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Newsletter vom 19.02.2020
Betreff: Rechts-Newsletter 8. KW / 2020: Kanzlei Dr. Bahr


anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 8. KW im Jahre 2020. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Schwerpunkten Recht der Neuen Medien, Glücksspiel- / Gewinnspielrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Datenschutzrecht, Presserecht und Wirtschaftsrecht.

Die Kanzlei Dr. Bahr wünscht Ihnen wie immer angenehmes Lesen. Kontaktieren Sie uns einfach, falls Sie Fragen oder Anregungen haben: http://www.Dr-Bahr.com/kontakt.html


1. BGH: Online-Werbung mit Prüfsiegel auch dann zulässig, wenn Prüfer Entgelte enthält

2. BGH: Zum Mitverschulden des zu Unrecht Abgemahnten

3. BGH: Fehlende Anzeige nach BattG ist wettbewerbswidrig

4. OLG Düsseldorf: Schwarzgeldabrede im WhatsApp-Chat: Kein Werklohn

5. OLG Frankfurt a.M.: Online-Portal darf umfangreich aus freier Vorlesung eines Dozenten zitieren

6. OLG Frankfurt a.M.: Kein Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmen und Kritiker

7. OLG Hamm: Bei Einschränkungen auf Werbeaktionen Hinweis auf Webseite nicht ausreichend

8. OLG Köln: Form der Capri-Sonne wettbewerbsrechtlich geschützt, da sie wettbewerbsrechtliche Eigenart aufweist

9. LG Wuppertal: Kein Rückzahlungsanspruch gegen PayPal bei illegalem Online-Casino

10. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter: 51.000,- EUR DSGVO-Bußgeld gegen Facebook wegen unterlassener Mitteilung des neuen Datenschutzbeauftragten

Die einzelnen News:

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1. BGH: Online-Werbung mit Prüfsiegel auch dann zulässig, wenn Prüfer Entgelte enthält
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Die Werbung mit einem Prüfsiegel ist auch dann zulässig, wenn der Prüfer für die Durchführung oder Verleihung des Siegels ein Entgelt bekommt. Allein entscheidend ist, ob es sich bei der Prüfung um den Check eines neutralen Dritten nach objektiven Kriterien handelt (BGH, Urt. v. 04.07.2019 - Az.: I ZR 161/18).

Die Beklagte war ein Industrieverband, der ein Gütesiegel herausgegeben hatte.  Die Klägerin sah darin einen Wettbewerbsverstoß, weil es sich um kein "echtes" Gütesiegel handle. Es fehle zum einen die Unabhängigkeit der herausgeben Stelle. Zum anderen würden die Kriterien des RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung nicht eingehalten. Die Vorinstanz, das OLG Düsseldorf, wies die Klage ab, weil die bisherige BGH-Rechtsprechung überholt sei (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.08.2018 - Az.: I-20 U 123/17). Siehe dazu auch unsere Kanzlei-News v. 08.11.2018.

Dieser Ansicht hat der BGH nun eine klare Absage erteilt und in der vorliegenden Entscheidung noch einmal seine bisherige Rechtsprechung zu den Anforderungen an Prüfsiegel bestätigt. Der BGH hob die Klageabweisung auf und wies das OLG Düsseldorf an, erneut über den Fall zu urteilen.

Denn erforderlich sei weiterhin, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft habe, so die höchsten deutschen Zivilrichter. An diesen Anforderungen habe sich nichts geändert.

Dabei sei es unerheblich, ob der neutrale Dritte für die Durchführung oder Verleihung ein Entgelt erhalte. Dadurch werde die Neutralität des Dritten nicht beeinträchtigt:

"Die Zahlung einer angemessenen Gebühr für die Durchführung der Prüfung oder die Verleihung des Siegels steht der Neutralität der Prüfeinrichtung nicht entgegen (...)."

Entscheidend sei vielmehr, ob das Prüfverfahren nach objektiven Merkmalen geschehe.

Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Mit der vorliegenden Entscheidung bekräftigt der BGH seine bisherige Rechtsprechung hinsichtlich der Kriterien für Prüfsiegel. Zudem stellt er klar, dass die Neutralität des Prüfers nicht dadurch beeinträchtigt wird, wenn für die Durchführung ein Entgelt verlangt wird. Dies war in der letzten Zeit teilweise bezweifelt worden.

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2. BGH: Zum Mitverschulden des zu Unrecht Abgemahnten
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Einem Unternehmen, das von einem Mitbewerber zu Unrecht abgemahnt wurde und das daraufhin seine Tätigkeit vorschnell und wider besseres Wissen einstellt, kann der Vorwurf des Mitverschuldens gemacht werden, sodass ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen ist (BGH, Urt. v. 19.09.2019 - Az.: I ZR 116/18).

Die Beklagte mahnte die Klägerin wegen der Verwendung bestimmter Hühnermotive ("chickenwings") auf Grußkarten ab. Sie machte die Verletzung von Marken-, Urheber- und Geschmacksmusterrechten geltend.

Die Klägerin wies die Abmahnung als unberechtigt zurück und erhob negative Feststellungsklage. Daraufhin wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Abmahnung unberechtigt war und dass die Beklagte der Klägerin den durch die Abmahnung entstandenen Schaden zu ersetzen hat.

Mit der vorliegenden Klage verlangte die Klägerin nun den Ersatz von knapp 82.000,- EUR für entgangenen Gewinn und Aufwendungen.

Der BGH wies den Anspruch zurück.

Denn die Klägerin habe vorschnell und wider besseres Wissen ihre wirtschaftliche Tätigkeit eingestellt, sodass der Schaden überhaupt erst entstanden sei. Das Mitverschulden sei so groß, dass sich der Ersatz auf Null reduziere.

Die Klägerin habe sämtliche von der Beklagten in der Abmahnung erhobenen Forderungen zurückgewiesen. Auch habe sie eine negative Feststellungsklage erhoben und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie davon  überzeugt sei, in der Auseinandersetzung zu obsiegen. Noch nach der Abmahnung seien Grußkarten mit diesen Motiven gedruckt worden. Angesichts derartiger Umstände sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin dann ihre wirtschaftliche Tätigkeit in dieser Hinsicht eingestellt habe.

Darüber hinaus seien einzelne Schadensposten auch deshalb problematisch, weil nicht vorgetragen worden sei, dass einzelne Grußkarten trotz der Abmahnung unverkäuflich gewesen seien.

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3. BGH: Fehlende Anzeige nach BattG ist wettbewerbswidrig
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Veräußert ein Online-Verkäufer Batterien, ohne dies zuvor dem Umweltbundesamt angezeigt zu haben, handelt es sich um einen Wettbewerbsverstoß, der gerichtlich verfolgt werden kann (BGH, Urt. v. 28.11.2019 - Az.: I ZR 23/19).

Die Beklagte vertrieb einen Online-Shop. Sie importiere Waren aus dem Ausland, u.a. eine Taschenlampe, die mit einer Batterie ausgestattet war. Das Inverkehrbringen der betreffenden Batterie war bis dahin dem Umweltbundesamt weder durch die Beklagte noch durch einen Dritten angezeigt worden.

Nach § 4 Abs.1 BattG muss jedes Unternehmen, das Batterien erstmalig in Deutschland in Verkehr bringt, dies gegenüber dem Umweltbundesamt anzeigen. Diese Pflicht trifft nicht nur den eigentlichen Hersteller des Produkts, sondern auch den Importeur, der erstmalig neue Batterien nach Deutschland einführt (§ 3 Abs.3 BattG).

Der BGH sah in dieser fehlenden Meldung gegenüber dem Behörde einen Wettbewerbsverstoß:

"Die (...) Anmeldepflicht soll verhindern, dass sich einzelne Hersteller von Batterien, die Batterien in den Verkehr bringen und damit in den Markt für Batterien eintreten, die mit deren Rücknahme und Verwertung oder Beseitigung verbundenen Kosten zu Lasten der anderen Hersteller sparen. Sie stellt damit keine dem Anwendungsbereich des § 3a UWG nicht unterfallende reine Marktzutrittsregelung dar (...).

Eine entsprechende Eignung des gegen die Bestimmungen des Batteriegesetzes verstoßenden Verhaltens der Beklagten zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen ihrer Mitbewerber ist im Streitfall bereits im Hinblick auf die unterlassene Anzeige zu bejahen. Der insoweit gegebene Pflichtenverstoß begründete die Gefahr, dass sich die Beklagte ihrer mit dem Inverkehrbringen der Batterien bereits entstandenen Beitragspflicht entzog. Ohne die gebotene Anzeige konnten die Mitbewerber allenfalls hoffen, dass die Beklagte ihre daraus folgende Beitragspflicht freiwillig erfüllte."



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4. OLG Düsseldorf: Schwarzgeldabrede im WhatsApp-Chat: Kein Werklohn
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Ein Bauunternehmer aus Bochum bekommt für Sanierungsarbeiten in Düsseldorf keinen Werklohn. Obschon er und auch der Auftraggeber dies leugneten, war das Oberlandesgericht Düsseldorf unter anderem aufgrund einer WhatsApp-Nachricht davon überzeugt, dass die Parteien eine sogenannte "Schwarzgeldabrede" getroffen hatten.

Deshalb hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter dem Vorsitz von Gabriele Schaefer-Lang am 21.01.2020 entschieden, dass dem Bauunternehmer kein Werklohn zusteht.

Der zugrundeliegende Vertrag verstieße vielmehr gegen § 1 SchwarzArbG , weil sich die Parteien einig gewesen waren, dass die Arbeiten ohne Erteilung einer Rechnung und unter Verkürzung des Werklohns um die Mehrwertsteuer erbracht werden sollten.

In den Jahren 2016 und 2017 hatte der Bauunternehmer umfangreiche Sanierungsarbeiten für den Auftraggeber in Düsseldorf erbracht. Während der Bauarbeiten zahlte der an den Bauunternehmer ohne Rechnung mehrere hunderttausend Euro als Abschläge.

Bezüglich einer weiteren Abschlagszahlung bat der Bauunternehmer per WhatsApp, die Zahlung per Überweisung auf zwei verschieden Konten aufzuteilen, "damit nicht so viel an die Augen von F…. kommt".

Nach Abschluss der Arbeiten meinte der Bauunternehmer, ihm stünden noch rund 275.000 Euro zu, die er einklagte. Die Klage scheiterte an der Schwarzgeldabrede: Der Senat war davon überzeugt, dass mit "F…." in der WhatsApp-Nachricht das Finanzamt gemeint gewesen war. Hierfür sprachen nicht nur die weiteren Umstände, sondern auch, dass der Bauunternehmer sich in Widersprüche verstrickte, als er zu erklären versuchte, wer stattdessen damit gemeint gewesen sei sollte.

Wegen der Einzelheiten wird auf das verlinkte Urteil Bezug genommen (Aktenzeichen I-21 U 34/19), mit welchem der Senat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Wuppertal zurückgewiesen hat. Die Revision zum Bundesgerichtshof hat der Senat nicht zugelassen.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Düsseldorf v. 13.02.2020

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5. OLG Frankfurt a.M.: Online-Portal darf umfangreich aus freier Vorlesung eines Dozenten zitieren
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Ein Online-Portal kann sich auch dann auf das urheberrechtliche Zitatrecht berufen, wenn das eigentliche Werk nicht in schriftlicher Form vorliegt, sondern lediglich in freier Rede durch einen Dozenten gehalten wurde (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 18.04.2019 - Az.: 11 U 107/18).

Der Kläger war Schriftsteller und gab an einer Universität eine Gastvorlesung für die allgemeine Öffentlichkeit. Seinen Vortrag hielt er frei, es existierte kein schriftliches Dokument, das die Zuhörer bekommen konnten.

Die Beklagte betrieb ein Online-Portal und berichtete über die Vorlesung. U.a. veröffentlichte die Webseite neun umfangreiche Zitate des Klägers.

Der Literat sah sich in seinen Urheberrechten verletzt und klagte. Er vertrat den Standpunkt, dass das Zitatrecht als Ausnahme nicht greife, da sein Werk nicht schriftlich fixiert, sondern vielmehr nur mündlich vorgetragen worden sei.  Das OLG Frankfurt a.M. wies den klägerischen Anspruch ab.

Das Gesetz verlange für die Anwendung des Zitatrechts nicht, dass das Werk in Schriftform verkörpert worden sei. Voraussetzung sei vielmehr lediglich, dass das zitierte Werk bereits der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Dies sei hier zu bejahen, da die Gastvorlegung für die Allgemeinheit zugänglich war.

Auch der Umfang der Zitate sei angemessen, da die Passagen in einem angemessenen und zweckmäßigen Zusammenhang zum restlichen Text stünden. Die Beklagte könne sich daher wirksam auf die Schranke des Zitatrechts berufen und habe keine Urheberrechtsverletzung begangen.

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6. OLG Frankfurt a.M.: Kein Wettbewerbsverhältnis zwischen Unternehmen und Kritiker
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Zwischen einem Unternehmen und einem Rechtsberater, der die Firma kritisiert, besteht kein Wettbewerbsverhältnis. Dies gilt auch dann, wenn der Berater durch seine Kritik möglicherweise neue Kunden akquiriert (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 09.01.2020 - Az.: 6 W 117/19).

Die Klägerin war eine Bildungseinrichtung, der Beklagte war in der (Rechts-)Beratung tätig. Der Beklagte kritisierte die Klägerin massiv, u.a. äußerte er die Ansicht, dass die Beklagte in einen "Skandal"  verwickelt sei und dass der Dekan der Klägerin ein "Diktator [sei], dessen Worte nicht mit seinen Handlungen übereinstimmen"  würden.

Dagegen wehrte sich die Klägerin gerichtlich. Und verlor vor dem OLG Frankfurt a.M.

Ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch scheide bereits deshalb aus, weil zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis bestünde, so das OLG Frankfurt a.M.
Erforderlich sei nicht unbedingt ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis, d.h. dass beide Parteien die identischen Waren oder Dienstleistungen anbieten müssten. Es reiche vielmehr auch aus, dass sich der Schuldner durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stelle.

So genüge es, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen suche, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleide, eine Wechselwirkung in dem Sinne bestünde, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden könnte.

Eine solche Wechselwirkung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwischen dem Nachteil der Klägerin (z.B. möglicher Verlust von Studenten oder Interessenten für ihre Bildungsdienstleistungen) und dem Vorteil des Beklagten (z.B. Förderung der eigenen Beratungsleistung) bestünde keine derartige Wechselbeziehung.

Auch zivilrechtlich existiere kein Unterlassungsanspruch, da die Kritik vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt sei.

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7. OLG Hamm: Bei Einschränkungen auf Werbeaktionen Hinweis auf Webseite nicht ausreichend
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Stellt ein Unternehmen im Rahmen einer Print-Werbeaktion (hier: Format: 32 cm x 16 cm) bestimmte Ausnahmen auf, so muss es direkt in der Anzeige selbst diese Konditionen erwähnen. Es reicht nicht aus, auf die eigene Webseite zu verweisen, auf der dann die Beschränkungen nachzulesen sind (OLG Hamm, Urt. v. 05.11.2019 - Az.: I-4 U 11/19).

Die Beklagte betrieb ein Möbelhaus und bewarb in einem Print-Flyer (Format: 32 cm x 16 cm) seine Verkaufsaktion:

"Bis zu 500,- EUR Tauschprämie für Ihre alten Möbel!".

Das Angebot galt jedoch nur für bestimmte Produkte der Beklagten. In der Anzeige wurde auf die Webseite der Beklagten verwiesen. Dort erfuhr der Verbraucher, welche Waren ausgenommen waren.

Die Klägerin stufte dies als wettbewerbswidrig ein, da der Kunde in nicht ausreichender Weise informiert werde. Die Beklagte war der Ansicht, dass die Ausgestaltung nicht zu beanstanden sei, weil die Nennung aller fast 100 Produkte, für die das Angebot nicht gelten würde, den Rahmen des Möglichen sprengen würde. Ein Abdruck im Flyer sei sowohl rechtlich als auch tatsächlich nicht möglich.

Das OLG Hamm hat das werbende Unternehmen zur Unterlassung verurteilt.

Entsprechend den höchstrichterlichen Vorgaben sei es zumutbar, 20 % des vorhandenen Werbeplatzes für rechtliche Informationen bereitzustellen. Der BGH hatte dies Anfang 2019 im Rahmen des Abdrucks der Muster-Widerrufsbelehrung entschieden (BGH, Urt. v. 11.04.2019 - Az.: I ZR 54/16). Siehe dazu auch unsere Kanzlei-News v. 07.08.2019.

Das OLG Hamm überträgt nun diese Grundsätze auf die vorliegende Konstellation:

"Der streitgegenständliche Flyer war 32 cm × 16 cm groß und beidseitig bedruckt. Dies entspricht einer Gesamtfläche von 1.024 cm2 (2 × 512 cm2), so dass die Beklagte zur Darstellung der Ausnahmen zumindest auf eine Fläche von 204,8 cm2 (z. B. 12,8 cm × 16 cm) zu verweisen war. Dass bei einer Schriftgröße von 6 Didot-Punkt auf dieser Fläche 97 Ausnahmen nicht darstellbar wären, lässt sich dem Vortrag der Beklagten weder entnehmen noch ist dies ersichtlich.

Soweit die Beklagte als Nachweis der Unmöglichkeit auf die von ihr zur Gerichtsakte gereichten Anlagen verweist, in die sie den ausgenommenen Prospekt hereinkopiert hat, ergibt sich hieraus nichts anderes. Auch wenn der in den Flyer hineinkopierte Prospekt nicht hinreichend lesbar sein dürfte, folgt hieraus nicht, dass die von der Aktion ausgenommenen Produkte nicht hinreichend klar und verständlich auf 20 % der Flyerfläche wiedergegeben werden konnten.

Zum einen enthält der in den Flyer einbezogene Prospekt Mehrfach- und Großbilder, Werbeslogans, Materialangaben, Adresse und Anfahrtsplan etc., die für die Information des Verbrauchers, welche Waren von der Aktion ausgeschlossen sind, nicht erforderlich sind. Zum anderen und vor allem ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Ausnahmen nicht auf andere Art und Weise als durch Abdruck von Bildern, z. B. durch schriftliche Bezeichnung, darstellen konnte. Gegenteiliges hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte jedenfalls nicht aufgezeigt (...)."


Der Print-Flyer habe also ausreichend Platz geboten, die Ausnahmen direkt in der Anzeige selbst zu nennen.

Das OLG Hamm weist zudem darauf hin, dass selbst bei einer räumlichen Beschränkung ein Verweis auf die Webseite nicht ausreichend gewesen sei. Denn es bestünde die Gefahr, dass der Kunde bereits durch die werbende Annonce selbst so stark angezogen werde, dass er Geschäft aufsuche und erst dort von den Ausnahmen erfahren. Es sei keinesfalls zwingend, dass ein Verbraucher zuerst die jeweils erwähnte Webseite aufsuche und sich über die Beschränkungen informiere:

"Zudem handelt es sich um eine Information, die der Verbraucher benötigt, um überhaupt entscheiden zu können, ob er das werbende Ladenlokal aufsuchen will. Er läuft Gefahr, aufgrund des irreführenden Blickfangs das Geschäft der Beklagten aufzusuchen, um hier zu erfahren, dass das von ihm in den Blick genommene Produkt von der Aktion ausgenommen ist.

Zwar hätte der Verbraucher die Möglichkeit, sich die erforderlichen Informationen durch das Aufrufen der Internetseite der Beklagten zu beschaffen und auch ist der Durchschnittsverbraucher hierzu durchaus in der Lage. Allerdings gibt es keinen Erfahrungssatz, ein Verbraucher werde bei einer Anzeige der hier beanstandeten Art zunächst die Aktionsbedingungen im Internet aufrufen, bevor er sich auf den Weg zum Einrichtungshaus macht. Vielmehr liegt es nahe, dass ein erheblicher Teil der Durchschnittsverbraucher durch die Anzeige in das Einrichtungshaus gelockt und dort durch das Ausmaß der für die Aktion geltenden Einschränkungen überrascht wird (...).

Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass die in Bezug genommenen Prospektangebote unter (...) schnell, leicht sowie klar zu erlangen waren. Um die ausgenommenen Produkte zu ermitteln, hätte der Verbraucher einen mehrseitigen Prospekt durchblättern und auswerten müssen. Durch die Verteilung der Angebote auf mehrere Seiten und den Abdruck von Bildern, auf denen neben den angebotenen Produkten auch weitere Gegenstände abgebildet waren, war es dem Verbraucher nicht ohne Mühe möglich, sich ein klares Bild von den ausgenommenen Produkten und deren Umfang zu machen." 



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8. OLG Köln: Form der Capri-Sonne wettbewerbsrechtlich geschützt, da sie wettbewerbsrechtliche Eigenart aufweist
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Die Form des bekannten Fruchtsaftgetränks "Capri-Sonne"  ist wettbewerbsrechtlich geschützt, da sie die erforderliche wettbewerbsrechtliche Eigenart aufweist (OLG Köln, Urt. v. 29.11.2019 - Az.: 6 U 82/19).

Die Klägerin stellte seit Ende der 1960er Jahre das Produkt "Capri-Sonne"  bzw. "Capri-Sun"  her. Die Form des Produktes war dreidimensionale Marke von 1996 bis 2014 geschützt. Auf Betreiben der Beklagten wurde diese Marke wegen absoluter Schutzhindernisse geschützt.

Als die Beklagte nun ein eigenes Produkt in dieser Form herausgab, ging die Klägerin hiergegen vor und stützte sich auf den wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz.

Das OLG Köln bejahte den Unterlassungsanspruch.

Die notwendige wettbewerbsrechtliche Eigenart sei zu bejahen:

"Der Grad der wettbewerblichen Eigenart der Gestaltung des klägerischen Produkts ist, mangels ähnlicher Aufmachungen im wettbewerblichen Umfeld, auch bereits von Haus aus als mindestens durchschnittlich anzusehen.

Da das klägerische Produkt durch die Dauer und die Intensität seines Marktauftritts seit 1969 sehr bekannt ist, ist auch von einer gesteigerten und damit überdurchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart auszugehen. Der Grad der wettbewerblichen Eigenart eines Erzeugnisses kann durch seine tatsächliche Bekanntheit im Verkehr verstärkt werden (...) . Dies können die Mitglieder des Senats, die dem angesprochenen Verkehrskreis angehören und denen das Produkt seit Kindertagen bekannt ist, nicht nur aus eigener Anschauung beurteilen, sondern diese Feststellung wird auch durch die zur Akte gereichten GfK-Umfragen bestätigt."


Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin aufgrund der unberechtigten Markeneintragung eine Alleinstellung erzielt habe. Die vorgenommene Markenlöschung führe nicht auch automatisch zum Verlust des wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes.
"Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können hingegen unabhängig vom Bestehen von Anspüchen aus einem Sonderschutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen (...).

Im Rahmen der wettbewerblichen Eigenart geht es um die Nachahmung einer Produktgestaltung und der damit verbundenen Gefahr der Herkunftstäuschung und nicht isoliert um den Schutz einer technischen Lösung, sodass Wertungswidersprüche zum Markenrecht vermieden werden.

Da es bei der Frage der wettbewerblichen Eigenart darum geht festzustellen, ob eine Ware in ihrer konkreten Ausgestaltung oder durch bestimmte Merkmale dazu geeignet ist, die interessierten Verkehrskreise auf ihre betriebliche Herkunft oder ihre Besonderheit hinzuweisen (...), kommt es auf die Frage, ob daneben zu Recht oder Unrecht eine Formmarke bestand, keine Rolle [nicht an]. Die Gestaltung des klägerischen Produkts ist dem Verkehr – unabhängig von der späteren Eintragung der Formmarke – bereits seit 1969 bekannt.

Die konkrete Gestaltung wies von Haus aus und von Anfang an wettbewerbliche Eigenart auf. Da dem Verkehr das klägerische Produkt in dieser wettbewerblich eigenartigen Aufmachung seit Markteinführung bekannt ist und ihm vergleichbare Aufmachungen im wettbewerblichen Umfeld nicht begegnet sind, ist die Aufmachung auch in hohem Maße geeignet, den angesprochenen Verkehr auf die betriebliche Herkunft des Produkts aus einem bestimmten Betrieb hinzuweisen."


Die Beklagte hätte somit durch eine ausreichende abweichende Gestaltung ihres Produktes eine Täuschung über die Herkunft der Waren vermeiden können. Dies sei jedoch nicht geschehen, da es sich um eine nahezu identische Nachahmung handle.

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9. LG Wuppertal: Kein Rückzahlungsanspruch gegen PayPal bei illegalem Online-Casino
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Ein Kunde, der bei einem in Deutschland verbotenen Online-Casino mitspielt, hat keinen Rückzahlungsanspruch gegen PayPal  (LG Wuppertal, Urt. v. 30.10.2019 - Az.: 3 O 384/18).

Der Kläger hatte an einem in Deutschland illegalen Internet-Casino teilgenommen und per PayPal  bezahlt. Als er verlor, verlangte er die Rückerstattung der Zahlungsaufwendungen, da der Vertrag aufgrund eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sei (§ 134 BGB).

Das LG Wuppertal folgte dieser Ansicht nicht, sondern wies die Klage vielmehr ab.

Das Verhältnis zwischen Kunde und PayPal  sei durch den Zahlungsdiensterahmenvertrag vertraglich geregelt.  Danach sei bestimmt, dass es nicht Aufgabe von PayPal  sei, die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen. Eine etwaige Prüfpflicht komme somit nur dann in Betracht, wenn dem Zahlungsanbieter die Rechtswidrigkeit bekannt gewesen sei. Dies sei hier nicht der Fall:

"Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.

Ein solches Verbotsgesetz liegt nicht vor. Zwar ist gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten. Die Beklagte hat diese Zahlungen auch getätigt. Es ist allerdings nicht Aufgabe der Beklagten, die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen (...). Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV ist dies vielmehr Aufgabe der Glückspielaufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Die Glückspielaufsicht hat dem mitwirkenden Kreditunternehmen unerlaubte Glücksspielangebote bekannt zu geben.

Erst dann dürfen seitens der Glücksspielaufsicht Maßnahmen gegenüber dem Kreditunternehmen getätigt werden und die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspiel untersagt werden. Eine derartige Bekanntgabe der Glücksspielaufsicht an die Beklagte hat der Kläger nicht dargelegt. Da die Voraussetzungen der Mitwirkung an Zahlungen am unerlaubtem Glücksspiel nicht vorliegen, verstoßen die Zahlungsausführungen der Beklagten nicht gegen den Glücksspielstaatsvertrag und sind somit nicht nichtig nach § 134 BGB (...)."


Darüber hinaus stünde einer Rückforderung auch die Regelung des § 817 BGB entgegen. Denn auch der Kläger selbst habe gegen die gesetzliche Bestimmung verstoßen. Insofern sei der Kunde mit seinem Begehren ausgeschlossen.

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10. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter: 51.000,- EUR DSGVO-Bußgeld gegen Facebook wegen unterlassener Mitteilung des neuen Datenschutzbeauftragten
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Wie der Hamburgische Datenschutzbeauftragter, Prof. Caspar, in seinem Tätigkeitsbericht für 2019 mitteilt, hat seine Behörde gegen Facebook ein DSGVO-Bußgeld iHv. 51.000,- EUR verhängt. Der Tätigkeitsbericht kann hier heruntergeladen werden.

Die Facebook Germany GmbH  hatte ihren neuen Datenschutzbeauftragten der Behörde nicht gemeldet, obwohl dies nach Art. 37 Abs.7 DSGVO ausdrücklich bestimmt ist. Facebook  wehrte sich mit dem Argument, dass ab Inkrafttreten der DSGVO das in Irland ansässige Datenschutz-Team verantwortlich sei. Außerdem zweifelte es an, ob die deutschen Regelungen überhaupt wirksam seien.

Daraufhin verhängt die Hamburger Behörde ein Bußgeld iHv. 51.000,- EUR.

In dem Tätigkeitsbericht heißt es:

"Das Bußgeld mag auf den ersten Blick niedrig klingen. Es ergeht aber nicht gegen den milliardenschweren Mutterkonzern, sondern gegen die deutsche Tochter wegen eines ausschließlich in Deutschland begangenen und geregelten Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht.

Die Facebook Germany GmbH ist ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von rund 35 Millionen, dessen Schwerpunkt – im Gegensatz zum Mutterkonzern – nicht in der Verarbeitung personenbezogener Daten liegt und das nach außen kaum auftritt. Das Bußgeld dürfte angesichts der Fahrlässigkeit des Verstoßes und der Tatsache, dass Facebook den Verstoß sofort abgestellt hat und durchgehend ein Datenschutzbeauftragter bestellt war, der lediglich nicht mitgeteilt wurde, als empfindlich anzusehen sein."


Und am Ende heißt es mit noch deutlicheren Worten:
"Dieser Fall sollte allen anderen Unternehmen eine deutliche Warnung sein: Die Benennung des Datenschutzbeauftragten und die Mitteilung an die Aufsichtsbehörde sind Pflichten, die die DSGVO ernst nimmt. Schon kleinere Verstöße gegen derartige Pflichten können zu nicht unerheblichen Geldbußen führen. Es ist dem umsichtigen und professionellen Umgang Facebooks mit dem Verstoß geschuldet, dass die Geldbuße nicht noch deutlich höher ausfiel."


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