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Newsletter vom 21.06.2023 |
Betreff: Rechts-Newsletter 25. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH legt EuGH Fragen zur kartellrechtlichen Zulässigkeit der DFB-Spielervermittler vor _____________________________________________________________ Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob einzelne Regelungen des vom DFB erlassenen Reglements für Spielervermittler (RfSV) gegen das Kartellverbot aus Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen.
Sachverhalt: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ist der Dachverband von 27 deutschen Fußballverbänden mit etwa 25.000 Vereinen und mehr als 7 Millionen Mitgliedern. Als Mitglied des Fußballweltverbandes (FIFA) ist er den Regelungen der FIFA unterworfen und zur Umsetzung der Entscheidungen der FIFA verpflichtet. Im Zuge des von der FIFA verabschiedeten Reglements zur Arbeit mit Vermittlern erließ der DFB das am 1. April 2015 in Kraft getretene Reglement für Spielervermittlung (RfSV). Dieses richtet sich nicht direkt an Spielervermittler, sondern an Vereine und Spieler, welche gegenüber dem Beklagten verpflichtet sind, die Regelungen einzuhalten. Verstöße gegen das Reglement können als unsportliches Verhalten sanktioniert werden. Vorgeschrieben ist unter anderem
- eine Registrierungspflicht für Vermittler; Die Kläger sind der Auffassung, dass diese Regelungen gegen das Kartellverbot verstoßen. Sie begehren Unterlassung.
Bisheriger Prozessverlauf:
Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht das Verbot, Vermittler nur zu registrieren, wenn sie sich den FIFA- und DFB-Statuten unterwerfen, ohne die Einschränkung gemäß des Urteils des Landgerichts ausgesprochen. Darüber hinaus hat es den DFB verurteilt, es zu unterlassen, der Deutschen Fußball Liga e.V. oder einem anderen mit der Durchführung des Spielbetriebs in einer Fußballliga Beauftragten zu ermöglichen, Vereine darin einzuschränken, für Provisionen von Spielervermittlern zu vereinbaren, die prozentual Bezug auf Weitertransfererlöse nehmen. Im Übrigen hat es das Urteil des Landgerichts aufrechterhalten und die dagegen gerichteten weitergehenden Rechtsmittel der Parteien zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Regelungen im RfSV seien nach den vom Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung Meca Medina (C-519/04 P) aufgestellten Grundsätzen aufgrund ihrer Zielsetzung, einen fairen Wettstreit zwischen den Sportlern zu gewährleisten, nicht dem Kartellverbot zu unterwerfen. Mit ihren Revisionen wenden sich beide Parteien gegen das Berufungsurteil, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
1. Finden auf das Regelwerk eines Sportverbands, das sich an Verbandsmitglieder wendet und die Inanspruchnahme von Leistungen verbandsfremder Unternehmen auf einem der Verbandstätigkeit vorgelagerten Markt regelt, die vom Unionsgerichtshof in den Urteilen "Wouters" (vom 19. Februar 2002 - C-309/99) und "Meca Medina" (vom 18. Juli 2006 - C-519/04 P) entwickelten Grundsätze Anwendung, wonach bei der Anwendung des Kartellverbots Dafür waren folgende Erwägungen maßgeblich: Der Beklagte ist als Unternehmensvereinigung Adressat des Kartellverbots nach Art. 101 Abs. 1 AEUV. Für die in dem Beklagten zusammengeschlossenen Fußballvereine der deutschen Profiligen stellt sich der Fußball in erster Linie als eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Die hier angegriffenen Regelungen des RfSV führen auch zu einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung auf dem Markt der Spielervermittlung. Sie richten sich zwar nicht direkt an Spielervermittler, sondern an Vereine und Spieler, die als Nachfrager der Vermittlungsleistung zur Marktgegenseite gehören. Sie bewirken jedoch, dass die Spielervermittler ihr Verhalten an dem Regelwerk ausrichten müssen, um auf dem Vermittlungsmarkt tätig werden zu können. Die Entscheidung des Falls hängt damit maßgeblich davon ab, ob eine Einschränkung des Verbots des Art. 101 Abs. 1 AEUV in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind in bestimmten Fallkonstellationen bei der Anwendung des Kartellverbots der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zu Stande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere seine Zielsetzung zu würdigen. Es ist weiter zu prüfen, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der genannten Ziele zusammenhängen und ob sie im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind. Der Unionsgerichtshof hat bereits entschieden, dass diese Grundsätze auch im Bereich der Regelsetzung von Sportverbänden angewandt werden können, wenn diese - wie Regeln zur Dopingkontrolle - untrennbar mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf eines sportlichen Wettkampfs verbunden ist und gerade dazu dient, einen fairen Wettstreit zwischen den Sportlern zu gewährleisten (EuGH, WuW/E EU-R 1493Rn. 43, 45 - Meca-Medina). Ob das auch für ein Reglement wie das RfSV gilt, das die wirtschaftliche Handlungsfreiheit nicht vereinsgebundener Marktteilnehmer wie die Spielervermittler spürbar beschränkt, ist indes noch ungeklärt. Beschluss vom 13. Juni 2023 - KZR 71/21 - Reglement für Spielervermittler
Vorinstanzen:
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 13.06.2023
Die Beklagte warb für ihre Teesorten in der Lebensmittelzeitung mit folgenden Aussagen:
"nachhaltige [Teesorte]" und "ressourcenfreundlich" und "kurze Lieferwege" Alle drei Statements stuften die Richter als Rechtsverletzung ein.
1., Nachhaltigkeit:
"Allerdings ist die Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -Zeichen ähnlich wie die Gesundheitswerbung nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Mit der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als eines wertvollen und schutzbedürftigen Gutes hat sich in den letzten Jahren zunehmend ein verstärktes Umweltbewusstsein entwickelt, das dazu geführt hat, dass der Verkehr vielfach Waren (Leistungen) bevorzugt, auf deren besondere Umweltverträglichkeit hingewiesen wird. (...) Da keine weitergehenden Erläuterungen zum Begriff der Nachhaltigkeit gegeben würde, fehle es an den notwendigen Informationen: "Ausgehend hiervon erweist sich die angegriffene Werbung, soweit sie eine Beschreibung aller drei Teesorten als „nachhaltig“ erkennen lässt, als irreführend. Denn die Werbung lässt nach dem maßgeblichen Gesamteindruck aus Sicht der angesprochenen Fachkreise keine hinreichende Benennung derjenigen Vorzüge erkennen, die die Auslobung der Nachhaltigkeit aus Sicht der Verfügungsbeklagten tragen soll." 2. Ressourcenfreundlich: Die gleichen Maßstäbe wie beim Begriff "Nachhaltigkeit" seien bei der Aussage "ressourcenfreundlich" anzulegen, so das Gericht: "Die Beschreibung als „ressourcenfreundlich“ bleibt ebenso unscharf wie die Auslobung als „nachhaltig*, so dass aus denselben Gründen, wie zuvor dargestellt, bereits die ohne Erläuterung angeführte, blickfangmäßige Auslobung des Kamillentees als ressourcenfreundlich eine Irreführungsgefahr begründet. (...) 3. Kurze Lieferwege: "Die Beschreibung auf der abgebildeten Packungsvorderseite lässt es bereits nicht deutlich erkennen, dass die Herkunftsangabe „deutsch“ nur auf die Pfefferminze bezogen sein soll, nicht aber auch auf die Nanaminze. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. OLG Düsseldorf: Informationen über Garantiebedingungen müssen auch bei Offline-Verkäufen gegeben werden _____________________________________________________________ Informationen über die Garantiebedingungen (u.a. Garantiegeber, Umfang der Garantie) müssen auch bei Offline-Verkäufen gegeben werden. Die Ausnahmeregelung zu Alltagsgeschäften greift dann nicht, wenn es sich um ein langlebiges Produkt (hier: Küchenmesser mit einer Garantie von 25 Jahren) handelt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.04.2023 - Az.: 08.07.2022 - Az.: I-20 U 183/22).
Die Beklagte veräußerte ein Küchenmesser in einer Filialen. Auf der Vorderseite des Produkts hieß es:
"25 YEAR Gurantee" Auf der Rückseite stand: "This product carries a 25 year guarantee against defects in materials & workmanship under normal kitchen use. This does not affect your statutory rights." Die 1. Instanz, das LG Düsseldorf, bejahte einen Wettbewerbsverstoß, Neben der Tatsache, dass die Informationen nicht in deutscher Sprache verfügbar waren, monierte das Gericht auch, dass wichtige Infos (u.a. Garantiegeber und Umfang der Garantie) nicht erläutert würden.
Dieser Ansicht schloss sich in der Berufungsinstanz nun auch das OLG Düsseldorf an, wenn auch mit einer teilweise unterschiedlichen Begründung.
"Die Beklagte traf eine Verpflichtung zur Aufklärung über die Garantiebedingungen. Und weiter: "Ein Verstoß ist darin zu erblicken, dass in der Garantie weder die Anschrift des Garantiegebers noch die Art und Weise, wie die Garantie in Anspruch genommen werden kann und worauf sie gerichtet ist, genannt ist. Hinsicht der nur verfügbaren englischen Sprache hingegen ließ das OLG Düsseldorf offen, ob auch hier eine Wettbewerbsverletzung zu bejahen sei: "Offen bleiben kann, ob der Verstoß gegen diese Verpflichtung bereits darin besteht, dass die Garantiebedingungen in englischer Sprache gehalten sind. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Frankfurt a.M.: Unternehmer muss Urheberrechtslage selbst klären und darf sich nicht auf Dienstleister verlassen _____________________________________________________________ Existenzgründerin muss Urheberrechtslage vor Auftragserteilung für Kissenbezüge mit Bildern der „Boyband“ BTS selbst klären. Es gehört zum Allgemeinwissen der breiten Bevölkerung, dass man nicht einfach ohne jede Rücksicht auf fremde Urheberrechte Bilder aus dem Internet - hier von der bereits intensiv kommerziell verwerteten „Boyband“ BTS mit 41 Mio. Fans - herunterladen und dann selbst kommerziell verwerten darf. Zwischen den Parteien eines Vertrags über das Bedrucken von Kissenbezügen mit Mitgliedern dieser Band besteht damit kein Wissensgefälle. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit heute veröffentlichtem Beschluss die von der auftraggebenden Existenzgründerin erklärte Anfechtung für unbegründet erklärt. Da die Beschwerdegegnerin zu den nach Kündigung ersparten Aufwendungen aber nicht hinreichend vorgetragen hatte, wurde der Beschwerdeführerin teilweise Prozesskostenhilfe gewährt. Die Beschwerdeführerin ist Rechtsanwaltsfachangestellte. Sie wollte sich mit dem Vertrieb bedruckter großer Kissenbezüge eine berufliche Existenz aufbauen. Motive sollten lebensgroße Bilder der Mitglieder der südkoreanischen „Boyband“ BTS sein, die die Kunden über Pappaufsteller streifen können. Die Beschwerdeführerin beauftragte für knapp 20.000,00 € das auf das Bedrucken von Textilien spezialisierte Unternehmen der Beschwerdegegnerin. Ob diese bereits frühzeitig darauf hinwies, dass die Beschwerdeführerin über die Urheberrechte an den von ihr verwendeten Bilder verfügen müsse, ist streitig. Nach Zahlung von gut 11.000 € verwies die Beschwerdegegnerin jedenfalls darauf, dass die Beschwerdeführerin eine fehlende Urheberrechtsverletzung sicherstellen müsse. Daraufhin kündigte die Beschwerdeführerin den Vertrag. Die Beschwerdeführerin begehrt nunmehr nach Anfechtung des Vertrags Prozesskostenhilfe für eine auf Rückzahlung der Anzahlung gerichtete Klage. Sie fühlt sich durch die Beschwerdegegnerin getäuscht. Diese habe sie nicht über die Urheberrechtsproblematik aufgeklärt. Das Landgericht hatte diesen Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde sprach das OLG teilweise Prozesskostenhilfe zu. Zutreffend habe das Landgericht allerdings eine Aufklärungspflicht der Beschwerdegegnerin und eine Täuschung abgelehnt, begründete das OLG die Entscheidung. Es habe kein Wissensgefälle zwischen den Parteien vorgelegen. Die Beschwerdeführerin habe als Existenzgründerin als Unternehmerin gehandelt. Als Rechtsanwaltsfachangestellte habe sie zudem „jedenfalls ein gewisses Grundverständnis für die Rechtsordnung“ gehabt, betonte das OLG. Der Klage könne jedoch nicht jede Erfolgsaussicht abgesprochen werden, so dass teilweise Prozesskostenhilfe zu gewähren sei. Die Beschwerdeführerin habe den Vertrag zumindest kündigen dürfen. Für die Höhe ihres Rückzahlungsanspruchs sei dann u.a. die Höhe der durch die Kündigung ersparten Aufwendungen der Beschwerdegegnerin relevant. Hierzu müsse die Beschwerdegegnerin konkret vorgetragen. Das fehle bislang. Soweit sie behaupte, überhaupt keine Aufwendungen erspart zu haben, sei dies „ungereimt“. Sie erspare zumindest Konfektion und Druck. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 6.6.2023, Az. 4 W 13/23
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 14.06.2023
Der Kläger ist der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen der Länder und 28 weiterer verbraucherpolitischer Verbände in Deutschland. Die Beklagte bietet Beförderungsleistungen für Briefe und Pakete an. Für Briefe und Postkarten offeriert sie Verbrauchern als Nachweis für die Zahlung des Beförderungsentgelts eine sogenannte Mobile Briefmarke, auch "Portocode" genannt. Kauf und Zahlung dieser mobilen Briefmarke erfolgen durch die Verbraucher über eine Smartphone-App. Nach der Bestellung und Bezahlung wird diesen in der App der achtstellige Porto-Code zur Frankierung angezeigt, damit sie ihn handschriftlich auf der Briefsendung oder der Postkarte anbringen können. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (nachfolgend: AGB) für den Onlinehandel der Beklagten heißt es, die Mobile Briefmarke sei lediglich als ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch gedacht. Weiterhin ist darin Folgendes niedergelegt: "Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. Das maßgebliche Kaufdatum ist in der Auftragsbestätigung genannt. Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen." Auf die Gültigkeitsdauer weist die Beklagte die Verbraucher bereits vor dem Erwerb der mobilen Briefmarke hin. Der Kläger sieht in der Regelung einen Verstoß gegen die Regelung des § 307 Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (s.u.) und macht insoweit einen Unterlassungs- sowie Aufwendungsersatzanspruch geltend. Die Beklagte vertritt im Kern die Auffassung, die Regelungen unterlägen nicht der Inhaltskontrolle nach der vorbezeichneten Vorschrift, zudem werde der Verbraucher nicht einseitig benachteiligt, sondern durch ein besonders einfach zu handhabendes Produkt begünstigt. Jede Ausdehnung der Gültigkeitsdauer bedeute im Übrigen eine deutliche Zunahme an notwendigen Zeichen, was der einfachen Handhabbarkeit des Produktes zuwiderliefe. Zudem sei die zeitliche Begrenzung der Gültigkeit des Codes angesichts der hohen Anzahl an Verkäufen bei der "mobilen Marke" und der begrenzten Anzahl an Zeichen zur Sicherung des Produkts und zur Vermeidung von Missbrauch erforderlich. Das Landgericht Köln hat der Klage mit Urteil vom 20. Oktober 2022 (Az. 33 O 258/21) vollumfänglich stattgegeben. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hin hat der 3. Zivilsenat die Entscheidung mit Urteil vom 13. Juni 2023 - Az. 3 U 148/22 - bestätigt und insoweit ausgeführt, das Landgericht habe die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche (u.a. nach § 1 UKlaG, s.u.) zu Recht bejaht. Die angegriffene AGB benachteilige den Verbraucher unangemessen.
Im Einzelnen:
Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehöre das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung. Im Falle einer temporalen Verfallfrist - wie hier - werde in das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung eingegriffen, weil der Verwendungsgegner zwar den Preis für die Leistung bezahlt habe, ihm die Gegenleistung aber nur befristet zustehen solle und zeitlich über die Verjährungsregelungen hinaus beschränkt werde. Solche Verfallklauseln seien daher an der Vorschrift des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu messen, wobei der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB eine Leitbildfunktion zukomme. Zwar sei nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als nicht hinnehmbare Verletzung des Äquivalenzprinzips und unangemessene Benachteiligung des Kunden anzusehen. Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren (vgl. § 195 BGB a.F.) auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) habe der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen; damit hätten sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von AGB, die eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist zur Anspruchsdurchsetzung statuieren, erhöht. Vorliegend habe das Landgericht (auch) zutreffend in den Blick genommen, dass es sich um eine erhebliche zeitliche Beschränkung des Erfüllungsanspruchs handele. Denn durch die Beschränkung der Gültigkeit auf 14 Tage werde der Erfüllungsanspruch auf etwa 1% der gesetzlich vorgesehenen Verjährungsfrist verkürzt. Höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen der Beklagten, die der Bewertung entgegenstünden, seien hier nicht ersichtlich. Zwar halte der Senat es für ein nachvollziehbares Interesse, den Code auf eine praktikable und einfach zu handhabende Länge zu beschränken. Es bestehe aber, wozu näher ausgeführt ist, keine Notwendigkeit, die Gültigkeit der Codes auf 14 Tage zu begrenzen. An der unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher ändere sich auch nichts dadurch, dass die Möglichkeit bestehe, die Bestellung einer Briefmarke binnen 14 Tagen kostenlos zu stornieren oder zu widerrufen. Vorliegend fehle es bereits an der erforderlichen Wechselbeziehung zwischen der kurzen Gültigkeitsdauer und dem eingeräumten Stornierungsrecht, weil Verbrauchern bei jedem Fernabsatzvertrag ein 14-tägiges Widerrufsrecht von Gesetzes wegen zustehe. Die Unangemessenheit der angegriffenen Klausel folge zudem daraus, dass bei Nichtnutzung der "mobilen Briefmarke" innerhalb der gesetzten Gültigkeitsdauer der ersatzlose Entzug des Anspruchs auf Beförderung der Briefe/Postkarten folge. Die Revision zum Bundesgerichtshof hat der Senat nicht zugelassen.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 14.06.2023
Anklagevorwurf und bisheriger Verfahrensgang
Die zuständige Kammer des Landgerichts Karlsruhe hat die Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss vom 16.05.2023 abgelehnt. Das für eine Strafbarkeit nötige Fortbestehen der verbotenen Vereinigung „linksunten.indymedia“ könne nicht festgestellt werden. Auch sei die Tat nicht von einer für ein Unterstützen des organisatorischen Zusammenhalts oder der weiteren Betätigung der Verei-nigung strafrechtlichen Relevanz.
Entscheidung des Senats
Voraussetzung für die Eröffnung des Hauptverfahrens sei gemäß § 203 Strafprozessordnung, dass nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig sei. Dafür bedarf es - anders als für eine Verurteilung - noch keiner Überzeugung des Gerichts von der Schuld. Wegen der besseren Aufklärungsmöglichkeiten in der Hauptverhandlung reiche es vielmehr aus, wenn entweder die Verurteilung mit den zur Verfügung stehenden Beweis-mitteln überwiegend wahrscheinlich erscheine oder ein Zweifelsfall vorliege, zu dessen Klärung die besonderen Erkenntnismittel der Hauptverhandlung notwendig seien. Diffizile Beweiswürdigungsfragen dürften nicht im Zuge der nicht-öffentlichen und nicht-unmittelbaren vorläufigen Tatbewertung des für die Eröffnungsentscheidung zuständigen Gerichts endgültig entschieden werden. Nach diesem Maßstab sei der Angeklagte des Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot hinreichend verdächtig und die Anklage der Staatsanwaltschaft Karlsruhe zur Hauptverhandlung zuzulassen. Dass die unanfechtbar verbotene Vereinigung „linksunten.indymedia“ noch existiere und ihren Willen, die verbotene Internetpräsenz fortzuführen, nicht aufgegeben habe, sei überwiegend wahrscheinlich. So sei die verbotene Website niemals gelöscht oder endgültig nicht mehr betrieben worden. Vielmehr sei diese – nach zeitweiser Unterbrechung – nun wieder online. Auch noch mehr als zwei Jahre nach der Verbotsverfügung sei dazuhin eine verbotene Betätigung des Vereins erkennbar, indem das Archiv der verbotenen Website mit umfangreichen Informationen zur Vereinstätigkeit und Möglichkeiten zu einer finanziellen Unterstützung hochgeladen worden sei. Es bestehe der hinreichende Tatverdacht, dass der Angeklagte mit dem in seinem Artikel bei verständiger Würdigung zu sehenden Werbeappell für die Tätigkeit der verbotenen Vereinigung die weitere Betätigung der Vereinigung willentlich unterstützt habe. Das Handeln des Angeklagten sei geeignet, der Vereinigung die angestrebte Wirkung ihrer Internetpräsenz zu ermöglichen. Zweifel, dass der Angeklagte diesen offensichtlichen Umstand nicht erkannt habe, lägen fern. Der Bericht des Angeklagten sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht von der Pressefreiheit gedeckt (Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz). Zwar dürfe der Angeklagte diese für seinen Artikel grundsätzlich in Anspruch nehmen. Die Pressefreiheit finde ihre Schranken aber in den allgemeinen Gesetzen. Damit unterliege die Berichterstattung des Angeklagten auch dem Geltungsbereich des § 85 Strafgesetzbuches, der den demokratischen Rechtsstaat vor Angriffen gegen die verfassungsmäßige Ordnung schütze. Wie weit die Beschränkung gehe, in welchem Verhältnis Pressefreiheit und etwa das Strafgesetz also stehen, sei im jeweiligen konkreten Konfliktfall abwägend zu lösen. Danach sei es vorliegend überwiegend wahrscheinlich, dass der Artikel des Angeklagten als Verbreitung des Gedankenguts der Vereinigung anzusehen sei und nicht nur als straflose (Sympathie-)Werbung. Denn im Vordergrund des Artikels stehe der Werbeeffekt für die Vereinigung und die Hinleitung auf deren Internetseite, so dass der Artikel geradezu als „Verlängerung“ der Internetseite erscheine. Mit diesem Appellcharakter unterscheide sich der Artikel des Angeklagten grundlegend von anderen Berichten, die ebenfalls einen Link auf das Archiv enthielten, dazu aber sachlich über das Gesamtgeschehen und die Standpunkte der Kritiker der Verbotsverfügung informierten.
Weitere Informationen zu dem Verfahren
Aktenzeichen
Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart v. 13.06.2023
Der Kläger wehrte sich gegen einen Bescheid der zuständigen Datenschutzbehörde, die es ablehnte, gegen ein Unternehmen (hier: eine Auskunftei) vorzugehen, weil dieses sich geweigert hatte, dem Kläger eine DSGVO-Auskunft zu erteilen.
Das VG Berlin lehnte den Anspruch im Rahmen der Prozesskostenhilfe ab, denn die Auskunftei habe rechtmäßig gehandelt:
"Nach Art. 12 Abs. 6 DSGVO kann der Verantwortliche zusätzliche Informationen anfordern, die zur Bestätigung der Identität der betroffenen Person erforderlich sind, wenn er begründete Zweifel an der Identität der natürlichen Person hat, die den Antrag (...) stellt. Zweifel an der Identität setzen voraus, dass die vorhandenen Daten auf eine bestimmte Identität hindeuten und somit eine Identifizierung grundsätzlich möglich ist, aber nach den Umständen Zweifel daran bestehen, ob der Antragsteller tatsächlich die als Betroffener identifizierte Person ist. (...) Und weiter: "Die W... hat dem Antragsgegner diesbezüglich nachvollziehbar mitgeteilt, dass eine zweifelsfreie Identifikation des Antragstellers nicht möglich gewesen sei, weil es namentliche und/oder weitere Überschneidungen zu weiteren Datensätzen gab. Und schließlich: "Hat der Verantwortliche begründete Zweifel an der Identität der betroffenen Person, so sollte er – wie sich aus Erwägungsgrund 64 Satz 1 DSGVO ergibt – alle vertretbaren Mittel nutzen, um die Identität einer Auskunft suchenden betroffenen Person zu überprüfen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. LAG Berlin-Brandenburg: YouTube-Video eines Lehrers "IMPFUNG MACHT FREI" von Meinungsfreiheit gedeckt _____________________________________________________________ Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Kündigung eines Lehrers, der ein Video unter Verwendung eines Bildes des Tores eines Konzentrationslagers mit der Inschrift „IMPFUNG MACHT FREI“ bei YouTube eingestellt hat, für unwirksam erachtet. Es hat das Arbeitsverhältnis jedoch auf Antrag des Landes Berlin zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.03.2022 gegen Zahlung einer Abfindung von etwa 72.000 EUR aufgelöst. Den im Kammertermin am 15.05.2023 geschlossenen Vergleich der Parteien hatte das Land Berlin zuvor widerrufen. Ein Lehrer des Landes Berlin hat im Juli 2021 als Stellungnahme zur Impfpolitik der Bundesregierung auf YouTube ein Video veröffentlicht, das mit der Darstellung des Tores eines Konzentrationslagers begann, bei dem der Originalschriftzug des Tores „ARBEIT MACHT FREI“ durch den Text „IMPFUNG MACHT FREI“ ersetzt war. Das Land Berlin hat dem Lehrer im August 2021 im Hinblick auf dieses Video fristlos und hilfsweise fristgemäß zum 31.03.2022 mit der Begründung gekündigt, er setze in dem Video das staatliche Werben um Impfbereitschaft in der Pandemie mit der Unrechtsherrschaft und dem System der Konzentrationslager gleich. Damit verharmlose er die Unrechtstaten der Nationalsozialisten und missachte deren Opfer. Der Lehrer habe seine Schülerinnen und Schüler aufgefordert, seinen außerdienstlichen Aktivitäten im Internet zu folgen, und habe sich in anderen Videos auf YouTube als Lehrer aus Berlin vorgestellt. Der Lehrer sieht in dem Video keine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung und keinen Grund für eine Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Er habe mit dem privaten Video ohne Bezug zu seinem Arbeitsverhältnis ausschließlich scharfe Kritik üben wollen. Das Video sei durch sein Grundrecht auf Meinungsäußerung und Kunstfreiheit gedeckt. Mit einem weiteren, im Juli 2022 veröffentlichten Video hat der Lehrer unter Hinweis auf seine Beschäftigung als Lehrer in Berlin unter anderem erklärt, die totalitären Systeme Hitlers, Stalins und Maos hätten zusammen nicht so viel Leid und Tod verursacht wie die „Corona-Spritz-Nötiger“. Daraufhin hat das Land Berlin im Juli 2022 erneut fristlos und hilfsweise ordentlich gekündigt. Es sieht in dem Video von Juli 2022 eine eindeutige Verharmlosung des Holocaust und einen eindeutigen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Der Lehrer meint, es handele sich lediglich um ein wütendes Statement und ausschließlich um seine persönliche Meinung, die dem Land Berlin nicht zugeordnet werden könnten. Ergänzend zu den Kündigungen hat das Land Berlin in beiden Instanzen des gerichtlichen Verfahrens für den Fall der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung von August 2021 beantragt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von etwa 16.000 EUR (ein Fünftel eines Monatsverdienstes des Lehrers pro Beschäftigungsjahr) nach Maßgabe von §§ 9 und 10 Kündigungsschutzgesetz zum 31.03.2022 aufzulösen. Aufgrund mehrerer Äußerungen des Lehrers in dem Video von Juli 2022 und im laufenden Gerichtsverfahren lägen schwerwiegende Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche und vertrauensvolle weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr erwarten ließen. Das Arbeitsgericht Berlin hatte die Klage des Lehrers abgewiesen und die erste außerordentliche Kündigung für wirksam erachtet. Das Video könne nicht mehr als eine durch die Grundrechte auf Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit gedeckte Kritik ausgelegt werden, sondern stelle eine unzulässige Verharmlosung des Holocaust dar. Eine Weiterbeschäftigung des Lehrers sei dem Land aus diesem Grund unzumutbar. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert und die außerordentlichen und ordentlichen Kündigungen unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls für unwirksam erachtet. Da das Land Berlin dem Personalrat betreffend die Kündigung von August 2021 nur den Screenshot des Eingangsbildes des Videos als Kündigungsgrund genannt habe, könne es sich im Kündigungsschutzverfahren auch nur darauf stützen. Das Landesarbeitsgericht habe die Deutung des Lehrers, eine scharfe Kritik an der Coronapolitik zu äußern, nicht zwingend ausschließen und deshalb eine Überschreitung des Grundrechts auf Meinungsäußerung nicht eindeutig feststellen können. Der Umstand, dass er als Lehrer tätig sei, lasse keinen anderen Maßstab bei der Beurteilung zu. Das Landesarbeitsgericht hat das Arbeitsverhältnis jedoch mit Wirkung zum 31.03.2022 nach §§ 9 und 10 Kündigungsschutzgesetz gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst, weil dem Land Berlin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Lehrer unter anderem im Hinblick auf Äußerungen im Video von Juli 2022 und im hiesigen Verfahren nicht mehr zumutbar sei. Das Landesarbeitsgericht hat das Land Berlin insoweit zur Zahlung einer Abfindung von etwa 72.000 EUR (12 Monatsverdienste) an den seit 2008 bei ihm beschäftigten 62-jährigen Lehrer verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. Gegen die Entscheidung können beide Parteien Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht erheben. Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.06.2023, Aktenzeichen 10 Sa 1143/22
Quelle: Pressemitteilung des LAG Berlin-Brandenburg v. 15.06.2023
Es ging um die bekannte Online-Verkaufsplattform Digistore24 und die Beschriftung der Bestellbuttons.
Das Gericht hatte zu beurteilen, ob die Texte
"Mit PayPal bezahlen"oder "Mit Kreditkarte bezahlen"oder "Bezahlen mit SOFORT-Überweisung"oder "Bezahlen per Vorkasse" die Anforderungen des § 312j Abs.3 BGB erfüllten.
Die Norm lautet bekanntlich:
§ 312j Abs.3 BGB: Das Gericht hat die Frage verneint und alle Varianten als nicht ausreichend eingestuft: "In dem von der Beklagten vorgesehenen Bestellprozess findet sich keine Schaltfläche, die die Musterformulierung „zahlungspflichtig bestellen“ verwendet. Und weiter: "Zwar spricht die Verwendung des Wortes „bezahlen“ zunächst dafür, dass der Verbraucher durch den Klick seinen Rechtsbindungswillen und seine Kenntnis vom Vorliegen eines entgeltlichen Geschäfts bestätigt. Allerdings ist im konkreten Fall zu beachten, dass sich dieser Button unter der Überschrift „Schritt 3: Bezahloptionen" befindet, wo der Verbraucher zunächst die Auswahl zwischen verschiedenen Zahlungsmethoden hatte (...). Der Unternehmer ist insoweit nach § 312j Abs. 1 2. Alt BGB u.a. verpflichtet anzugeben, welche Zahlungsmittel akzeptiert werden. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. Schwedische Datenschutzbehörde: 5 Mio. EUR DSGVO-Geldbuße gegen Spotify _____________________________________________________________ Wie die Schwedische Datenschutzbehörde (IMY) auf ihrer Webseite mitteilt, hat sie gegen Spotify ein DSGVO-Bußgeld in Höhe von rund 5 Mio. EUR verhängt. Stein des Anstoßes war, dass Spotify den Kunden bei Auskunftsanfragen nicht umfassend Zugang zu ihren Daten gewährte: "IMY hat überprüft, wie Spotify mit dem Recht von Einzelpersonen auf Zugriff auf ihre persönlichen Daten umgeht. IMY geht davon aus, dass Spotify die vom Unternehmen verarbeiteten personenbezogenen Daten auf Anfrage von Einzelpersonen weitergibt, das Unternehmen jedoch nicht klar genug darüber informiert, wie diese Daten vom Unternehmen verwendet werden. Und weiter: "- Der Aufteilung der Kopie der personenbezogenen Daten in verschiedene Schichten steht nichts im Wege, solange das Recht auf Zugriff gewährleistet ist. Im Gegenteil kann es in manchen Situationen die Aufnahme der Informationen für die betroffene Person erleichtern, wenn diese geteilt dargestellt werden, zumindest wenn es sich um umfangreiche Informationen handelt. Es ist wichtig, dass der Einzelne versteht, welche Informationen sich in den verschiedenen Ebenen befinden und wie sie angefordert werden können. Hier glauben wir, dass Spotify genug getan hat, sagt Karin Ekström. |