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Newsletter vom 16.12.2020 |
Betreff: Rechts-Newsletter 51. KW / 2020: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BVerfG: Erweiterte Datennutzung („Data-mining“) nach dem Antiterrordateigesetz teilweise verfassungswidrig _____________________________________________________________ Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts § 6a Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz - ATDG) für mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und damit nichtig erklärt. Im Übrigen ist § 6a ATDG verfassungsgemäß. Im Mittelpunkt des im Jahr 2006 in Kraft getretenen Antiterrordateigesetzes stand die Schaffung einer gemeinsamen Verbunddatei der Sicherheitsbehörden, die in ihrem Kern der Informationsanbahnung diente. Nachdem der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - (BVerfGE 133, 277 ff. - Antiterrordateigesetz I) mehrere Vorschriften des Gesetzes für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hatte, änderte der Bundesgesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Vorschriften und ergänzte das Antiterrordateigesetz um die Vorschrift des § 6a ATDG („Erweiterte projektbezogene Datennutzung“). § 6a ATDG ermächtigt die Sicherheitsbehörden erstmalig zur so bezeichneten erweiterten Nutzung („Data-mining“) von in der Antiterrordatei gespeicherten Datenarten, und zwar - über die Informationsanbahnung hinaus - auch zur operativen Aufgabenwahrnehmung. § 6a ATDG gestattet damit die unmittelbare Nutzung der Antiterrordatei auch zur Generierung neuer Erkenntnisse aus den Querverbindungen der gespeicherten Datensätze. Dies war bisher nur in Eilfällen möglich. Die Regelung des § 6a Abs. 2 Satz 1 ATDG verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Sie genügt nicht den besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen der hypothetischen Datenneuerhebung („informationelles Trennungsprinzip“). Aufgrund der gesteigerten Belastungswirkung einer erweiterten Nutzung einer Verbunddatei der Polizeibehörden und Nachrichtendienste muss diese dem Schutz von besonders gewichtigen Rechtsgütern dienen und auf der Grundlage präzise bestimmter und normenklarer Regelungen an hinreichende Eingriffsschwellen gebunden sein. Diesen Anforderungen genügt § 6a Abs. 2 Satz 1 ATDG nicht, während § 6a ATDG im Übrigen diesen Erfordernissen entspricht. Sachverhalt: Die Antiterrordatei ist eine der Bekämpfung des internationalen Terrorismus dienende Verbunddatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder. Im Regelfall erlaubt § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a ATDG den berechtigten Behörden bei einer Abfrage zu Personen einen unmittelbaren Zugriff lediglich auf die in der Antiterrordatei zu ihrer Identifizierung gespeicherten Grunddaten wie Name, Geschlecht und Geburtsdatum (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a ATDG). Der Zugriff erstreckt sich - außer in Eilfällen und insoweit nur unter engen Voraussetzungen - nicht auch auf die in der Datei gespeicherten erweiterten Grunddaten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b ATDG) wie Bankverbindungen, Familienstand und Volkszugehörigkeit. Der durch das Gesetz zur Änderung des Antiterrordateigesetzes und anderer Gesetze (ATDGuaÄndG) vom 18. Dezember 2014 geschaffene § 6a ATDG ist zum 1. Januar 2015 in Kraft getreten. Diese Vorschrift ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen eines „Projekts“ die erweiterte Nutzung von in der Datei nach § 3 ATDG gespeicherten Datenarten. Nach § 4 ATDG verdeckt gespeicherte Daten sind davon ausgenommen. Die Absätze 1 bis 3 des § 6a ATDG unterscheiden danach, ob die erweiterte Nutzung im Rahmen eines bestimmten einzelfallbezogenen Projekts zur Sammlung und Auswertung von Informationen über eine internationale terroristische Bestrebung (Abs. 1), für die Verfolgung qualifizierter Straftaten des internationalen Terrorismus (Abs. 2 Satz 1) oder für die Verhinderung von qualifizierten Straftaten (Abs. 3 Satz 1) erfolgt. In § 6a Abs. 5 ATDG definiert der Gesetzgeber den Begriff der erweiterten Nutzung. Hierunter ist das Herstellen von Zusammenhängen zwischen Personen, Personengruppierungen, Institutionen, Objekten und Sachen, der Ausschluss unbedeutender Informationen und Erkenntnisse, die Zuordnung eingehender Informationen zu bekannten Sachverhalten sowie die statistische Auswertung der gespeicherten Daten zu verstehen (Satz 1). Hierzu dürfen die beteiligten Behörden des Bundes Daten auch mittels phonetischer oder unvollständiger Daten, der Suche über eine Mehrzahl von Datenfeldern, der Verknüpfung von Personen, Institutionen, Organisationen, Sachen oder der zeitlichen Eingrenzung der Suchkriterien aus der Datei abfragen sowie räumliche und sonstige Beziehungen zwischen Personen und Zusammenhänge zwischen Personen, Personengruppierungen, Institutionen, Objekten und Sachen darstellen sowie die Suchkriterien gewichten (Satz 2). § 6a ATDG gestattet damit die unmittelbare Nutzung der Antiterrordatei auch zur Generierung neuer Erkenntnisse aus den Querverbindungen der gespeicherten Datensätze (sogenanntes „Data-mining“). Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde, die sich ausschließlich gegen § 6a ATDG richtet, eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG). Wesentliche Erwägungen des Senats: Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet. § 6a Abs. 2 Satz 1 ATDG verstößt gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. § 6a Abs. 1 bis 3 ATDG greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ein, indem er den beteiligten Behörden eine erweiterte Datennutzung der in der Datei nach § 3 ATDG gespeicherten Datenarten mit Ausnahme der nach § 4 ATDG verdeckt gespeicherten Daten erlaubt. Der Eingriff durch § 6a Abs. 2 Satz 1 ATDG ist nicht gerechtfertigt. Die Regelung ist unverhältnismäßig. 1. Regelungen, die den Datenaustausch zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ermöglichen, müssen den besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen der hypothetischen Datenneuerhebung genügen („informationelles Trennungsprinzip“). Welche Anforderungen an die Ausgestaltung einer Befugnis hinsichtlich Rechtsgüterschutz und Eingriffsschwelle im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich nach der konkreten Belastungswirkung. 2. Der erweiterten Datennutzung nach § 6a ATDG kommt eine gesteigerte Belastungswirkung zu. Vor diesem Hintergrund muss die Erzeugung neuer Erkenntnisse und Zusammenhänge durch Verknüpfung von in einer Datei gespeicherten Daten aus verschiedenen nachrichtendienstlichen und polizeilichen Quellen einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen. Der Eingriff muss zudem an hinreichend konkretisierte Eingriffsschwellen für die erweiterte Nutzung zu Zwecken der Gefahrenabwehr, Strafverfolgung sowie der Aufgabenerfüllung von nicht operativ tätig werdenden Behörden wie den Nachrichtendiensten auf der Grundlage normenklarer Regelungen gebunden sein. a) Für die erweiterte Nutzung der Antiterrordatei zum Zwecke der Gefahrenabwehr muss wegen der Belastungswirkung eine wenigstens hinreichend konkretisierte Gefahr in dem Sinne gegeben sein, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr vorliegen. b) Für die erweiterte Nutzung zur Informationsauswertung muss diese zur Aufklärung einer bestimmten, nachrichtendienstlich beobachtungsbedürftigen Aktion oder Gruppierung im Einzelfall geboten sein; damit wird ein wenigstens der Art nach konkretisiertes und absehbares Geschehen vorausgesetzt. c) Für die erweiterte Nutzung zur Verfolgung einer Straftat muss ein durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht vorliegen, für den konkrete und verdichtete Umstände als Tatsachenbasis vorhanden sind. 3. Diesen Anforderungen wird § 6a Abs. 2 Satz 1 ATDG nicht gerecht. Zwar lässt die Vorschrift die erweiterte Nutzung nur zum Schutz von Rechtsgütern zu, die besonders gewichtig sind. Der Befugnis nach § 6a Abs. 2 Satz 1 ATDG fehlt jedoch eine hinreichend qualifizierte Eingriffsschwelle. § 6a Abs. 2 Satz 1 ATDG lässt die „Erforderlichkeit im Einzelfall“ zur Aufklärung „weitere[r] Zusammenhänge des Einzelfalls“ genügen. § 6a Abs. 2 ATDG bestimmt nicht normenklar, dass für die erweiterte Nutzung zum Zwecke der Strafverfolgung als Tatsachenbasis ein vom strafprozessualen Anfangsverdacht verschiedener verdichteter Tatverdacht erforderlich ist. Auch die Bindung an ein Projekt im Sinne des § 6a Abs. 4 ATDG ändert nichts an der verfassungsrechtlichen Unzulänglichkeit der in § 6a Abs. 2 Satz 1 ATDG genannten Eingriffsvoraussetzungen, weil auch in Absatz 4 keine hinreichende Eingriffsschwelle normiert wird. 4. Dagegen erweisen sich § 6a Abs. 1 und 3 ATDG als verfassungsgemäß. Den Bestimmungen sind im Wege der Auslegung hinreichend normenklar geregelte Eingriffsschwellen zu entnehmen, welche den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. § 6a Abs. 3 Satz 1 ATDG darf allerdings nicht so verstanden werden, als erlaubte die Bestimmung die erweiterte Nutzung für eine bloße Vor- oder Umfeldermittlung ohne Bezug zu einer zumindest konkretisierten Gefahr. Bei einer solchen Lesart wäre § 6a Abs. 3 Satz 1 ATDG verfassungswidrig. 5. Auch die in § 6a Abs. 7 und 8 ATDG normierten Anforderungen an individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle sind mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar. Beschluss vom 10. November 2020 - Az.: 1 BvR 3214/15
Quelle: Pressemitteilung des BVerfG v. 11.12.2020
Sachverhalt: Ferner müssen die Nutzer in die Speicherung von IP-Adressen einwilligen. Die Klägerin macht exklusive Nutzungsrechte an den Filmwerken "Parker" und "Scary Movie 5" geltend. Diese Filme wurden in den Jahren 2013 und 2014 von drei verschiedenen Nutzern auf "YouTube" hochgeladen. Die Klägerin hat die Beklagten auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien noch darüber, ob die Klägerin Ansprüche auf Auskunft über die E-Mail-Adressen, die Telefonnummern und diejenigen IP-Adressen hat, die für das Hochladen der beiden Filme und für den letzten Zugriff auf die Konten der Benutzer genutzt wurden.
Bisheriger Prozessverlauf: Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 21. Februar 2019 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgelegt (dazu Pressemitteilung Nr. 19/2019 vom 21. Februar 2019). Der Bundesgerichtshof wollte im Wesentlichen wissen, ob sich die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG geregelte Auskunftspflicht von Personen, die - wie im Streitfall die Beklagten - in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht haben, auch auf die E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen der Nutzer der Dienstleistungen erstreckt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über die Fragen durch Urteil vom 9. Juli 2020 - C-264/19 entschieden.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Begriff "Anschrift" im Sinne von § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG deckt sich mit dem Begriff "Adressen" in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG. Diese Richtlinienvorschrift ist nach dem auf die Vorlageentscheidung des Senats ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union dahin auszulegen, dass der darin genannte Begriff "Adressen" sich, was einen Nutzer anbelangt, der durch das Hochladen von Dateien ein Recht des geistigen Eigentums verletzt hat, nicht auf die E-Mail-Adresse und Telefonnummer dieses Nutzers sowie die für das Hochladen dieser Dateien genutzten IP-Adresse oder die bei seinem letzten Zugriff auf das Benutzerkonto verwendete IP-Adresse bezieht. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Umfangs der Auskunft in § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG über die Regelung in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG hinausgehen wollte. Danach ist eine weitere (dynamische) Gesetzesauslegung durch den Senat ebenso ausgeschlossen wie eine analoge Anwendung von § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG. Ein über die Auskunft von "Namen und Anschrift" im Sinne von § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG hinausgehender Auskunftsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB.
Vorinstanzen:
Die Vorschrift des Art. 8 der Richtlinie 2004/48/EG lautet auszugsweise: Urteil vom 10. Dezember 2020 - I ZR 153/17
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 10.12.2020
Die Beklagte vermittelte Flugreisen auf ihrer Internetseite. Unentgeltlich war der Bezahlvorgang, wenn der Kunde die Zahlungsmethode "VISA Entropay" oder "Viabuy Prepaid MasterCard“ auswählte. Bei allen anderen Möglichkeiten fielen zusätzliche Kosten an.
Das OLG Hamburg bewertete dies als wettbewerbswidrig. Es liege ein Verstoß gegen § 312a Abs.4 BGB vor:
"§ 312 a Abs.4 BGB: Denn beide Kartenvarianten seien nicht hinreichend bekannt: "Beide genannten Kreditkarten sind nicht „gängig“ i.S.v. § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, es läuft das Revisionsverfahren vor dem BGH (Az.: I ZR 195/20). zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OVG Koblenz: Bürger hat keinen DSGVO-Anspruch gegen Datenschutzbehörde auf bestimmte Handlungen _____________________________________________________________ Das OVG Koblenz ist der Ansicht, dass ein Bürger keinen DSGVO-Anspruch gegen eine Datenschutzbehörde auf bestimmte Handlungen hat. Insbesondere steht ihm nicht das Recht zu, den betreffenden Bescheid inhaltlich auf seine Richtigkeit gerichtlich überprüfen zu lassen. Vielmehr gewährt die DSGVO dem Betroffenen lediglich ein einfaches Petitionsrecht (OVG Koblenz, Urt. v. 26.10.2020 - Az.: 10 A 10613/20.OVG). Der Kläger beschwerte sich beim Landesdatenschutzbeauftragten Rheinland-Pfalz über die aus seiner Sicht unzulässige Datenspeicherung durch einen Dritten. Im Rahmen seiner Prüfung kam die Behörde zum Ergebnis, dass keine Verletzung der DSGVO vorliege. Sie teilte dem Kläger mit, dass das Verfahren daher beendet werde. Dies ließ sich der Kläger nicht gefallen und zog vor Gericht. Er stellte den Antrag, dass die Datenschutzbehörde ihr Ergebnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheiden müsse. Das OVG Koblenz wies die Klage ab.
Der Gläubiger habe keinen Anspruch, ob die behördliche Entscheidung inhaltlich zutreffend sei, denn die DSGVO gewähre einem Beschwerdeführer kein solches Recht:
"Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Beklagte seine Pflichten bei der Bearbeitung der Beschwerde des Klägers erfüllt. Er hat den Sachverhalt ermittelt, indem er das Beschwerdevorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen und die Beigeladene zur Stellungnahme aufgefordert hat. Dass diese Ermittlungen nicht mit der gebotenen Sorgfalt und Aufklärungstiefe angestellt worden wären, trägt weder der Kläger vor noch ist dies angesichts des überschaubaren Sachverhalts anderweitig ersichtlich. (...) Und weiter: "Zwar garantiert Art. 78 Abs. 1 DSGVO auch gegen einen rechtsverbindlichen Beschluss der Aufsichtsbehörde einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 5. OLG München: Klarnamenpflicht bei Facebook rechtlich einwandfrei _____________________________________________________________ Facebook ist berechtigt, von seinen Usern zu verlangen, dass sie bei der Nutzung ihren tatsächlichen Namen (Klarnamen) angeben. Der Gebrauch von Pseudonymen hingegen kann das Unternehmen untersagen (OLG München, Urt. v. 08.12.2020 - Az.: 18 U 5493/19 Pre). Es ging bei der Auseinandersetzung um die Frage, ob User bei Nutzung von Facebook ihre Realdaten angeben müssen oder ob sie Pseudonyme nutzen dürfen.
Nach § 13 Abs.6 TMG besteht für Online-Diensteanbieter grundsätzlich die Pflicht, dass ihre Angebote auch anonym genutzt werden können:
" § 13 TMG: Pflichten des Diensteanbieters Das OLG München hat nun geurteilt, dass diese Pflicht nicht schrankenlos gilt. Vielmehr bestünde im vorliegenden Fall ein sachlicher Grund, dass Facebook die Realdaten verlangt: "Das von der Beklagten mit der Verpflichtung der Nutzer zur Verwendung ihres wahren Namens verfolgte Interesse erschöpft sich nicht darin, Nutzer bei Verstößen gegen ihre Nutzungsbedingungen leichter identifizieren zu können. Und weiter: "Der Senat teilt die Ansicht der Beklagten, dass die Verpflichtung zur Verwendung des wahren Namens grundsätzlich geeignet ist, Nutzer von einem rechtswidrigen Verhalten im Internet abzuhalten. Bei der Verwendung eines Pseudonyms liegt die Hemmschwelle nach allgemeiner Lebenserfahrung deutlich niedriger. Hiergegen kann die Klägerin nicht einwenden, dass die Verpflichtung zur Verwendung des wahren Namens keine hemmende Wirkung entfaltet habe, weil das beschriebene negative Verhalten im Internet in den letzten Jahren trotz bestehender Klarnamenpflicht massiv zugenommen habe.Neben der Klarnamenpflicht-Problematik enthält die Entscheidung am Rande auch lesenswerte Ausführungen zu Fragen der datenschutzrechtlichen Einwilligung und der Frage, wann ein DSGVO-Schadensersatz besteht. Hinsichtlich Art. 82 DSGVO, als dem Anspruch auf Schadensersatz, äußert sich das OLG München beispielsweise wie folgt: "Schließlich scheidet auch ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO aus. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. BayOLG München: Rein elektronische Auskunft über Daten aus Zentralem Schuldnerverzeichnis nicht ausreichend _____________________________________________________________ Eine rein elektronische Auskunft über Daten aus dem Zentralem Schuldnerverzeichnis ist nicht ausreichend. Vielmehr muss gewährleistet sein, dass auch Personen, die technisch unerfahren sind, Zugang zu diesen Informationen haben (BayObLG München, Beschl. v. 18.11.2020 - Az.: 101 VA 124/20). Der Kläger wollte aus dem Zentralem Schuldverzeichnis Informationen über sich und wandte sich daher per Briefpost an das zuständige Amtsgericht. Das Gericht wies darauf hin, dass das Verzeichnis elektronisch geführt werde. Der Kläger müsse sich daher online entsprechend registrieren. Alternativ könne er sich im Gerichtsgebäude an einem PC registrieren und dann dort virtuell Einsicht nehmen. Der Kläger war der Ansicht, dass dies unzureichend sei, da er in seinem ganzen Leben nichts mit elektronischen Medien zu tun gehabt habe und daher auch nicht über einen Internet-Zugang verfüge. Er begehrte daher die Übermittlung der Daten in Papierform. Das Gericht verweigerte die Auskunft. Zu Unrecht wie das BayObLG nun entschied. Es sei durchaus möglich, dass der Kläger sich nicht zwingend im Online-Portal registrieren müsse. Die Einsichtnahme könne auch auf andere Art und Weise erfolgen.
Erforderlich sei jedoch, dass hinreichend sicher die Identität des Anfragenden überprüft worden sei:
"Der Datenabruf (...) setzen aus Gründen des Datenschutzes die sichere Identifikation des Antragstellers voraus (...). zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. VG Köln: Videoüberwachung muss während Corona-Lockdowns nicht eingestellt werden _____________________________________________________________ Die Polizei muss die Videoüberwachung der öffentlichen Plätze in Köln am Neumarkt, Ebertplatz und Breslauer Platz nicht vorübergehend bis zum Ende des aktuellen „Corona-Lockdowns“ einstellen. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln heute entschieden und die Anträge eines Bürgers auf Erlass eines sog. „Hängebeschlusses“ mit drei Beschlüssen abgelehnt. Anlässlich der Vorkommnisse in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 überwacht die Polizei mit fest installierten Videokameras seit 2017 Bereiche vor dem Hauptbahnhof und Dom sowie die Kölner Ringe. Seit 2019 wurde dies auf weitere öffentliche Bereiche ausgeweitet (Neumarkt, Ebertplatz, Breslauer Platz, Wiener Platz). Dies wird damit begründet, dass es sich um Kriminalitätsschwerpunkte handle und nur mit der Beobachtung durch die Kameras und die Videoaufzeichnungen Straftaten effektiv verhindert werden könnten. Hiergegen wendet sich ein Kölner Bürger seit längerem mit einer Klage (20 K 4855/18) und Eilanträgen (20 L 2340/19; 20 L 2340/19; 20 L 2343/20 und 20 L 2344/20), die bei dem Verwaltungsgericht weiter anhängig sind. Zusätzlich beantragte er nunmehr eine Zwischenentscheidung („Hängebeschluss“) des Gerichts mit dem Ziel, der Polizei Bildaufnahmen und deren Speicherung der Bereiche am Neumarkt, Ebertplatz und Breslauer Platz vorübergehend untersagen zu lassen. Denn seit Anfang November sei die Kriminalität wegen der Maßnahmen des derzeitigen „Corona-Lockdown-Light“ offensichtlich zurückgegangen, sodass die Videoüberwachung nicht erforderlich sei. Zudem könnten Straftäter ohnehin nicht effektiv erkannt werden, weil die meisten gefilmten Menschen eine Mund-Nase-Bedeckung tragen würden. Diesem Begehren ist das Gericht nicht gefolgt. Bei einer Interessenabwägung wiege die Beeinträchtigung des Grundrechts des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung weniger schwer, als die Nachteile, die einträten, wenn die Videoüberwachung für den Zeitraum des „Corona-Lockdowns“ auf der Grundlage der aktuellen Regelungen (u.a. der derzeit bis zum 20.12.2020 befristeten Corona-Schutzverordnung NRW) ausgesetzt würde. Das Polizeipräsidium Köln habe glaubhaft gemacht, dass die überwachten Bereiche am Neumarkt, Ebertplatz und Breslauer Platz Schwerpunkte der Straßenkriminalität im Stadtgebiet seien. Aktuell sei auch während des zweiten „Corona-Lockdowns“ eine hohe Zahl von Straftaten und Polizeieinsätzen zu verzeichnen. Dass auf den überwachten Plätzen aktuell überwiegend Mund-Nase-Bedeckungen getragen würden, führe nicht dazu, dass die Videobeobachtung mangels Identifizierbarkeit einzelner Personen keinen Nutzen mehr habe. Sie diene vor allem dazu, in Fällen, in denen eine Straftat live am Monitor beobachtet werde, Einsatzkräfte zeitnah an den Ort des Geschehens schicken zu können, um die weitere Straftatbegehung zu unterbinden. Es sei davon auszugehen, dass vor Ort befindliche Straftäter in dieser Situation auch mit Mund-Nase-Bedeckung anhand anderer Merkmale identifiziert werden könnten. Gegen die Beschlüsse können die Beteiligten jeweils Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde. Az.: 20 L 2340/19; 20 L 2343/20; 20 L 2344/20
Quelle: Pressemitteilung des VG Köln v. 10.12.2020
Es ging um den urheberrechtlichen Schutz des Liedtextes "Hey, Pippi Langstrumpf". Bislang hatte ausschließlich die verklagte Produktionsgesellschaft die entsprechenden Einnahmen hieran erhalten. Das Unternehmen hatte in den 1960er Jahren den Text aus dem Schwedischen übersetzt und entsprechend angepasst. Dabei sei, so die Beklagte, ein neues, eigenständiges Werk entstanden. Diese Ansicht teilte das LG Hamburg nicht, sondern bejahte eine Rechtsverletzung.
Denn auch in der Übersetzung finde sich exakt die charakteristische Prägung und Darstellung wieder, die aus den Büchern bekannt sei:
"Eine abhängige Bearbeitung einer urheberrechtlich geschützten literarischen Figur liegt nach all dem nur vor, wenn mit der Bezugnahme auf diese Figur auch bereits die Übernahme wesentlicher äußerlicher und charakterlicher eigenpersönlicher Merkmale verbunden ist und daraus für den durchschnittlichen Betrachter folgt, dass auch tatsächlich die vorbekannte literarische Figur abgebildet bzw. beschrieben wird (...). Und weiter: "Dies geschieht dadurch, dass in dem Text und dessen Titel nicht nur der Name „Pippi Langstrumpf' ausdrücklich übernommen wird, sondern daran anknüpfend auch diverse charakteristische Merkmale dieser Figur aus den Erzählungen Astrid Lindgrens übernommen werden. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. LG Münster: Online-Werbeaussage "100 % Original" wettbewerbswidrig _____________________________________________________________ Die Online-Werbeaussage "100 % Original" für Textilprodukte ist irreführend, da es sich um eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten handelt (LG Münster, Beschl. v. 06.05.2020 - Az.: 22 O 31/20).
Die Beklagte veräußerte Bekleidung online und bewarb diese Produkte mit der Aussage
"100 % Original Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes sah dies das LG Münster als rechtswidrig an und erließ eine entsprechende einstweilige Verfügung. Es handle sich nämlich um eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten: "Für den Verbraucher kann nämlich der irreführende Eindruck entstehen, es handele sich bei dem Versprechen, dass die angebotenen Kleidungsstücken Originalware und mithin keine Fälschungen sind, um eine Besonderheit des Angebotes und nicht, wie tatsächlich der Fall, um ein gesetzlich bestehendes Recht (da im Falle des Verkaufs „gefälschter“ Kleidungsstücke kaufrechtliche Gewährleistungsrechte bestehen)." zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. Sächsische Datenschutzbeauftragte: Staatskanzlei wegen unzulässiger Videoüberwachung verwarnt _____________________________________________________________ Die Sächsische Datenschutzbeauftragte teilt in einer Pressemitteilung mit, dass sie die Staatskanzlei des Landes Brandenburg wegen einer mehrwöchigen unzulässigen Videoüberwachung schriftlich förmlich verwarnt hat.
Stein des Anstoßes war insbesondere die Reichweite der Video-Aufnahmen:
"Während ein Nachtbetrieb der Kameras unter Einschränkung ihres Erfassungsbereichs durchaus datenschutzrechtlich zulässig gewesen wäre, hat die Staatskanzlei sie vorwiegend ganztägig und unter Beobachtung weiträumiger Flächen betrieben. Interessanterweise hatte die Sächsische Datenschutzbeauftragte bereits vor Inbetriebnahme der Kameras zahlreiche konkrete Vorgaben gemacht. Diese wurden jedoch von der Staatskanzlei komplett ignoriert. Auch auf eine entsprechende Rüge reagierte das Amt nicht weiter: "Bereits nachdem uns die Staatskanzlei im August über ihr Vorhaben informiert hatte, war absehbar, dass ein Kamerabetrieb in dem vorgesehenen Umfang nicht zulässig sein würde. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Hier offenbart sich anschaulich die Fehlkonstruktion der DSGVO: Während privatrechtliche Unternehmen bei einem solchen Verhalten mit einer erheblichen Geldbuße belegt würden, haben die Landesdatenschutzbeauftragten gegenüber öffentlichen Behörden kein solches Recht.
In aller Regel ist - bis auf wenige Ausnahmen - in diesen Fällen die Verwarnung das schärfste Schwert, was ausgepackt werden kann.
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