Zurück |
Newsletter vom 16.10.2013 |
Betreff: Rechts-Newsletter 42. KW / 2013: Kanzlei Dr. Bahr |
|
Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. EGMR: Verurteilung eines Online-News-Portal für rechtswidrige User-Kommentare rechtmäßig _____________________________________________________________ Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass die Verurteilung eines Online-News-Portal für rechtswidrige User-Kommentare mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar ist (EGMR, Urt. v. 10.10.2013 - Az.: 64569/09). Delfi AS, ein großes Online-News-Portal in Estland, veröffentlichte einen kritischen Bericht über das Geschäftsverhalten eines Unternehmen (Estonia). Unter den Artikel hatten User die Möglichkeiten, Kommentare zu hinterlassen. Die Nutzer mussten dabei nicht registriert sein, sondern es war auch eine anonyme Kommentierung möglich. Innerhalb von 2 Tagen kam es zu ca. 200 Kommentaren, von denen zahlreiche rechtswidrige Äußerungen enthielten. Das News-Portal setzte einen automatischen Wortfilter ein und zudem konnten einzelne Kommentare als unerlaubt gemeldet werden. Das nationale Gericht verurteilte das News-Portal zu Schadensersatz. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied nun, dass diese Verurteilung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sei. Insbesondere sei nicht Art. 10 EMRK ("Freiheit der Meinungsäußerung") verletzt. Delfi AS sei ein kommerzieller Anbieter und profitiere wirtschaftlich aus dem News-Portal. Auch habe das Unternehmen die Verfolgung der eigentlichen Täter außerordentlich erschwert, indem es anonyme User-Kommentare zugelassen habe. Darüber hinaus sei die Höhe des Schadensersatzes mit einem Betrag von 320,- EUR als gering einzustufen.
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Das Straßburger Gericht hat nicht entschieden, dass ein News-Portal für seine User-Kommentare haftet. Dies hat vielmehr ein Gericht in Estland so geurteilt. Der EGMR hatte vielmehr nur darüber zu befinden, ob die nationale Entscheidung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention - namentlich dem Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 10 EMRK - vereinbar ist. Eben diese Frage hat das Gericht bejaht. Falsch ist auch, dass es bei dem Sachverhalt um einen Foren-Betreiber ging. Vielmehr ist Delfi AS ein kommerzielles News-Portal, das einen eigenen, kritischen Bericht über das Geschäftsgebahren des klägerischen Unternehmens veröffentlichte. Dritte konnten diesen Beitrag kommentieren. Und schließlich ist zu berücksichtigen, dass die rechtswidrigen Kommentare trotz Kenntnis nicht umgehend gelöscht wurden. Das höchste nationale Gericht in Estland (Supreme Court) bestätigte daher die Verurteilung zu Schadensersatz. Der EGMR fasst dies wie folgt zusammen: "The Supreme Court found that on the basis of its legal obligation to avoid causing damage to other persons the applicant company should have prevented clearly unlawful comments from being published. Furthermore, after the comments had been published, it had failed to remove them on its own initiative, although it must have been aware of their unlawfulness. Wichtig in diesem Zusammenhang ist der Teil
Grundlage der Verurteilung durch das nationale Gericht war also laut EGMR der Vorwurf, dass Defli AS nicht von sich aus tätig wurde trotz Kenntnis.
Sowohl die Entscheidung der Gerichte in Estland als auch das Urteil des EGMR sind daher keineswegs revolutionär, sondern könnten durchaus auch von deutschen Gerichten so getroffen werden. Das Ganze ist daher - wieder einmal - nur ein Sturm im Wasserglas.
Der Beklagte ist öffentlich bestellter und vereidigter Auktionator. Bei einer von ihm veranstalteten Kunstauktion bot er eine bei ihm eingelieferte Buddha-Skulptur an. Diese war im Auktionskatalog wie folgt beschrieben: "Sitzender Buddha, Dhyan Asana, […] China, Sui-Dynastie, 581-681[…] Museal! 3.800,00 €". Die Versteigerungsbedingungen des Beklagten enthielten unter anderem folgende Bestimmungen: "[…] Die Skulptur wurde dem Kläger für 20.295 € zugeschlagen. Er ließ sie später wegen aufgekommener Zweifel an der Echtheit von einem Privatsachverständigen mit dem Ergebnis untersuchen, dass die erhobenen Befunde gegen die Authentizität des Objekts sprächen. Nachdem der Kläger den Einlieferer erfolglos auf Kaufpreisrückzahlung in Anspruch genommen hatte, erklärte er gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er beansprucht die Erstattung des gezahlten Kaufpreises und der angefallenen Gutachterkosten nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe der Skulptur. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die Revision des Beklagten hatte (nur) wegen eines Verfahrensfehlers des Oberlandesgerichts bei der von ihm angenommenen Unechtheit der Skulptur Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der in Ziffer 7 der Versteigerungsbedingungen enthaltene Gewährleistungsausschluss unwirksam ist. Eine auf einer Kunstauktion angebotene Skulptur, die im Auktionskatalog wie vorstehend wiedergegeben beschrieben worden ist, ist mangelhaft, wenn es sich nicht um ein aus der angegebenen Stilepoche stammendes Original, sondern um eine neuzeitliche Fälschung handelt. Ein aus der hier zu unterstellenden Unechtheit der Skulptur folgendes Rücktrittsrecht ist nicht durch Ziffer 7 der Versteigerungsbedingungen ausgeschlossen. Der dort geregelte Gewährleistungsausschluss verstößt gegen § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB, wonach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders beruhen, unwirksam sind. Denn der Gewährleistungsausschluss bezieht bereits nach seinem Wortlaut auch solche Ansprüche des Käufers gegen den Versteigerer aus Mängeln der ersteigerten Gegenstände unzulässig in seinen Geltungsbereich ein. Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung der Echtheit der Skulptur an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Urteil vom 9. Oktober 2013 - VIII ZR 224/12
LG München - Urteil vom 6. April 2011 – 23 O 24119/10
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 10.10.2013
Die bekannte St. Pauli-Kneipe wollte die entsprechende Wort-Bild-Marke "Zur Ritze" mit der bekannten Abbildung eintragen. Die Richter des BPatG lehnten die beantragte Markeneintragung ab. Das Begehren verletze das Scham- oder Sittlichkeitsgefühl der Allgemeinheit durch geschlechtsbezogene Angaben. Im Zusammenhang mit der Abbildung handle es sich bei "Ritze" um einen äußerst vulgären Ausdruck, der das Sittlichkeitsgefühl eines erheblichen, zu respektierenden Personenkreises verletze. Daran ändere auch nichts der Zusatz "Zur". Zwar enthielten viele unverfängliche Namen von Lokalen diesen Zusatz. Im Zusammenhang mit dem Begriff erhalte er aber im vorliegenden Fall eine unsittliche Bedeutung, die im Zusammenhang mit einer Vagina vulgär sei. Daran ändere auch nichts, dass die Stadtverwaltung Hamburg die Darstellung an einem Lokal auf der Reeperbahn nicht beanstande. Gleiches gelte für den Umstand, dass zahlreiche Medien in den letzten Jahrzehnten die Grafik abgelichtet hätten .
Denn beides sei kein Garant dafür, dass es sich nicht um verrohende Darstellung handle. Vielmehr müsse das Gericht dies selbst überprüfen.
Der Beklagte hatte für eine private eBay-Auktion zwei Lichtbilder ungefragt übernommen. Den entstandenen Schaden pro Bild bezifferte die Klägerin mit 45,- EUR. Das OLG Brandenburg setzte als Streitwert für den Unterlassungsanspruch eine Summe von 450,- EUR (= 10 x 45,- EUR) pro Foto fest. Es könne bei der Festlegung des Streitwertes gewinnbringend auf den Lizenzschaden zurückgegriffen werden. Denn hierin spiegele sich das wirtschaftliche Interesse des Urhebers, nämlich der wirkungsvollen Abwehr nachhaltiger Verstöße gegen sein geistiges Eigentum, am ehesten wider.
Generalpräventive Erwägungen, z.B. die Festlegung bestimmter hoher Beträge, um Nachahmer abzuschrecken, komme hingegen nicht in Betracht. Auch das Argument, dass bei derartig niedrigen Streitwerten eine wirtschaftlich tragbare Tätigkeit von Anwälten kaum nachbar sei, hielt das Gericht für nicht überzeugend.
Inhaltlich ging um den Aufbau eines Online-Shops. Zwischen den Parteien, Auftraggeber und Auftragnehmer, kam es zum Streit. Daraufhin ging die mit dem Erstellung beauftragte Firma vor Gericht. Das LG Bochum entschied nun, dass für solche Fälle das Gericht örtlich zuständig ist, an dem der Auftragnehmer seinen Sitz hat. Maßgeblich sei der Erfüllungsort, d.h. der Ort, an dem der Auftragnehmer seine Leistungen erbringen muss.
Irrelevant sei hingegen der Standort des Servers.
Die Firmen Jägermeister und Underberg hatten in den 1970er Jahren eine Abgrenzungsvereinbarung hinsichtlich ihrer eingetragenen Marken geschlossen. Der Vertrag enthielt keine ordentliche Kündigung. Nun kündigte Jägermeister Mitte 2009 diesen Kontrakt ordentlich. Denn inzwischen hätten sich die Gründe, die zu der damaligen Vereinbarung geführt hätten, grundlegend geändert, so der Vortrag von Jägermeister. Der Werbeetat von Underberg sei erheblich zurückgegangen. Auch habe der allgemeine Bekanntheitsgrad von Underberg massiv abgenommen. Die Braunschweiger Richter verneinten ein Kündigungsrecht von Jägermeister. Da es sich bei Marken quasi um "ewige" Rechte handle, sei es durchaus üblich, dass markenrechtliche Abgrenzungsvereinbarungen keine vertragliche Kündigungsmöglichkeit enthielten. Sei dies - wie hier - der Fall, so könne der Kontrakt nicht ordentlich gekündigt werden.
Zwar könnten Dauerschuldverhältnisse außerordentlich gekündigt werden, wenn sich die Umstände geändert haben. Hierfür sei es jedoch notwendig, dass die Klägerin einen entsprechenden Vorher-Nachher-Vergleich vorlege. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen. Es fehle jeder sachliche Nachweis wie die Sachlage in den 19070er Jahren ausgesehen habe.
Zu diesem Ergebnis ist das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht nach mündlicher Verhandlung vom heutigen Tage gekommen. Drei schleswig-holsteinische Unternehmen, die bei Facebook eine Fanpage betreiben, hatten gegen die Anordnung des ULD, diese zu deaktivieren, geklagt. Das ULD hatte diese Anordnung damit begründet, dass die Erfassung von Daten der Besucher der Seite durch Facebook gegen Vorschriften des Datenschutzes verstoße, weil über diese Datenerfassung von Facebook nicht ausreichend informiert werde und daher keine wirksame Einwilligung vorliege. Außerdem sei eine Widerspruchsmöglichkeit nicht vorgesehen. Die Kläger als Betreiber einer Facebook-Fanpage seien hierfür mitverantwortlich. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es ließ offen, ob und in welchem Umfang die Erfassung von Daten der Nutzer der Fanpage zur Verletzung von Datenschutzrechten führt. Jedenfalls sei der Betreiber einer Fanpage hierfür datenschutzrechtlich nicht verantwortlich. Die Verantwortlichkeit ergebe sich aus dem Bundesdatenschutzgesetz und der Europäischen Datenschutzrichtlinie (von 1995). Danach sei nicht verantwortlich, wer weder tatsächlichen noch rechtlichen Einfluss auf die Datenverarbeitung habe. Dementsprechend fehle es an einer Verantwortlichkeit der Fanpage-Betreiber. Facebook stelle die technische Infrastruktur zur Verfügung. Der Seitenbetreiber könne lediglich seine Inhalte einstellen, habe aber auf den Datenverkehr zwischen dem Nutzer und Facebook keinen Einfluss. Das Gericht hat daher die streitigen Anordnungen des ULD aufgehoben. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache ist die Berufung zugelassen worden (Aktenzeichen 8 A 218/11, 8 A 14/12, 8 A 37/12).
Quelle: Pressemitteilung des VG Schleswig v. 09.10.2013
Das verklagte Unternehmen warb für seinen Laden mit den Bezeichnungen "Bäckerei", "Bäckerei-Cafe" und "Bäckerei (...) Ihre Familienbäckerei". Die Klägerin hielt dies für irreführend, denn es handelte sich bei der Beklagten um ein Geschäft, bei dem ausschließlich Brötchenteiglinge angeliefert und aufgebacken wurden. Nach geltendem Recht setzt die Tätigkeit eines Bäckers die Eintragung in die Handwerksrolle voraus. Auch dies lag bei der Beklagten nicht vor. Das LG Wuppertal hat eine Irreführung verneint und somit einen Wettbewerbsverstoß abgelehnt. Entscheidend, ob eine Täuschung vorliege, sei die Verkehrsauffassung, d.h., was der durchschnittliche Verbraucher erwarte. Der Begriff der "Bäckerei" sei dabei einem Wandel unterlegen. Während früher mit dem Wort eine echte Backstube gemeint gewesen sei, gelte dies heute nicht mehr. Selbständige Bäckereibetriebe mit einer eigenen Backstube seien heute die Ausnahme, so die Richter. Vorherrschend seien vielmehr Ketten, deren Verkaufsfilialien häufig als "Bäckereien" bezeichnet würden. In diesen Fällen würden - wie auch bei der Beklagten - lediglich Brötchenteiglinge angeliefert und aufgewärmt. Der Kunde erwarte nicht mehr eine reale Backstube,
Daher sei die Verwendung des Begriffs "Bäckerei" nicht zu beanstanden, da der Verbraucher nicht in die Irre geführt werden.
Auf europäischer Ebene ist die Einführung eines europaweiten, fahrzeugbezogenen einheitlichen Notrufsystems (eCall-Systems) beschlossen. Der Bundesrat hat in einer aktuellen Empfehlung noch einmal darauf verwiesen, dass Überarbeitungen im Bereich des Datenschutzrechts notwendig sind. "Nach Auffassung des Bundesrates muss im Verordnungsvorschlag aufgrund der Sensibilität der mit eCall zu übermittelnden Daten klargestellt werden, welche Mindestinformationen in einem Datensatz enthalten sein dürfen. Ebenso sollten die Grenzen des zulässigerweise übermittelten Datensatzes festgelegt werden. Und: "Ferner sieht es der Bundesrat als notwendig an, im Verordnungsvorschlag zu bestimmen, welche Stelle für die Datenverarbeitung des eCall-Systems zu- Und: "Der Bundesrat lehnt die Einrichtung einer Datenbank zur Aufdeckung von zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. Seit 09.10.: Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in Kraft _____________________________________________________________ Mit Verkündung des "Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken" gehen wichtige Änderungen im Wettbewerbs- und Urheberrecht einher. Die wichtigsten Änderungen, die überwiegend zum 09.10. in Kraft getreten sind, stellt die Kanzlei Dr. Bahr noch einmal nachfolgend dar:
1. Änderungen im Urheberrecht: Zum anderen sind die Abmahnkosten aufgrund der Deckelung des Gegenstandswertes auf 1.000,- EUR nunmehr auf 124,- EUR begrenzt, soweit es sich bei der Rechtsverletzung um eine Erstbegehung handelt. Schließlich wurde auch der sogenannte „fliegende Gerichtsstand“ abgeschafft. Ausschließlich zuständig ist daher nur noch der Wohnsitz des Beklagten. WICHTIG: Die Änderungen gelten nur, wenn es sich bei dem Abgemahnten um einen Verbraucher handelt. Im reinen B2B-Verhältnis bleibt es hingegen bei den bisherigen Regelungen.
2. Änderungen im allgemeinen Zivilrecht:
3. Änderungen im Wettbewerbsrecht: Zum anderen ist die Verpflichtung des rechtsmissbräuchlich Abmahnenden zum Ersatz der Aufwendungen des Abgemahnten zur Rechtsverteidigung neu. Eine weitere Veränderung betrifft die Möglichkeit der Herabsetzung des Streitwertes auf Antrag einer Partei. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass diese Partei glaubhaft machen kann, die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert gefährde ihre wirtschaftliche Lage. Folge der Herabsetzung ist dann, dass sich sämtliche Gebühren nur noch nach dem herabgesetzten Betrag berechnen. Schließlich wird die im Rahmen der Ordnungswidrigkeiten angedrohte Geldbuße von 50.000,- EUR auf 300.000,- EUR erhöht. Die Änderungen sind am 09.10.2013, in Kraft getreten. 4. Änderungen im Inkassobereich:
Diese aufgeführten Darlegungs- und Informationspflichten sind nur dann zu erfüllen, wenn es sich bei dem Schuldner der Forderung um einen Verbraucher handelt.
|