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Newsletter vom 22.06.2022 |
Betreff: Rechts-Newsletter 25. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BVerfG: Journalisten machen sich nicht strafbar, wenn sie "geleakte" Daten entgegennehmen _____________________________________________________________ Journalisten machen sich nicht strafbar, wenn sie "geleakte" Daten entgegennehmen (BVerfG, Beschl. v. 30.03.2022 - Az.: 1 BvR 2821/16). Hintergrund der Entscheidung des BVerfG war eine im Jahr 2015 eingeführte Strafrechtsnorm, wonach sich Personen strafbar machen können, wenn sie Informationen annehmen, die nicht allgemein zugänglich sind und die ein Dritter durch eine Straftat erlangt hat.
Die Norm lautet:
"§ 202d StGB: Datenhehlerei: Nun ging es bei der Verfassungsbeschwerde darum, ob die Regelung auch dann zur Anwendung kommt, wenn Journalisten "geleakte" Daten entgegennehmen und auswerten. Die Beschwerdeführer sahen durch die Strafrechtsnorm ihre journalistische Tätigkeit gefährdet. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde - formal gesehen - zwar nicht zur Entscheidung an, hat aber wichtige Ausführungen zur Auslegung der Norm getroffen. "Regelmäßig dürfte es bereits an der rechtswidrigen Tat eines anderen (...) fehlen, durch die die Daten erlangt wurden. Handelt es sich bei dem Informanten um einen an sich berechtigten Mitarbeiter des Betroffenen, der auf die übermittelten Daten zugreifen kann, kann sich der Mitarbeiter und Informant durch die Weitergabe der Daten strafbar gemacht haben. Er hätte die Daten aber nicht durch eine rechtswidrige Tat erlangt, da er schon zuvor auf sie zugreifen konnte." Und weiter: "Selbst bei unterstellter Verwirklichung des objektiven Tatbestandes bestehen (...) erhebliche Zweifel daran, dass der subjektive Tatbestand der Datenhehlerei erfüllt sein könnte. Zunächst ist fraglich, ob sich aus den Ausführungen der Beschwerdeführer zu den von ihnen gebildeten Beispielfällen überhaupt ein bedingter Vorsatz des Handelnden im Hinblick auf die rechtswidrige Vortat ergibt. Der Gesetzesbegründung nach reicht das Bewusstsein, dass die Daten aus irgendeiner rechtswidrigen Tat stammen, nicht aus (BT-Drucks 18/5088, S. 47). Und: "Die von den Beschwerdeführern monierte abschreckende und eingriffsäquivalente Wirkung der angegriffenen Normen, die eine „Aura des vielleicht Strafbaren“ umgebe, lässt sich nach dem Obenstehenden nicht nachvollziehen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. BGH: Grundpreis muss in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben werden _____________________________________________________________ Der BGH hat entschieden, dass der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises angegeben werden muss (BGH, Urt. v. 19.05.2022 - Az.: I ZR 69/21).
Die amtlichen Leitsätze lauten:
"a). § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV geht mit seiner Forderung, den Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben, nicht über die Mindestharmonisierung der Richtlinie 98/6/EG hinaus. § 2 Abs. 1 Satz 1 PAnGV konkretisiert damit lediglich das Erfordernis der klaren Erkennbarkeit des Grundpreises aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 98/6/EG. Bedeutet im Klartext: 1. Anders als teilweise von den Instanzgerichten vertreten, ist die PAngVO diesbzgl. wirksam und konkretisiert nur die europarechtlichen Vorgaben. Von mehreren Gerichten war nämlich bislang die Meinung vertreten worden, dass das Merkmal der räumlichen Nähe nicht erforderlich ist. Diesem Standpunkt erteilen die Karlsruher Richter nun eine klare Absage. 2. Der Grundpreis muss in unmittelbarer Nähe zum Verkaufspreis platziert werden, sodass er zusammen mit dem konkreten Einzelpreis auf einen Blick wahrgenommen werden kann.
3. Die zum 28.05.2022 in Kraft getretenen Neuerungen in der PAngVO ändern nichts an dieser Verpflichtung. Der BGH erwähnt dies in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich:
"Nichts Anderes gilt für die am 28. Mai 2022 in Kraft tretende Neuregelung der Verpflichtung zur Grundpreisangabe in § 4 Abs. 1 Satz 1 PAngV, die zwar nicht mehr das Erfordernis einer Grundpreisangabe "in unmittelbarer Nähe” des Verkaufspreises enthält, wohl aber nach wie vor das - im Wortlaut der Richtlinie ebenso wenig enthaltene - Erfordernis, dass der Grundpreis "neben" dem Gesamtpreis genannt wird, das nicht nur im Sinne von "zusätzlich", sondern darüber hinaus im Sinne von "nebeneinander" verstanden werden kann. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. BGH: "Wittenberger Sau" ist keine Persönlichkeitsverletzung und muss nicht entfernt werden _____________________________________________________________ Der unter anderem für das allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das an der Außenfassade der Wittenberger Stadtkirche angebrachte Sandsteinrelief - die "Wittenberger Sau" - nicht entfernt werden muss.
Sachverhalt: Ein ebenfalls durch seinen Hut als Jude zu identifizierender Mensch hebt den Schwanz der Sau und blickt ihr in den After. Im Jahr 1570 wurde in Anlehnung an zwei von Martin Luther 1543 veröffentlichte antijudaistische Schriften über der Sau die Inschrift "Rabini Schem Ha Mphoras" angebracht. Im Jahr 1983 entschied der Gemeindekirchenrat im Rahmen von Sanierungsarbeiten an der Stadtkirche, das Relief an seinem Ort zu belassen und ebenfalls zu sanieren. Am 11. November 1988 wurde unter dem Relief eine in Bronze gegossene quadratische Bodenreliefplatte mit einer Inschrift eingeweiht. Der Text der Inschrift lautet: "Gottes eigentlicher Name, der geschmähte Schem Ha Mphoras, den die Juden vor den Christen fast unsagbar heilig hielten, starb in 6 Millionen Juden unter einem Kreuzeszeichen". In Hebräischer Schrift ist darüber hinaus der Beginn von Psalm 130 wiedergegeben, der – übersetzt - lautet: "Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir". Auf einem in unmittelbarer Nähe angebrachten Schrägaufsteller heißt es unter der Überschrift "Mahnmal an der Stadtkirche Wittenberg": "An der Südostecke der Stadtkirche Wittenberg befindet sich seit etwa 1290 ein Hohn- und Spottbild auf die jüdische Religion. Schmähplastiken dieser Art, die Juden in Verbindung mit Schweinen zeigen - Tiere, die im Judentum als unrein gelten - waren besonders im Mittelalter verbreitet. Es existieren noch etwa fünfzig derartige Bildwerke. Judenverfolgungen fanden in Sachsen Anfang des 14. Jahrhunderts und 1440 statt, 1536 wurde Juden der Aufenthalt in Sachsen grundsätzlich verboten. Martin Luther veröffentlichte 1543 die antijudaistischen Schriften "Von den Juden und ihren Lügen" und "Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi", auf die sich die Inschrift der Schmähplastik bezieht. Sie wurde 1570 angebracht wie der lateinische Text an der Traufe, der die von Martin Luther angestoßene Reformation mit der Tempelreinigung Jesu (Matthäus 21) gleichsetzt und gegen "Papisten" polemisiert. Das Mahnmal unterhalb der Schmähplastik wurde im November 1988 enthüllt, fünfzig Jahre nach dem Beginn der Judenpogrome im nationalsozialistisch beherrschten Deutschland. Die in Bronze gegossene Bodenplatte zeigt vier gegeneinander verkippte Trittplatten, die aussehen, als seien sie in morastigem Untergrund verlegt. Die Fugen ergeben ein Kreuzeszeichen. Der umlaufende Text verbindet die Inschrift der Schmähplastik mit dem Holocaust: "Gottes eigentlicher Name / der geschmähte Schem Ha Mphoras / den die Juden vor den Christen / fast unsagbar heilig hielten / starb in sechs Millionen Juden / unter einem Kreuzeszeichen." Dazu steht in hebräischer Schrift der Beginn von Psalm 130: "Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir". Die Bronzeplatte entwarf der Bildhauer Wieland Schmiedel. Die Umschrift verfasste der Schriftsteller Jürgen Rennert." Der Kläger ist Jude und Mitglied einer jüdischen Gemeinde in Deutschland. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten in erster Linie die Entfernung des Sandsteinreliefs; für den Fall, dass der Beklagten dies aus Denkmalschutzgründen nicht möglich sein sollte, begehrt er hilfsweise die Feststellung, dass das Relief den objektiven und subjektiven Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB erfülle.
Bisheriger Prozessverlauf:
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Zwar wies das Relief jedenfalls bis zur Verlegung der in Bronze gegossenen Bodenreliefplatte am 11. November 1988 einen das jüdische Volk und seine Religion massiv diffamierenden Aussagegehalt auf und brachte Judenfeindlichkeit und Hass zum Ausdruck. Es diente zur Zeit seiner Entstehung und auch noch im 16. Jahrhundert, als es durch die Inschrift "Rabini Schem Ha Mphoras" ergänzt wurde, dazu, Juden verächtlich zu machen, zu verhöhnen und auszugrenzen. Das Schwein gilt im Judentum bekanntlich als unrein; in der christlichen Kunst des Mittelalters verkörpert es den Teufel. Den diffamierenden Aussagegehalt hatte das Relief jedenfalls auch noch bis zur Verlegung der Bronzeplatte. Der Kläger ist auch aktivlegitimiert; er ist berechtigt, den Aussagegehalt des Reliefs gerichtlich zu beanstanden. Isoliert betrachtet verhöhnt und verunglimpft das Relief das Judentum als Ganzes. Durch eine solche Darstellung wird unmittelbar auch der Geltungs- und Achtungsanspruch eines jeden in Deutschland lebenden Juden angegriffen. Denn diese Personengruppe ist durch den nationalsozialistischen Völkermord zu einer Einheit verbunden, die sie aus der Allgemeinheit hervortreten lässt. Die in dem beanstandeten Relief jedenfalls bis zur Verlegung der Bronzeplatte zum Ausdruck kommende diffamierende Aussage ist der Beklagten zuzurechnen. Dabei konnte offenbleiben, ob dies allein deshalb der Fall ist, weil die Beklagte das Relief nicht von der Fassade ihres Kirchengebäudes entfernt hat. Denn die Beklagte hat sich durch ihren Gemeindekirchenrat im Jahr 1983 entschieden, das Relief im Rahmen von Sanierungsarbeiten an der Stadtkirche an seinem Ort zu belassen und zu sanieren. Die Beklagte hat den jedenfalls bis zum 11. November 1988 bestehenden rechtsverletzenden Zustand aber dadurch beseitigt, dass sie unter dem Relief eine nach den örtlichen Verhältnissen nicht zu übersehende, in Bronze gegossene Bodenplatte mit der oben dargestellten Inschrift enthüllt und in unmittelbarer Nähe dazu einen Schrägaufsteller mit der Überschrift "Mahnmal an der Stadtkirche Wittenberg" angebracht hat, der den historischen Hintergrund des Reliefs und die Bronzeplatte näher erläutert. Aus der maßgeblichen Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Betrachters hat sie das bis dahin als Schmähung von Juden zu qualifizierende Sandsteinrelief - das "Schandmal" - in ein Mahnmal zum Zwecke des Gedenkens und der Erinnerung an die jahrhundertelange Diskriminierung und Verfolgung von Juden bis hin zur Shoah umgewandelt und sich von der diffamierenden und judenfeindlichen Aussage - wie sie im Relief bei isolierter Betrachtung zum Ausdruck kommt - distanziert. Anders als der Kläger meint, kann der von dem Sandsteinrelief ausgehende rechtsverletzende Zustand nicht allein durch Entfernung des Reliefs beseitigt werden. Auch wenn das Relief von Anfang an und immer nur der Diffamierung und Verunglimpfung von Juden diente und kaum eine bildliche Darstellung denkbar ist, die in höherem Maße im Widerspruch zur Rechtsordnung steht, gebietet die Rechtsordnung nicht seine Beseitigung. Vielmehr bestand mehr als diese eine Möglichkeit, die von ihm ausgehende rechtswidrige Beeinträchtigung für die Zukunft abzustellen. Die Umwandlung des "Schandmals" in ein Mahnmal und in ein Zeugnis für die Jahrhunderte währende judenfeindliche Geisteshaltung der christlichen Kirche ist eine der Möglichkeiten, den rechtsverletzenden Aussagegehalt zu beseitigen. Aber auch wenn man annähme, die Beklagte habe sich durch die Enthüllung der in Bronze gegossenen Bodenplatte und die Aufstellung des Schrägaufstellers noch nicht hinreichend von der im Relief bei isolierter Betrachtung zum Ausdruck kommenden Aussage distanziert, könnte der Kläger nicht die - allein begehrte - Entfernung des beanstandeten Sandsteinreliefs verlangen. Bestehen, wie im Streitfall, mehrere Möglichkeiten, eine rechtswidrige Beeinträchtigung für die Zukunft abzustellen, muss es dem Schuldner überlassen bleiben, wie er den Störungszustand beseitigt.
Vorinstanzen:
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 14.06.2022
Die Beklagte war Kundin bei der Klägerin, einem Telekommunikations-Unternehmen. Es kam hinsichtlich bestimmter Forderungen zwischen den Parteien zum Streit. Die Firma meldete unberechtigt bestimmte Forderungen an die SCHUFA. Die Kundin verlangte daraufhin einen DSGVO-Schadensersatz iHv. 6.000,- EUR, da ihre Hausbank wegen der SCHUFA-Einträge Kreditverhandlungen abgebrochen hätte.
Das OLG Koblenz sprach der Betroffenen eine Entgelt iHv. nur 500,- EUR zu. Der geltend gemachte Betrag von 6.000,- EUR sei hingegen gänzlich überzogen:
"Die Beklagte hat (...) vorgetragen und durch das Zeugnis eines Bankmitarbeiters unter Beweis gestellt, dass sich der unberechtigte Negativeintrag bei der SCHUFA konkret dergestalt ausgewirkt habe, dass ihre Hausbank am 26.03.2020 die Kreditverhandlungen mit der Begründung eingestellt habe, der Gewährung des Kredits stehe derzeit ein Negativ-Eintrag bei der SCHUFA entgegen. Weiter hat sie dargelegt, dass die Kreditzusage unter dem 29.12.2020 nur unter dem Vorbehalt erteilt worden sei, dass der – Ende des Jahres 2020 immer noch vorhandene – Negativeintrag bei der SCHUFA erledigt würde. (...) Und weiter: "Die Höhe des Anspruchs auf materiellen Schadensersatz ist mit dem von der Beklagten im Rahmen der offenen Teilklage geltend gemachten Betrag von 6.000 € jedoch nach Maßgabe des § 287 ZPO gänzlich überzogen. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 5. OLG München: Irreführende Online-Reklame mit firmeneigenem Bio-Siegel _____________________________________________________________ Die Online-Werbung mit einem firmeneigenen Bio-Zeichen ist irreführend, wenn damit der Eindruck erweckt wird, dass es sich um ein offizielles Gütesiegel handelt (OLG München, Urt. v. 09.12.2021 - Az.: 6 U 1973/21). Die Beklagte bot online auf ihrer Webseite u.a. Kräutertees an und benutzte dabei ein selbst hergestelltes Grafik-Logo. In einem Werbeflyer erläuterte sie, dass das Logo alle Vorgaben aus einem ökologischen Anbau gewährleiste und zudem sämtliche Bestandteile labortechnisch überprüft würden. Bei der Benutzung der Grafik auf der Webseite selbst erfolgte diese Erläuterung nicht unmittelbar. Lediglich mittels Mouse-Over wurde der Text "... Bio Qualität" angezeigt. Die 1. Instanz - das LG München I (Urt. v. 26.03.2021 - Az.: 37 O 7730/20) - stufte dies als irreführend ein. Dieser Ansicht schloss sich nun auch das OLG München an.
Denn durch diese Art der Anpreisung werde der Eindruck erweckt, dass es sich um ein Gütesiegel handele, das ein unabhängiger Dritter objektiv und nach sachlichen Kriterien vergeben habe. In Wahrheit handle es sich jedoch um eine firmeneigene Auszeichnung:
"Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen das streitgegenständliche Bio-Logo hier nicht als firmeneigenes Logo, sondern als Zeichen dafür, dass ein Dritter das Produkt nach bestimmten Anforderungen geprüft hat. Daher liege eine Irreführung des Verbrauchers vor, der einen Wettbewerbsverstoß begründe, so die Richter. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OVG Münster: Standardmäßige Abfrage der Postanschrift des Antragstellers bei IFG-Antrag über "fragdenstaat.de" unzulässig _____________________________________________________________ Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) darf nicht standardmäßig die Angabe der Postanschrift des Antragstellers verlangen, der über die Internetplattform „fragdenstaat.de“ einen Antrag auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) stellt. Dies hat das Oberverwaltungsgericht mit heute verkündetem Urteil entschieden und die vorangegangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln geändert. Ein Bürger stellte mittels einer von der Internetplattform „fragdenstaat.de“ generierten, nicht personalisierten E-Mail-Adresse beim BMI einen Auskunftsantrag nach dem IFG. Das Ministerium forderte ihn dazu auf, seine Postanschrift mitzuteilen, da andernfalls der verfahrensbeendende Verwaltungsakt nicht bekanntgegeben und das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könne. Aufgrund dessen sprach der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) eine datenschutzrechtliche Verwarnung gegenüber dem BMI aus. Das Verwaltungsgericht Köln gab der dagegen gerichteten Klage des BMI statt und hob die Verwarnung auf. Die Berufung des BfDI hatte nun Erfolg. Zur Begründung hat der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Die Verwarnung des Ministeriums durch den BfDI ist rechtmäßig. Die Erhebung der Postanschrift war im Zeitpunkt der Datenverarbeitung für die vom BMI verfolgten Zwecke nicht erforderlich. Weder aus den maßgeblichen Vorschriften des IFG noch aus den Grundsätzen des Allgemeinen Verwaltungsrechts geht hervor, dass ein Antrag nach dem IFG stets die Angabe einer Postanschrift erfordert. Anhaltspunkte dafür, dass eine Datenerhebung im vorliegenden Einzelfall erforderlich war, liegen ebenfalls nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. In einem weiteren, auf einem vergleichbaren Sachverhalt beruhenden Verfahren hatten der BfDI und die beigeladene Open Knowledge Foundation, die die Internetplattform „fragdenstaat.de“ betreibt, mit ihren Berufungen hingegen keinen Erfolg. Der BfDI hatte dem BMI die datenschutzrechtliche Anweisung erteilt, in Verfahren nach dem IFG über die vom Antragsteller übermittelten Kontaktdaten hinaus nur noch dann zusätzliche personenbezogene Daten zu verarbeiten, wenn ein Antrag ganz oder teilweise abzulehnen sein wird oder wenn Gebühren zu erheben sind. Wie schon das Verwaltungsgericht Köln hielt auch das Oberverwaltungsgericht mit heute verkündetem Urteil diese Anweisung für rechtswidrig - allerdings aus anderen Gründen: Der streitgegenständliche Bescheid weist jedenfalls einen zu weitreichenden Regelungsgehalt auf, weil er eine Datenverarbeitung auch für die Fälle verbietet, in denen sie ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnte. In diesem Verfahren hat das Oberverwaltungsgericht die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Aktenzeichen: 16 A 857/21 (Verwarnung; I. Instanz: VG Köln 13 K 1190/20), 16 A 858/21 (Anweisung; VG Köln 13 K 1189/20)
Quelle: Pressemitteilung des OVG Münster v. 15.06.2022
Im Oktober 2020 verhängte der Hamburgische Datenschutzbeauftragter wegen massiver DSGVO-Verstöße gegen das bekannte Textilhandelsunternehmen H&M ein Bußgeld iHv. 35,3 Mio. EUR, vgl. unsere Kanzlei-News v. 02.10.2020. Nun verlangten mehrere Dritte, eine Kopie des Bußgeldbescheides zu erhalten und beantragten eine entsprechende Akteneinsicht bei der Behörde. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragter gewährte diese.
Dagegen wehrte sich die betroffene Firma vor Gericht und berief sich dabei auf das Vorliegen von Geschäftsgeheimnissen und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Unternehmen bekam nun vor dem LG Hamburg weitgehend Recht: Bis auf den Abschnitt hinsichtlich der allgemeinen Ausführungen (hier: Zumessung der Geldbuße) dürfe der Bußgeldbescheid nicht an unbeteiligte Dritte ausgehändigt werden.
"Wie der HmbBfDI in dem angefochtenen Bescheid (...) zutreffend ausführt, unterliegen die einzelnen Bestandteile des Bußgeldbescheids (...) für sich bereits dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Betroffenen. Dies betrifft sämtliche in dem Bescheid (...) enthaltenen Unternehmenskennzahlen (insb. Kennzahlen zur Mitarbeiterstruktur, Umsatzzahlen und sonstigen finanziellen Kennziffern) sowie Inhalte zu Arbeitsabläufen- und -organisation, die überwiegend bereits in der dem angegriffenen Bescheid vom 28. Januar 2021 als Anlage 1 beigefügten Fassung des Bußgeldbescheides geschwärzt worden waren.(...)." Und weiter: "Die in dem Bußgeldbescheid (...) enthaltenen Informationen sind inhaltlich überwiegend geeignet, die Markt- und Wettbewerbssituation mittelbar-faktisch zum wirtschaftlichen Nachteil der Betroffenen zu verändern. Daran ändere auch nichts, dass über die Datenschutzverstöße bereits in einer Pressemitteilung publik wurden: "Jedenfalls enthält der Bußgeldbescheid eine Vielzahl an Informationen zu den Verstößen und zu der Berechnung des Bußgeldes und insbesondere zur Einbeziehung der Betroffenen zu 2, die über den Inhalt der Pressemitteilung und auch über die Inhalte der bisherigen Presseberichterstattung, die sich – soweit ersichtlich – auf Vorgänge am Standort der Betroffenen zu 1 in N. beschränkt hat, hinausgehen und daher bei einer – zu erwartenden – Veröffentlichung derselben einen intensiveren Eingriff in die Rechte der Betroffenen darstellen. Der Bußgeldbescheid dürfe daher in Gänze nicht herausgegeben werden. Erlaubt sei einzig, die Weitergabe des Abschnitts zur Zumessung der Geldbußen-Höhe: "Einzig in Betracht kommt eine Teilübermittlung des Bußgeldbescheides vom 30.09.2020 in Bezug auf die Passage „Zumessung der Geldbuße“ auf Bl. 9 unten bis Seite 10, 3. Absatz, 1. Halbsatz „Anknüpfungspunkt ist daher der gesamte Umsatz im Onlinehandel“. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Das LG Hamburg lässt in der Entscheidung auch durchblicken, dass es erhebliche Zweifel an der Rechtskonformität der damaligen Pressemitteilung des Hamburgische Datenschutzbeauftragten hat: "Es kommt nicht darauf an, ob und inwieweit die Pressemitteilung des HmbBfDI überhaupt hätte ergehen dürfen, wogegen unter Berücksichtigung obiger Ausführungen spricht, dass sie einem Grundrechtseingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen dürfte und insoweit regelmäßig der Rechtfertigung durch eine gesetzliche oder verfassungsunmittelbare Ermächtigungsgrundlage bedarf (vgl. insoweit für den Fall einer Pressemitteilung durch die Bundesnetzagentur – OVG Münster, Beschluss vom 17.05.2021 – 13 B 331/21), an welcher es im BDSG an für Pressemitteilungen der Aufsichtsbehörde fehlt (vgl. hierzu Stulz-Herrnstadt/Jeschke: Grenzen der behördlichen Öffentlichkeitsarbeit bei Unternehmensbußgeldern, GRUR-Prax 2021, 499)." Der Fall zeigt einmal mehr, dass die Nennung von Firmen-Namen in behördlichen Pressemitteilungen in Zusammenhang mit DSGVO-Verstößen und sonstigen Bußgeldverfahren nicht selten rechtswidrig ist. Das OVG Münster hatte bereits Mitte 2021 festgestellt, dass die Bundesnetzagentur bei Bußgeldverfahren nicht namentlich über betroffene Firmen berichten darf, vgl. unsere Kanzlei-News v. 28.05.2021. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. VG Osnabrück: Pressemitteilung der StA Osnabrück verletzt Rechte des Bundesministeriums der Justiz _____________________________________________________________ Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts hat nach der heutigen mündlichen Verhandlung der Klage der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das BMJV, insgesamt stattgegeben. Es hat die Rechtswidrigkeit einzelner Äußerungen in der Presseinformation der Staatsanwaltschaft Osnabrück vom 9. September 2021 festgestellt und der Staatsanwaltschaft untersagt, eine bereits dem Spiegel gegenüber getätigte Äußerung, die dort am 10. September 2021 veröffentlicht wurde, künftig zu wiederholen und zu verbreiten. Der genannten Pressearbeit der Staatsanwaltschaft liegt ein Ermittlungsverfahren zugrunde, das gegen Mitarbeiter der Financial Intelligence Unit (FIU) wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt geführt wurde und das die Staatsanwaltschaft dazu veranlasste, einen Durchsuchungsbeschluss unter anderem für das BMJV zu erwirken.
Der von der Klägerin beanstandete Teil der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft lautete:
„Ziel der heutigen Durchsuchungen ist es, den Straftatverdacht und insbesondere individuelle Verantwortlichkeiten weiter aufzuklären. Es soll unter anderem untersucht werden, ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien sowie vorgesetzte Dienststellen in Entscheidungen der FIU eingebunden waren.“ Die beanstandete Äußerung gegenüber dem Spiegel lautete: „So groß ist unser Vertrauen nicht, dass wir glauben, sie würden uns alles freiwillig herausgeben.“ Der Vorsitzende führte zur Begründung des stattgebenden Urteils aus, die in Teilen beanstandete Presseinformation sei rechtswidrig, weil sie unwahre Tatsachenbehauptungen enthalte. Die Presseinformation erwecke insgesamt den Eindruck, es habe tatsächlich eine Durchsuchung in den Räumen des Justizministeriums stattgefunden, was aber unstreitig nicht der Fall gewesen sei. Zwar habe es einen Durchsuchungsbeschluss gegeben, die Staatsanwaltschaft sei am 9. September 2021 auch beim Justizministerium in Berlin vorstellig geworden. Die angeforderten Unterlagen seien jedoch direkt ausgehändigt und sichergestellt worden, ohne dass es zu einer Durchsuchung gekommen sei. Darüber hinaus werde durch die Formulierung der Eindruck erweckt, es werde auch gegen leitende Verantwortliche im Ministerium wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt ermittelt, was ebenso wenig der Fall gewesen sei. Insoweit gehe die Presseinformation auch über den Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses hinaus. Auch die Äußerung der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Spiegel sei rechtswidrig, weil sie eine unwahre Tatsachenbehauptung darstelle. Die Äußerung indiziere die Behauptung, es sei nicht davon auszugehen, dass der Staatsanwaltschaft die benötigten Unterlagen seitens des Justizministeriums freiwillig herausgegeben werden würden bzw. worden seien. Da am Tag der Veröffentlichung dieser Äußerung die (freiwillige) Herausgabe bereits stattgefunden habe, sei die Tatsachenbehauptung keine zulässige sachliche Kritik, sondern schlicht falsch und damit rechtwidrig. Es sei der unzutreffende Anschein erweckt worden, das Justizministerium sei nicht zur Amtshilfe bereit. An die Öffentlichkeit gerichtete Äußerungen der Staatsanwaltschaft – Presseinformationen und sonstige Äußerungen – stellten für die Medien jedoch eine privilegierte Quelle dar, auf die sie sich verlassen könnten, weshalb sie den Tatsachen entsprechen müssten. Die rechtswidrigen medialen Äußerungen der Staatsanwaltschaft schädigten das Ansehen des Justizministeriums und seien geeignet, die Behörde in ihrer Funktion zu beeinträchtigen. Das Urteil (1 A 199/21) ist noch nicht rechtskräftig und kann binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg angefochten werden.
Quelle: Pressemitteilung des VG Osnabrück v. 08.06.2022
Problem des Einsatzes der Software ist der Datentransfer in die USA, die nach der Rechtsprechung des EuGH faktisch kaum mehr möglich ist.
Nun teilt die Datenschutzbehörde mit, dass, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, der Betrieb datenschutzkonform möglich ist. Es geht dabei primär um den Einsatz an hessischen Hochschulen. Die Ausführungen können jedoch auch auf die Privatwirtschaft übertragen werden:
"Seitdem haben die Hochschulen und der HBDI unter Moderation des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (HMWK) nach geeigneten Lösungen gesucht. Hierbei hat die Universität Kassel mit Unterstützung des HBDI ein „Hessisches Modell“ entwickelt, mit dem das Videokonferenzsystem Zoom von den Hochschulen konfiguriert und betrieben werden kann, ohne gegen die Datenschutzvorgaben des Europäischen Gerichtshofs zu verstoßen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. NEU: Webinar mit RA Dr. Bahr "Werbeeinwilligungen 2022" am 28.06.2022 _____________________________________________________________ Am 28.06.2022 gibt es ein Webinar mit RA Dr. Bahr zum Thema "Werbeeinwilligungen 2022 aus rechtlicher und praktischer Sicht (DSGVO und UWG)". Aufgrund der zahlreichen Anfragen hinsichtlich eines Online-Events zum Jahresupdate „Werbeeinwilligungen 2022 nach DSGVO und UWG“, haben wir uns nun dazu entschlossen, das exklusive Business-Seminar zu diesem Thema doch online als Webinar stattfinden zu lassen und nicht, wie ursprünglich geplant, live vor Ort in Hamburg zu sein. Im Fokus stehen dabei - wie bei den bisherigen Veranstaltungen - insbesondere die Entwicklungen des letzten Jahres, die anhand von praktischen Erfahrungen im E-Mail-Marketing und im Telefonmarketing erläutert werden. Im Anschluss an die Vorträge werden in einer offenen Diskussionsrunde die individuellen Fragen der Teilnehmer*innen von den Expert*innen beantwortet.
Nähere Infos und Anmeldung gibt es hier
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