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1. EuGH: Red Bull hat gegen Abfüller markenrechtswidriger Getränkedosen keinen Anspruch
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Der Dienstleistende, der lediglich im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten das Abfüllen besorgt, schafft nur die technischen Voraussetzungen für eine Benutzung des einer geschützten Marke ähnlichen Zeichens durch diesen Dritten
Die Gesellschaft Frisdranken Industrie Winters BV (Winters) ist ein niederländisches Unternehmen, dessen Haupttätigkeit im Befüllen von Dosen mit von ihr selbst oder von Dritten hergestellten Getränken besteht. Die Gesellschaft Red Bull GmbH stellt unter der Marke RED BULL ein Energiegetränk her und handelt damit. Sie hat diese Marke mit Wirkung für u. a. die Beneluxstaaten international registrieren lassen.
Winters befüllte im Auftrag der mit Red Bull konkurrierenden Gesellschaft Smart Drinks Ltd, einer juristischen Person des Rechts der Britischen Jungferninseln, Dosen mit einem Erfrischungsgetränk. Zu diesem Zweck belieferte Smart Drinks Winters mit leeren Dosen und den zugehörigen Verschlusskapseln, die mit verschiedenen Zeichen versehen waren, von denen einige der Marke von Red Bull ähnelten. Smart Drinks lieferte Winters auch den Extrakt des Erfrischungsgetränks.
Winters befüllte die Dosen nach den Anweisungen und Rezepten von Smart Drinks mit einer bestimmten Menge des Extrakts, füllte sie mit Wasser und gegebenenfalls mit Kohlensäure auf und verschloss sie. Anschließend stellte sie Smart Drinks die abgefüllten Dosen wieder zur Verfügung, die diese in Staaten außerhalb des Beneluxraums ausführte. Winters erbrachte dabei nur diese Abfülldienstleistungen für Smart Drinks, ohne die abgefüllten Dosen zu ihr zu befördern. Auch die Lieferung und/oder der Verkauf der Dosen an Dritte war nicht Teil ihrer Tätigkeit.
Red Bull rief die niederländischen Gerichte an und machte geltend, dass Winters ihre Markenrechte verletze. Sie beantragte, Winters zu verurteilen, jede Benutzung von ihren Marken ähnlichen Zeichen zu unterlassen. Vor diesem Hintergrund fragt der Hoge Raad der Nederlanden (Oberstes Gericht der Niederlande) den Gerichtshof, ob das reine „Abfüllen“ von Aufmachungen, die mit einem Zeichen, das einer geschützten Marke ähnlich ist, versehen sind, als Benutzung dieses Zeichens im geschäftlichen Verkehr im Sinne der Richtlinie über die Marken1 anzusehen ist, auch wenn das Abfüllen eine Dienstleistung für und im Auftrag eines Dritten darstellt.
Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass nach dieser Richtlinie der Inhaber einer Marke eine ohne seine Zustimmung erfolgende Benutzung eines mit seiner Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten verbieten kann, wenn die Benutzung im geschäftlichen Verkehr stattfindet, für Waren oder Dienstleistungen erfolgt, die mit denjenigen, für die die Marke eingetragen wurde, identisch oder ihnen ähnlich sind und wegen der für das Publikum bestehenden Gefahr von Verwechslungen die Hauptfunktion der Marke, d. h. die Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann.
Der Gerichtshof prüft, ob im vorliegenden Fall ein Dienstleistender wie Winters selbst Zeichen „benutzt“, die den Marken von Red Bull ähnlich sind. Er führt hierzu aus, dass der Umstand, dass die technischen Voraussetzungen für die Benutzung eines Zeichens geschaffen werden und diese Dienstleistung vergütet wird, nicht bedeutet, dass deren Erbringer dieses Zeichen selbst benutzt.
Ein Dienstleistender, der sich darauf beschränkt, Dosen, die bereits mit eingetragenen Marken ähnlichen Zeichen versehen sind, im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten abzufüllen, „benutzt“ diese Zeichen nicht selbst im Sinne der Richtlinie über die Marken. Ein solcher Dienstleistender führt nämlich schlicht einen technischen Abschnitt des Prozesses der Herstellung des Endprodukts aus, ohne irgendein Interesse an der äußeren Darstellung der Dosen und insbesondere an den darauf angebrachten Zeichen zu haben, und schafft somit nur die technischen Voraussetzungen für eine solche Benutzung durch den Dritten.
Hinzu kommt, dass ein Dienstleistender in der Lage von Winters die betreffenden Zeichen jedenfalls nicht im Sinne dieses Artikels „für Waren oder Dienstleistungen“ benutzen würde, die mit denjenigen, für die die Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind.
Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, bezieht sich diese Wendung im Grundsatz auf die Waren oder Dienstleistungen des Dritten, der das Zeichen benutzt. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die von Winters erbrachte Dienstleistung im Abfüllen der Dosen besteht und dass diese Dienstleistung keinerlei Ähnlichkeit mit der Ware aufweist, für die die Marken von Red Bull eingetragen worden sind.
Zwar hat der Gerichtshof zu Onlinediensten bereits entschieden, dass sich diese Wendung aus der Richtlinie unter bestimmten Umständen auch auf die Waren oder Dienstleistungen einer anderen Person beziehen kann, für deren Rechnung der Dritte handelt. So wird in dem Fall, dass der Erbringer einer Dienstleistung ein einer fremden Marke entsprechendes Zeichen benutzt, um für Waren zu werben, die einer seiner Kunden mit Hilfe dieser Dienstleistung vermarktet, diese Benutzung von der Wendung erfasst, sofern das Zeichen in der Weise benutzt wird, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen und der Dienstleistung hergestellt wird.
Das Befüllen von Getränkedosen, die mit eingetragenen Marken ähnlichen Zeichen versehen sind, ist jedoch seinem Wesen nach nicht mit einer Dienstleistung vergleichbar, die auf Förderung des Vertriebs von mit derartigen Zeichen versehenen Waren gerichtet ist, und impliziert insbesondere nicht, dass eine Verbindung zwischen diesen Zeichen und der Abfülldienstleistung geschaffen wird. Der Abfüllbetrieb tritt nämlich nicht gegenüber dem Verbraucher auf, was jede gedankliche Verbindung zwischen seinen Dienstleistungen und den betreffenden Zeichen ausschließt.
Der Gerichtshof antwortet daher, dass die Richtlinie über die Marken dahin auszulegen ist, dass ein Dienstleistender, der im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten Aufmachungen abfüllt – die der Dritte ihm zur Verfügung gestellt hat, der darauf zuvor ein Zeichen hat anbringen lassen, das mit einem als Marke geschützten Zeichen identisch oder ihm ähnlich ist –, nicht selbst eine Benutzung dieses Zeichens vornimmt, die verboten werden kann.
Urteil in der Rechtssache C-119/10 Frisdranken Industrie Winters BV / Red Bull GmbH
Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 19.12.2011
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2. BVerfG: Foto auf Homepage begründet noch keinen Tatverdacht
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Ein Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung setzt den Verdacht einer Straftat voraus. Die Verdachtsgründe müssen über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausgehen. Ein Foto auf einer Homepage ist dabei als alleiniges Verdachtsmoment nicht ausreichend (BVerfG, Beschl. v. 26.10.2011 - Az.: 2 BvR 15/11).
Das zuständige Amtsgericht hatte gegen den Beschwerdeführer eine Hausdurchsuchung angeordnet, weil der Verdacht einer Straftat bestand.
Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens hatte der Beschwerdeführer angegeben, er habe bei der Firma P keine Vergütung erhalten. Seine getrennt lebenende Ehefrau war aber der Meinung, dass er sehr wohl ein Entgelt erhalten habe. Sie verwies dabei insbesondere auf die Homepage der Firma P, wo ein Foto des Beschwerdeführers veröffentlicht war.
Die Firma P hatte den Mann als Praktikanten beschäftigt, es jedoch vergessen, den Status auch au der Webseite kenntlich zu machen.
Das Amtsgericht erließ daraufhin einen Durchsuchungsbeschluss. Hiergegen wendete sich der Betroffene mittels einer Verfassungsbeschwerde.
Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die verfassungsrechtlich garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung sei in jedem Fall der Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sei. Es müssten Verdachtsgründe vorliegen, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausgingen.
Diese hohen Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Der Durchsuchungsbeschluss enthalte keine Angaben darüber, in welcher Höhe eine Unterhaltspflicht des Klägers bestand und welche Einkünfte er erzielt haben sollte. Die Firma P habe dem Kläger während seiner Praktikantenzeit kein Entgelt gezahlt.
Allein aus dem Internetauftritt der Firma P könne nicht auf das Zahlen einer Vergütung geschlossen werden. Die Annahme einer Unterhaltspflichtverletzung basiere auf bloßen Vermutungen, die den schwerwiegenden Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung nicht rechtfertigten.
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3. BGH: Computer-Bild muss auf fehlendes Widerrufsrecht hinweisen
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Ein Verlag, der in einer Zeitschriftenanzeige für ein Jahresabonnement dieser Zeitschrift wirbt, muss in der Anzeige selbst oder auf der Postkarte oder dem Coupon, mit welcher die Bestellung für das Jahresabonnement aufgegeben werden kann, auf das fehlende Widerrufsrecht hinweisen (BGH, Urt. v. 09.06.2011 - Az.: I ZR 17/10).
Bei der Beklagten handelte es sich um den Axel-Springer-Verlag. Dieser hatte in der 14-tägig erscheinenden Zeitschrift "Computer-Bild" mittels einer Anzeige für ein Jahresabonnement selbiger Zeitschrift geworben. Die Bestellung konnte per Postkarte oder Coupon, die der Anzeige beigefügt waren, aufgegeben werden. Weder in der Anzeige selbst noch auf der Postkarte oder dem Coupon befanden sich Angaben zum Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts.
Die BGH-Richter bejahten einen Wettbewerbsverstoß.
Die beanstandete Werbung der Beklagten sei auf den Abschluss eines Fernabsatzvertrags gerichtet, da die umworbenen Verbraucher das beworbene Jahresabonnement durch Übersendung einer Postkarte oder eines Coupons bestellen könnten.
Fernabsatzverträge müssten den Verbraucher über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und die Rechtsfolgen des Widerrufs informieren.
Die Beklagte hätte entweder in der Anzeige selbst oder spätestens auf der zur Bestellung beigefügten Postkarte oder dem Coupon auf das fehlende Widerrufsrecht hinweisen müssen.
Dies habe die Beklagte mit der Ausgestaltung ihrer Anzeige und den Bestellmöglichkeiten versäumt.
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4. BGH: Zeitschrift darf über Praktiken eines Pornodarstellers berichten
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Ein Pornodarsteller, der mit einer bekannten Schauspielerin liiert ist, wird durch eine Berichterstattung über seine Mitwirkung als Darsteller in kommerziell zu verwertenden Pornofilmen nicht in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, wenn er sich in dem Film dem Publikum ohne jede Einschränkung präsentiert und sein Gesicht erkennen lässt (BGH, Urt. v. 25.10.2011 - Az.: VI ZR 332/09).
Der Kläger hatte in mehreren Porno-Filmen mitgewirkt. Sein Bild war auf dem Cover für das entsprechende Filmmaterial abgebildet, sein Gesicht in den Filmen jeweils klar erkennbar. Nachdem der Kläger von einer bekannten Schauspielerin anlässlich der Verleihung des deutschen Filmpreises öffentlich als ihr neuer Lebenspartner vorgestellt worden war, berichtete die verklagte Zeitungsverlegerin unter voller Namensnennung über den Kläger:
"Und Fernsehstar …? Was mag sie gefühlt haben, als sie erfuhr, dass ihr neuer Freund … noch vor wenigen Monaten als Pornodarsteller brillierte - ohne Kondom natürlich. Kann es nach einem solchen Vertrauensbruch eine andere Lösung als Trennung geben?"
Der Kläger sah hierdurch sein Allgemeines Pesönlichkeitsrecht verletzt.
Der BGH teilte diese Ansicht nicht und wies die Klage ab.
Der Kläger sei in der Vergangenheit deutlich sichtbar in pornografischen Filmwerken aufgetreten. Sein Recht auf Privatsphäre müsse daher hinter das allgemeine Informationsinteresse zurücktreten.
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5. BGH: Entscheidung im Streit um "Einkauf Aktuell"
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Die Verteilung der Werbesendung "Einkauf Aktuell" durch die Deutsche Post AG ist nicht deshalb wettbewerbsrechtlich zu beanstanden, weil sie redaktionelle Beiträge enthält. Dies hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden.
Die Beklagte ist die Deutsche Post AG, deren größter Einzelaktionär mit einem Anteil von 30,5% die in Bundes- und Landeseigentum stehende Kreditanstalt für Wiederaufbau ist. Die Beklagte lässt über ihre Zusteller vorwiegend in Ballungsgebieten und großen Städten an alle Haushalte wöchentlich die Werbesendung "Einkauf Aktuell" verteilen.
Diese Werbesendung enthält neben dem Fernsehprogramm auch verschiedene Rubriken mit redaktionellen Beträgen. Dies beanstanden der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter, die sich mit ihrer auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb gestützten Klage dagegen wenden, dass die Werbesendung der Beklagten solche redaktionellen Inhalte enthält; dies laufe dem Gebot der Staatsferne der Presse zuwider und sei damit auch wettbewerbswidrig.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Der BGH hat diese Entscheidung bestätigt.
Die Deutsche Post AG ist - so der BGH - nicht Adressatin des aus der Pressefreiheit abgeleiteten Gebots der Staatsferne der Presse, weil sie vom Bund und den Ländern nicht beherrscht wird. Zwar darf sich der Staat weder selbst noch über von ihm beherrschte Gesellschaften als Presseunternehmen betätigen. Die hier durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau vermittelte staatliche Beteiligung von 30,5% reicht aber für eine solche Beherrschung der Deutschen Post nicht aus. In der Hauptversammlung waren in den vergangenen Jahren immer mindestens 67% der stimmberechtigten Anteilseigner vertreten, so dass die staatliche Beteiligung niemals über die Hauptversammlungsmehrheit verfügte. Auch die weiteren von den Klägern vorgetragenen Indizien wie ein möglicher Einfluss auf Personalentscheidungen oder den Verkauf der Postbank können die Annahme einer Beherrschung nicht begründen.
Urteil vom 15. Dezember 2011 - I ZR 129/10 - Einkauf Aktuell
LG Hamburg - Urteil vom 6. November 2008 - 315 O 136/08 ZUM-RD 2009, 215
OLG Hamburg - Urteil vom 9. Juni 2010 - 5 U 259/08 AfP 2010, 499
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 15.12.2011
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6. BVerwG: Konkurrentenklage gegen Apotheker-Versandhandelserlaubnis nur ausnahmsweise zulässig
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Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein Apotheker die einem anderen Apotheker erteilte Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln nur ausnahmsweise vor Gericht anfechten darf.
Der Kläger betreibt eine Apotheke in Magdeburg. Der Beigeladene ist selbstständiger Apotheker in Köthen. Auf seinen Antrag erteilte ihm das beklagte Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt zusätzlich die Betriebserlaubnis für eine Filialapotheke in Halle (Saale) sowie die Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln in den Räumen der Filialapotheke.
Die gegen die Versandhandelserlaubnis des Beigeladenen gerichtete Klage hat in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg gehabt. Das Gericht hat die Klage als zulässig angesehen und die Versandhandelserlaubnis wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das Apothekengesetz aufgehoben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision des Beigeladenen stattgegeben und die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abgeändert. Es hat die Klage - wie bereits das Verwaltungsgericht - als unzulässig angesehen. Es kommt nur ausnahmsweise in Betracht, dass sich ein Apotheker gegen die einem konkurrierenden Apotheker erteilte Versandhandelserlaubnis zur Wehr setzen darf. Das setzt voraus, dass er durch den Versandhandel des Konkurrenten unzumutbare Wettbewerbsnachteile erleidet.
Diese Voraussetzung war hier nicht erfüllt. Durch den Versandhandel des Beigeladenen bedingte tatsächliche Nachteile des Klägers, die über den allgemeinen Wettbewerb hinausgehen, ließen sich nicht ausmachen.
BVerwG 3 C 41.10 - Urteil vom 15. Dezember 2011
Vorinstanzen: OVG Magdeburg, 2 L 245/08 - Urteil vom 14. Oktober 2010 - VG Halle (Saale), 1 A 79/05 - Urteil vom 26. Juli 2007 -
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 15.12.2011
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7. OLG Düsseldorf: Google AdWords-Werbung bei Beeinträchtigung von Marke zu unterlassen
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Ein Unterlassungsanspruch des Markeninhabers besteht nur, wenn die Google-AdWords-Reklame die Herkunftsfunktion der Marke tatsächlich beeinträchtigt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Werbung des Dritten den Eindruck vermittelt, dass zwischen dem Inhaber der Marke und dem Werbenden eine wirtschaftliche Verbundenheit besteht (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.04.2011 - Az.: I-20 W 2/11).
Die Parteien waren beide Wettbewerber, die online mit Erotik-Artikeln handelten. Die Klägerin verwendete dabei die Marke der Beklagten als Keyword im Rahmen einer Google-AdWords-Werbung:
"E.Shop & E.Shop, Ersparnis bis 94% garantiert. Shop TÜV geprüft" Sicher & diskret (…)"
Die Düsseldorfer Richter sahen darin eine Markenverletzung.
Nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH und des BGH habe ein Markeninhaber in solchen Fällen nur dann einen Unterlassungsanspruch, wenn die Benutzung der Marke geeignet sei, die geschützte Herkunftsfunktion der Marke zu beeinträchtigen.
Dies sei immer dann zu bejahen, wenn ein durchschnittlich aufmerksamer User nur sehr schwer erkennen könne, ob die Anzeige von dem Markeninhaber oder von dem Dritten stamme oder ob möglicherweise eine wirtschaftliche Verbundenheit bestehe.
Gemessen an diesen Kriterien stelle die beanstandete AdWords-Reklame eine Verletzung der Marke der Beklagten dar. Dies gelte auch, obwohl der durchschnittliche Nutzer den Unterschied zwischen den Anzeigen und den generischen Ergebnissen kenne. Aufgrund der großen Verkehrsbekanntheit der Beklagten-Marke gehe der Suchende von einer wirtschaftlichen Verbundenheit aus. Die Nennung als "E-Shop" und die Angabe der URL reichten nicht aus, denn der Suchende kenne in aller Regel den Shop-Namen nicht.
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8. OLG Köln: Streitwert für einzelnes Musikstück in P2P-Fällen liegt bei 3.000,- EUR
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Das OLG Köln hat in einem aktuellen Beschwerdeverfahren (Beschl. v. 17.11.2011 - Az.: 6 W 234/11) festgestellt, dass der Streitwert für ein einzelnes Musikstück in P2P-Fällen bei 3.000,- EUR liegt.
Die Kölner Richter gingen bislang bei einem gesamten Musikalbum von einer Summe von 10.000,- EUR aus. Im vorliegenden Fall handelte es sich jedoch nur um einzeles Lied aus einem Sampler.
Auf Basis dieser Zahlen, so die Richter, sei es daher angemessen, bei isolierten Liedern von einem Streitwert von 3.000,- EUR auszugehen.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Die Entscheidung offenbart nicht nur die aktuelle Streitwertfestsetzung im Kölner Gerichtsbezirk. Sie zeigt zugleich auch auf, dass ein einfaches pauschales Bestreiten auch im reinen Kostenverfahren nicht ausreichend ist.
Die Klägerin erwirkte gegen den Beklagte eine einstweilige Verfügung wegen der P2P-Urheberrechtsverletzung. Die Parteien erklärten daraufhin den Rechtsstreit für erledigt. Nun ging es nur noch um die Kosten.
Der Beklagte gab eine eidesstattliche Versicherung ab, dass er sich an einer P2P-Tauchbörse nie beteiligt habe und insbesondere auch nicht das betreffende Musikstück heruntergeladen oder angeboten habe.
Dies ließen die Kölner Robenträger jedoch nicht gelten, sondern legten dem Beklagten sämtliche Kosten des Verfahrens auf. Die Klägerin habe ausreichend dargelegt, dass die Verletzungshandlungen vom Anschluss des Beklagten gekommen seien. Hierfür habe sie die entsprechenden Auskünfte der Provider vorgelegt. Zudem habe die von der Klägerin eingesetzte Software mehrfach die IP-Adresse des Beklagten als die maßgebliche identifiziert.
Ein einfaches Bestreiten reiche nicht aus, um die Glaubhaftigkeit diese Nachweise zu erschüttern.
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9. OLG Köln: Unity Media darf nicht mit "doppelt schnellem" Internetzugang werben
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Die Unity Media NRW GmbH und die Unitymedia Hessen GmbH & Co. KG warben damit, die von ihnen angebotenen Internetverbindungen seien "doppelt so schnell wie normales DSL". Auf Antrag eines Konkurrenzanbieters hatte das Landgericht Köln diese Werbung per einstweiliger Verfügung vorläufig untersagt. Das Oberlandesgericht Köln hat mit zwei Urteilen vom 16. Dezember 2011 (Az. 6 U 146/11 und 6 U 150/11) die Entscheidungen des Landgerichts bestätigt, weil der Werbeslogan in mehrfacher Hinsicht irreführend sei:
Zum einen ergebe sich erst aus einer nicht im Blickfang stehenden Fußnote, dass Unity Media unter "normalem" DSL eine Datenübertragungsrate beim Download von 16.000kbit/s verstehe und mit der Angabe "doppelt so schnell" daher eine Übertragungsrate von 32.000 kbit/s meine.
Tatsächlich würden jedoch von den Konkurrenten auch Internetverbindungen mit einer höheren Übertragungsrate als 16.000 kbit/s angeboten, so dass die Antragsgegnerin mit ihrem Angebot von 32.000 kbit/s nicht in jedem Fall doppelt so schnell sei wie andere Anbieter. Beim Upload von Daten bleibe das Angebot der Antragsgegnerin mit einer Geschwindigkeit von 1 Mbit/s sogar noch hinter den Angeboten der Antragstellerin zurück, die ihren Kunden bis zu 10 Mbit/s Uploadgeschwindigkeit zur Verfügung stelle.
Drittens schließlich erwecke das Angebot einer doppelt schnellen DSL-Verbindung in der konkret veröffentlichten Fassung den (falschen) Eindruck, dass es hierfür auf weitere Faktoren, wie etwa die Leistungsfähigkeit des Kundenrechners oder dessen hausinterne Verkabelung, gar nicht ankomme, sondern der Kunde nach einem Anbieterwechsel auf jeden Fall schneller werde kommunizieren können als beim vorherigen Anbieter.
Gegen die beiden Urteile ist kein Rechtsmittel gegeben.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 19.12.2011
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10. OLG München: Firmenangabe bei Zeitungsanzeige
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Ist eine Anzeige so gestaltet, dass das beworbene Produkt mit sämtlichen Informationen beschrieben wird, aufgrund derer sich der Verbraucher zum Kauf entschließen kann, besteht eine Informationspflicht des Anbieters. Eine solche Pflicht besteht hingegen nicht, wenn es sich um bloße Aufmerksamkeitswerbung handelt (OLG München, Urt. v. 20.10.2011 - Az.: 29 U 2357/11).
Die Beklagte, ein Autohaus, hatte in einer Tageszeitung, Werbung für seine PKW gemacht. Die Anzeige sah u.a. wie folgt aus:
Fiat Modelle | UVP des Herstellers | Unser Barpreis | Sparen Sie! | Punto Evo 1.2, Dynamic 3-tür | 15.740,- € | 11.490,- € | 4.250,- € | Punto Evo 1.4, 16V Sport 5-tür | 22.090,- € | 17.990,- € | 4.100,- € |
Das Autohaus gab jedoch nicht seine vollständige Firmierung an, sondern nur in verkürzter oder abgeänderter Form.
Die Münchener Richter entschieden, dass das Unternehmen gegen geltendes Recht verstoßen habe. Nach den aktuellen Rechtsvorschriften sei ein Anbieter verpflichtet, seine Identität und Rechtsform anzugeben, sofern keine bloße Aufmerksamkeitswerbung vorliege.
Ein Wettbewerbsverstoß liege daher nicht nur dann vor, wenn ein rechtlich bindendes Vertragsangebot angegeben wird, sondern bei jeder Erklärung des Unternehmers aufgrund derer sich der Käufer entschließen könne, das Produkt zu erwerben. Es sei daher nicht zwingend notwendig, dass eine Bestellmöglichkeit vorhanden sei.
Vorliegend sei die Reklame so gestaltet gewesen, dass das beworbene Produkt, dessen Preis und sämtliche wesentliche Vertragsbestandteile enthalten gewesen seien, aufgrund derer sich der Verbraucher zum Kauf habe entschließen können. Eine bloße Aufmerksamkeitswerbung habe damit nicht vorgelegen, so dass die Beklagte ihrer Informationspflicht hätte nachkommen müssen.
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11. LAG Mainz: Aussage "Wichser" und "Arschloch" gegenüber Chef kein wichtiger Kündigungsgrund
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Es stellt nicht zwingend einen wichtigen Kündigungsgrund dar, wenn ein Angestellter seinen Vorgesetzten als "Wichser" und "Arschloch" bezeichnet. Eine Abmahnung kann ausreichend sein, wenn der Vorgesetzte den Angestellten provoziert, unberechtigt kritisiert und ihm unberechtigterweise mit einer Kündigung droht (LAG Mainz, Urt. v. 18.08.2011 - Az.: 2Sa 232/11).
Nicht immer führt die Bezeichnung des eigenen Chefs als "Wichser" und "Arschloch" zur sofortigen außerordentlichen Kündigung des Arbeitsvertrages.
Im vorliegenden Fall hatte der Chef nämlich dem Mitarbeiter zuvor unberechtigt kritisiert und ihm - mittelbar - mit einer Kündigung gedroht, obgleich der Kläger alles richtig gemacht hatte.
In einer solchen Ausnahmesituation seien die Äußerungen des Klägers verständlich und hätten deutlich weniger Gewicht, als wenn zuvor keine solchen Ereignisse stattgefunden hätten. Es habe sich um eine angespannte Lage gehandelt, bei der der Kläger ausfallend geworden sei.
Angesichts dieser Umstände sei eine Abmahnung ausreichend, um das Fehlverhalten des Arbeitsnehmers zu verfolgen. Eine außerordentliche Kündigung sei hingegen unverhältnismäßig.
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12. LAG Mainz: Preisgabe von Informationen ist Arbeitsvertragsverletzung
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Ein Arbeitnehmer, der sich arbeitsvertraglich verpflichtet hat, über ihm im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangte Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren, kann außerordentlich gekündigt werden (LAG Mainz, Urt. v. 16.09.2011 - Az.: 6 Sa 278/11).
Der Kläger hatte - trotz arbeitsvertraglich ausdrücklich vereinbarter Verschwiegenheitspflicht - wiederholt Verbindungsdaten sowie Preise und Produktbilder von Lieferanten seiner Arbeitgeberin, der Beklagten, an eine Drittfirma weitergegeben.
Die Mainzer Richter sahen hierin einen ausreichenden Grund für eine außerordentliche Kündigung. Der Kläger habe wiederholt und nachhaltig gegen seine arbeitsvertragliche Veschwiegenheit verstoßen.
Es wäre für den Arbeitgeber unzumutbar, am Arbeitsvertrag weiter festzuhalten. Daher sei die außerordentliche Beendigung angemessen.
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13. Das angebliche Skandal-Urteil des AG München in P2P-Fällen, das keines ist
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Gerade macht die Pressemitteilung einer Kölner Anwaltskanzlei die Runde, in der ein aktuelles Urteil des AG München (Urt. v. 23.11.2011 - Az.: 142 C 2564/11) in Sachen P2P-Abmahnungen als ein absolutes Fehlurteil bezeichnet wird.
Die Anwälte dieser Kanzlei vertraten in dem Verfahren die Beklagte. Der Beklagtenvertreter wird in der eigenen Pressemitteilung mit den Worten zitiert:
“Aus meiner Sicht handelt es sich um ein eindeutiges Fehlurteil (...).
Wir werden Berufung einlegen und schauen, was das Landgericht München dazu zu sagen hat. Was soll die arme Frau denn noch tun? Ohne W-LAN und ohne Computer kann sie einfach keinen Fehler gemacht haben."
Liest man sich die Entscheidungsgründe im Volltext durch, fällt auf, dass das Urteil meilenweit weg ist von der behaupteten Skandal-Entscheidung.
1. Das Urteil ist sicherlich inhaltlich nicht wirklich überzeugend, es ist aber auch kein Skandalurteil. Denn es ist inzwischen gängige Rechtsprechung, dass es gerade nicht ausreicht, Filesharing-Vorwürfe pauschal zu bestreiten.
2. Anders als behauptet, ist der Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde liegt, keineswegs klar. So wird behauptet, die Beklagte habe keinen Computer und auch keinen WLAN-Router gehabt.
Das größte Problem, und das wird in der Pressemitteilung verschwiegen, sind die Unklarheiten bei einer im Verfahren erwähnten „Box“. So eine Box habe selbst die von der Beklagtenseite als Zeugin angeführte Schwester der Beklagten in der Wohnung gesehen. Im Verfahren ist nicht geklärt worden, um was es sich dabei genau gehandelt hat.
3. Das AG hat einen sachverständigen Zeugen zur Zuverlässigkeit der zur Ermittlung der IP-Adresse verwendeten Software gehört. Für ein AG-Verfahren ist dies in der Praxis deutlich überdurchschnittlich. Auch hat sich das Gericht durchaus mit den technischen Gegebenheiten beschäftigt, etwa mit dem Hash-Wert der Datei und dessen Zuverlässigkeit. Ob die Schlussfolgerungen alle wirklich überzeugend sind, steht auf einem anderen Blatt. In jedem Fall ist die umfangreiche Auseinandersetzung mit der Technik in einem amtsgerichtlichen Verfahren nicht Standard.
4. Zuletzt weist das AG darauf hin, dass Dinge von der Beklagtenseite verspätet vorgetragen und somit nicht mehr berücksichtigt wurden. Auch dies ist gängige Rechtspraxis: Werden Fristen nicht eingehalten oder verzögert sich ein Verfahren durch verspätet vorgelegte Beweismittel, so lehnt ein Gericht diese ab. Auch in einem Berufungsverfahren werden diese Beweise grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt, da sie bereits zum Zeitpunkt der 1. Instanz vorgelegen haben.
Rechtsanwalt Dr. Bahr hat ZDNet dazu inzwischen auch ein Statement gegeben ("Update 13:50").
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14. Ministerpräsidentenkonferenz: 15 Bundesländer beschließen neuen Glücksspiel-Staatsvertrag
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Mit Ausnahme Schleswig-Holsteins haben die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Bundesländer am gestrigen Tage (15. Dezember) in Berlin den geänderten Glücksspielstaatsvertrag unterzeichnet.
Im Bereich der Sportwetten sollen 20 private Wettanbieter für einen Zeitraum von zunächst sieben Jahren länderübergreifende Konzessionen erhalten. Bei den Lotterien bleibt es beim staatlichen Veranstaltungsmonopol. Für Casinospiele einschließlich Poker gilt auch in Zukunft die Begrenzung des Angebots auf die Spielbanken. Die 15 Länder hatten zu Protokoll gegeben, dass die Zuleitung an die Parlamente zur Ratifizierung des Vertrages erst erfolgen soll, wenn eine Notifizierung des Vertrages durch die Europäische Union-Kommission erfolgt ist.
Schleswig-Holstein hat den Staatsvertrag nicht unterschrieben, da es bereits ein eigenes Glücksspielgesetz im Landtag verabschiedet hat. Es tritt am 1. Januar in Kraft. Das Gesetz hält am staatlichen Lottomonopol fest, öffnet den Markt aber privaten Anbietern von Online-Sportwetten, -Poker und auch den Online-Vertrieb von Lotto.
Quelle: Pressemitteilung der Ministerpräsidentenkonferenz v. 15.12.2011
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15. Law-Podcasting: Computerspiel "Battlefield 3“ sammelt rechtswidrig Daten seiner Kunden
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Auf Law-Podcasting.de, dem 1. deutschen Anwalts-Audio-Blog, gibt es heute einen Podcast zum Thema "Computerspiel "Battlefield 3“ sammelt rechtswidrig Daten seiner Kunden".
Inhalt:
Wer sich vor kurzem das neue Computerspiel "Battlefield 3" von Electronic Arts in der PC-Fassung gekauft hat, reibt sich bei der Installation der Software verwundert die Augen. Damit der Nutzer das Game spielen kann, muss er auch der Nutzung der obligatorischen Software "Origin" zustimmen.
Und diese enthält derart massive Verstöße gegen geltendes deutsches Recht, dass einem nur übel werden kann.
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