anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 3. KW im Jahre 2004. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien, Gewerblicher Rechtsschutz und Wirtschaftsrecht.
Neben den Urteilen des OLG Hamburg (Haftung Webforum-Äußerungen; Kahn ./. EA), des LG München I (keine Haftung von Google für AdWords) und des LG Leipzig (Haftung Subdomain-Vermieters für Spam) sind hier vor allem die Entscheidungen des AG Heidenheim (Glücksspiel mit europäischer Lizenz nicht strafbar) und des LG Bonn (Beweislast bei Internetauktionen) zu erwähnen.
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Die Themen im Überblick:
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1. OLG Hamburg: Haftung für Webforum-Äußerungen
2. OLG Köln: Reichweite einer einstweiligen Verfügung
3. OLG Hamburg: Kahn ./. Electronic Arts
4. LG München I: Keine Haftung von Google für AdWords
5. LG Leipzig: Haftung des Subdomain-Vermieters für Spam
6. LG Bonn: Beweislast bei Internetauktion
7. AG Heidenheim: Glücksspiel mit europäischer Lizenz nicht strafbar
8. Neue 0190-Dialer-Urteile
9. FST: Neuer Verhaltens-Kodex
10. USK: Selbstkontrolle Jahresbilanz 2003
11. Neuer Aufsatz von RA Dr. Bahr: Neuigkeiten aus dem Bereich des Glücksspiel-Rechts
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1. OLG Hamburg: Haftung für Webforum-Äußerungen
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Das OLG Hamburg (Urt. v. 03.07.2003 - Az.: 3 U 211/02) hatte zu beurteilen, welche rechtlichen Konsequenzen Äußerungen in einem Web-Forum haben.
Geklagt hatte eine Hamburger Reiseveranstalterin. Beklagte war ein Reisebüro. Die Klägerin schuldete der Beklagten noch Geld aus einem Vertrag.
In einem Internet-Forum tauchte folgende Nachricht auf:
"Insolvenzantrag gegen xy (...)
Guten Tag, der Hamburger Veranstalter xy schuldet uns Provisionen. Schuldet xy Ihnen auch Provisionen? Wenn ja, würden Sie sich unserem Insolvenzantrag anschließen, damit wir retten, was zu retten ist. Selbst wenn es nur um einige Euros geht?"
Unterzeichnet war der Eintrag mit dem Namen des Vertreters der Beklagten und der Angabe der betreffenden E-Mail-Adresse. Zudem konnte zu dem Eintrag eine Antwort eingefügt werden. Bei einer solchen Antwort wurde automatisch der ursprüngliche Schreiber benachrichtigt. Auch hier war die betreffende E-Mail-Adresse angegeben.
Daraufhin rief die Klägerin die Beklagte an. Die Beklagte teilte mit, sie werde ca. 150 Reisebüros über die Nichtzahlung der Klägerin informieren. Dadurch beeindruckt überwies die Klägerin das noch offenstehende Geld.
Die Klägerin begehrte nun Unterlassung der Äußerungen in dem Web-Forum. Dem folgte die Beklagte nicht.
Eines der Kernprobleme war die Frage, ob die Beklagte hier im geschäftlichen Verkehr gehandelt hatte und somit ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG bestand:
"Die (...) angegriffenen Behauptungen erfolgten zu Zwecken des Wettbewerbs.
Von einem Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs ist auszugehen, wenn in objektiver Hinsicht ein Verhalten vorliegt, das geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen, und wenn in subjektiver Hinsicht der Handelnde von einer das objektive Geschehen begleitenden Absicht bestimmt ist (...).
Die objektive Eignung zur Wettbewerbsförderung ergibt sich hier (...) aus dem Gesichtspunkt der Förderung fremden Wettbewerbs. Die (...) Äußerungen wurden in einem Internetforum gemacht, welches unter anderem von Reisebüros frequentiert wird. Ihre Kundenaufträge bekommt die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Reiseveranstalterin jedoch unter anderem von Reisebüros vermittelt."
Ein weiteres Problem war der Punkt, ob die gemachte Äußerung nicht evtl. durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) gedeckt war. Im Ergebnis verneinte dies das Gericht und nahm vielmehr ein Fall des § 14 UWG an.
Die Beklagte habe hier nach § 13 Abs.4 UWG für die Äußerungen ihrer Angestellten einzustehen.
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2. OLG Köln: Reichweite einer einstweiligen Verfügung
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Das OLG Köln (Beschl. v. 15.07.2003 - Az.: 6 W 41/03 = http://snipurl.com/3yap) hatte darüber zu entscheiden, welche Reichweite eine einstweilige Verfügung hat.
Die Klägerin hatte gegen die Beklagte wegen einer rechtswidrigen Äußerung eine einstweilige Verfügung erwirkt. Wenig später stellte die Klägerin fest, dass die Äußerung weiterhin auf der Internet-Seite der Beklagten auftauchte.
Daraufhin stellte sie den Antrag auf Einleitung des Ordnungsmittelverfahren, d.h. festzustellen, dass die Beklagte gegen die Regelungen der einstweiligen Verfügung verstößt.
Das hat das OLG Köln abgelehnt:
"Das im Eilverfahren erlassene Verbot erfasst nämlich solche "Verstöße", deretwegen schon im Zeitpunkt der Antragstellung wegen fehlender Dringlichkeit nicht (mehr) mit Erfolg der Erlass einer einstweiligen Verfügung hätte beantragt werden können, auch dann nicht, wenn sie an sich in den Kernbereich des Verbotes fallen würden. Diese Voraussetzungen sind auch im vorliegenden Zwangsvollstreckungsverfahren gegeben.
Die Gläubigerin hat mit einem am 13.8.2002 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz den Erlass der dem vorliegenden Bestrafungsverfahren zugrundeliegenden einstweiligen Verfügung beantragt. Zu jenem Zeitpunkt hätte sie den Slogan (...) nicht mehr mit Erfolg zum Gegenstand eines Unterlassungsantrags in einem Verfügungsverfahren machen können.
Denn damals war mit Blick auf den früheren Internetauftritt der Schuldnerin (...) bereits längst die Dringlichkeit entfallen. Die Gläubigerin hatte (...) von deren damaliger Internetwerbung schon am 16.10.2001 Kenntnis von der (...) Verwendung des Slogans. Dass nahezu zehn Monate nach Kenntniserlangung von dem angenommenen Verstoß die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung (...) erforderliche Dringlichkeit nicht mehr bestand, bedarf keiner Begründung.
Konnte indes die Gläubigerin aus diesem Grunde der fehlenden Dringlichkeit den Slogan nicht mehr im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung untersagen lassen, so ist es ihr auch verwehrt, (...) auf Grund einer einstweiligen Verfügung, die einen anderen Verstoß zum Gegenstand hatte, eine Sanktion gegen dieselbe Werbeaussage mit der Begründung zu verlangen, der Slogan unterfalle dem Kernbereich jenes Verbotes.
Denn auf diese Weise würde das Erfordernis der Dringlichkeit, bei deren Nichtvorliegen der Gläubiger auf das Hauptsacheverfahren angewiesen ist, unterlaufen.
Die Gläubigerin würde, wenn sie mit ihrem Begehren Erfolg hätte, auf Grund eines im Eilverfahren erlangten Titels Sanktionen gegen die Schuldner erwirken können, obwohl bezüglich desselben Verstoßes bereits bei Antragstellung die Dringlichkeit entfallen war und deshalb weder im Eilverfahren ein Titel hätte erlangt werden noch erst recht anschließend im Wege der Zwangsvollstreckung hätte gegen die Schuldner vorgegangen werden können."
Im Klartext: Besteht keine Eilbedürftigkeit mehr für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, kann der zu beanstandende Sachverhalt auch nicht Gegenstand im Ordnungsmittelverfahren sein, sondern muss im normalen Hauptsacheverfahren geklärt werden.
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3. OLG Hamburg: Kahn ./. Electronic Arts
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Schon über die Vorinstanz hatten die Kanzlei-Infos v. 28.04.2003 (= http://snipurl.com/3yas) berichtet. Es geht um die Frage, ob der Spielehersteller Electronic Arts für sein Spiel "FIFA Fußball Weltmeisterschaft 2002" den Namen des bekannten FC Bayern-Torwarts Oliver Kahn benutzen darf.
Electronic Arts verletze - so damals die LG-Richter - den Kläger zum einen in seinem Recht am eigenen Bild, zum anderen in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Eine Verwendung zu kommerziellen Zwecken müsse Oliver Kahn ohne seine ausdrückliche Einwilligung nicht hinnehmen. Das sei selbst dann der Fall, wenn man den Nationalhüter als absolute Person der Zeitgeschichte ansehe.
Nun hat das OLG Hamburg in der Berufung diese Ansicht (weitgehend) jüngst bestätigt. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig, da die Revision zugelassen wurde.
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4. LG München I: Keine Haftung von Google für AdWords
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Erst vor kurzem hat das LG Hamburg im einstweiligen Rechtsschutz (Beschl. v. 14.11.2003 - Az.: 312 O 887/03) der bekannten Suchmaschine Google untersagt, Werbung für eine Domain mittels eines bestimmten Schlagwortes zu betreiben. Der Domain-Inhaber hatte bei Google die Möglichkeit der sog. "AdWords" genutzt und einen entsprechenden Werbeauftrag geschaltet.
Mittels der "Google AdWords" kann jeder bei Google Werbung schalten, so dass der suchende Surfer bei Eingabe bestimmter Schlagworte die Webseite als Treffer angezeigt bekommt, vgl. die weiteren Hinweise von Google (= http://snipurl.com/3yat). Ob hier die speziellen Haftungsregelungen des TDG (§§ 8 - 11) greifen, hat die Entscheidung offengelassen, da Google in diesem Fall Kenntnis von der Verletzung hatte und auch nach dem TDG, nämlich nach § 11 Nr.1 iVm. Nr.2 TDG, entsprechend gehaftet hat.
Vgl. zu dem ganzen den Aufsatz von RA Dr. Bahr: (Mitstörer-) Haftung für Google AdWords? (= http://snipurl.com/3ojk).
Nun hat das LG München I (Beschl. v. 02.12.2003 - Az.: 33 O 21461/03) eine entsprechende einstweilige Verfügung gegen Google in einem identischen Fall abgelehnt, weil es Google nicht zumutbar sei, die entsprechenden AdWords auf Markenverletzung im Vorwege zu untersuchen. Das sei aufgrund der hohen Zahl der Eingaben, der Änderungsmöglichkeiten der Werbekunden und aufgrund der Unkenntnis möglicher Lizenzvereinbarungen nicht machbar. Außerdem wäre dazu eine umfassende Recherche der jeweiligen Rechtspositionen unter Berücksichtigung des jeweiligen konkreten Werbeinhalts notwendig, was für Google rein faktisch schon nicht möglich sei.
Auch sei hier die Rechtsverletzung nicht offenkundig gewesen, so dass Google nicht als Mitstörer hafte.
Der entscheidende Unterschied zu der Hamburger Entscheidung ist, dass Google im Münchener Fall keine Kenntnis von der Rechteverletzung hatte.
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5. LG Leipzig: Haftung des Subdomain-Vermieters für Spam
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Das LG Leipzig (Urt. v. 13.11.2003 - Az.: 12 S 2595/03 = http://snipurl.com/3yav) hat die Ansicht des AG Leipzig bestätigt, dass ein Subdomain-Vermieter für Spam-Mails, in denen für die Subdomain geworben wird, als Mitstörer haftbar gemacht werden kann. Vgl. zur Vorinstanz die Kanzlei-Infos v. 12.08.2003 = http://snipurl.com/3yay
Das LG ist der Ansicht, dass einen Host-Provider dann eine Mitstörerhaftung trifft, wenn er bei Vergabe der Subdomains netzbezogene Prüfungspflichten verletzt hat.
"Allein der Host-Provider ist (..) derjenige, der es bei Vergabe der Subdomains rechtlich sowie (...) technisch in der Hand hat, rechtswidrige Handlungen in der Hand hat, rechtswidrige Handlungen wie das unerwünschte Spamming (...) zu verhindern oder zu beseitigen.
Kann (...) der Host-Provider keine Auskunft über die Subdomain-Inhaber geben, so hat er jedenfalls die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt. Zu seinen Prüfungs- und Aufsichtspflichten gehört es nämlich, dass er sich (...) in die Lage versetzt, die von ihm gehosteten Subdomain-Inhaber zum Zwecke der zivilrechtlichen Verfolgung zu benennen. Andernfalls wäre dem "Rechtsbruch im Netz" völlig freie Hand gelassen.
Es stellt eine angemessene Anforderung (...) dar, den potentiellen Subdomain-Inhaber erst dann ins Netz zu lassen, wenn er ihn ausreichend kennt, d.h. wenn es ihm möglich ist, Namen und ladungsfähige Anschrift des Subdomain-Inhabers anzuzeigen."
Während diese Passagen überzeugen, so erscheinen die nachfolgenden Ausführungen außerordentlich bedenklich:
"Der Unterlassungsanspruch (...) scheitert (...) nicht daran, dass die Absender der (...) E-Mails, in denen für die Subdomains (...) geworben wird, unbekannt sind. Zwar lassen die Absenderadressen einen unmittelbaren Bezug zu den Subdomains und damit zur Domain des Beklagten nicht erkennen.
Jedoch entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Störer jeder ist, "der ein irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, wobei es genügt, dass er das eigenverantwortliche Handeln eines Dritten unterstützt oder ausnutzt, obwohl er rechtlich in der Lage ist, es zu verhindern."
Nach Meinung der Richter hätte hier der Domain-Inhaber sofort die Subdomain sperren müssen, als er von den Spam-Mails erfuhr. Insbesondere ergebe sich diese Verantwortung aus der Tatsache, dass der Absender von E-Mails unproblematisch gefälscht werden könnten. Hier wäre der Domain-Inhaber verpflichtet gewesen, die Subdomain sofort vom Netz zu nehmen.
Dieser zweite Punkt der Argumentation überzeugt nicht. Es ist rechtlich kaum nachvollziehbar, dass jemand verpflichtet sein soll, evtl. vertragsbrüchig gegenüber seinem Kunden zu werden, nur weil jemand Drittes, Unbekanntes für die betreffende Domain bzw. das Produkt wirbt. Dies würde nämlich bedeuten, dass sich mittels dieses Tricks ein Mitbewerber unproblematisch seiner Konkurrenz entledigen könnte, indem er unbekannte Werbe-Mails für die Internet-Portale seiner Konkurrenten versendet und diese dann als Mitstörer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
Mag diese Entscheidung auch sehr speziell sein und vor allem unter dem Gesichtspunkt der fehlerhaften Verkehrssicherungspflicht beurteilt worden sein, so gehen die richterlichen Ausführungen - angesichts der ausufernden Rechtsprechung hinsichtlich der Mitstörerhaftung - klar in die falsche Richtung. Zudem werden in der Entscheidung zahlreiche technische Begrifflichkeiten fälschlicherweise miteinander gleichgesetzt, was bei einem nur erhebliches Kopfschütteln verursachen kann.
Vgl. zum Gesamtkomplex Mitstörerhaftung im Internet die Rechts-FAQ von RA Dr. Bahr = http://snipurl.com/2xd6
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6. LG Bonn: Beweislast bei Internetauktion
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Seit der grundlegenden "ricardo.de"-Entscheidung des BGH (Urt. v. 07.11.2001 - VIII ZR 13/01 = http://snipurl.com/31w2) ist es höchstrichterlich anerkannt, dass für Verträge, die über das Internet geschlossen werden, grundsätzlich die allgemeinen Rechtsprinzipien gelten. D.h. gibt jemand per Mail, Chat oder auf sonstige Art eine Willenserklärung ab, ist diese genauso rechtlich verbindlich wie im Offline-Leben.
Demnach greifen auch die allgemeinen Beweisregeln, d.h. derjenige, der einen Anspruch (z.B. Zahlung des Kaufpreises) geltend macht, muss auch beweisen, dass die Tatsachen hierfür vorliegen. Konkret beinhaltet dies, dass er beweisen muss, dass exakt die andere Person Partei des Kaufvertrages geworden ist.
Im aktuellen Fall des LG Bonn (Urt. v. 19.12.2003 - Az.: 2 O 472/03 = http://snipurl.com/3yb0) hatte angeblich der elfjährige Sohn des vermeintlichen Käufers die "Sofort-Kaufen"-Option bei dem Internet-Auktionshaus ausgelöst, ohne dass dies von den Eltern gewollt wurde. Der Kläger verkaufte den Gegenstand anderweitig, jedoch zu einem niedrigeren Preis. Die Differenz machte er nun als Schaden geltend.
Diesen Anspruch lehnte das Gericht ab, weil der Kläger nicht darlegen könne, dass der Vater die "Sofort-Kaufen"-Option ausgewählt habe:
"Eine von der Grundregel abweichende Verteilung der Beweislast aus Billigkeitsgesichtspunkten ist auch im Hinblick auf die dem Vertragsschluss im Rahmen einer Internetauktion zugrunde liegenden Gefahrenbereiche nicht geboten.
Die Mitgliedschaft in einem Internetauktionshaus mit Mitgliedsnamen und Passwort führt nicht zur Überbürdung der Missbrauchsgefahr auf dieses Mitglied (...).
Sämtliche Teilnehmer einer Internetauktion (...) setzen sich der Gefahr eines Eingriffs unbefugter Dritter (...). Sowohl Anbieter als auch Bieter sind (...) Nutzer eines komplexen Systems, auf dessen Funktionieren allenfalls derjenige, der eine Web-Site im Internet platziert hat, einen gewissen Einfluss ausüben kann."
Auch das Vorliegen eines Anscheinsbeweis hat das LG Bonn abgelehnt:
"Ein Anscheinsbeweis für eine Gebotsabgabe durch den Beklagten besteht ebenfalls nicht.
Voraussetzung für die Annahme eines Anscheinsbeweises ist, dass sich unter Berücksichtigung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts ein für die zu beweisende Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergibt.
Eine solche Typizität lässt sich hier jedoch nicht feststellen. Allein aus der Tatsache, dass das Gebot von einer Person abgegeben wurde, die das Passwort des Beklagten kannte, folgt kein Anschein zu Lasten des Beklagte."
Das LG Bonn folgt damit den Entscheidungen des OLG Köln (Urt. v. 06.09.2002 - Az.: 19 U 16/02 = http://snipurl.com/3yb1) [Vorinstanz: LG Bonn, Urt. v. 07.08.2001 - Az.: 2 O 450/00 = http://snipurl.com/3yb3] und des AG Erfurt (Urt. v. 14.09.2001 - Az.: 28 C 2354/01 = http://snipurl.com/3yb4), die beide der Ansicht sind, dass es keinen entsprechenden Sicherheitsstandards bei den Passwörtern gebe, der einen Anscheinsbeweis begründen könne.
Vgl. dazu insgesamt auch die Rechts-FAQ: Recht der Neuen Medien von RA Dr. Bahr, Punkt 16: Online-Auktionen und rechtliche Probleme = http://snipurl.com/2xd6
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7. AG Heidenheim: Glücksspiel mit europäischer Lizenz nicht strafbar
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Das AG Heidenheim (Beschl. v. 01.12.2003 - AZ.: 3 Ds 424/03 = PDF, 76 KB = http://snipurl.com/3ybc) hat die Eröffnung des strafrechtlichen Hauptbverfahrens gegen einen Beklagten abgelehnt hat, der beschuldigt wurde, für ein in Österreich registriertes Wettunternehmen in Deutschland Wetten anzunehmen und weiterzuleiten.
Bislang war ganz herrschende Meinung, dass sich gemäß §§ 284, 287 StGB strafbar macht, wer ohne behördliche Erlaubnis Glücksspiele veranstaltet.
Erst vor kurzem hat der EuGH dazu eine wegweisende Entscheidung getroffen, wonach nationale Regelungen gegen EU-Recht verstoßen, wenn sie ausschließlich oder überwiegend dem Schutz des staatlichen Glücksspielsmonopols dienen. Vgl. dazu den Aufsatz von RA Dr. Bahr: Glücksspiele: Grundlegende Änderung der Rechtsprechung (= http://snipurl.com/3ybd). Dieser Ansicht ist auch das LG München I (Besch. v. 27. Oktober 2003 - Az.: 5 Qs 41/2003) gefolgt, vgl. die Kanzlei-Info v. 13.11.2003 = http://snipurl.com/3ybe
In den Entscheidungsgründen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens insbesondere deswegen abgelehnt, weil nach der Rechtsprechung des EuGH sowohl ein Eingriff in die Niederlassungs- als auch Dienstleistungsfreiheit vorliegt. Ein solcher Eingriff sei aber nur mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu rechtfertigen, was vorliegend nicht der Fall sei.
Dabei wird maßgeblich auf die Gambelli-Entscheidung abgestellt:
"§ 284 StGB hat im vorliegenden Fall unanwendbar zu bleiben, da er einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch EG-Vertrag gewährleistete Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit der österreichischen C (...) GmbH und der mit dieser zusammenarbeitenden Angeschuldigten darstellt.
Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 08.11.2003, C 242/01) liegt sowohl ein Eingriff die Niederlassungsfreiheit als auch ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit der österreichischen Firma C (... GmbH vor.
Ein solcher Eingriff bzw. eine solche Beschränkung ist nach der Rechtsprechung des EuGH nur mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu rechtfertigen.
Letztendlich unterliegt die Tätigkeit des Angeschuldigten (...) in Baden-Württemberg einem staatlichen Monopol. Eine solche Monopolisierung ist der schärfste Eingriff.
Nimmt man die Rechtssprechung des EuGH ernst und anerkennt man, dass die Finanzierung staatlicher Aufgaben nicht der eigentliche Grund, sondern allenfalls erfreuliche Nebenfolge (...) der Beschränkungen sein darf, so ist daraus die prozessuale Konsequenz zu ziehen, dass der Staat die Erforderlichkeit konkret darlegen und nicht lediglich pauschal behaupten darf.
(...)
Eine solche konkrete Darlegung der Erforderlichkeit des Totalverbots in Baden-Württemberg ist nicht ersichtlich. Nach alledem ist § 284 StGB im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Auf die streitigen Fragen insbesondere der Auslegung des Begriffs Glücksspiel, Veranstalten etc. kommt es nach alledem nicht an."
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8. Neue 0190-Dialer-Urteile
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Es gibt vier neue 0190-Dialer-Urteile zu vermelden:
a) Urteil des AG Fürstenfeldbruck vom 12.12.2003 - Az.: 2 C 1386/03
(Leitsätze:)
1. Der Netz-Betreiber ist beweispflichtig für die Inanspruchnahme der Leistung.
2. Dieser Beweispflicht wird nur genüge getan, wenn der Netz-Betreiber darlegt, wie und unter welchen Umständen der Telefon-Kunde über die Geschäftsbedingungen des Mehrwertdienste-Anbieters informiert wurde.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agfuerstenfeldbruck121203.htm
b) Urteil des AG Überlingen vom 14.11.2003 - Az.: 6 C 832/03
(Leitsatz:)
Legt der Netz-Betreiber keinen Prüfbericht nach § 16 Abs.3 TKV vor, hat er nicht den Nachweis erbracht erbracht, dass die in Rechnung gestellten Leistungen technisch einwandfrei erbracht wurden. Für den Telefon-Kunden besteht in diesem Fall keine Zahlungsverpflichtung.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agueberlingen141103.htm
c) Urteil des AG Duisburg-Ruhrort vom 17.11.2003 - Az.: 10 C 110/03
(Leitsätze:)
1. Aufgrund einer Einzelverbindungsübersicht durch den Netz-Betreiber, die auf automatischen Gebührenerfassungseinrichtungen basiert, ist ein Beweis des ersten Anscheins für die Richtigkeit der Telefonrechnung gegeben.
2. Dieser Anscheinsbeweis wird nicht dadurch erschüttert, dass der Telefon-Kunde pauschal behauptet, eine Dialer habe sich unbemerkt auf seinem Rechner installiert.
3. Für das Vorliegen einer Sittenwidrigkeit hinsichtlich eines wucherischen Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung trägt der Telefon-Kunde die Beweislast.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agduisburgruhrort171103.htm
d) Urteil des AG Nettetal vom 08.07.2003 - Az.: 69/03
(Leitsätze:)
1. Der Anscheinsbeweis, der für normale Telefon-Verbindungen gilt, ist auf Internet-Verbindungen (Dialer) grundsätzlich übertragbar.
2. Aufgrund einer Einzelverbindungsübersicht durch den Netz-Betreiber, die auf automatischen Gebührenerfassungseinrichtungen basiert, ist ein solcher Anscheinsbeweis anzunehmen.
3. Dieser Anscheinsbeweis wird nicht dadurch erschüttert, dass der Telefon-Kunde pauschal behauptet, eine Dialer habe sich unbemerkt auf seinem Rechner installiert und sich nach der Nutzung wieder gelöscht.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agnettetal080703.htm
Hinweis:
Zu der rechtlichen Problematik von Dialern finden Sie unter http://www.dialerundrecht.de ausführliche Erläuterungen. Das Portal betreibt RA Dr. Bahr zusammen mit seiner Kollegin RAin Sybille Heyms.
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9. FST: Neuer Verhaltens-Kodex
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Der Verein Freiwillige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste (FST = http://www.fst-ev.org) hat zum Jahrenwechsel einen neuen Verhaltenskodex verabschiedet, der hier (= http://snipurl.com/3ybj) online nachgelesen werden kann.
Der FST wurde 1997 in Düsseldorf gegründet und nimmt insbesondere die Interessenvertretung der deutschen Telefonmehrwertdienste-Anbieter wahr. Etwa 60 Dienste-Anbieter, Netzbetreiber, Agenturen, Verbände und andere Organisationen aus dem Bereich Telefonmehrwertdienste sind Mitglied.
Nach eigenen Angaben bezweckt der FST mit der Neufassung seines Verhaltenskodex vor allem, "künftig seine Aufgaben noch stärker im Bereich Prävention" anzusiedeln. Als erstes konkretes Anwendungsbeispiel wird dabei an den Bereich der Dialer gedacht.
Der Verhaltenskodex beinhaltet daher vor allem bei den Dialer zahlreiche neue, ausführliche Erläuterungen.
"Um Probleme am Markt frühzeitig zu erkennen - und somit Verbraucher genauso wie die seriöse Mehrheit der Marktteilnehmer vor missbräuchlichen Diensten schützen zu können - will der Verein verstärkt Kontroll-Maßnahmen einsetzen", heisst es in der offiziellen Begründung.
Wie schon in den Kanzlei-Infos v. 25.12.2003 (= http://snipurl.com/3ybk) berichtet, strebt damit der FST an, als Vorprüf-, Beratungs- oder Kontrollinstanz für die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) zu fungieren.
Nach derzeitigen Rechtslage müssen die Dialer vor ihrer Benutzung bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) registriert worden sein (§ 43b Abs.5 TKG). Aufgrund der Gesetzesermächtigung in § 43c Abs.1 TKG hat die RegTP inzwischen mehrere Verfügungen (= http://snipurl.com/3ybl) erlassen, die den genauen Ablauf und die exakten Voraussetzungen bestimmen.
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10. USK: Selbstkontrolle Jahresbilanz 2003
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Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK = http://www.usk.de) hat ihre aktuelle Jahresbilanz für 2003 vorgelegt (= http://snipurl.com/3ybn). Die Statistik ist unter anderem auch deswegen interessant, weil sie die ersten Tendenzen des zum 01.04.2003 in Kraft getretenen Jugendschutzgesetzes widerspiegelt. Vgl. dazu die Kanzlei-Info v. 08.06.2003 (= http://snipurl.com/3ybo) und v. 17.04.2003 (= http://snipurl.com/3ybq).
So ist es seit diesem Zeitpunkt u.a. verpflichtend, dass alle Computerspiele eine Alterseinstufung haben. Wenn keine vorliegt, ist das Spiel automatisch erst ab 18 Jahren freigegeben. Gerade dieser Umstand und die Tatsache, dass die Einstufungs-Gebühren auf 1.000,- Euro angehoben wurden, macht diese Neuregelung für alte Spiele, Freeware- oder Open Source-Spiele außerordentlich problematisch. Das ist nur eines der Probleme, die die Politik bei der übereilten Verabschiedung des Jugendschutzgesetzes nicht bedacht haben.
Vgl. dazu auch die beiden aufschlussreichen Interviews: Einmal mit Kerstin Griese (SPD) (= http://snipurl.com/3ybr), die maßgeblich an der Entstehung des neuen Gesetzes beteiligt war und die pauschal von "pragmatischen Lösungen" redet, ohne konkret durchführe Lösungen anzubieten. Das Interview offenbart, dass an viele Details anscheinend gar nicht gedacht wurde oder einfach unkommentiert darüber hinwegegangen wurde.
Und einmal mit Wolf-Jürgen Karle (= http://snipurl.com/3ybr), Pressereferent des rheinland-pfälzischen Ministeriums für Bildung, Frauen und Jugend, der die Problematik auf den Punkt bringt.
Ebenso ernüchternd ist auch das Interview mit Peter Ruhenstroth-Bauer (= http://snipurl.com/3ybs), Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
In der Jahresbilanz 2003 der USK ist es daher wenig verwunderlich, dass ein weiterer Anstieg der geprüften Spiele zu verzeichnen ist. Von 930 (im Jahre 2000), 949 (2001), 1210 (2002) auf 1806 im Jahre 2003.
Den Löwenanteil mit 52% machten die PC-Spiele aus. Innerhalb dieses Genres waren die Arcade führend, gefolgt von Spielesamlungen, Sport und Ego-Shootern.
Über 50% der geprüften Software wurde ohne Alterseinschränkung freigegeben, nur 0,2% erhielt die Einstufung "ab 18 Jahren". Und etwa 2% erhielt keine Jugendfreigabe.
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11. Neuer Aufsatz von RA Dr. Bahr: Neuigkeiten aus dem Bereich des Glücksspiel-Rechts
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Es gibt einen neuen Aufsatz von RA Dr. Bahr:
"Neuigkeiten aus dem Bereich des Glücksspiel-Rechts "
http://www.isa-casinos.de/articles/5259.html
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