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Newsletter vom 18.06.2008
Betreff: Rechts-Newsletter 25. KW / 2008: Kanzlei Dr. Bahr


anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 25. KW im Jahre 2008. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien, Gewerblicher Rechtsschutz, Medienrecht, Datenschutzrecht und Gewinnspiel- / Glücksspielrecht.

Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Dr-Bahr.com/findex.php?p=kontakt.html


Die Themen im Überblick:

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1. BGH: Zuständiges Gericht bei Hausdurchsuchungen wegen TKG-Ordnungswidrigkeiten

2. OLG Frankfurt a.M.: VW hat gegen DENIC Anspruch auf Zuteilung einer zweistelligen Domain ("vw.de")

3. OLG Frankfurt a.M.: Quelle-Webseite wegen fehlerhafter Preisangaben rechtswidrig

4. OLG Stuttgart: Noch einmal: Eintägige Rabattaktion ("ohne 19% MWSt") rechtswidrig

5. OVG Münster: Poker-Verbot rechtswidrig, Behörde muss erneut prüfen

6. LG Berlin: Zuständiges Gericht bei Stadtpläne-Abmahnungen im Internet - Teil XI

7. VG Berlin: Bezeichung "Promotion" für TV-Dauerwerbesendung nicht ausreichend

8. LG Frankenthal: Beweisverbot für IP-Adressen bei P2P-Abmahnungen im Zivilrecht

9. LG Frankfurt a.M.: Bei Fernabsatz-Abmahnungen reicht Unterlassungserklärung ggü. Dritten nicht aus

10. VG Koblenz: Nutzungsuntersagung gegen privates Wettbüro

11. LG München I: 50.000 Euro Schmerzensgeld wegen Verunglimpfung in Boulevardzeitung

12. Law-Podcasting.de: Die angedachten rechtlichen Änderungen im Direktmarketing


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1. BGH: Zuständiges Gericht bei Hausdurchsuchungen wegen TKG-Ordnungswidrigkeiten
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Der BGH (Beschl. v. 16.04.2008 - Az.: 2 ARs 74/08: PDF) hatte darüber zu entscheiden, welches Gericht für den Erlass von Durchsuchungen wegen TKG-Ordnungswidrigkeiten zuständig ist.

Es kam zum einen das AG Bremen in Betracht, in dessen Bezirk die Ermittlungsbehörde ihre Niederlassung hatte. Zum anderen das AG Leer, in dessen Bezirk die vermutete rechtswidrige Handlung begangen wurde.

Die BGH-Richter entschieden, dass das AG Bremen zuständig sei:

"Zuständig für die Entscheidung ist das Amtsgericht Bremen. Die Zuständigkeit dieses Gerichts ergibt sich aus § 162 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 und 2 OWiG; danach stellt die Verfolgungsbehörde den Antrag auf Vornahme einer gerichtlichen Untersuchungshandlung bei demjenigen Amtsgericht, in dessen Bezirk sie oder ihre den Antrag stellende Zweigstelle ihren Sitz hat.

Zweck dieser (...) Vorschrift ist es, die Bestimmung der ermittlungsrichterlichen Zuständigkeit erheblich zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie eine Kompetenzbündelung gerade für die Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen mit technischem Hintergrund zu erreichen."

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2. OLG Frankfurt a.M.: VW hat gegen DENIC Anspruch auf Zuteilung einer zweistelligen Domain ("vw.de")
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Das OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 29.04.2008 - Az.: 11 U 32/04) hat entschieden, dass der bekannte Automobilhersteller Volkswagen gegen die DENIC einen Anspruch auf Zuteilung einer zweistelligen DE-Domain (hier: "vw.de") hat.

Als Anspruchsgrundlage sehen die Frankfurter Richter das Kartellrecht an und die nicht sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber anderen Mitbewerbern wie z.B. den Bayerischen Motorenwerken (BMW), die im Internet unter der Domain "bmw.de" auftreten.

"Ob ein Geschäftsverkehr üblicherweise zugänglich ist, bestimmt sich nicht nach der Geschäftspraxis des in Anspruch genommenen Unternehmens, sondern danach, was sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein geübt und angemessen empfunden herausgebildet hat (...).

Dies kann auch dazu führen, dass das Unternehmen eine Leistung erbringen muss, die es bislang nicht in seinem Sortiment hat. Andernfalls würde man die Anwendbarkeit des § 20 GWB in die Disposition des Norm-Adressaten stellen (...).

Daher kann nicht darauf abgestellt werden, dass die Beklagte gemäß ihren Richtlinien Second-Level-Domains, die lediglich aus zwei Buchstaben bestehen, nicht vergibt. Vielmehr ist der üblicherweise zugängliche Geschäftsverkehr in der Zuteilung von Second-Level-Domains unter der Top-Level-Domain ".de" überhaupt zu sehen. Die Gründe, weshalb die Beklagte zweistellige Buchstabenkombinationen nicht vergibt, sind erst bei der Frage des sachlichen Grundes bzw. der Interessenabwägung zu berücksichtigen (...)."

Und weiter:

"Zu Recht ist das Landgericht in dem angefochtenen Urteil deshalb auch davon ausgegangen, dass eine Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu solchen Automobilunternehmen vorliegt, deren Marke als Second-Level-Domain unter der Top-Level-Domain ".de" eingetragen wurde. Dies trifft z. B. für die Domain www.bmw.de zu.

Anders als das Landgericht hält der Senat die Ungleichbehandlung der Klägerin jedoch (...) nicht für sachlich gerechtfertigt."

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Entscheidung eröffnet einen neuen ganz Bereich des Domains-Rechts, der bis dato weitgehend unberücksichtigt gelieben ist.

Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis andere Unternehmen, die ebenfalls im geschäftlichen Verkehr mit nur zwei Buchstaben auftreten, einen identischen Anspruch gegen die DENIC geltend machen werden.

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3. OLG Frankfurt a.M.: Quelle-Webseite wegen fehlerhafter Preisangaben rechtswidrig
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Das OLG Frankfurt a.M. (Urt. v. 06.03.2008 - Az.: 6 U 85/07: PDF) hat entschieden, dass die Webseite des bekannten Versandhauses "Quelle" aufgrund fehlerhafter Liefer- und Versandkosten wettbewerbswidrig ist.

"Der Hinweis, dass der neben der Abbildung der Spielkonsole angegebene Verkaufspreis die Umsatzsteuer enthält, ist von der Seite, auf der
dieses Angebot gemacht wird, ausweislich Anlage K 02 nur über den Link „AGB“ erreichbar.

Ein Hinweis, dass sich dort weitere Erläuterungen zu dem Preis und seinen Bestandteilen finden, enthält diese Seite nicht.

Es fehlt daher (...) eine „thematische Verknüpfung“ zu den nach der PAngV erforderlichen Angaben. Zusätzlich wird das Auffinden des Links dadurch erschwert, dass dieser Link in der Fußleiste der Seite angebracht ist und so erst durch scrollen sichtbar wird."

Und weiter:

"Aus den gleichen Gründen genügt der Internetauftritt der Beklagten auch den Anforderungen des § 1 Abs. 2 Nr. 2 PAngV nicht. Denn die Angabe, ob neben dem genannten Preis auch Liefer- und Versandkosten anfallen, wird auf der Angebotsseite ebenfalls nicht mitgeteilt und ist - wie die Information zur Umsatzsteuer - von dort nur über den Link „AGB“ erreichbar."

Im weiteren differenzieren die Frankfurter Richter jedoch. Zwar liege in beiden Fällen (Umsatzsteuer, Liefer- und Versandkosten) ein Gesetzesverstoß. Jedoch nur der letztere führe auch zu einer Wettbewerbsverletzung:

"Die Grundlagen für die Berechnung der Liefer- und Versandkosten weichen, wie die Mitglieder des Senats aus eigener Anschauung wissen, in erheblichem Maße voneinander ab.

So gibt es Fernabsatzunternehmen, die Liefer- und Versandkosten grundsätzlich nur bei Lieferungen unter einem bestimmten Warenwert berechnen. Bei anderen Unternehmen - wie etwa der Beklagten - sind diese Kosten abhängig von Größe und Gewicht der bestellen Ware. Zudem wird die Ermittlung der jeweils gültigen Liefer- und Versandkosten teilweise dadurch erschwert, dass sich Online-Versandhäuser zu Vertriebsnetzen zusammengeschlossen haben und Kunden, die aus dem eigenen Sortiment nicht bedient werden können, an Partnerunternehmen weiterleiten, wobei diese Unternehmen unter Umständen abweichende Liefer- und Versandkosten erheben.

Angesichts dieser Praxis ist der Verbraucher, der sich über die tatsächlich anfallenden Kosten informieren will, auf eine klare und leicht auffindbare Erläuterung der Liefer- und Versandkosten angewiesen. Fehlt sie - wie im vorliegenden Fall - ist die Möglichkeit des Preisvergleichs erheblich beeinträchtigt."

Für die fehlende Mehrwertsteuer dagegen verneinen dies die Richter und lehnen einen Unterlassungsanspruch ab.

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4. OLG Stuttgart: Noch einmal: Eintägige Rabattaktion ("ohne 19% MWSt") rechtswidrig
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Das OLG Stuttgart (Urt. v. 17.04.2008 - Az.: 2 U 82/07) hat entschieden, dass eine eintägige Rabattaktion ("ohne 19% MWSt") wettbewerbswidrig ist:

"Die Zeitungswerbung eines Elektrogroßmarktes "ohne 19 % Mehrwertsteuer", die nur für einen einzigen und mit dem Erscheinen der Werbung gleichen Tag gilt, ist unlauter, weil sie (...) geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit unangemessen unsachlich zu beeinflussen, da sie einen erheblichen Teil von Adressaten der Wahrnehmung von Vergleichsmöglichkeiten für Preis- und/oder Qualität beraubt.Die Revision wurde zugelassen."

Die Richter stellen dabei maßgeblich auf den kurzen Werbezreitraum ab:

"(...) [Der] Verbraucher [bedarf] eines ausreichenden Zeitraumes, um sich über ein ihm unterbreitetes Angebot informieren zu können. Innerhalb eines angemessen begrenzten Zeitraumes wird er in der Lage sein, die Vor- und Nachteile abwägend seine Entscheidung zu treffen (...).

Ob der zur Verfügung stehende Zeitraum angemessen ist, bestimmt sich aus den Gegebenheiten des Einzelfalles, wobei der Art der beworbenen Ware und dem Kaufpreis eine gewichtige Rolle zukommt. Je seltener er derartige Gegenstände kauft und je höher der Kaufpreis, desto größer ist der Zeitraum, dessen der Verbraucher bedarf.

Unstreitig umfasste die beanstandete Werbung auch Elektrogroßgeräte, deren Kaufpreis sich im drei- wenn nicht gar vierstelligen Bereich bewegte.

Für einen beachtlichen Teil der angesprochenen Verbraucher überschreitet ein solcher Betrag den nach Abzug der Fixkosten monatlich frei verfügbaren Teil ihres Einkommens. Für diese Verbraucher ist es unabdingbar, aber auch aus Sicht finanziell besser Gestellter sinnvoll und in beiden Gruppen üblich, vor einer solchen Anschaffung mehrere Vergleichsangebote einzusehen.

Neben dem Preisvergleich hat der Verbraucher auch ein Interesse daran, die beworbene Ware in technischer Hinsicht mit anderen Produkten zu vergleichen.

Beides war ihm angesichts der ohne sachlichen Grund erfolgten extremen Befristung des Rabattangebotes nicht sachgerecht möglich.

Ein Zeitraum von wenigen Abendstunden, wie er Berufstätigen nur zur Verfügung stand, reicht hierzu bei Elektrogroßgeräten regelmäßig nicht aus."

Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit einem Urteil des OLG Stuttgart aus Juil 2007, vgl. die Kanzlei-Infos v. 29.07.2007.

Das OLG Karlsruhe (= Kanzlei-Infos v. 01.07.2007) hatte in einem identischen Sachverhalt exakt gegenteilig argumentiert und die Werbung für wettbewerbsgemäß erachtet.

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5. OVG Münster: Poker-Verbot rechtswidrig, Behörde muss erneut prüfen
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Wie bereits vor einigen Tagen in den Kanzlei-Infos berichtet, hat das OVG Münster eine klare Absage an die bislang überwiegende instanzgerichtliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, bei Poker-Turnieren jede Zahlung als Einsatz und somit als Glücksspiel anzusehen, erteilt.

Die Entscheidung liegt nun im Volltext vor: OVG Münster (Beschl. v. 10.06.2008 - Az.: 4 B 606/08)

Erstmals stellt ein Oberverwaltungsgericht klar, dass ein glücksspielrechtlicher Einsatz dann nicht gegeben ist, wenn die Eintrittsgelder bei einem Pokerturnier ausschließlich zur Deckung der anfallenden Kosten genutzt werden.

"Da es lediglich der Deckung der Veranstaltungskosten, nicht aber der Finanzierung der von Sponsoren zur Verfügung gestellten Gewinne dient, erwächst aus ihm nicht (...) die Gewinnchance des Einzelnen.

Das von der Antragstellerin geplante Eintrittsgeld ermöglicht lediglich die Teilnahme am Spiel und ist - anders als ein Spieleinsatz - stets verloren. (...)

Erst recht stellt das von der Antragstellerin nach Erlass der streitigen Verfügung beabsichtigte „Charity-Tunier", bei dem kein Eintrittsgeld gefordert, sondern lediglich eine (freiwillige) Spende für einen gemeinnützigen Zweck erbeten wird, kein Glücksspiel im beschriebenen Sinne dar."

Am Merkmal der Zufallsbezogenheit - dem 2. Kriterium zur Bestimmung, ob ein Glücksspiel vorliegt - lassen die Richter jedoch keinerlei Zweifel:

"Der Senat hat (...) keine durchgreifenden Zweifel daran, dass beim Pokerspiel auch in der hier in Rede stehenden Variante die Entscheidung über Gewinn oder Verlust überwiegend vom Zufall abhängt, wobei auf die Fähigkeiten eines „Durchschnittspielers" abzustellen ist."

Von der deutschen Poker-Szene ist die Entscheidung aufgrund der Interpretation des Einsatzes mit Begeisterung aufgenommen worden,

In der Praxis ist durch die Entscheidung jedoch nichts gewonnen, denn das OVG Münster deutet bereits selbst in den Entscheidungsgründen an, dass die Behörde auf Basis anderer Rechtsgrundlagen ein dann begründetes Verbot wird aussprechen können. Insofern handelt es sich bei der vorliegenden Entscheidung lediglich um einen Etappensieg.

"Handelt es sich bei dem Pokerspiel unter den hier gegebenen Bedingungen nicht um ein Glücksspiel (...), könnte allerdings in Betracht zu ziehen sein, das Pokerspiel als anderes Spiel mit Gewinnmöglichkeit (...) zu qualifizieren.

Ob hiervon ausgehend eine Untersagung der Pokerveranstaltungen auf § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO bzw. § 60 d GewO gestützt werden könnte - eine Erlaubnisfreiheit nach § 5 a Spielverordnung dürfte nicht gegeben sein, da alles dafür spricht, dass Poker kein Geschicklichkeitsspiel ist, bedarf indes keiner weiteren Klärung. Denn die genannten Ermächtigungsgrundlagen räumen der Behörde Ermessen ein, das die Antragsgegnerin bisher nicht ausgeübt hat."

Bereits das VG Hamburg hat vor kurzem in einer ausführlichen Entscheidung (Beschl. v. 30.04.2008 - Az.: 6 E 4198/07) dargelegt, dass es für ein Verbot nicht darauf ankommt, Poker als Glück- oder Geschicklichkeitsspiel einzustufen. Denn wird Poker als bloßes Geschicklichkeitsspiel eingestuft, ist in jedem Fall eine Erlaubnis nach § 33 d S.1 GewO und möglicherweise auch eine nach § 33 i Abs. 1 S.1 GewO erforderlich.

Eine solche Erlaubniserteilung scheitert jedoch an dem Umstand, dass Poker durch Veränderung der Spielbedingungen mit einfachen Mitteln als Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB veranstaltet und somit die nach § 33 d Abs.2 GewO erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erteilt werden kann (§ 33 e Abs.1 S.2 GewO). Eine Freistellung nach § 5 a SpielVO kommt nämlich nicht in Betracht.

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6. LG Berlin: Zuständiges Gericht bei Stadtpläne-Abmahnungen im Internet - Teil XI
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Das LG Berlin (Urt. v. 13.11.2007 - Az.: 15 O 181/07) hatte - wieder einmal - über die bekannten Stadtpläne-Abmahnungen im Internet zu entscheiden.

Diesmal haben die Berliner Richter überraschenderweise ihre örtliche Zuständigkeit verneint. Der Beklagte war ein Zahnarzt aus Nordrhein-Westfalen, der auf seiner Homepage einen urheberrechtlich geschützten Kartenausschnitt der Klägerin verwendet hatte.

"Grundsätzlich ist der Internetauftritt des Beklagten an jedem internetfähigen Computer aufrufbar. Die Karte wäre demnach an nahezu jedem Ort über die Internetseite des Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden.

Aus diesem Grund ging die herrschende Meinung bislang davon aus, dass der Begehungsort im Sinne von § 32 ZPO bei derartigen unerlaubten Handlungen im Internet an jedem Ort, an dem es die Möglichkeit der Internetnutzung gibt, vorliegt (...). Nach dieser Auffassung obliegt es der Wahl der Klägers, an welchem Gericht er seine Ansprüche geltend macht, so lange nur die betreffende lnternetseite in dem Gerichtsbezirk aufrufbar ist. Dies führt zu dem aus dem Presserecht bekannten sog. „fliegenden Gerichtsstand".

Begründet wird die Ansicht damit, dass dem Anbieter von Inhalten im Internet das Gefährdungspotential dieses Mediums bekannt ist, er sich dessen Vorteile aber zu Nutze macht."

Dieser Ansicht folgen die Berliner Richter jedoch nicht und verneinen ihre Zuständigkeit:

"Die freie Überlassung der Gerichtsstandswahl an den Kläger widerspricht jedoch dem Leitgedanken der Zuständigkeitsvorschriften der ZPO. Die Zuständigkeitsregeln beruhen auf dem Gedanken der Lastenverteilung zwischen Kläger und Beklagtem.

Während der Kläger das „Ob" der Klageerhebung, den Zeitpunkt und die Art des Klageangriffs bestimmen kann, richtet sich die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts grundsätzlich nach dem Wohnort des Beklagten. (...)

Gegen die Auffassung (...) spricht ferner, dass die Anwendung von § 32 ZPO eine räumliche Bestimmbarkeit eines besonderen, von anderen gesetzlichen Gerichtsständen unterscheidbaren Begehungsort voraussetzt (...).

[Es] (...) existiert bei unerlaubten Handlungen im Internet aber kein bestimmbarer Ort, der den besonderen Gerichtsstand begründen könnte. Vielmehr führt die herrschende Meinung zu einem außergesetzlichen Wahlgerichtsstand zu Gunsten des Klägers (...), der jedoch, wie vorstehend dargelegt, dem Leitgedanken der Zuständigkeitsregeln der ZPO widerspricht."

Das Urteil ist nichts rechtskräftig, die Berufung läuft.

Die Entscheidung ist mit außerordentlicher Vorsicht zu genießen, denn die Ansicht des LG Berlin ist nach wie eine absolute Mindermeinung und wird von der weit überwiegenden Anzahl der Gerichte klar abgelehnt.

Siehe zum Problem auch unseren Podcast "Zuständiges Gericht bei Internet-Verletzungen".

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7. VG Berlin: Bezeichung "Promotion" für TV-Dauerwerbesendung nicht ausreichend
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Das VG Berlin (Beschl. v. 26.05.2008 - Az. 27 A 37.08) hat entschieden, dass die Bezeichnung "Promotion" für eine TV-Dauerwerbesendung im Fernsehen nicht ausreichend ist.

Grundsätzlich muss gem. § 7 Abs.5 RfStV bei Dauerwerbesendungen der Werbecharakter für den Zuschauer klar erkennt sein und zudem während der gesamten Sendung besonders gekennzeichnet sein. Üblicherweise wird hierzu im oberen Bereich des Fernsehbildes dauerhaft die Bezeichnung "Dauerwerbesendung" eingeblendet.

Hier hatte die Klägerin jedoch einen anderen Begriff, nämlich "Promotion" gewählt. Dies sah das VG Berlin als nicht ausreichend an.

"Da eine Dauerwerbesendung redaktionell aufbereitet ist, besteht im Gegensatz zur Spotwerbung eine größere Gefahr der Verunsicherung, dass der Zuschauer irrig annehmen könnte, sich im Programmteil des Senders zu befinden.

Dieser Pflicht zur unmittelbaren Erkennbarkeit als Werbesendung wird eine Kennzeichnung mit dem Schriftzug „Promotion“ nicht gerecht. (...)

Zudem stellt der Begriff „Promotion“ einen Anglizismus dar, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Zuschauer sich eine unrichtige Vorstellung von der Bedeutung dieser neuen und noch ungewohnten Kennzeichnung macht.

Im Übrigen ist der Begriff „Promotion“ nicht nur als Synonym für Werbung belegt, sondern auch mit anderen Bedeutungen, wie etwa dem Erwerb der Doktorwürde. Auch diese Mehrdeutigkeit spricht gegen die Zulässigkeit als Synonym für eine Dauerwerbesendung."

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8. LG Frankenthal: Beweisverbot für IP-Adressen bei P2P-Abmahnungen im Zivilrecht
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Das LG Frankenthal (Beschluss v. 21.05.2008 - Az.: 6 O 156/08) hat entschieden, dass IP-Adressen und die dazugehorigen Kundendaten beim Provider in Fällen von P2P-Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in Zivilverfahren nicht verwendet werden dürfen.

Die Richter stufen die IP-Adressen und die dazugehorigen Kundendaten beim Provider gesamtheitlich als Verkehrsdaten ein. Aufgrund der "Vorratsdatenspeicherung"-Entscheidung des BVerfG (Beschl. v. 11. März 2008 - Az.: 1 BvR 256/08) dürfen erhobene Verkehrsdaten nur noch dann verwendet werden, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat iSd. § 100 a Abs. 2 StPO ist.

Da jedoch Urheberrechtsverletzungen in P2P-Tauchbörsen keine solchen schweren Straftaten seien, dürften diese auch nicht verwendet werden. Dennoch erhobene Verkehrsdaten unterlägen aufgrund der Verletzung der Grundrechte einem Beweisverbot und dürften im Rahmen einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung somit nicht verwendet werden.

"Wenn in diesem Zusammenhang behauptet wird, der Anschlussinhaber sei mit der Ermittlung der dynamischen IP-Adresse schon unverwechselbar individualisiert, weshalb die hierauf vom Provider zu erbringende Bekanntgabe des hinter der IP-Nummer stehenden Anschlussinhabers nicht das Fernmeldegeheimnis berühre, so ist dies nicht nachvollziehbar. Die von dem überwachenden Unternehmen ausgespähte IP-Adresse ermöglicht schon aus logischen Gründen keine unverwechselbare Individualisierung desjenigen Anschlussinhabers, der diese Adresse zum Tatzeitpunkt benutzt hat, weil erst die Verknüpfung mit den Daten des jeweiligen Providers die Zuordnung zu einem bestimmter Anschlussinhaber erlaubt.

Erst die begehrte Auskunft führt somit zur Individualisierung. Ohne diese Auskunft sind die von dem ausspähenden Unternehmen zusammengetragenen Daten ein technisches und rechtliches Nullum, mit dem niemand etwas anfangen kann.

Würde man entgegen den obigen Darlegungen dynamische IP-Adressen als Bestanddaten ansehen und diese als ohne weiteres speicher- und abrufbar ansehen, so könnte somit der eigentlich gewollte Schutz umgangen werden (...)."

Kommentar von RA Dr. Bahr:
Die Entscheidung des LG Frankenthal kann nicht überzeugen.

Das Gericht dehnt den Begriff der Verkehrsdaten uferlos aus, so dass nicht nur IP-Adressen hierunter fallen sollen, sondern auch die dazugehörigen Kundendaten beim jeweiligen Provider. Dadurch, dass das LG auch solche Daten, die nach überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur eigentlich bloß Bestandsdaten (hier: die Kundendaten) sind, als Verkehrsdaten interpretiert, führt dies faktisch zum rechtsfreien Raum.

Denn die Interpretation der Richter führt dazu, dass bei allen Straftaten, die nicht in § 100 a Abs. 2 StPO enthalten sind, ein Beweisverwertungsverbot greift. Straftäter, die z.B. online einen einfachen Betrug begehen oder andere Personen beleidigen oder verleumden, hätten nichts mehr zu fürchten, denn beide Straftaten sind nicht im Katalog des § 100 a Abs. 2 StPO enthalten.

Durch die Argumentation des LG Frankenthal würde zudem die vom Gesetzgeber gewollte und auch vom BVerfG nicht beanstandete Unterscheidung zwischen Bestandsdaten einerseits und Verkehrsdaten andererseits aufgegeben.

Die Entscheidung zeigt wieder einmal anschaulich, welches rechtliche Chaos nach wie vor im Online- und TK-Datenschutz herrscht und wie ungenügend die gesetzlichen Bestimmungen in diesem Bereich sind.

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9. LG Frankfurt a.M.: Bei Fernabsatz-Abmahnungen reicht Unterlassungserklärung ggü. Dritten nicht aus
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In einem Verfahren vor dem LG Frankfurt a.M. (Urt. v. 09.04.2008 - Az.: 3/8 O 190/07) war der Beklagte, der über eBay Waren verkaufte, wegen fernabsatzrechtlicher Verstöße außergerichtlich abgemahnt und u.a. zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Abmahner aufgefordert worden.

Diese Erklärung gab der Beklagte zwar ab, jedoch nicht gegenüber dem Abmahner. Vielmehr unterwarf er sich der Wettbewerbszentrale und berief sich gegenüber dem Abmahner darauf, dass durch diese Unterlassung bereits die Wiederholungsgefahr ausgeschlossen sei, auch gegenüber dem Abmahner.

Diese Ansicht teilte der Abmahner nicht, ging vor Gericht und gewann. Die Richter sahen die Drittunterwerfung gegenüber der Wettbewerbszentrale als nicht ausreichend an:

"Denn der vom Antragsgegner eingeschlagene Weg, sich nicht gegenüber dem abmahnenden Gläubiger, sondern einem Verband gegenüber zu unterwerfen, ist mit einer Intensitätsabschwächung bei der Überwachung der Einhaltung der Unterlassungserklärung verbunden.

Zwar ist angesichts der anerkannten Seriösität der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs nicht an deren Willen zu zweifeln, einmal erkannte Verstöße konsequent zu verfolgen.

Aber das Interesse eines Wettbewerbers an der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ist im Vergleich zum Interesse der Zentrale, Wettbewerbsverstöße von gewerblichen Verkäufern auf der Handelsplattform eBay zu verfolgen, höher einzustufen.

Zwar wäre es auch denkbar, dass die Zentrale durch Dritte, insbesondere der Antragstellerin, über etwaige Verstöße gegen ihr gegenüber abgegebene Unterlassungserklärungen informiert wird, um dann ihrerseits vorgehen zu können. Dieser Benachrichtigungsumweg bringt aber gerade die Intensitätsabschwächung gegenüber einer Verfolgung in eigener Regie durch die Antragstellerin zum Ausdruck."

Mit anderen Worten: Das Gericht geht davon aus, dass die Wettbewerbszentrale noch andere Dinge zu tuen hat und somit nicht so genau und scharf die Einhaltung der Unterlassungserklärung überwacht wie der Abmahner. Aus diesem Grunde reiche die Unterwerfung bloß gegenüber der Wettbewerbszentrale nicht aus.

Darüber hinaus betonen die Richter, dass die abgegebenen Unterlassungserklärungen gegenüber Dritten ohnehin nur dann Wirksamkeit entfalten würden, wenn der Dritte diese Erklärung auch tatsächlich angenommen habe. Eine bloße Eingangsbestätigung, wie sie im vorliegenden Fall die Wettbewerbszentrale mitgeteilt hatte, reiche nicht aus.

Auf ähnliche Weise hat das LG Bielefeld (Beschl. vom 18.04.2008 - Az.: 17 O 66/08) entschieden. Auch die Bielefelder Richter ließen eine Drittunterwerfung nicht ausreichen:

"Im vorliegenden Fall hat sich der Antragsgegner gegenüber der Wettbewerbszentrale unterworfen. Diese ist im allgemeinen als ein über jeden Zweifel erhabener Dritter anzusehen, da zu erwarten ist, dass sie Verstöße mit dem gebotenen Einsatz verfolgt.

Für den hier vorliegenden Fall unzureichender Wiederrufsbelehrung im Internethandel über eBay kann dies jedoch nicht ohne weiteres angenommen werden.

Hier kommt es einerseits zu einer ungewöhnlich großen Vielzahl von Verstößen – nicht zuletzt veranlasst durch die Schwierigkeit der gesetzlichen Materie -, andererseits werden die Verstöße von vielen als nicht allzu gravierend eingestuft, nicht zuletzt im Hinblick auf den oft geringen Umfang der wirtschaftlichen Betätigung der eBay-Anbieter.

Die Überprüfung und Beanstandung von eBay-Angeboten liegt daher regelmäßig in den Händen der Wettbewerber, nicht aber der Wettbewerbszentrale.

Dem erkennenden Gericht ist bislang kein dem vorliegenden Verfügungsantrag vergleichbarer Antrag der Wettbewerbszentrale bekannt geworden. Es ist deshalb anzunehmen oder zumindest nicht auszuschließen, dass die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen wie der streitgegenständlichen von der Wettbewerbszentrale nicht als vordringlich angesehen wird.

Damit ist in dem vorliegenden besonderen Fall die Wiederholungsgefahr durch eine Drittunterwerfung gegenüber der Wettbewerbszentrale nicht ausgeräumt."

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10. VG Koblenz: Nutzungsuntersagung gegen privates Wettbüro
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Der Betrieb eines ohne Baugenehmigung eröffneten Wettbüros kann untersagt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht Koblenz.

Die Klägerin richtete 2007 in einem Geschäftshaus in Bendorf innerhalb eines durch einen Bebauungsplan festgesetzten Kerngebietes, in dem aufgrund der planerischen Festsetzungen Vergnügungsstätten unzulässig sind, ein Wettbüro zur Vermittlung von Sportwetten ein. Der Landkreis Mayen-Koblenz untersagte die Nutzung des Gebäudes zu diesem Zweck. Hiermit war die Klägerin nicht einverstanden und erhob nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage, die erfolglos blieb.

Die Nutzungsuntersagung, so die Richter, sei rechtmäßig. Entgegen den gesetzlichen Bestimmungen habe die Klägerin ihr Wettbüro eingerichtet, ohne zuvor die erforderliche Baugenehmigung einzuholen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass ihr die Genehmigung für die Nutzung des Ladenlokals als Wettbüro offensichtlich erteilt werden müsste.

Dessen Genehmigungsfähigkeit hänge auch von der im Baugenehmigungsverfahren zu klärenden Frage ab, ob das Wettbüro als eine Vergnügungsstätte nach der Baunutzungsverordnung einzustufen sei. Zudem verhindere der Landkreis mit seinem Einschreiten, dass sich die Klägerin Nutzungsvorteile gegenüber demjenigen verschaffe, der sich rechtstreu verhalte und vor Aufnahme der Nutzung zunächst die notwendige Genehmigung einhole.

Gegen die Entscheidung können die Beteiligten die Zulassung der Berufung beantragen.

VG Koblenz, Urteil vom 3. Juni 2008, 1 K 22/08.KO

(Quelle: Pressemitteilung des VG Koblenz v. 16.06.2008)

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11. LG München I: 50.000 Euro Schmerzensgeld wegen Verunglimpfung in Boulevardzeitung
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Die Berichterstattung unter voller Namensnennung des Betroffenen und die Angabe weiterer Details kann nicht nur einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen, sondern auch eine Geldentschädigung.

Jüngstes Beispiel ist eine Entscheidung des LG München I, das eine Boulevardzeitung zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro verurteilt hat (Urt. v. 11.06.2008 - Az. 9 O 15086/06).

Die Zeitung hatte über eine 40jährige Frau aus München berichtet, die mit einem zehn Jahre jüngeren Mann verheiratet war, der nach Ansicht der Zeitung ein Killer sein soll.

Nach der Überschrift "Münchnerin heiratete diesen eiskalten Killer" formulierte das Blatt: "Mit 40 noch mal einen zehn Jahre jüngeren Mann abgreifen - für die Münchnerin (…) war´s wie ein Hauptgewinn im Lotto". Neben dem halbwegs vollständigen Namen druckte die Zeitung auch noch Angaben über Alter, Beruf und Wohnort sowie eine Beschreibung des Klingelschilds an der Wohnungstür der späteren Klägerin.

Im Prozess stellte ein Sachverständiger fest, dass diese Berichterstattung zumindest mitursächlich für die psychischen Leiden der Münchnerin gewesen sei. Deshalb sprachen die Richter der Frau eine Geldentschädigung von 50.000 Euro zu.

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12. Law-Podcasting.de: Die angedachten rechtlichen Änderungen im Direktmarketing
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Auf Law-Podcasting.de, dem 1. deutschen Anwalts-Audio-Blog, gibt es heute ein Podcast zum Thema "Die angedachten rechtlichen Änderungen im Direktmarketing".

Inhalt:
Das Vorhaben wird bereits seit mehreren Jahren kontrovers diskutiert und hatte seinen letzten Höhepunkt im Sommer 2007, als der Journalist Günter Wallraf wieder einmal verdeckt in Unternehmen recherchierte. Dieses Mal nicht als Manfred Esser bei der Bild-Zeitung, sondern als einfacher Arbeiter in unterschiedlichen Call-Centern. Nicht zuletzt durch das Medien-Echo, das diese Berichte verursachten, sah sich die Bundesregierung genötigt, einen Teil der rechtlichen Rahmenbedingungen im Direktmarketing zu ändern.

Die Änderungen sind noch nicht in Kraft getreten, sondern befinden sich noch im Beratungs- und Abstimmungsstadium.

Der heutige Podcast fasst die angedachten rechtlichen Änderungen im Überblick zusammen und untersucht, welche praktischen Konsequenzen sich ergeben.

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