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Newsletter vom 17.06.2020 |
Betreff: Rechts-Newsletter 25. KW / 2020: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. EuGH: Pharmaunternehmen dürfen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzeimittel an Apotheker abgeben _____________________________________________________________ Pharmazeutische Unternehmen dürfen keine Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abgeben. Dagegen verbietet es das Unionsrecht nicht, Gratismuster nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben Das Pharmaunternehmen Novartis stellt das Arzneimittel Voltaren Schmerzgel mit dem Wirkstoff Diclofenac her. Vor den deutschen Gerichten beantragt Novartis, dem Generikahersteller ratiopharm die Abgabe von Gratismustern des Arzneimittels Diclo-ratiopharm-Schmerzgel, das ebenfalls den Wirkstoff Diclofenac enthält, an Apotheker zu untersagen. Nach Auffassung von Novartis verstößt eine solche Abgabe gegen das deutsche Arzneimittelgesetz. Dort seien unter den Personen, an die Gratismuster von Arzneimitteln abgegeben werden dürften, zwar Ärzte, nicht aber Apotheker genannt. Diese Abgabe sei daher eine unzulässige Gewährung von Werbegaben. Der Bundesgerichtshof ersucht in diesem Zusammenhang den Gerichtshof um die Auslegung des Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel1 (im Folgenden auch: Kodex). Er möchte wissen, ob dieser Kodex es pharmazeutischen Unternehmen erlaubt, Gratismuster von Arzneimitteln an Apotheker abzugeben. Mit seinem Urteil von heutigen Tag entscheidet der Gerichtshof, dass der Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel es pharmazeutischen Unternehmen nicht erlaubt, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben. Dagegen verbietet es der Kodex nicht, Gratismuster von Arzneimitteln, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, an Apotheker abzugeben. Der Kodex ist nach Ansicht des Gerichtshofs dahin auszulegen, dass nur zur Verschreibung von der ärztlichen Verschreibungspflicht unterliegenden Arzneimitteln berechtigte Personen, also Ärzte, Gratismuster solcher Arzneimittel erhalten dürfen, was zur Folge hat, dass eine Abgabe an Apotheker nicht zulässig ist. Diese Arzneimittel dürfen in Anbetracht der mit ihrem Gebrauch verbundenen Gefahr oder der hinsichtlich ihrer Wirkungen bestehenden Unsicherheit nämlich nicht ohne ärztliche Überwachung verwendet werden. Allerdings wird den Apothekern durch den Kodex nicht die Möglichkeit genommen, im Rahmen des nationalen Rechts Gratismuster von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten, damit sie sich mit neuen Arzneimitteln vertraut machen und Erfahrungen mit deren Anwendung sammeln können. Urteil in der Rechtssache C-786/18 ratiopharm GmbH / Novartis Consumer Health GmbH
Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 11.06.2020
Durch die Veröffentlichung auf der Internetseite hat der Bundesinnenminister allerdings auf Ressourcen zurückgegriffen, die ihm allein aufgrund seines Regierungsamtes zur Verfügung stehen, und diese zur Beteiligung am politischen Meinungskampf eingesetzt. Dies verstößt gegen das Gebot staatlicher Neutralität und verletzt damit die Antragstellerin in ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb.
Sachverhalt: Das muss man scharf verurteilen. Ich kann mich nicht im Bundestag hinstellen und wie auf dem Jahrmarkt den Bundespräsidenten abkanzeln. Das ist staatszersetzend.“ Im weiteren Verlauf des Interviews bekundet er außerdem, dieses Vorgehen sei „einfach schäbig“ gewesen. Sodann bejaht er die Frage, ob die AfD radikaler geworden sei, und fügt hinzu: „Die sind auf der Welle, auf der sie schwimmen, einfach übermütig geworden und haben auch dadurch die Maske fallen lassen. So ist es auch leichter möglich, sie zu stellen, als wenn sie den Biedermann spielt“. Schließlich führt er aus: (…) Mich erschreckt an der AfD dieses kollektive Ausmaß an Emotionalität, diese Wutausbrüche – selbst bei Geschäftsordnungsdebatten. (…) So kann man nicht miteinander umgehen, auch dann nicht, wenn man in der Opposition ist.“ Das Interview kann seit dem 1. Oktober 2018 nicht mehr von der Homepage abgerufen werden. Die Antragstellerin begehrt im Wege des Organstreitverfahrens die Feststellung, durch die Veröffentlichung in ihren Rechten verletzt zu sein.
Wesentliche Erwägungen des Senats: Art. 21 Abs. 1 GG garantiert den politischen Parteien nicht nur die Freiheit ihrer Gründung und die Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung, sondern auch, dass diese Mitwirkung auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen erfolgt. 2. Dieses Recht wird verletzt, wenn Staatsorgane zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern auf den Wahlkampf einwirken. Staatsorgane haben als solche allen zu dienen und sich neutral zu verhalten. Einseitige Parteinahmen während des Wahlkampfs verstoßen gegen die Neutralität des Staates gegenüber politischen Parteien und verletzen die Integrität der Willensbildung des Volkes durch Wahlen und Abstimmungen. Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten erfordert der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Beachtung des Gebots staatlicher Neutralität. Denn der Prozess der politischen Willensbildung ist nicht auf den Wahlkampf beschränkt, sondern findet fortlaufend statt. 3. Die Aufgabe der Staatsleitung schließt als integralen Bestandteil die Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ein. Diese ist nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten und die Bürgerinnen und Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung an der politischen Willensbildung sowie zur Bewältigung vorhandener Probleme zu befähigen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die der Bundesregierung zukommende Autorität und die Verfügung über staatliche Ressourcen eine nachhaltige Einwirkung auf die politische Willensbildung des Volkes ermöglichen, die das Risiko erheblicher Verzerrungen des politischen Wettbewerbs der Parteien und einer Umkehrung des Prozesses der Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen beinhaltet. Die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung endet daher dort, wo Werbung für oder Einflussnahme gegen einzelne im politischen Wettbewerb stehende Parteien oder Personen beginnt. Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung zwar berechtigt, gegen ihre Politik gerichtete Angriffe öffentlich zurückzuweisen; dabei hat sie aber sowohl hinsichtlich der Darstellung des Regierungshandelns als auch hinsichtlich der Auseinandersetzung mit der hieran geübten Kritik die gebotene Sachlichkeit zu wahren. Das schließt die klare und unmissverständliche Zurückweisung fehlerhafter Sachdarstellungen oder diskriminierender Werturteile nicht aus. Darüberhinausgehende, mit der Kritik am Regierungshandeln in keinem inhaltlichen Zusammenhang stehende, verfälschende oder herabsetzende Äußerungen sind demgegenüber zu unterlassen. Für die Äußerungsbefugnisse eines einzelnen Mitglieds der Bunderegierung gilt nichts Anderes. Eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb liegt vor, wenn Regierungsmitglieder sich am politischen Meinungskampf beteiligen und dabei auf durch das Regierungsamt eröffnete Möglichkeiten und Mittel zurückgreifen, über welche die politischen Wettbewerber nicht verfügen. Ob die Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung in Ausübung des Ministeramtes stattgefunden hat, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu bestimmen. Eine Äußerung erfolgt insbesondere dann in regierungsamtlicher Funktion, wenn der Amtsinhaber sich in Form offizieller Publikationen, Pressemitteilungen sowie auf der Internetseite seines Geschäftsbereichs erklärt oder wenn Staatssymbole und Hoheitszeichen eingesetzt werden. II. Nach diesen Maßstäben ist der Antrag begründet. 1. Die angegriffenen Äußerungen des Antragsgegners im Rahmen des Interviews sind als Teilnahme am politischen Meinungskampf verfassungsrechtlich für sich genommen nicht zu beanstanden. a) Die angegriffenen Äußerungen beinhalten negative Qualifizierungen der Antragstellerin. Sie beinhalten eine parteiergreifende deutliche Kritik und negative Bewertungen zum Nachteil der Antragstellerin. Ihr wird unterstellt, dass sie sich ungeachtet entgegenstehender Bekenntnisse gegen den Staat stelle und insoweit ihre Maske habe fallen lassen. Zugleich wird ihr ein Radikalisierungsprozess attestiert und ihr Verhalten als „staatszersetzend“ qualifiziert, wobei sich der diesbezüglich gewählten Formulierung nicht eindeutig entnehmen lässt, ob der letztgenannte Vorwurf lediglich im Zusammenhang mit der Kritik der AfD-Bundestagsfraktion am Verhalten des Bundespräsidenten erhoben wird oder auf die Antragstellerin als Ganzes zielt. Mit seinen Äußerungen überschreitet der Antragsgegner insoweit die durch das Neutralitätsgebot vorgegebenen inhaltlichen Grenzen. Soweit der Antragsgegner meint, die getätigten Aussagen seien bereits deshalb nicht zu beanstanden, weil sie keinen konkreten Wahlkampfbezug gehabt hätten und lediglich ein respektvoller Umgang mit dem Bundespräsidenten angemahnt, aber keine Aufforderung zur Nichtwahl der Antragstellerin ausgesprochen worden sei, lässt er außer Betracht, dass eine Beeinflussung der politischen Willensbildung zugunsten oder zulasten einzelner Parteien nicht nur durch Wahl- oder Nichtwahlaufrufe, sondern auch durch die negative Qualifizierung des Handelns oder der Ziele einzelner Parteien erfolgen kann. Davon ausgehend hat der Zweite Senat bereits ausdrücklich festgestellt, dass auch außerhalb von Wahlkampfzeiten der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Beachtung des Gebots staatlicher Neutralität erfordert, da der Prozess der politischen Willensbildung nicht auf Wahlkämpfe beschränkt ist, sondern fortlaufend stattfindet. b) Die Abgabe der streitgegenständlichen Äußerungen im Rahmen des Interviews als solche verletzt gleichwohl das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG nicht, weil der Antragsgegner dabei weder in spezifischer Weise auf die Autorität seines Ministeramtes noch auf die damit verbundenen Ressourcen zurückgegriffen hat. Vielmehr ergibt der Gesamtzusammenhang des Interviews, dass sich die Äußerungen als Teilnahme des Antragsgegners am politischen Meinungskampf in seiner Eigenschaft als Parteipolitiker und nicht als Wahrnehmung des Ministeramtes darstellen. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass der Antragsgegner zu Themen befragt wird, die nicht von seinem Ressort umfasst sind. 2. Demgegenüber hat der Antragsgegner durch die Veröffentlichung des Interviews auf der Homepage des von ihm geführten Ministeriums das Recht der Antragstellerin aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt. a) Er hat damit auf Ressourcen zurückgegriffen, die ihm allein aufgrund seines Regierungsamtes zur Verfügung stehen. Diese hat er auch zur Beteiligung am politischen Meinungskampf eingesetzt, da die Wiedergabe des Interviews der weiteren Verbreitung der darin enthaltenen Aussagen diente. Da diese Aussagen in einseitiger Weise Partei gegen die Antragstellerin ergreifen, verstößt die Veröffentlichung des Interviews auf der Internetseite des Ministeriums gegen das Gebot strikter staatlicher Neutralität und verletzt damit die Antragstellerin in ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb. b) Die hiergegen seitens des Antragsgegners erhobenen Einwände rechtfertigen keine andere Einschätzung. Der Hinweis, durch die bloße Veröffentlichung des Interviews auf der Internetseite des Ministeriums erlange dieses nicht den Charakter einer amtlichen Verlautbarung, vermag das Handeln des Antragsgegners nicht zu legitimieren. Zwar wurde bei der Veröffentlichung auf die Primärquelle hingewiesen und offengelegt, dass die Veröffentlichung mit deren ausdrücklicher Genehmigung erfolgte. Entscheidend ist aber allein, dass der Antragsgegner staatliche, der Antragstellerin nicht zur Verfügung stehende Ressourcen eingesetzt hat, um die Wettbewerbslage zwischen den politischen Parteien zu deren Nachteil zu verändern. Der Antragsgegner kann sich zur Rechtfertigung auch nicht auf die Befugnis der Bundesregierung zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit berufen. Dabei kann dahinstehen, ob dies bereits daran scheitert, dass der Antragsgegner bei der Verteidigung des Bundespräsidenten außerhalb der ihm zustehenden Ressortzuständigkeiten gehandelt haben könnte, da die Äußerungen nicht das im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung geltenden Gebot der Sachlichkeit beachten. Urteil vom 09. Juni 2020 - 2 BvE 1/19
Quelle: Pressemitteilung des BVerfG v. 09.06.2020
Im Rahmen einer Streitwertbeschwerde hatte sich das OLG Frankfurt a.M. mit der Frage auseinanderzusetzen, welcher Streitwert angemessen ist, wenn unerlaubt die Werke eines professionellen Fotografen unerlaubt vervielfältigt werden.
Die Richter gehen hier in der Regel von einem Streitwert von 6.000,- EUR aus:
"Bei der Verletzung von Bildrechten eines professionellen Fotographen durch einen gewerblich handelnden Anspruchsgegner liegt der im Hauptsacheverfahren anzusetzende Streitwert für den Unterlassungsantrag nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in der Regel in einer Spannbreite zwischen 5.000 € und 7.000 € (...). Dies entspricht auch den einschlägigen Entscheidungen anderer Instanzgerichte (vgl. OLG Hamm aaO., Rn 166). (...) zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Köln: Online-Verunglimpfung von Frauen ist strafbare Volksverhetzung _____________________________________________________________ Der Paragraf, mit dem Volksverhetzung unter Strafe gestellt wird (§ 130 StGB), greift auch bei der pauschalen Verunglimpfung von Frauen ein. Zwar ist der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift der Schutz von Minderheiten, das Gesetz erfasst aber nach Wortlaut, Sinn und Zweck auch Angriffe auf die Menschenwürde von Frauen. Das hat der 1.Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Urteil vom 09.06.2020 entschieden und einen Freispruch des Landgerichts Bonn aufgehoben. Der Angeklagte hatte auf einer von ihm betriebenen Homepage im Internet in zahlreichen Beiträgen Frauen u.a. als "Menschen zweiter Klasse", "minderwertige Menschen" und "den Tieren näherstehend" bezeichnet. Das Amtsgericht Bonn hatte ihn daher zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bonn diesen aus Rechtsgründen freigesprochen. Es hat die Auffassung vertreten, dass § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur Gruppen schütze, die durch ihre politische oder weltanschauliche Überzeugung oder ihre sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, ihren Beruf oder ihre soziale Funktion erkennbar seien. Eine geschlechtsspezifische Bestimmung nehme die Norm dagegen nicht vor. Die Gesetzgebungsgeschichte zeige, dass der allgemeine Geschlechterschutz von der Norm gerade nicht beabsichtigt sei. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat der 1.Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln den Freispruch aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass zu den von § 130 StGB geschützten "Teilen der Bevölkerung" auch Frauen zählen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, der Auslegungshistorie, der Systematik und aus dem Zweck der Vorschrift. Zwar werde in der juristischen Fachliteratur vereinzelt argumentiert, dass die Vorschrift nur dem Minderheitenschutz dienen solle, und aus diesem Grund die Vorschrift für Frauen als statistische Mehrheit der Bevölkerung nicht anwendbar sei. Dafür könne als Argument ins Feld geführt werden, dass Angehörige der Mehrheitsbevölkerung von Anderen nichts zu befürchten hätten, weil ihnen alleine die zahlenmäßige Überlegenheit genügend Schutz biete. Eine solche Konzeption finde aber im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck. Im Übrigen könne die Rechtsanwendung kaum von Zufälligkeiten der (möglicherweise wechselnden) Majoritätenbildung abhängig gemacht werden. Auch zeige die Historie der Vorschrift eine Entwicklung zu einem umfassenden "Anti-Diskriminierungstatbestand" auf. Der in den Schutzbereich einbezogene Teil der Bevölkerung sei keineswegs anhand der ausdrücklich erwähnten Merkmale beschränkt. Zwar möge der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift in der Praxis nach wie vor im Bereich rechtsradikaler Hetze gegen Minderheiten liegen. Unter die Vorschrift fielen aber auch diskriminierende Äußerungen gegen Frauen. Da der Angeklagte mit seinen Äußerungen Frauen unter Missachtung des Gleichheitssatzes als unterwertig dargestellt und ihre Menschenwürde angegriffen habe, sei davon auszugehen, dass er den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt habe. Eine Strafe konnte der Senat als Revisionsgericht aus Rechtsgründen nicht verhängen. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bonn zurückverwiesen. Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 09.06.2020 - Az. III-1RVs 77/20.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 15.06.2020 In diesem Verfahren begehrte der Kläger im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Unterlassung einer Äußerung der Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages in einem Interview vom 20. Oktober 2019 in der Tageszeitung "Augsburger Allgemeine" unter dem Titel: "Künast und Roth im Doppel-Interview: ‚Manches geht nicht spurlos an dir vorbei‘". Dabei erzählte die Beklagte von Anfeindungen im Internet ihr gegenüber folgendermaßen: "Auch ich versuche immer wieder, gegen Drohungen und Beleidigungen juristisch vorzugehen…. Wir dürfen nicht aufhören, das Thema in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Wir müssen die Stichwortgeber benennen, all diese neurechten Plattformen, deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht – von Roland Tichy über Henryk M. Broder bis hin zu eindeutig rechtsradikalen Blogs." Das Landgericht hatte den Unterlassungsantrag des Klägers zurückgewiesen, was jetzt vom Berufungsgericht bestätigt wurde. Die streitbefangene Äußerung sei nach ihrem Aussagegehalt und dem Kontext, in dem sie gefallen ist, nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung einzustufen. Das Recht des Klägers auf Unversehrtheit seiner Sozialsphäre in Form seiner beruflichen Ehre als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG überwiege im vorliegenden Fall nicht das Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG. Aus dem Gesamtzusammenhang der streitgegenständlichen Äußerung ergebe sich für einen unvoreingenommenen Durchschnittleser, dass die Äußerung der Verfügungsbeklagten über "all diese neurechten Plattformen …." insgesamt eine Meinungsäußerung darstelle, die von den Elementen der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens der Beklagten geprägt ist. Claudia Roth sei es mit der hier beanstandeten Äußerung in der "Augsburger Allgemeinen" erkennbar inhaltlich nicht auf einzelne Aussagen konkreter Plattformbetreiber, sondern darauf angekommen, dass man "Hetze und Falschbehauptungen" gerade dann, wenn sie wiederholt auftreten, ihrer Auffassung nach nicht unwidersprochen hinnehmen, sondern auch unter Nennung des Urhebers öffentlich angehen solle. Auch liege eine sogenannte Schmähkritik, welche die Meinungsäußerungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurücktreten lassen würde, nicht vor. Liege aber keine Schmähkritik oder Formalbeleidigung vor, so sei über die Frage der Rechtfertigung der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch eine Interessenabwägung zu entscheiden. Dabei überwiege bei der hiernach gebotenen Abwägung das Interesse der Beklagten an der freien Äußerung ihrer Meinung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in Form seiner beruflichen Ehre. Schließlich sei die Beklagte in ihrem Äußerungsrecht auch nicht durch ihr Amt als Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages eingeschränkt. Das Interview der Beklagten vom 20. Oktober 2019 sowie die konkrete streitgegenständliche Äußerung hätten nach der Betrachtung des unbefangenen Lesers nicht das von Claudia Roth bekleidete Amt, sondern Anfeindungen im Internet gegen ihre Person als Frau und Grünen-Politikerin zum Gegenstand. Auch nach der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger daher kein Unterlassungsanspruch gegen Claudia Roth zu. Die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist sofort rechtskräftig.
Aktenzeichen:
Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart v. 10.06.2020
Im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung stritten die Parteien über die Frage, wann eine über WhatsApp gesendete Erklärung bei dem Empfänger als zugegangen anzusehen ist.
Das LG Bonn hat hierauf eine klare Antwort gegeben: Entscheidend sei allein, wann der Text auf dem Handy objektiv eingegangen sei. Unerheblich sei hingegen, wann der Empfänger diese subjektiv auch wahrgenommen habe:
"Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die E-Nachricht am 14.10.2019 versandt worden ist und die Nachricht auch auf dem Mobiltelefon des Verfügungsklägers zu 1) eingegangen ist. Streitig ist allein, wann der Verfügungskläger die Nachricht tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. LG Itzehoe: Kein Anspruch auf Verpixelung eines Grundstücks gegen Google Earth _____________________________________________________________ Die 10. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe hat mit Urteil vom 11.6.2020 eine Klage gegen Google Ireland Ltd. auf Verpixelung eines Grundstücks im Kartendienst Google Earth zurückgewiesen. Der Kläger klagte auf Unkenntlichmachung durch Verpixelung eines von ihm bewohnten Grundstücks im Onlinedienst Google Earth. Bei Google Earth, das u.a. über die Internetseite www.google.de/maps abrufbar ist, ist die Welt von oben abgebildet und kann von jedermann betrachtet werden. Dabei findet keine „Echtzeitdarstellung", sondern eine Einmaldarstellung statt. Auf der Aufnahme ist das Grundstück in mittelmäßiger Bildqualität frontal von oben abgebildet. Es sind die Dächer des Hauses und die Gartenanlage zu sehen. Personen, Fenster und Türen sind nicht erkennbar. Soweit die Adresse bei Google Maps eingegeben wird, landet der Marker auf der Straße zwischen vier Grundstücken. Eine genaue Zuordnung zu dem Grundstück ist dadurch nicht möglich. Diese findet lediglich bei Eingabe der Koordinaten statt; dann zeigt der Marker direkt auf das konkrete Grundstück. Die Kammer hat zwar einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG des Klägers gesehen, das auch das Recht erfasst, sich in seinen privaten Bereich zurückzuziehen. In diesem Fall hat es aber den Eingriff von Google für gerechtfertigt erachtet. So hat es im Rahmen einer Abwägung, die zwischen widerstreitenden grundrechtlich geschützten Rechten stattfindet, das Recht von Google auf Informationsfreiheit, die auch das Bereitstellen von Informationen aus Art. 5 Abs. 1 GG erfasst, sowie das Recht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 GG für höherwertig erachtet als den Eingriff in die Privatsphäre des Klägers. Dies hat die Kammer insbesondere damit begründet, dass auf der Aufnahme weder Personen noch sonstige Details aus dem Privatleben und der Lebensgestaltung des Klägers und seiner Familie erkennbar sind. Ein Einblick in das Haus selbst oder Zugänge in das Haus, was für Einbrecher interessant sein könnte, sind nicht gegeben. Auch hat die Beklagte das Grundstück nicht „ausgespäht“, um Informationen über den Kläger oder seine Familie zu erhalten und diese zu veröffentlichen. Vielmehr war lediglich das zu sehen, was von jedermann auch aus einem Flugzeug oder Helikopter zu sehen gewesen wäre. Darüber hinaus hat die Beklagte keine Verknüpfung von Daten des Klägers, wie seinem Namen mit der Adresse, vorgenommen. Auf der anderen Seite bietet die Beklagte einen Dienst an, der es jedermann ermöglicht, sich ein Bild von der Welt von oben zu machen. Ein Anspruch auf Verpixelung von Grundstücken ohne weitergehenden Eingriff in die Privatsphäre im Einzelfall würde zu einer Unbrauchbarmachung des Dienstes führen. Das öffentliche Interesse, sich die Informationen über diesen Dienst zu beschaffen, war im Rahmen von Art. 5 GG mitzuberücksichtigen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des LG itzehoe v. 12.06.2020
Andreas Temme war zum Zeitpunkt des NSU-Mordes an Halit Yozgat Mitarbeiter bei dem Landesamt für Verfassungsschutz. Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden gab dem Eilantrag statt und verpflichtete das Landesamt für Verfassungsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung dazu, dem Antragsteller die von ihm gestellten Fragen zu beantworten. Diese knüpften an aktuelle Vorgänge an und seien bereits Gegenstand öffentlicher Berichterstattung in den Medien. Anspruchsgrundlage sei § 3 Abs. 1 Satz 1 HPresseG, wonach Behörden verpflichtet sind, der Presse die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Der Antragsteller habe als Journalist einen Anspruch auf Information darüber, wie oft der damalige Innenminister Bouffier im Fall Temme interveniert habe. Die Kammer verwies zur Begründung unter anderem auf den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20.11.2019 – 8 B 1938/19, dem ein ähnlich gelagerter Fall zugrunde lag. Nach dessen Auffassung handele es sich bei der Verwendung der Formulierung „interveniert“ um eine einfach zu beantwortende konkrete Frage, die vom Auskunftsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 HPresseG gedeckt sei und die vom Landesamt keine Wertung verlange. Die gestellte Frage ließe sich schlagwortartig beantworten, je nachdem, ob der damalige Innenminister nachgefragt oder bestimmte Vorgehensweisen kritisiert oder auch angemahnt habe. Anhaltspunkte für eine begründete Verweigerung der Beantwortung dieser Frage seien weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen. Gegen den Beschluss kann der Antragsgegner binnen zwei Wochen Beschwerde erheben, über die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hätte. Quelle: Pressemitteilung des VG Wiesbaden v. 09.06.2020
§ 3 HPresseG In einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung stritt ein Arbeitnehmer mit seiner ehemaligen Firma. Es ging dabei um nicht vollständige Auskünfte nach Art. 15 DSGVO. Der Kläger machte daraufhin einen Schadensersatzanspruch iHv. mehr als 140.000,- EUR geltend für den erlittenen immateriellen Schaden aufgrund der fehlerhaften Rückmeldung seines Chefs. Der europäische Gesetzgeber habe einen wirksamen Schadensersatz bewirken wollen, sodass ein Anspruch iHv. 12 Monatsgehältern angemessen sei. Das ArbG Düsseldorf lehnte das Begehren größtenteils ab, bejahte aber einen Schadensersatz iHv.. 5.000,- EUR.
Zum Anspruch grundsätzlich führt es aus:
"Verursacht durch die genannten Verstöße hat der Kläger, der keinen materiellen Schaden vorgetragen hat, einen immateriellen Schaden iSd. Art. 82 Abs. 1 E. erlitten. Und hinsichtlich der Höhe des Schadens iHv. 5.000,- EUR führt es aus: "Die betroffene Person soll einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten (EG 146). Verstöße müssen effektiv sanktioniert werden, damit die E. wirken kann, was vor allem durch Schadensersatz in abschreckender Höhe erreicht wird (...). Und weiter: "Zu Gunsten der Beklagten wird berücksichtigt, dass von fahrlässigen Verstößen auszugehen ist. Anhaltspunkte für Vorsatz, mithin die bewusste und gewollte verspätete, dann intransparente Reaktion auf das Auskunftsgesuch, sind nicht ersichtlich. Auch sind keine anderen Verstöße der Beklagten gegen die E. dargetan. Des Weiteren erschließt sich der Kammer nicht, warum die Höhe der Vergütung des Klägers in die Bemessung des Schadensersatzes einfließen sollte. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. AG Westerstede: Betroffener hat DSGVO-Unterlassungsanspruch gegen datenschutzwdriges Verhalten einer Inkasso-Firma _____________________________________________________________ Ein Betroffener hat einen DSGVO-Unterlassungsanspruch gegen die datenschutzwidrige Ankündigung eines Inkasso-Unternehmens, seine Daten auch an unbeteiligte Dritte zu übermitteln (AG Westerstede, Beschl. v. 30.12.2019 - Az.: 27 C 660/19). Die Beklagte, eine Inkasso-Firma, kündigte in ihrem Schreiben gegenüber dem Kläger an: "Im Rahmen des Inkassoverfahrens werden wir Ihre Daten an unseren Auftraggeber (...) und ggf. folgende Kategorien von Empfängern übermitteln, sofern dies zum Einzug der Forderung erforderlich ist: Abtretungsempfänger; Auskunfteien, Dienstleister, Drittschuldner, Einwohnermeldeämter, Gerichte, Gerichtsvollzieher, Rechtsanwälte."Der Kläger sah darin einen DSGVO-Verstoß und forderte die Beklagte auf, diese Ankündigung nicht umsetzen. Als keine Reaktion erfolgte, erwirkte er eine einstweilige Verfügung. Die Beklagte erklärte schließlich, keine Übermittlung vorzunehmen, sodass die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärten. Das Gericht legte der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf. Denn dem Kläger stehe aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein Unterlassungsanspruch zu. Die Ankündigung der Datenübermittlung verstoße gegen die DSGVO und sei rechtswidrig. Es finde nämlich keine hinreichende Einschränkung statt, an wen genau die Informationen weitergegeben würden. Die Begrenzung "...sofern dies zum Einzug der Forderung erforderlich ist" sei nicht ausreichend. In ihrem Anschreiben habe die Beklagte ausdrücklich weitere Maßnahmen angekündigt, sofern die geltend gemachte Forderung nicht fristgerecht bezahlt werde. Das könne ein Verbraucher nur dahin gehend verstehen, dass im Falle der Nichtzahlung ein Datentransfer an alle aufgelisteten Personen erfolgen werde.
Auch habe das Inkasso-Unternehmen erst Anlass für die gerichtliche Auseinandersetzung gegeben, da es auf die außergerichtliche Aufforderung des Klägers nicht reagiert habe.
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Datum: 26.06.2020 |