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Newsletter vom 26.08.2020
Betreff: Rechts-Newsletter 35. KW / 2020: Kanzlei Dr. Bahr


1. BFH: Verlust der Gemeinnützigkeit bei zu hohem Geschäftsführergehalt

2. VGH München: Presserechtlicher Auskunftsanspruch auf gemeindegenaue Gesamtzahl der Corona-Infektionen

3. OLG Stuttgart: Optiker darf nicht mit Brillengeschenk an "Corona-Helden" werben

4. VG Düsseldorf: Auskunft über Strafverfahren gegen ehemaligen Fußballnationalspieler nur bei Gewährleistung der Vertraulichkeit zulässig

5. LG Mannheim: Daimler verletzt Patente von Nokia

6. AG Bonn: DSGVO-Auskunftsanspruch erfasst auch Kontobewegungen des eigenen Bankkontos

7. AG München: Familien-Mutter haftet für P2P-Urheberrechtsverletzungen

8. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter: Behördliches Auskunftsverlangen gegen Clearview

9. Deutsche Datenschutzbehörde kündigen bundesweite Kontrolle von Tracking-Technologien auf Websites an

10. Webinar mit RA Dr. Bahr zum Employer Branding am 04.09.2020

Die einzelnen News:

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1. BFH: Verlust der Gemeinnützigkeit bei zu hohem Geschäftsführergehalt
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Gewährt eine gemeinnützige Körperschaft ihrem Geschäftsführer unverhältnismäßig hohe Tätigkeitsvergütungen, liegen sog. Mittelfehlverwendungen vor, die zum Entzug ihrer Gemeinnützigkeit führen können. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 12.03.2020 (V R 5/17) entschieden.

Ob im Einzelfall unverhältnismäßig hohe Vergütungen anzunehmen sind, ist durch einen sog. Fremdvergleich zu ermitteln. Als Ausgangspunkt hierfür können allgemeine Gehaltsstrukturuntersuchungen für Wirtschaftsunternehmen herangezogen werden, ohne dass dabei ein "Abschlag" für Geschäftsführer von gemeinnützigen Organisationen vorzunehmen ist.

Da sich der Bereich des Angemessenen auf eine Bandbreite erstreckt, sind nur diejenigen Bezüge als unangemessen zu bewerten, die den oberen Rand dieser Bandbreite um mehr als 20% übersteigen.

Liegt ein unangemessen hohes Geschäftsführergehalt vor, ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ein Entzug der Gemeinnützigkeit allerdings erst dann gerechtfertigt, wenn es sich nicht lediglich um einen geringfügigen Verstoß gegen das Mittelverwendungsgebot handelt.

Im Streitfall hatte das Finanzamt einer gGmbH, die sich in der psychiatrischen Arbeit engagiert und in erster Linie Leistungen im Bereich der Gesundheits- und Sozialbranche erbringt, wegen unangemessen hoher Geschäftsführerbezüge die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2005 – 2010 versagt.

Das Finanzgericht (FG) hatte die dagegen erhobene Klage abgewiesen. Der BFH bestätigte diese Entscheidung im Wesentlichen.

Die Revision der Klägerin war allein in Bezug auf die Streitjahre 2006 und 2007 erfolgreich, weil das FG für das Jahr 2006 nicht berücksichtigt hatte, dass die Angemessenheitsgrenze lediglich geringfügig (um ca. 3.000 €) überschritten war und es für das Jahr 2007 unterlassen hatte, bei der Angemessenheitsprüfung einen Sicherheitszuschlag anzusetzen.

Das Urteil ist von weitreichender Bedeutung für die Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, da es die Grundlagen für die Ermittlung von noch zulässigen Geschäftsführerbezügen aufzeigt und diese Grundsätze auch auf andere Geschäftsbeziehungen mit gemeinnützigen Körperschaften (z.B. Miet-, Pacht-, Darlehensverträge) angewendet werden können.

Urteil vom 12.03.2020 - Az.: V R 5/17

Quelle: Pressemitteilung des BFH v. 20.08.2020

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2. VGH München: Presserechtlicher Auskunftsanspruch auf gemeindegenaue Gesamtzahl der Corona-Infektionen
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat heute im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass das Landratsamt Neustadt an der Aisch - Bad Windsheim verpflichtet ist, der Presse Auskunft über die Gesamtzahl der seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie dokumentierten Infektionszahlen aufgeschlüsselt nach den einzelnen Landkreisgemeinden zu geben.

Das Landratsamt hatte einen entsprechenden Antrag eines freien Redakteurs mit der Begründung abgelehnt, dass der Landkreis sehr kleinteilig und eher dörflich geprägt sei, so dass die Bekanntgabe gemeindegenauer Infektionszahlen Rückschlüsse auf einzelne Betroffene zulasse.  Dies verletze deren Persönlichkeitsrecht.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hatte in erster Instanz den Freistaat Bayern als Rechtsträger des Landratsamts im Rahmen einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller die begehrten Informationen zur Verfügung zu stellen.

Hiergegen wandte sich der Freistaat Bayern mit der Beschwerde. Der BayVGH hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach bestätigt. Nach den Vorgaben des Bayerischen Pressegesetzes habe die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. Das Landratsamt dürfe diese nur verweigern, wenn es zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, etwa weil die Beantwortung einer Presseanfrage Grundrechte Dritter verletze.

Im hier entschiedenen Fall ist eine Verletzung von geschützten Persönlichkeitsrechten Betroffener nach Auffassung des Senats jedoch nicht zu befürchten, da der Antragsteller lediglich die gemeindegenaue Gesamtzahl der seit Beginn der Pandemie festgestellten Infektionen erfahren will.

Eine Aufschlüsselung z.B. nach Alter, Geschlecht, „aktiven“ Fällen oder nach der Zahl der genesenen, hospitalisierten oder verstorbenen Patientinnen und Patienten beansprucht er nicht.

Anhand der pauschalen und auf einen mehrmonatigen Zeitraum bezogenen Gesamtzahlen der räumlichen Verteilung des Infektionsgeschehens im Landkreis könne ohne weitere Anknüpfungstatsachen auch in kleinen Gemeinden mit vertretbarem Aufwand kein Rückschluss auf bestimmte Personen gezogen werden. Bei der gewünschten Auskunft handle es sich daher nicht um personenbezogene Daten. Sie seien der Presse zur Verfügung zu stellen.

Gegen den Beschluss des BayVGH gibt es keine Rechtsmittel. (BayVGH, Beschluss vom 19. August 2020, Az.7 CE 20.1822)

Quelle: Pressemitteilung des VGH München v. 19.08.2020

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3. OLG Stuttgart: Optiker darf nicht mit Brillengeschenk an "Corona-Helden" werben
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Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgerichts Christoph Stefani hat mit einer jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 06.08.2020 einem Unternehmen, das über 140 Augenoptikfachgeschäfte in Deutschland betreibt, untersagt, mit Brillengeschenken für Angehörige bestimmter Berufsgruppen auf seiner Internetseite zu werben.

Gegen diese im April 2020 erschienene Anzeige wehrt sich ein Verband, der nach seiner Satzung die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder fördert. Er strebt den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der entsprechenden Werbung mit einer Gratisbrille für „unsere Helden- exklusiv für Pflegerinnen, Pfleger, Ärztinnen und Ärzte“ an. Mit der Beschwerde wendet sich der Verband gegen die Zurückweisung seines Antrags durch das Landgericht Stuttgart.

Demgegenüber liegen nach dem Beschwerdesenat die Voraussetzungen für den Erlass einer Untersagungsverfügung und damit eines Werbeverbots vor. Diese folgt aus §§ 8 Abs. 3 Nr.2, 3, 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und § 7 Abs. 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Bei der Werbung handle es sich um eine unlautere geschäftliche Handlung, da die kostenlose Abgabe von Brillen gegen § 7 Abs.1 HWG verstoße.

Danach ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) für Medizinprodukte wie Brillen anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, soweit die Werbemittel nicht unter die dort genannten Ausnahmetatbestände fallen.

Nach dem OLG liege hier auch eine  von dem Verbot erfasste Produktwerbung vor, da das Optikunternehmen damit für sein Produktsortiment mit bestimmten Kollektionen und Gläsern einer bestimmten Marke werbe. Somit liege hier nicht nur eine allgemeine Firmenwerbung, die nach dem HWG erlaubt ist, vor.

Zudem handle es sich bei der kostenlosen Abgabe einer Brille, auch im Rahmen einer Dankesaktion für „ Corona-Helden“, um eine Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG. Von ihr gehe die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Werbeadressaten aus.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werde eine unmittelbare Kopplung zwischen dem Erhalt der Werbegabe und einer Kaufentscheidung für das Bestehen der Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung nicht vorausgesetzt. Vielmehr seien hier die Grundsätze der sog. Publikumswerbung anzuwenden, wonach allein die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Beschenkten ausreiche.

Diese Gefahr liege hier nicht darin, dass der von der Werbung angesprochene Adressat eine Entscheidung über eine von ihm zu bezahlende Leistung trifft, die er sonst nicht in Anspruch genommen hätte, sondern darin, dass er sich für die Leistung (Brillengestell und Glas) entscheidet, ohne die Produkte der Mitbewerber in seine Entscheidung einzubeziehen. Daneben sei es denkbar, dass die Beschenkten aus Dankbarkeit weitere Brillen der Beklagten, wie z. B. eine Sonnenbrille, kostenpflichtig erwerben.

Zur Vermeidung einer Wiederholungsgefahr hat das OLG daher der Beklagten die entsprechende Werbung mit der Gratisbrille untersagt.

Gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel mehr.

Aktenzeichen:
LG   Stuttgart    - 36 O 30/20  -  Beschluss vom 08.05.2020
OLG Stuttgart: -  2 W 23/20  -    Urteil vom  06.08.2020

Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart v. 24.08.2020

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4. VG Düsseldorf: Auskunft über Strafverfahren gegen ehemaligen Fußballnationalspieler nur bei Gewährleistung der Vertraulichkeit zulässig
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Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen darf an den Rechtsausschuss des Landtages in dessen heutiger Sitzung nur dann schriftlich oder mündlich über das gegen einen ehemaligen Fußballnationalspieler geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren berichten, wenn der Rechtsausschuss zuvor nach der Geschäftsordnung des Landtages mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder die Vertraulichkeit seiner Verhandlung beschließt.

Das hat die 20. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Beschluss vom heutigen Tag, der den Beteiligten soeben bekannt gegeben worden ist, entschieden und hat damit dem Antrag des ehemaligen Nationalspielers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise stattgegeben.

Der Antragsteller will mit seinem Antrag verhindern, dass das Justizministerium des Landes NRW dem Rechtsausschuss des Landtages NRW in seiner Sitzung vom 19. August 2020, beginnend um 13.30 Uhr, in nicht öffentlicher Sitzung Auskunft über den Stand des von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen ihn geführten Strafverfahrens erteilt. Der Antragsteller befürchtet, dass Einzelheiten aus dem Strafverfahren öffentlich bekannt werden könnten, wenn sie vom Rechtsausschuss nicht vertraulich behandelt werden.

Er begründet diese Befürchtung damit, dass in der Vergangenheit Einzelheiten aus den Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten an den Präsidenten des Landtages bzw. das Justizministerium Eingang in Presseberichte gefunden hätten. Mit der Veröffentlichung sei eine unzumutbare und nicht wieder gut zu machende Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte verbunden. Diese Rechte habe auch das Justizministerium zu beachten, wenn es an den Rechtsausschuss des Landtages berichte.

Die Kammer hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Antragstellers untersagt, an den Rechtsausschuss des Landtages einen schriftlichen Bericht gemäß dem Berichtswunsch der SPD-Landtagsfraktion vom 17. August 2020 (TOP 28 der 62. Sitzung des Rechtsausschusses am 19. August 2020) zu übermitteln oder in der heutigen 62. Sitzung des Rechtsausschusses zu TOP 28 als Vertreter der Landesregierung hierüber mündlich einen Bericht zu erstatten, der Details und Informationen zu dem Gegenstand, zum Stand bzw. zum Ergebnis einer eventuellen Verfahrensbeendigung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Düsseldorf betreffend den Antragsteller enthält, wenn nicht der Rechtsausschuss zuvor die Vertraulichkeit der Inhalte zu TOP 28 beschlossen hat.

Die Kammer geht davon aus, dass der Rechtsausschuss seinen eigenen Vertraulichkeitsbeschluss beachten und über die erhaltenen Informationen zum Strafverfahren gegen den Antragsteller Stillschweigen bewahren wird.

Wegen der außerordentlichen Eilbedürftigkeit des Verfahrens hat die Kammer den Parteien am Mittag des 19. August 2020 nur den Entscheidungstenor ihres Beschlusses bekannt gegeben. Der vollständige Beschluss mit den Gründen der Entscheidung wird den Beteiligten alsbald übermittelt werden.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster erhoben werden.

Az.: 20 L 1629/20

Quelle: Pressemitteilung des VG Düsseldorf v. 20.08.2020

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5. LG Mannheim: Daimler verletzt Patente von Nokia
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Die für das Verfahren zuständige 2. Zivilkammer hat dem Klagebegehren heute fast vollständig entsprochen.

Der Vorsitzende hat im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung ausgeführt, dass das Klagepatent EP 2 981 103 durch die Fahrzeuge der Beklagten verletzt werde. Der FRAND-Einwand greife nicht, da nach Auffassung der Kammer aus den vorgetragen Gesamtumständen nicht von einer Lizenzwilligkeit der Beklagten und ihrer Streithelferinnen auszugehen sei.

Aus Sicht der Kammer seien weder die Beklagte noch die Streithelferinnen ernsthaft bereit bzw. bereit gewesen, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen mit der Klägerin abzuschließen.

Die im Raum stehende mögliche Vorlage an den Europäischen Gerichtshof hat die Kammer nicht für sachgerecht erachtet. Da die Kammer nach den Ausführungen des Vorsitzenden bereits die Lizenzwilligkeit der Beklagten und der Streithelferinnen verneint habe, habe sich ein Großteil der Vorlagefragen nicht mehr gestellt. Nicht zuletzt aus diesem Grund, aber auch wegen der überschaubaren Restlaufzeit des Klagepatents, habe es die Kammer vielmehr für sachgerecht erachtet, in der Sache zu entscheiden und in der ersten Instanz auf eine Vorlage an den EuGH zu verzichten.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem vorliegenden Verfahren um die vierte von insgesamt vier beim Landgericht Mannheim anhängigen Verfahren handelt. Während in einem Verfahren die Klage abgewiesen worden ist, ist in zwei weiteren Verfahren eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf die beim Bundespatentgericht anhängigen Nichtigkeitsklagen erfolgt.

Der Beklagten steht das Rechtsmittel der Berufung gegen die Entscheidung des Landgerichts zu. Zuständig ist dann das Oberlandesgericht in Karlsruhe.

Nokia ./. Daimler (2 O 34/19)

Quelle: Pressemitteilung des LG Mannheim v. 18.08.2020

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6. AG Bonn: DSGVO-Auskunftsanspruch erfasst auch Kontobewegungen des eigenen Bankkontos
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Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ist extensiv auszulegen und umfassend zu verstehen. Hierunter fallen auch die Kontobewegungen auf dem eigenen Bankkonto (AG München, Urt. v. 30.07.2020 - Az.: 118 C 315/19).

Der Kläger war in den Jahren 2015 - 2019 Kunde bei der verklagten Bank. Er machte nun nach Art. 15 DSGVO einen Auskunftsanspruch geltend.

Die Bank erteilte im Laufe des Verfahrens die meisten Auskünfte, lehnte jedoch die Übermittlung von Kontoständen ab. Das Konto des Klägers sei als Online-Account geführt worden. Selbst wenn der Kläger die entsprechenden Kontoauszüge in seinem Online-Postfach nicht abgerufen habe, so das Finanzinstitut, erfolge nach 50 Kalendertagen automatisch die Zusendung des jeweiligen Kontoauszuges per Post. Die entsprechenden Informationen habe der Kläger somit bereits in der Vergangenheit erhalten.

Das AG Bonn verurteilte die Bank zur Auskunft und verpflichtete diese, auch Informationen zu sämtlichen Bankbewegungen aktuell zu übersenden.

Denn Art. 15 DSGVO sei extensiv auszulegen, sodass Kontobewegungen erfasst seien, so das Gericht. Denn diese stellten sachliche Informationen im Hinblick auf die Eigentums- und Vermögensverhältnisse des Klägers dar.

Der Anspruch sei auch nicht bereits durch die Übermittlung in der Vergangenheit erfüllt worden. Denn die Bereitstellung der damaligen Daten sei eine Pflicht aus dem Zahlungsdienstevertrag gewesen und sei nicht im Zuge eines DSGVO-Begehrens erfolgt.

Das Handeln des Klägers sei auch nicht rechtsmissbräuchlich:

"Der Beklagten ist zuzugeben, dass ureigenster Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs die Rechtmäßigkeitskontrolle im Hinblick auf die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist (...).

Gleichwohl begründet die Verfolgung eines darüber hinaus gehenden bzw. anders gelagerten Zwecks noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs.

So wird von der Rechtsprechung einem Kläger erlaubt, ihn betreffende Daten zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens vom Beklagten heraus zu verlangen (...). Nichts anderes kann aber gelten, wenn - wie hier - der Kläger die Informationen benötigt, um seine Position gegenüber Dritten zu stärken."



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7. AG München: Familien-Mutter haftet für P2P-Urheberrechtsverletzungen
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Das Amtsgericht München verurteilte am 20.08.2019 die beklagte Ehefrau und Mutter aus Starnberg zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.391,00 Euro nebst Zinsen und Kosten, die auch Kosten für ein Sachverständigengutachten von 3.441,24 Euro umfassen.

Die Klägerin macht Ansprüche aus Verletzung ihrer Urheberrechte an dem Film „Für immer Single?“ geltend. Im Zeitraum vom 31.05.2014 23:34:29 bis 01.06.2014 00:27:45 Uhr wurde das Werk „Für immer Single?“ von der IP-Adresse, die der Beklagten zugeordnet werden konnte, zum Download angeboten.

Die Klägerin beauftragte einen Dienstleister mit der Ermittlung von IP- Adressen, über welche der kurz zuvor erschienene Film illegal zum Download angeboten würde. Auf Grundlage dessen Ermittlungsergebnisses beantragte sie erfolgreich beim zuständigen Gericht, den Provider zur Herausgabe der dieser IP-Adresse zuordenbaren Personendaten des Anschlussinhabers zu verpflichten. Die Klägerin mahnte die so ermittelte Beklagte am 12.06.2014 schriftlich ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und - insoweit erfolglos - ihr Schadensersatz und die bis dahin entstandenen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte behauptet, dass sie es nicht gewesen sei. Sie habe sich zum fraglichen Zeitpunkt im Bett befunden. Der Computer könnte mittels internem Passwort von jedem in der Familie benutzt werden.

Nachts sei der Computer auch immer ausgeschaltet. Der WLAN-Zugang sei ordnungsgemäß per WPA 2 verschlüsselt und mit Passwort gesichert gewesen.

In der Familie sei darüber gesprochen worden, dass keine geschützten Inhalte heruntergeladen werden dürften und man sei sich einig gewesen, dass man keine File-Sharing-Software benutzen wollte. Es habe nicht aufgeklärt werden können, wer den PC benutzt habe.

Es könne sich daher nur um einen selbstständige Datentransfer oder einen Hackerangriff gehandelt haben. Neben dem Betriebssystem und der üblichen Anwendersoftware sei kein zusätzliches Programm, insbesondere keine File-Sharing-Software auf ihrem PC installiert gewesen.

Der gerichtlich beauftragte Sachverständige war zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Beklagten bestrittenen Feststellungen des beauftragten Dienstleisters zuträfen. Die zuständige Richterin am Amtsgericht München gab der Klägerin Recht.

„Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, trägt der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast.

Dieser entspricht er dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (…) So kann nicht ausreichend sein, dass im Lichte der Familie allein die pauschale Möglichkeit des Internetzugriffs von Familienmitgliedern genügt, um der sekundären Darlegungslast nachzukommen. Vielmehr sind konkrete Nachforschungen des Tatzeitpunktes erforderlich (…).

Der BGH geht sogar so weit, dass der Anschlussinhaber zur Nutzungssituation im konkreten Tatzeitpunkt Nachforschungen anstellen muss und die erlangten Erkenntnisse mitteilt, und zwar auch dann, wenn hierdurch ein Familienmitglied als Täter benannt werden muss. (…) Die Beklagte berief sich darauf, dass auch die anderen Familienmitglieder Zugang hätten, der Computer nachts ausgeschaltet gewesen sei und es sich um einen selbstständigen Datentransfer gehandelt haben müsse (…).

Diese Ausführungen können hier den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht genügen. (…)
Was die Höhe des von der Beklagten zu leistenden Schadensersatzbetrages angeht, (…) ist von einer Abruflizenzgebühr für den legalen Abruf von 11,76 Euro (…) auszugehen. (…)

Dabei ist hier die große Anzahl der Verbreitung des Werkes aufgrund der hinter den Tauschbörsen stehenden anonymen Nutzer und des größeren Umfangs der Datei im Vergleich zu einem Musiktitel zu berücksichtigen.

Weiterhin ist die oben bereits dargestellte Aktualität des Werkes zu berücksichtigen. Da nach Auffassung des Gerichts aufgrund der Verbreitung in einem anonymen Netzwerk zwar größere Abnehmerzahlen erreicht werden können, jedoch die Abrufdauer eher als kurzfristige Bereitstellung angesehen wird und das Werk auch einen größeren Umfang aufweist, was zu einem größeren Zeitaufwand beim Abruf der Datei führt, schätzt das Gericht die Zahl der bei einem hypothetischen Vertragsschluss anzunehmenden Abrufe auf 100.

Somit hätte nach Schätzung des Gerichts eine Abruflizenz bei 1.176 Euro vereinbart werden können und somit stellt dies auch den hier zuzusprechenden Schaden dar.“


Das Gericht sprach auch Ersatz für Rechtsanwaltsgebühren von zweimal 107,50 Euro zu.

Urteil des Amtsgerichts München vom 20.08.2019, Aktenzeichen 114 C 22559/17
Das Urteil ist nach Zurückweisung der Berufung am 29.04.2020 rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 21.08.2020

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8. Hamburgischer Datenschutzbeauftragter: Behördliches Auskunftsverlangen gegen Clearview
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Wie der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Prof. Caspar  in einer aktuellen Presseerklärung mitteilt, hat er gegen den US-Anbieter Clearview ein amtliches Auskunftsverlangen gestartet.

Clearview  hat nach eigenen Angaben etwa 3 Milliarden Porträtfotos aus öffentlichen Quellen (z.B. Facebook  oder YouTube)  gesammelt und wertet diese aus. Ca. 600 Kunden, darunter auch zahlreiche Einrichtungen aus Europa, nutzen diesen Service für unterschiedliche Zwecke.

Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte hatte im März bei dem Unternehmen nachgefragt und mehrere Fragen gestellt. Die Firma vertrat dabei u.a. den Standpunkt, dass die DSGVO gar nicht anwendbar sei und somit keine Auskunftspflicht bestünde.

Diese Einschätzung lehnen die Datenschützer klar ab:

"Dieser Auffassung tritt der HmbBfDI entgegen.

Der räumliche Anwendungsbereich der DSGVO ist über Art. 3 (2) b eröffnet, da die spätere Verhaltensbeobachtung nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Kunden von Clearview betrifft. Gerade auch die App-Nutzer, die letztlich im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses für Clearview-Kunden, etwa Sicherheitsbehörden oder private Unternehmen, tätig sind, werden durch Cookie-Setzung zu unterschiedlichen Zwecken beobachtet, so z.B. zur Überprüfung ihrer Benutzeraktivitäten oder zur Verbesserung der Benutzererfahrung. Beschäftigte, die sich dabei in der Europäischen Union befinden, genießen ebenfalls den Schutz der DSGVO und sind somit Betroffene nach Maßgabe dieser Vorschrift."


Aufgrund dieses Umstandes geht die Behörde nunmehr mittels eines formalen Bescheides gegen Clearview  vor und verlangt Auskunft. Dabei wurde ein Zwangsgeld in Höhe von je 10.000,- EUR für jeden Einzelfall der insgesamt siebzehn Fragekomplexe angedroht.

Prof. Caspar: 

"In Europa darf es keinen Raum für düstere digitale Dystopien geben, in denen der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware und biometrische Datenbanken staatlichen, aber auch privaten Stellen eine neue, kaum mehr kontrollierbare Form der Herrschaft über Menschen verschafft. Die Datenschutzaufsichtsbehörden haben den Auftrag, hierüber zu wachen.

Das gilt auch gegenüber Unternehmen, die entsprechende Geschäftszwecke von außerhalb der EU verfolgen und damit die Privatsphäre und die informationelle Selbstbestimmung von Menschen in der EU in Frage stellen. Um eine datenschutzrechtliche Kontrolle zu ermöglichen, gehe ich davon aus, dass Clearview die dem Unternehmen gestellten Fragen beantworten oder zumindest gegen den Heranziehungsbescheid Rechtsmittel einlegen wird, um so eine rechtliche Entscheidung zu ermöglichen.“



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9. Deutsche Datenschutzbehörde kündigen bundesweite Kontrolle von Tracking-Technologien auf Websites an
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Die deutschen Datenschutzbehörden haben angekündigt, ab sofort bundesweit Webseiten auf den rechtskonformen Einsatz von Tracking-Technologien zu überprüfen. Als Erstes werden, so die offizielle Verlautbarung, zunächst die Seiten von Zeitungsverlagen und Medienunternehmen untersucht.

Der Datenschutzbeauftragte aus Baden-Württemberg teilt dazu in einer Pressemitteilung mit:

"Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) Baden-Württemberg wird daher zeitgleich mit anderen deutschen Aufsichtsbehörden in einem groß angelegten Verfahren Online-Angebote auf eine rechtskonforme Einbindung von Tracking-Technologien prüfen. Die Prüfung wurde länderübergreifend vorbereitet. Sie wird in enger Zusammenarbeit der beteiligten Landesdatenschutzbehörden innerhalb des jeweiligen Zuständigkeitsbereiches in völliger Unabhängigkeit durchgeführt. 

Gegenstand dieser Prüfung werden in einem ersten Schritt die Internetpräsenzen von Medienunternehmen sein. Diese setzen Tracking-Dienste häufig in besonders großem Umfang auf ihren Websites ein. Wollen Medienunternehmen Tracking-Technologien nutzen, können diese nur erlaubt sein, wenn die/der Nutzer*in hierin wirksam einwilligt – d. h. informiert, freiwillig, vorab, separat und in Kenntnis einer zumutbaren Möglichkeit, die Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen."


Parallel dazu hat auch Max Schrems mit seiner NGO noyb  101 Beschwerden gegen zahlreiche Unternehmen in Europa eingereicht. Eine genaue Liste der gerügten Firmen findet sich hier.

In Deutschland sind u.a. TVSpielfilm,  DuMont.next,  FUNKE Digital,  Handelsblatt und Chefkoch betroffen. Dabei wird gerügt, dass weiterhin Technologien eingesetzt werden, die eine Datenübermittlung in die USA vornehmen. Die jeweiligen Beschwerden lassen sich im Original als PDF nachlesen.

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10. Webinar mit RA Dr. Bahr zum Employer Branding am 04.09.2020
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Am 04.09.2020 gibt es ein kostenloses Webinar mit RA Dr. Bahr zum Thema

"Employer Branding ist nicht nur Marketing-Bla Bla"

Employer Branding ist nicht nur in aller Munde, sondern auch eine der facettenreichsten und anspruchsvollsten Instrumente der Unternehmenskommunikation. Es ist wichtig für „Groß und Klein“ und bietet gerade auch für mittelständische Unternehmen und kleine Budgets eine Unmenge an Chancen, um im Bewerbermarkt hervorzustechen.

Dabei ist Employer Branding noch weit mehr als nachhaltiges Personalmarketing allein. In unserem zweistündigen Webinar-Workshop bieten wir den Teilnehmern verschiedene Themenschwerpunkte zur Auswahl, auf die je nach Interessenlage und Bedarf detaillierter eingegangen wird. In jedem Modul wird gezielt Bezug auf die rechtskonforme Umsetzung sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben genommen. 

Das Besondere: Wir gestalten das Ganze so praxisorientiert und interaktiv wie möglich und freuen uns auf den Austausch und konkrete Fragestellungen unserer Teilnehmer*innen! Die Teilnehmerzahl ist daher auf 10 Personen begrenzt.

Das Webinar hält RA Dr. Bahr zusammen mit Dipl. Betrw. Anika Wuttke und Dipl. Betrw. Silke Möller, beide Neidhardt Werbe GmbH Fulda

Die Veranstaltung ist kostenfrei. Anmeldungen können hier vorgenommen werden.

Datum: 04.09.2020
Uhrzeit: 11:30 - 13:00 Uhr
Kostenlose Webinar-Anmeldung hier

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