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Newsletter vom 19.11.2008 |
Betreff: Rechts-Newsletter 47. KW / 2008: Kanzlei Dr. Bahr |
Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob eine Arztpraxis, die nach wie vor in einer unzulässigen Rubrik in einem Internet-Branchenbuch geführt wurde, sich den Fehler des Verlages zurechnen lassen muss. Der Arztpraxis war gerichtlich verboten worden, für sich in einer bestimmten Rubrik zu werben. Sie wies den Verlag daraufhin an, das entsprechende Inserat zu löschen. Was jedoch nicht geschah. Nun hatten die Frankfurter Richter zu entscheiden, ob hierdurch gegen das vorangegangene gerichtliche Verbot verstoßen wurde. Dies bejahten die Juristen. "Dieser Auffassung ist bereits das Landgericht mit dem zutreffenden Argument entgegen getreten, dass der Unterlassungsschuldner nicht nur dazu verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um zukünftige Verletzungen zu vermeiden (...). Dazu gehört auch, Wettbewerbsverstöße durch Mitarbeiter oder Beauftragte dadurch zu unterbinden, dass er entsprechende Belehrungen oder Anweisungen erteilt und deren Einhaltung genau überwacht (...). Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, sind die Antragsgegner dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil ein Teil der beanstandeten Änderungen in Internetverzeichnissen leicht nachzuvollziehen war. Die Antragsteller hätten daher die Umsetzung ihrer Anweisung durch Aufruf der entsprechenden Seiten leicht überprüfen können. Dies haben sie unstreitig nicht getan."
"Hier indes fehlt es in der angegriffenen Werbung an jeglichem Hinweis im Zusammenhang mit der irreführenden Aussage „Keine Grundgebühr“, der darauf hindeuten könnte, dass das Angebot unter bestimmten Prämissen mit weiteren Kosten durch eine „Administrationsgebühr“ verbunden ist. Vielmehr ist am unteren Ende der angegriffenen Werbung, direkt unterhalb der streitgegenständlichen Aussagen, nur ein Link in Gestalt einer „Schalttaste“ mit der Aufschrift „Jetzt anmelden!“ eingerichtet, die nicht nur nicht darauf hinweist, dass es neben den genannten noch weitere Kostenfaktoren gibt, sondern dem Verbraucher gerade signalisiert, dass er sich bei Betätigen diese Links ohne weitere Informationen zu den Tarifbedingungen direkt zum Anmeldevorgang begibt. Der Verbraucher erwartet im Rahmen des Anmeldevorganges aber keine weiteren Informationen über zusätzliche Kosten. Die Aufklärung darüber, dass man sehr wohl unter bestimmten Prämissen eine „Administrationsgebühr“ zu zahlen hat, findet sich dann auch an anderer Stelle auf den Seiten der Beklagten, nämlich in den Unterseiten „Tarifdetails“ und dort wiederum in der Fußnote 2 (...). Auf diese Unterseiten wird aber in der angegriffenen Werbung gerade nicht im Hinblick auf die Aussage „Keine Grundgebühr“ hingewiesen, sondern nur bezüglich der konkreten Preisangaben zu den von der Beklagten berechneten Minutentarifen, also den verbrauchsabhängigen Tarifen."
Auf den Webseiten des Online-Auktionshauses haben die Inhaber von Kunstwerken die Möglichkeit, diese online zu veräußern und in diesem Zusammenhang eine Abbildung des Objektes ins Internet zu stellen, das auch nach der Versteigerung noch eine 1 Woche lang frei abrufbar ist. Nun fehlte dem Veräußerer des Kunstwerkes hierfür die Befugnis, und er beging somit eine Urheberrechtsverletzung. Der Urheber verklagte jedoch nicht nur den Veräußerer, sondern auch das Online-Auktionshaus. Zu Recht wie die Kölner Richter nun entschieden: "Die Antragsgegnerin (...) bietet Eigentümern von Kunstwerken die Gelegenheit, diese über ihr Internetportal zu veräußern und in diesem Zusammenhang eine Abbildung des Objektes im Internet darzustellen. Zu ihrem Geschäftsmodell gehört oder gehörte es - wie der Streitfall zeigt - auch, die Werke länger als eine Woche nach Abschluss des Geschäftes im Netz zu belassen. Die Antragsgegnerin schafft auf diese Weise eine Plattform, auf der mit Rechtsverstößen zu rechnen ist, weil die Verkäufer in aller Regel nicht Inhaber der Rechte sind, die sie zu dieser öffentlichen Zugänglichmachung berechtigen würden. Die Antragsgegner haben ausdrücklich vorgetragen, das Auktionsportal stehe nur solchen Veräußerern offen, die nicht auch Urheber des betreffenden Kunstwerkes seien." Und weiter: "Diesen Anbietern ist es indes regelmäßig aus den dargelegten Gründen nicht gestattet, die Werke länger als eine Woche nach Abschluss des Verkaufes im Netz zu belassen, weil das gegen § 19 a UrhG verstößt. Der Urheber könnte ihnen zwar ein weitergehendes Recht eingeräumt haben, das wird aber allenfalls ausnahmsweise der Fall sein, zumal – gerade bei älteren Werken wie dem verfahrengegenständlichen – die Kette der Voreigentümer häufig kaum überschaubar ist. Dieses Anbieten eines einen Rechtsverstoß einkalkulierenden Geschäftsmodells ist auch nicht etwa deswegen gerechtfertigt, weil die Beschränkung der Frist auf eine Woche mit dem Geschäftsmodell der Antragsgegner nicht vereinbar wäre. Es ist schon nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, aus welchem Grunde es erforderlich sein sollte, dass die Abbildung des Werkes auch eine Woche nach seiner Veräußerung noch für jedermann einsehbar bleibt." Das OLG Köln knüpft die Mithaftung des Auktionshauses also an den besonderen Umstand, dass hier der Plattform-Betreiber ohne jeden vernünftigen Grund sehenden Auges eine Urheberrechtsverletzung in Kauf nimmt.
"Einer Überprüfung der einzelnen der Bundesnetzagentur vorliegenden Beschwerdevorgänge ist nicht notwendig, weil die Antragstellerin nach eigenem Vortrag vor ihren Werbeanrufen keine individuellen Einwilligungserklärungen eingeholt, sondern im Wege des sog. Listbrokings von Drittunternehmen (formularmäßige) Einverständniserklärungen "angemietet" hat. Diese stellen keine wirksame Einwilligung in die automatisierten Werbeanrufe dar, wie das Verwaltungsgericht eingehend und überzeugend unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH dargestellt hat. (...) Derartige Einwilligungserklärungen sind wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Solche Werbeanrufe betreffen nicht das konkrete, mit der Einwilligungserklärung in Zusammenhang stehende Vertragsverhältnis, sondern Werbung für andere, zukünftige Vertragsverhältnisse. Die Wirksamkeit dieser Einwilligungen ist daher zu verneinen, weil es für den Kunden praktisch unüberschaubar ist, wer sich letztlich auf eine solche Erklärung berufen kann." Identisch entschied das LG Köln (Beschl. v. 07.08.2008 - Az.: 1 L 872/08) vor kurzem.
Die Klägerin ist Inhaberin von mehreren Mehrwertdienstenummern, die ihr von der Bundesnetzagentur (BNA) zugeteilt worden waren. Als es vermehrt zu unerlaubten Werbeanrufen für diese Rufnummer kam, untersagte die BNA der Klägerin, unaufgefordert Werbung an Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer mittels Telekommunikationsmitteln zu versenden. Das OVG Münster gab der BNA weitgehend Recht mit dem Verbot, begrenzte jedoch die Reichweite auf unerlaubte Telefonanrufe und schloß damit andere Kommunikationsmittel gerade eben aus. "Die Antragstellerin hat in der Vergangenheit mit automatischen Anrufmaschinen zahlreiche Markteilnehmer angerufen, ohne dass entsprechende Einwilligungsklärungen vorgelegen haben (...). Hiervon ausgehend besteht die konkrete Gefahr, dass die Antragstellerin auch in Zukunft unzulässig sonstige Marktteilnehmer bewirbt. Demgegenüber lässt sich derzeit keine hinreichende Gefahr dafür feststellen, dass die Antragstellerin (...) in Deutschland auch andere Telekommunikationsmittel nutzen wird, um unaufgefordert Werbung per E-Mail, SMS oder Telefax zu betreiben."
Der BayVGH hat damit der Betreiberin zweier Spielotheken Recht gegeben, der das zuständige Landratsamt aufgegeben hatte, ihr Bonussystem stillzulegen und abzubauen. Die Kunden der Spielotheken der Klägerin erhalten bei ihrem Eintritt eine Chipkarte, auf der ihr Name, ferner eine Kundennummer und die Kennnummer der Spielhalle eingetragen sind. Mit Hilfe eines am Geldspielgerät installierten, von diesem aber technisch völlig getrennten Zusatzgeräts werden dem Spieler Bonuspunkte je 20-Cent-Spieleinheit gutgeschrieben, deren Wert (0,9 Cent je Bonuspunkt) für die Bezahlung von Getränken verwendet oder beim Verlassen der Spielhalle in bar ausgezahlt wird. Die Gutschrift der Bonuspunkte ist vom Gewinn oder Verlust am Geldspielautomaten unabhängig. Der BayVGH sah darin im Ergebnis keinen Verstoß gegen geltendes Recht. Zwar darf nach der einschlägigen Vorschrift der Spielverordnung der Aufsteller eines Spielgerätes dem Spieler keine Vergünstigungen bei der Höhe der Einsätze für weitere Spiele gewähren, des Weiteren darf er keine unentgeltlichen Spiele, Zahlungen oder sonstige finanzielle Vergünstigungen gewähren. Allgemeine Preisrabatte auch in Form von Bonuspunkten sind nach der Auffassung des BayVGH hiervon nicht erfasst. Die Gewährung des Bonus im System der Klägerin sei nicht an weitere Spiele geknüpft und hänge auch weder von der Spieldauer noch von der Zahl der Spiele ab. Es werde daher kein besonderer Anreiz zum Weiterspielen geschaffen. Daher sei ein Verbot des Bonussystems zum Schutz der Spieler nicht erforderlich. Es liege auch keine unzulässige sonstige Vergünstigung vor, sondern lediglich ein erlaubtes elektronisch verbuchtes Rabattsystem, ähnlich einer sog. Paybackkarte. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde zugelassen. Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 15. Oktober 2008, Az.: 10 BV 08.351 Quelle: Pressemitteilung des Bayerischer VGH v. 06.11.2008
Da der genaue Wortlaut des Beschlusses noch unbekannt ist, ist unklar, ob wirklich die gesamte Webseite von Wikimedia abgeschaltet werden musste oder ob hier nicht die Deaktivierung einzelner Teilbereiche ausgereicht hätte. Die aktuelle Auseinandersetzung ist nicht der erste Fall, wo Wikimedia mit verantwortlich gemacht wird für die (eigentlich) fremden Wikipedia-Inhalte. Im Februar 2006 erließ zunächst das AG Charlottenburg eine einstweilige Verfügung gegen den Verein, die schließlich aber wieder aufgehoben wurde, vgl. die Kanzlei-Infos v. 10.02.2006. Ende April diesen Jahrens wies das LG Köln (Urt. v. 14.05.2008 - Az.: 28 O 334/07) eine Klage ab, wonach Wikimedia für etwaige Rechtsverletzungen, die auf der freien Internet-Enzyklopädie Wikipedia von Dritten begangen werden, mithaften sollte. Die Richter nahmen jedoch zur umstrittenen Frage der Mitstörerhaftung keine Stellung, da es ihrer Ansicht nach bereits an einer Rechtsverletzung fehlte.
Mit der Frage der Schutzfähigkeit von Heiratsannoncen (übrigens nicht der obigen) befasst sich ein gestern verkündetes Urteil der 21. Zivilkammer. Aufgekommen war die Frage im Streit zweier Partnervermittlerinnen, die beide dem Liebesglück der oberen 10.000 auf die Sprünge helfen wollen. Die Klägerin staunte nicht schlecht, als sie eines schönen Tages die von ihr verfassten Annoncen für einen millionenschweren Supertypen und die Tochter aus bestem Industriellen-Hause (obzwar 37 Jahre alt – natürlich – aussehend wie 28) im Heiratsmarkt einer Zeitung wiederfand. Inseriert hatte allerdings die Konkurrenz. Der Millionär war zwar offensichtlich von einer Annonce zur anderen um einen Zentimeter geschrumpft. Ansonsten glichen sich die Annoncen aber fast bis auf’s i-Tüpfelchen. Die Klägerin wusste auch nichts davon, dass der Millionär nun unter den Fittichen der Beklagten sein Glück versuchte. So oder so: Das Abkupfern wollte sie der Konkurrentin nicht durchgehen lassen. Die Klägerin ließ die Beklagte also abmahnen, blieb aber auf den Kosten für den Rechtsanwalt sitzen. Diese klagte sie nun ein. Vor Gericht stritten die beiden Heiratsvermittlerinnen dann darum, ob die Beklagte überhaupt abgeschrieben hat – schließlich, so meinte die Beklagte, sei doch ganz klar, dass bei der Beschreibung der identischen Person auch ein ähnlicher Text herauskommen müsse. Außerdem wurde darum gestritten, ob es nicht erlaubt sein muss, solche Texte abzuschreiben. Das Gericht gab schließlich der Klägerin Recht: „Es besteht auch nicht der geringste Zweifel daran, dass die Beklagte abgeschrieben hat. Angesichts der geradezu unerschöpflichen Vielfalt der Möglichkeiten, ein- und dieselbe Person in einer solchen Annonce darzustellen, kann die Beklagte dem Gericht nicht weismachen, dass sie den Text der Klägerin nicht – unter Vornahme geringfügiger Änderungen – abgeschrieben hat.“ Außerdem hielt das Gericht die konkrete Annonce für schutzfähig: „Die Annoncen der Klägerin sind in Wortwahl und Stil gekonnt auf den angesprochenen (elitären) Personenkreis zugeschnitten; schon darin ist eine individuell-schöpferische Leistung zu sehen. Es ist auch – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht etwa so, dass die Texte durch die zu beschreibenden Personen weitgehend vorgegeben sind – wie das etwa für die Beschreibung eines Staubsaugers zutreffen mag. Bei der Beschreibung und Charakterisierung einer Person lässt sich nicht nur die nahezu unerschöpfliche Vielfalt der Sprache, sondern insbesondere auch die ganze Bandbreite der menschlichen Wahrnehmung zur Geltung bringen. So leistet in den Annoncen der Klägerin auch die Auswahl der Charaktereigenschaften ebenso wie deren sprachliche Umsetzung einen Beitrag zur individuell-schöpferische Leistung.“ Urteil des Landgerichts München I, Az.: 21 O 3262/08; nicht rechtskräftig Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 13.11.2008
Die bayerische Richterin lehnt die Personenbezogenheit ab, da es an der für § 3 Abs.1 BDSG erforderlichen Bestimmbarkeit fehle: "Nach diesseitiger Auffassung stellen die IP-Adressen deswegen keine personenbezogenen Daten dar, weil ihnen die notwendige Bestimmbarkeit fehlt. Bestimmbarkeit ist dann gegeben, wenn die datenspeichernde Stelle die hinter der Einzelangabe stehende Person mit den ihr normalerweise zur Verfügung stehenden Kenntnissen und Hilfsmitteln und ohne unverhältnismäßigen Aufwand bestimmen kann (...). IP-Adressen werden durch den von der Beklagten verschiedenen sogenannten Access Provider zeitlich begrenzt an Kunden vergeben, der Access Provider kann über die Bestandsdaten auch später den entsprechenden Nutzer ermitteln. Diese Möglichkeit steht der Beklagten nicht ohne weiteres zu. Die Beklagte könnte den Nutzer nur mit Hilfe des Access-Providers ermitteln, der aber mangels Rechtsgrundlage den Betreiber eines Internetportals diese Angaben nicht zur Verfügung stellen darf." Die Entscheidung ist mit außerordentlicher Vorsicht zu genießen, da die überwiegende Anzahl der deutschen Gerichte IP-Adressen dagegen als personenbezogen einstuft.
Inhalt: Das neue Urheberrechtsgesetz sieht seit Jahresbeginn eine automatische Rechteübertragung für unbekannte Nutzungsarten bei Altverträgen vor. Kreative, die nicht bis zum Jahresende 2008 widersprechen, müssen dann auch solche Verwertungshandlungen hinnehmen, die sie gar nicht wollen. Die Kanzlei Dr. Bahr hat gegen diese urheberrechtlichen Neuregelungen Verfassungsbeschwerde erhoben, da wir sie für einseitig und klar benachteiligend für Kreative halten. Eine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde steht noch aus. Aktuelle Infos hierzu gibt es unter freiheit-fuer-kreative.de.
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