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Newsletter vom 17.07.2013 |
Betreff: Rechts-Newsletter 29. KW / 2013: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BFH: Online-Handelsplattform muss an Steuerfahndung Auskunft über Händler geben _____________________________________________________________ Die Antwort auf ein Sammelauskunftsersuchen der Steuerfahndung kann nicht mit der Begründung verweigert werden, die Geheimhaltung der Daten sei privatrechtlich vereinbart worden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 16. Mai 2013 (II R 15/12) entschieden. Im Streitfall ging es dem Finanzamt darum zu erfahren, welche Nutzer Verkaufserlöse von mehr als 17.500 Euro pro Jahr über eine Internethandelsplattform erzielt hatten. Name und Anschrift der Händler sollten ebenso angegeben werden wie deren Bankverbindung. Außerdem sollte eine Aufstellung der einzelnen Verkäufe vorgelegt werden. Ab einem Umsatz von mehr als 17.500 Euro pro Jahr ist Umsatzsteuer zu entrichten. Das Sammelauskunftsverlangen war gerichtet an die deutsche Schwestergesellschaft eines in Luxemburg ansässigen Betreibers einer Internethandelsplattform. Die in Deutschland ansässige GmbH hatte die Internethandelsplattform früher selbst betrieben. Nach der Übertragung des Geschäfts auf ihre in Luxemburg ansässige Schwestergesellschaft hatte sie sich dazu verpflichtet, umfangreiche Datenverarbeitungsleistungen für diese auf der Grundlage luxemburgischen Rechts zu erbringen. Außerdem hatte sie sich verpflichtet, die von ihr zu verarbeitenden Daten nicht an Dritte weiterzugeben. Vor Gericht argumentierte die Klägerin, sie könne die von ihr verlangten Auskünfte nicht erteilen, da sie hierzu nach den für sie bindenden Weisungen ihrer Schwestergesellschaft nicht befugt sei. Sie könne ihre Schwestergesellschaft auch nicht dazu bringen, der Datenherausgabe zuzustimmen. Die Daten stünden ihr auch tatsächlich nicht zur Verfügung, da sie auf Servern im Ausland gespeichert seien, die ihr weder gehörten noch von ihr verwaltet oder gepflegt würden. Das Finanzgericht (FG) hat daraufhin der Klage stattgegeben und das Sammelauskunftsersuchen aufgehoben, da der Klägerin die Erteilung der Auskunft in tatsächlicher Hinsicht unmöglich sei. Auf die Revision des Finanzamts hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das FG hat – wie sich aus der Begründung des Urteils ergibt – keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, dass der Klägerin der Zugriff auf die Daten aus technischen Gründen unmöglich ist. Dass die Datenserver im Ausland stehen, steht dem Zugriff auf die Daten nicht entgegen. An die tatsächliche Würdigung des FG war der BFH deshalb nicht gebunden. Das FG hat vielmehr entscheidend darauf abgestellt, dass sich die Klägerin gegenüber ihrer Schwestergesellschaft zur Geheimhaltung der Daten verpflichtet hatte. Die darin liegende rechtliche Wertung hat der BFH verworfen. Die privatrechtlich vereinbarte Geheimhaltung kann der öffentlich-rechtlichen Auskunftspflicht nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden. Das Urteil des FG konnte deshalb keinen Bestand haben. Das FG muss nun feststellen, ob die Klägerin tatsächlich auf die fraglichen Daten zugreifen kann. Der BFH hat dem FG außerdem umfangreiche Hinweise für die weitere Bearbeitung des Falles erteilt. Urteil vom 16.05.13 II R 15/12
Quelle: Pressemitteilung des BFH v. 10.07.2013
Die Parteien waren beide Rechtsanwaltskanzleien und vertraten in großem Umfang Mandate bei Urheberrechtsverletzungen im Internet. Der Kläger vertrat die Rechteinhaber, die Beklagte hingegen die Abgemahnten. Die Beklagte war in 300 Rechtsverletzungen gegenüber dem Klägern mandatiert. In allen Fällen wurde von den Beklagten behauptet, die Abgemahnten hätten die Rechtsverletzung nicht begangen und zu keinem Zeitpunkt urheberrechtlich geschützte Werke hochgeladen. Daraufhin meldeten sich sechs Test-Personen der Kläger bei der Beklagten und gaben an, abgemahnt worden zu sein. Obwohl alle sechs Personen gegenüber der Beklagten angaben, die Rechtsverletzungen begangen zu haben, verwendete die Beklagten ihre üblichen Schriftsätze und erklärte, es sei zu keiner Urheberrechtsverletzung gekommen. Hierin sah die klägerische Anwaltskanzlei einen Wettbewerbsverstoß und mahnte die Beklagte ab. Der BGH verneinte nun eine Wettbewerbsverletzung. Eine wie im vorliegenden Fall fehlerhafte Mandatsbearbeitung durch die Beklagte führe nicht automatisch und zwingend zu einem Wettbewerbsverstoß. Vielmehr müsse das Verhalten geeignet sein, den Verbraucher entsprechend zu beeinflussen.
Dies sei hier nicht erkennbar. Zwar habe die Beklagte durch die Angabe unwahrer Tatsachen das Rechtsverhältnis gegenüber ihren eigenen Mandanten verletzt und zudem (möglicherweise) einen Betrug begangen. Dies sei jedoch nicht relevant, da hierdurch allenfalls Interessen der jeweiligen Rechteinhaber betroffen seien, aber nicht die Rechte der klägerischen Anwaltskanzlei.
Leitsatz des Gerichts: "Eine Grundpreisangabe für in Supermärkten angebotene Waren kann auch dann noch als deutlich lesbar im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV anzusehen sein, wenn die dabei verwendete Schriftgröße nur 2 Millimeter beträgt." Dies soll insbesondere auch für Preisangaben bei Waren gelten, die in den unteren Fächern der Verkaufsregale angeboten werden, z.T. nur wenige Zentimeter über dem Fussboden, so dass ein Verbraucher sich müssen bücken muss. "Das Berufungsgericht hat auch insoweit in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der Verbraucher, der das Angebot der von der Beklagten dort platzierten Waren prüfen will, sich ihnen ohnedies so weit nähern wird, dass er die Grundpreis angaben noch gut lesen kann."
Mit anderen Worten: Dadurch, dass der Kunde sich ohnehin wegen der Position des Verkaufsregals bücken muss, sieht er die Preisangaben aus unmittelbarer Nähe.
Die Angeklagten hatten als führende Köpfe einer Bande mit anderen Bandenmitgliedern rumänische Frauen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren zumeist mit falschen Versprechungen über lukrative berufliche Perspektiven nach Deutschland gelockt. Hier hatten sie die Frauen unter Ausnutzung von deren Mittellosigkeit und Sprachunkenntnis dazu veranlasst, die Prostitution auszuüben. Dabei hatten die Angeklagten ab dem Jahr 2006 das Modell des sogenannten "Flatrate-Bordells" entwickelt, bei dem Freier für einen pauschalen Eintrittspreis mit beliebig vielen Frauen in den Bordellen (beispielsweise in Berlin-Schönefeld, Heidelberg, Wuppertal, Barsinghausen und Recklinghausen) sexuell verkehren durften. Die durch ein ausdifferenziertes System aus Verhaltensregeln, Strafen und Belohnungen gefügig gehaltenen Frauen hatten hierbei teilweise mehr als 30 Freier täglich zu bedienen. Etwa seit 2008 hielten sich die Angeklagten nicht mehr selbst in den Bordellen auf, sondern erteilten aus dem Hintergrund ihre Weisungen. Die vorgeschriebenen Beiträge zur Sozialversicherung für die Prostituierten führten sie nicht ab. Die Revisionen der Angeklagten gegen dieses Urteil hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.
Beschluss vom 6. Juni 2013 - 1 StR 581/12
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 09.07.2013
Die Beklagten verwendeten für die Kennzeichnung eines Slogan ein hochgestelltes "TM"-Logo (= Trademark). Der Slogan war noch nicht als Marke eingetragen, jedoch lief bereits das Anmeldeverfahren. Die Berliner Richter sahen hierin keine Irreführung. Der Verbraucher differenziere zwischen den Symbolen "R" und "TM". Während ersteres eine eingetragene Marke kennzeichne, würde zweiteres lediglich eine Markenanmeldung bedeuten. Da im vorliegenden Fall eine solche Anmeldung gegeben sei, liege somit keine Irreführung vor.
Selbst wenn ein kleiner Teil der Verbraucher möglicherweise eine andere Vorstellung habe, handle es sich um eine unerhebliche Irreführung. Die Werbewirkung des "TM"-Logos sei gering und könne das geschäftliche Verhalten der Verbraucher kaum oder gar nicht beeinflussen.
Der Antragsteller begehrte den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen angeblich wettbewerbswidriger Werbung mit Testergebnissen auf einer Webseite. Der beauftragte Rechtsanwalt hatte die Homepage der Antragsgegnerin bereits für einen anderen Mandanten zeitlich früher kontrolliert. Im vorliegenden Fall stellten die Frankfurter Richter auf die Kenntnis des Anwalts des Antragstellers ab und nicht auf die des Antragstellers selbst.
Der Antragsteller müsse sich die Kenntnis seines Advokaten zurechnen lassen. Es sei unerheblich, ob der Anwalt, als er damals erstmalig von dem beanstandeten Rechtsverstoß erfuhr, bereits von dem Antragsteller beauftragt war. Denn einer ausdrücklichen Bestellung zum Wissensvertreter bedürfe es nicht.
Auf der Webseite der Beklagten waren die datenschutzrechtlichen Angaben nach § 13 TMG nicht vorhanden. Die Hamburger Richter sahen darin eine Wettbewerbsverletzung. Die Vorschrift des § 13 TMG beruhe auf Regelungen der EU-Datenschutzrichtlinie. Sie solle ein einheitliches Datenschutz-Niveau in den einzelnen EU-Ländern gewährleisten. Dadurch würden nicht nur die datenschutzrechtlichen Belange des Betroffenen geschützt, sondern es sollten auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Marktteilnehmer geschaffen werden. Insofern handle es sich um eine Marktverhaltensregelung, deren Verstoß eine Wettbewerbsverletzung begründe.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die instanzgerichtliche Rechtsprechung entscheidet uneinheitlich.So gibt es Gerichte, die einen Wettbewerbsverstoß ablehnen (z.B. KG Berlin, Beschl. v. 29.04.2011 - Az.: 5 W 88/11; LG Frankfurt a.M., MMR 2001, 259 [259 f.]. Jedoch gibt es genauso viel Rechtsprechung, die bei Datenschutzverletzungen ein wettbewerbswidriges Handeln bejahen (OLG Stuttgart, GRUR-RR 2007, 330 [331]; LG Stuttgart, DuD 1999, 294 [294]).
So soll nach Ansicht des KG Berlin der Facebook-Button "Gefällt mir" in keinem Fall ein Wettbewerbsverstoß sein (KG Berlin, Beschl. v. 29.04.2011 - Az.: 5 W 88/11).
Es ging die Veröffentlichung eines Fotos des Klägers. Die Beklagte war eine Personensuchmaschine. Der Inhalt wurde auf der Seite der Personensuchmaschine angezeigt und war von einer Dritt-Webseite übernommen. Das LG Köln entschied, dass der Suchmaschinen-Betreiber grundsätzlich erst ab Kenntnis der Rechtsverletzung hafte. Er sei nicht verpflichtet, den indizierten Content vorab auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Denn dies sei unverhältnismäßig und übersteige die Zumutbarkeitsgrenze.
So lange der Anbieter - wie hier - die angezeigten Inhalte als fremd kennzeichne, könne er sich auf diese Haftungsprivilegierung berufen.
Der klägerische Anwalt begehrte die Übersendung der Liste der jugendgefährdenden Medien. Diese Informationen seien u.a. für seine berufliche Tätigkeit notwendig. Das VG Köln lehnte den begehrten Anspruch ab. Es bestehe ein begründetes Interesse daran, die Liste geheim zu halten. Durch die Nicht-Veröffentlichung solle die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen geschützt werden.
Würden die Daten an den Kläger übergeben, bestehe abstrakt die Gefahr, dass Kinder oder Jugendlichen Zugang zu diesen Informationen erhielten. Dadurch würde gerade der beabsichtigte Zweck - der Schutz der Jugend - unterlaufen. Insofern bestehe an der Geheimhaltung ein überwiegendes öffentliches Interesse, so dass der Auskunftsanspruch des Klägers abzulehnen sei.
Es ging um die Pfändung einer Domain. Die Schuldnerin wandte gegen die erfolgte Zwangsvollstreckung ein, dass die Domain ihrer Erwerbstätigkeit diene. Sie betreibe einen Online-Shop unter der Web-Adresse. Auch sei die Etablierung und Listung einer Domain in Suchmaschinen aufwendig und teuer. Die Domain habe sich im Geschäftsverkehr durchgesetzt. Sie sei bei vielen Seiten gelistet und in Katalogen und Zeitschriften abgedruckt. Vom Grundsicherungsamt habe sie die Auflage, das Geschäft weiterzuführen, da sie aus gesundheitlichen Gründen nur schwer für den Arbeitsmarkt vermittelbar sei. Das LG Mühlbach ist dieser Argumentation gefolgt und hat die Domain für unpfändbar erklärt. Zwar seien Domains grundsätzlich pfändbar. Eine Unpfändbarkeit komme allenfalls in bestimmten Ausnahmefällen in Betracht. Ein solcher Ausnahmefall liege im vorliegenden Fall vor. Denn die Domain diene der Schuldnerin zu Erwerbszwecken (§ 811 Abs.1 Nr.5 ZPO). Würde man ihr die Domain wegnehmen, würde sie vermutlich (auch) die Kunden ihres Online-Shops verlieren, denn diese seien an den alten Domain-Namen gewöhnt.
Ebenso sei zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin von den Einnahmen lebe. Die Bundesanstalt für Arbeit habe ausdrücklich mitgeteilt, dass die Domain weiterzuführen sei. Würde die Schuldnerin von dieser Erwerbsmöglichkeit abgeschnitten, sei die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie auf öffentliche Transfermittel angewiesen sei.
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