U 161/15 Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 09.03.2022
Erläuterungen:
es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt; Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die auf Grund des Arzneimittelgesetzes oder des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten;
(3) 1Pharmazeutische Unternehmer dürfen Muster eines Fertigarzneimittels abgeben oder abgeben lassen an
Ärzte oder Zahnärzte, Der klagende Verbraucherverband hatte im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Antragsgegnerin als Energieversorgungsunternehmen, das die Grundversorgung von Haushaltskunden in bestimmten Gebieten u.a. in Köln vornimmt, wegen Unterlassung in Anspruch genommen. Die Vorgehensweise des Unternehmens, Haushaltskunden im Sinne des § 3 Nr. 22 EnWG zu unterschiedlichen Preisen zu beliefern und für die Unterscheidung allein auf das Datum des Vertragsschlusses abzustellen, stelle einen Verstoß gegen die Vorschriften des EnWG dar. Das Landgericht Köln hatte mit Beschluss vom 08.02.2022 (Az. 31 O 14/22) einen entsprechenden Unterlassungsanspruch abgelehnt und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Dieser Auffassung hat sich der Senat angeschlossen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Energieversorgungsunternehmen für Netzgebiete, in dem es die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführt, zwar nach § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG verpflichtet ist, Allgemeine Bedingungen und Preise öffentlich bekannt zu geben und jeden Haushaltskunden zu diesen Bedingungen und Preisen zu beliefern. Allerdings begründe dies keine Verpflichtung zur Belieferung sämtlicher Kunden zu gleichen Preisen. Vielmehr sei der in § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG normierte Grundsatz der Preisgleichheit dahingehend zu verstehen, dass die Lieferung der Energie zu den Allgemeinen Preisen, die veröffentlicht wurden, und nicht ohne Bezug dazu angeboten wird. Zwar würden damit im Ergebnis die Kunden benachteiligt, die zu einem späteren Zeitpunkt die Grundversorgung in Anspruch nehmen und dafür höhere Preise zahlen müssten. Allerdings erfolge diese Benachteiligung aus einem sachlichen Grund. Denn alternativ müssten die Kunden, die bereits (ggf. aus wirtschaftlicher Not) die Grundversorgung in Anspruch nehmen, erhöhte Preise bezahlen. Ein anderes Verständnis der genannten Norm - so wie von dem antragstellenden Verbraucherverband vertreten - führe darüber hinaus zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Versorgungsunternehmens. Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 02.03.2022 - Az. 6 W 10/22 Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 08.03.2022
Auszug aus dem Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG):
(1) Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Die Veröffentlichungen im Internet müssen einfach auffindbar sein und unmissverständlich verdeutlichen, dass es sich um die Preise und Bedingungen der Belieferung in der Grundversorgung handelt. Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
(…)."
Der Kläger war Arbeitnehmer bei der Beklagten und machte u.a. einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO geltend. Da der Arbeitnehmer nur verspätet bzw. unvollständig seiner Verpflichtung nachkam, beanspruchte der Angestellte Schadensersatz.
Zu Recht, wie das LAG Berlin-Brandenburg nun entschied:
"Wie der Kläger zutreffend ausgeführt hat, liegt bei ihm ein Schaden vor. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des LAG Niedersachsen vom 22. Oktober 2021 – 16 Sa 761/20 besteht unabhängig von dem Erreichen einer Erheblichkeitsschwelle bei Verstößen gegen Regelungen der DSGVO ein immaterieller Schadensersatzanspruch. Das Gericht sah pro Fall 1.000,- EUR als angemessen an: "Die Schadensersatzansprüche sollen, worauf auch das LAG Niedersachsen in dem Urteil vom 22. Oktober 2021 – 16 Sa 761/20 unter Bezugnahme auf Entscheidungen anderer Gerichte hingewiesen hat, generell eine Abschreckungswirkung haben. Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 146 Satz 6 zur DSGVO soll die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Verstöße müssen effektiv sanktioniert werden. Schadenersatz bei Datenschutzverstößen sollen eine abschreckende Wirkung haben, um der Datenschutzgrundverordnung zum Durchbruch zu verhelfen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. LG Kiel: Polizeiliche Durchsuchung wegen DSGVO-Verstoß rechtswidrig _____________________________________________________________ Die Einwilligung eines Verdächtigen in eine polizeiliche Durchsuchung (hier: Durchsuchung eines PKW-Kofferraums) ist nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des $ 51 BDSG eingehalten werden. Danach muss die Polizei vorab insbesondere über die Widerruflichkeit der Einwilligung, ihre ex-nunc-Wirkung und über den Zweck der Datenverarbeitung informieren. Erfolgt dies nicht, ist die strafprozessuale Maßnahme unwirksam (LG Kiel. Urt. v. 19.08.2021 - Az.: 10 Qs 43/21). Ein Beschuldigter hatte in die Durchsuchung seines Kfz-Kofferraums durch die Polizei zugestimmt. Die Polizei hielt sich bei der Erteilung der Einwilligung jedoch nicht an die Voraussetzungen des § 51 BDSG.
§ 51 BDSG lautet:
"§ 51 Einwilligung Da die Beamten sich nicht an die Vorgaben hielten und damit einen DSGVO-Verstoß begingen, erklärte das Gericht die Razzia für rechtswidrig: "Die Unwirksamkeit der Einwilligung ergibt sich zum einen daraus, dass der Beschwerdeführer von den Polizeibeamten entgegen § 500 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 51 Abs. 3 S. 3 BDSG nicht vor Abgabe der Einwilligung von der Widerruflichkeit und der ex-nunc-Wirkung derselben in Kenntnis gesetzt wurde. Und weiter: "Gemäß § 51 Abs. 3 S. 1 BDSG ist die betroffene Person vor der Abgabe der Einwilligung darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann (vgl. dazu § 51 Abs. 3 S. 1 BDSG), ein späterer Widerruf die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Einwilligung erfolgten Verarbeitung aber nicht berührt (vgl. dazu § 51 Abs. 3 S. 2 BDSG). Fehlt es - wie vorliegend - an diesen (Vorab-)Informationen, gibt die betroffene Person die Einwilligung nicht ausreichend informiert ab, mit der Folge, dass sie nicht wirksam ist, d.h. keine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung darstellt (...). zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. AG München: 2 Jahre Freiheitsstrafe für Fake-Shop-Betreiber _____________________________________________________________ Webdesigner eines Fakeshops wird zu empfindlicher Freiheitsstrafe und Geldstrafe verurteilt. Am 21.12.2021 verurteilte das zuständige Schöffengericht einen 29jährigen Angestellten aus dem Hochschwarzwald wegen Fälschung beweiserheblicher Daten in 52 tatmehrheitlichen Fällen und gemeinschaftlichen Betrugs in 60 tateinheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung, sowie zu einer zusätzlichen Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30,00 Euro. Der Angeklagte bat seit 2015 im Darknet seine Dienste als ausgebildeter Mediengestalter für jegliche Grafiken und das Fälschen von Dokumenten an. In seiner Preisliste kostete beispielsweise ein gefälschter Ausweis Scan auf Wunschdaten 35 Euro. Im Zeitraum 2015 bis 2018 fälschte er in 52 Fällen Ausweis-Scans, mit denen seine Auftraggeber Bankkonten oder Nutzeraccounts unter Falschpersonalien eröffneten. Seit 2016 betrieb der Angeklagte darüber hinaus gemeinsam mit einem weiteren unbekannten Täter einen so genannten Fakeshop unter den Domains waschmaschino.de, waschmaschino.net und waschmaschino.com. Der Angeklagte wurde als Administrator und Designer eingesetzt. Er mietete den Server an, erstellte und pflegte den optisch ansprechenden Shop, übernahm die Erstinstallation und Erstellung diverser Angebote zu Waschmaschinen und Trocknern. Der Mittäter übernahm insbesondere die Kommunikation mit den Kunden. Die professionell gestaltete Internetseite vermittelte äußerlich den Eindruck eines seriösen Online Shops. Ziel der Täter war es, Kunden zu Bestellungen und Vorabzahlungen zu veranlassen. Die bestellte Ware wurde nie versandt. Dem Plan entsprechend kauften 60 Personen in dem Online-Shop Waschmaschinen und Trockner und gingen in Vorkasse, erhielten die bestellte Ware jedoch nie. Durch den Fakeshop wurde ein Gesamtschaden in Höhe von 19.975,75 Euro verursacht. Der Angeklagte selbst erhielt hiervon einen Anteil in Höhe von mindestens 2.996 Euro. Der Angeklagte, der die Taten über seinen Verteidiger einräumte, wurde durch einen bei ihm im Rahmen einer Durchsuchung aufgefundenen USB-Stick überführt. Dieser enthielt Dateien zum Betrieb des Fakeshops und auch einige von ihm verfälschte Ausweis-Scans. Der Angeklagte gab an, er habe mittlerweile „…aufgehört mit Allem. Ich möchte ein normales Leben führen. Ich werde das auf keinen Fall mehr wieder tun“. Seinen Sinneswandel begründete er mit einem vorherigen Strafverfahren, aber auch mit positivem familiärem Einfluss: „Verwandte und die Freundin haben auf mich eingeredet.“ Auch seinem Kind zuliebe habe er aufgehört. Die Vorsitzende begründete das Urteil des Schöffengericht damit, dass zugunsten des Angeklagten dessen Geständnis bereits im Ermittlungsverfahren wie auch im Rahmen der Hauptverhandlung sowie sein sehr kooperatives Verhalten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu werten sei. Bereits dort hätte der Angeklagte insbesondere auch Hinweise auf den konkreten, ihn belastenden USB-Stick gegeben und damit an der Aufklärung aktiv mitgewirkt. Darüber hinaus bestanden zur Tatzeit keine Vorstrafen, und der Angeklagte habe sich mit der Einziehung der sichergestellten Gegenstände einverstanden erklärt. Die Taten lägen lange Zeit zurück. Es habe eine geringe Hemmschwelle zur Tatbegehung aufgrund der im Internet herrschenden Anonymität bestanden. Der Angeklagte habe sich bereit erklärt, an der Entsperrung des noch sichergestellten BITCOIN-Wallets mitzuwirken. Zu Lasten des Angeklagten berücksichtigte das Gericht, dass durch den Betrieb des Fakeshops ein beträchtlicher Schaden entstanden sei, der sich auf viele Geschädigte verteilt habe. Auch die kriminelle Energie sei hoch, dies zeige sich durch arbeitsteiliges Vorgehen, Verschleierung der Täter und auch durch die relativ aufwendige Begehungsform. Neben der Freiheitsstrafe von 2 Jahren verhängte das Schöffengericht eine zusätzliche Geldstrafe, weil der Angeklagte seine Taten in Bereicherungsabsicht beging und er daher zusätzlich am Vermögen getroffen werden sollte. Damit sei der Angeklagte finanziell nicht überfordert. Nach den Feststellungen des Gerichts verfüge er nach wie vor über ein nicht unerhebliches Einkommen.
Urteil des Amtsgerichts München vom 21.12.2021 Das Urteil ist hinsichtlich dieses Angeklagten rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 04.02.2022
Clearview AI ist ein amerikanisches Unternehmen, das sich mit Hilfe sehr großer Bilddatenmengen und von maschinellem Lernen auf die Gesichtserkennung mit Computersystemen spezialisiert hat. Nach aktuellen Schätzungen hat es etwa 10 Milliarden Bilder von Gesichtern in seiner Datenbank.
Die italienische Datenschutzbehörde hat dies als massiven Verstoß gegen die DSGVO bewertet:
"Das Unternehmen – das behauptet, über eine Datenbank mit über 10 Milliarden Bildern von Gesichtern von Menschen aus der ganzen Welt zu verfügen, die aus öffentlichen Webquellen per Web Scraping (wie Nachrichtenseiten, soziale Medien und Online-Videos) extrahiert wurden – bietet einen hochqualifizierten Suchdienst an das dank künstlicher Intelligenz die Erstellung von Profilen auf der Grundlage biometrischer Daten ermöglicht, die aus den Bildern extrahiert werden, möglicherweise angereichert mit anderen damit verbundenen Informationen, wie Titel und Geolokalisierung des Fotos, Veröffentlichungswebseite. Und weiter: "Angesichts der festgestellten Verstöße verhängte der Garant Clearview AI eine Verwaltungsstrafe in Höhe von 20 Millionen Euro. Die Behörde befahl dem Unternehmen außerdem, Daten über Personen zu löschen, die sich in Italien aufhalten, und untersagte die weitere Erfassung und Verarbeitung durch sein Gesichtserkennungssystem. zurück zur Übersicht |