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Newsletter vom 22.12.2021 |
Betreff: Rechts-Newsletter 51. KW / 2021: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. OLG Frankfurt a.M.: Per WhatsApp zugestellter ausländischer Scheidungsantrag in Deutschland nicht wirksam _____________________________________________________________ Die Anerkennung einer ausländischen Ehescheidung setzt die ordnungsgemäße und fristgerechte Zustellung des Scheidungsantrags voraus. Auslandszustellungen können in Deutschland nicht per WhatsApp erfolgen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) wies deshalb mit heute veröffentlichter Entscheidung den Antrag auf Anerkennung eines kanadischen Scheidungsurteils zurück. Der Antragsteller begehrt die Anerkennung eines kanadischen Scheidungsurteils. Die Antragsgegnerin ist Deutsche, der Antragsteller Kanadier. Die Beteiligten hatten in Kanada geheiratet; dort lag auch ihr letzter gemeinsamer Aufenthaltsort, bevor die Antragsgegnerin nach der Trennung nach Deutschland zurückkehrte. Der Antragsteller trägt vor, er habe bei dem zuständigen kanadischen Gericht die Ehescheidung beantragt. Die Zustellung dieses Scheidungsantrags an die Antragsgegnerin sei mit Genehmigung des zuständigen kanadischen Gerichts - über seine kanadische Bevollmächtigte - über den Nachrichtendienst WhatsApp erfolgt. Seine Frau habe daraufhin auch geantwortet, sich aber nicht zur Sache eingelassen. Die Scheidung sei dann ausgesprochen worden und nunmehr rechtskräftig. Das OLG wies den Antrag auf Anerkennung des kanadischen Scheidungsurteils zurück. Es liege ein Anerkennungshindernis vor. Der Scheidungsantrag sei der Antragsgegnerin nicht ordnungsgemäß mitgeteilt worden. Auslandszustellungen könnten in Deutschland nicht per WhatsApp erfolgen. Etwaigen erweiternden Regelungen im Haager Übereinkommen über Zustellung von Schriftstücken im Ausland habe Deutschland widersprochen. Unerheblich sei, dass die Antragsgegnerin tatsächlich von dem Schriftstück Kenntnis erlangt habe und sie rechtzeitig ihre Rechte hätten wahrnehmen können. Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung setze sowohl die rechtzeitige als auch die ordnungsgemäße Zustellung voraus. Unschädlich sei zudem, dass die Antragsgegnerin kein Rechtsmittel gegen das kanadische Scheidungsurteil eingelegt habe. Die Möglichkeit eines Rechtsmittels sei nicht mit der Verteidigung gegen die wirksame Zustellung gleichwertig. Die Antragsgegnerin würde andernfalls eine Tatsacheninstanz verlieren. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.11.2021, Az. 28 VA 1/21
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 14.12.2021
Das verklagte Unternehmen war im Bereich des Online-Coachings tätig. In seinen AGB hatte es nachfolgende Regelung:
"§ 8 Verhalten und Rücksichtnahme Die Vorinstanz, das LG Koblenz (Urt. v. 26.01.2021 - Az.: 3 HK 19/20), stufte dies als rechtswidrig ein, vgl. unsere Kanzlei-News v. 26.04.2021. In der Berufungsinstanz schloss sich nun auch das OLG Koblenz diesem Standpunkt an.
Die betreffende Klausel benachteilige den Kunden einseitig und unangemessen, so die Richter. Denn er werde in seiner freien Meinungsäußerung erheblich beeinträchtigt:
"Bereits durch die Regelung in § 8 S. 1 der AGB (...), wonach das gegenseitige Einvernehmen über eine Bewertung im Internet herbeiführt werden soll, ist der Kunde in der Äußerung seiner Meinung nicht mehr frei. Er muss sich bei jeder Bewertung zunächst über deren Inhalt mit der Beklagten abstimmen. Die Regelung legt zudem keine Kriterien fest, nach denen die Beklagte ihr Einverständnis mit einer Bewertung erklären muss. Das eröffnet der Beklagten die Möglichkeit, jedwede - auch - sachliche Kritik zu unterbinden. Und weiter: "Zudem ist dieser Teil der Klausel auch im Zusammenhang mit dem zweiten Teil der Klausel (...) zu sehen, der noch mehr geeignet ist, die Meinungsfreiheit des Kunden einzuschränken, da die Beklagte danach berechtigt sein soll, eine Vertragsstrafe gegen den Kunden festzusetzen, wenn er auf erste Anforderung eine Bewertung nicht entfernt. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Die Beklagte hat die Berufung nach dem Hinweisbeschluss des OLG Koblenz zurückgenommen, sodass die erstinstanzliche Entscheidung des LG Koblenz rechtskräftig geworden ist. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. OLG Nürnberg: Pop-Up-Disclaimer auf Webseite schließt Haftung nicht aus _____________________________________________________________ Ein Disclaimer in Form eines Pop-Ups, der beim Aufruf einer Webseite erscheint und in dem bestimmte Äußerungen auf der Webseite relativiert werden, ist unwirksam (OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.06.2021 - Az.: 3 U 458/21).
Die Beklagte hatte auf ihrer Webseite bestimmte Äußerungen zur Wirksamkeit ihrer Kältetherapie platziert. Vor Aufruf der Page erschien in einem Pop-Up-Fenster nachfolgender Text:
"Wir weisen Sie darauf hin, dass es sich bei allen von uns dargestellten Methoden der Kältetherapie um Verfahren aus der Erfahrungsmedizin handelt. Als die Klägerin die Beklagte für die Inhalte auf der Webseite verantwortlich machte, berief sich die Schuldnerin auf diesen Disclaimer. Dies stufte das OLG Nürnberg jedoch als nicht ausreichend ein.
Denn nach Wegklicken des Pop-Ups nehme der Hinweistext nicht mehr am Blickfang teile. Vielmehr lese der User nur noch den eigentlichen Text auf der Webseite:
"Zum anderen fehlt eine Zuordnung des Disclaimers zu den Werbeangaben. Sobald der Benutzer der Website des Beklagten diesen als Pop-Up-Fenster vor die Werbung geschalteten „Haftungsausschluss“ schließt, sind ihm gegenüber die wettbewerbswidrigen Aussagen ohne weitere Einschränkung zugänglich. Auch könne der Disclaimer inhaltlich die Haftung nicht ausschließen: "Zum einen ist eine Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht und der vom Werbenden in Anspruch genommene Stand der Wissenschaft bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert ist. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. LG Berlin: Irreführende Online-Werbung mit "Immobilienbewertung in zwei Minuten" und "Immobilienwert Rechner" _____________________________________________________________ Es ist irreführend mit den Werbeaussagen "Immobilienbewertung in zwei Minuten" und "Immobilienwert Rechner" online zu werben, wenn der User nicht unmittelbar die entsprechenden Preis angezeigt bekommt (LG Berlin, Urt. v. 05.10.2021 - Az.: 103 O 69/20). Die Beklagte warb im Internet mit den Aussagen "Immobilienbewertung in zwei Minuten" Nachdem der User alle relevanten Daten auf der Webseite eingegeben hatte, erhielt er die Erklärung, wonach für eine Immobilienbewertung noch weitere Informationen benötigt würden und der Anfragende daher demnächst angerufen werde. Eine weitere Werbung war der Begriff "Immobilienwert Rechner" . Nach Eingabe der erforderlichen Daten waren drei unterschiedliche Preise für wenige Sekunden einsehbar. Das LG Berlin stufte dies als irreführend ein.
1. Werbung "Immobilienbewertung in zwei Minuten":
"Die Schnelligkeit einer Bewertungsdienstleistung ist für den Verbraucher von zentraler Bedeutung, insbesondere im Online-Verkehr. Da hier die Preisermittlung deutlich länger dauere und zudem telefonische Rückfragen Voraussetzung seien, sei die beworbene Zeitangabe objektiv falsch.
2. Werbung "Immobilienwert Rechner":
"Die Bezeichnung „Rechner“ versteht ein hier angesprochener durchschnittlicher Verbraucher grundsätzlich so, dass er unmittelbar nach Angabe der abgefragten Daten ein Ergebnis erhält. Auch insofern kann wiederum auf die Einschätzung der Kammer verwiesen werden, deren Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören. Insbesondere im Internet sind Rechnerprogramme verbreitet, mit denen der Verbraucher Werte oder Beträge unterschiedlichster Art für sich ermitteln kann (z.B. Kosten-, Gebühren-, BMI-, Kalorien- oder Gehaltsrechner). Es sei unzureichend, wenn drei unterschiedliche Ergebnisse nur wenige Sekunden eingeblendet würden: "Die Vorstellung der Verbraucher stimmt nicht mit den wirklichen Verhältnissen überein. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 5. SG Berlin: Jobcenter muss ggü. Betroffener anonyme Anzeige mit beleidigendem Inhalt offenlegen _____________________________________________________________ Das Jobcenter muss einer Leistungsbezieherin vollständige Einsicht in ein anonymes Anzeigenschreiben gewähren, wenn dieses falsche bzw. nicht erweisliche Tatsachen und Pöbeleien enthält. In einem solchen Fall tritt der Schutz des Behördeninformanten hinter das Informationsinteresse der Betroffenen zurück. Im konkreten Fall hatte das Jobcenter der Leistungsbezieherin zwar eine Kopie der Anzeige herausgegeben, jedoch die handschriftlich unter das Schreiben gekrakelte Unterschrift geschwärzt. Zum Fall: Im Herbst 2017 ging bei dem beklagten Berliner Jobcenter ein am Computer gefertigtes Schreiben eines unbekannten Behördeninformanten ein. Unter der Überschrift „Sozialbetrug!“ behauptete der Absender, dass der Vater der Klägerin vor einiger Zeit gestorben sei. Die Klägerin fahre jetzt ein fast neues Auto aus der Erbmasse, obwohl sie Sozialhilfe bzw. „Hartz IV“ beziehe. Sie benötige das Fahrzeug, um ihrer Schwarzarbeit bei diversen Putzstellen nachzugehen. Auch ein Häuschen müsse der Vater hinterlassen haben. Es sei nicht mehr nachvollziehbar, wie diese Frau als Sozialschmarotzerin alles vom Staat bezahlt bekomme und wohl jede Arbeitsstelle umgehe. Es werde gebeten, hier einmal eine genaue Überprüfung einzuleiten. Das Schreiben enthielt keinen Absender. Es war unterzeichnet mit „X Y“ und einer nicht lesbaren handgeschriebenen Unterschrift. Diese Anzeige nahm der Beklagte im Februar 2019 zum Anlass, um vor der Weiterbewilligung der Grundsicherung für Arbeitsuchende Ermittlungen anzustellen. Im Ergebnis stellte sich heraus, dass der Vater der Klägerin – einer 1963 geborenen Berlinerin - zwar tatsächlich gestorben war, sie jedoch nichts geerbt hatte. Ein Auto des Vaters hatte sie schon zu dessen Lebzeiten nutzen dürfen. Letztendlich bewilligte der Beklagte deshalb die begehrten Leistungen. Auf Bitten der Klägerin gewährte der Beklagte Einsicht in die Verwaltungsakte, schwärzte jedoch die Unterschrift unter dem Anzeigeschreiben. Die Klägerin wandte ein, dass sie gegen den Informanten rechtlich vorgehen wolle. Für sie sei dieser anhand der Unterschrift möglicherweise zu erkennen. Ihren Antrag auf ungeschwärzte Akteneinsicht wies der Beklagte mit der Begründung ab, dass in dem Schreiben leistungsrechtlich erhebliche Tatsachen angezeigt worden seien. Deshalb würden die berechtigten Interessen des Informanten an seiner Geheimhaltung überwiegen. So werde sichergestellt, dass vertrauliche Informationen an die öffentliche Verwaltung gegeben werden könnten, ohne dass ein Informant die Offenlegung seiner Identität zu befürchten habe. Mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 8. September 2021 hat die 103. Kammer des Sozialgerichts Berlin (in der Besetzung mit einem Berufsrichter, einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter) der hiergegen erhobenen Klage nach mündlicher Verhandlung stattgegeben und den Beklagten zur Vorlage des ungeschwärzten Schreibens verurteilt. Zwar sei das Jobcenter nicht verpflichtet, Akteneinsicht zu gewähren, wenn Vorgänge wegen der berechtigten Interessen von Personen geheim gehalten werden müssen. Auch die Identität eines Behördeninformanten sei ein grundsätzlich geschütztes Sozialdatum. Das Interesse des betroffenen Leistungsempfängers an der Identität eines Informanten überwiege dessen Geheimhaltungsinteresse jedoch dann, wenn anzunehmen sei, dass der Informant wider besseres Wissen und absichtlich rufschädigend gehandelt hat oder leichtfertig falsche Informationen übermittelt hat. Für die vorzunehmende Interessenabwägung und die Einschätzung der Motivation des Informanten sei im vorliegenden Fall zu bedenken, dass er bewusst selbst den Schutz der Anonymität gewählt habe. Sein Schreiben enthalte zwar einige Informationen, die objektiv gesehen für die Leistungsverwaltung von Relevanz seien. Überwiegend stehe jedoch nicht die sachliche Information im Vordergrund, sondern würden falsche und nicht erweisliche Tatsachen und Pöbeleien verbreitet. Die Bezeichnung der Klägerin als Sozialschmarotzerin sei beleidigend. Die Unterstellung, sie arbeite schwarz, sei rufschädigend. Dem Informanten sei es insoweit nicht mehr um die sachdienliche Benachrichtigung der zuständigen Behörde gegangen, sondern um die Verächtlichmachung der Klägerin. Dies folge insbesondere daraus, dass seine diesbezüglichen Angaben keiner Überprüfung zugänglich gewesen seien. Er habe keine konkreten Arbeitgeber, Einsatzorte und Arbeitszeiten für den Vorwurf der Schwarzarbeit genannt und auch keine Kontaktdaten für Nachfragen hinterlassen. Seine Angaben könnten daher nur als leichtfertige Behauptungen gewertet werden, die in der Absicht gemacht worden seien, die Klägerin zu schädigen. Folglich überwiege das Informationsinteresse der Klägerin. Es sei nicht auszuschließen, dass sie – anders als Außenstehende – einen Bezug zwischen der unleserlichen Unterschrift und dem Informanten herstellen könne. Das Urteil ist rechtskräftig geworden. Anmerkung der Pressestelle: Anders hat das Sozialgericht Berlin in einem rentenrechtlichen Fall entschieden. Dort hatte ein Behördeninformant der Rentenversicherung schriftlich mitgeteilt, dass ein Altersrentenbezieher inzwischen aus Deutschland in ein Fischerdorf an der Costa Blanca in Spanien verzogen sei. Dies stellte sich als wahr heraus, hatte letztendlich aber keine Bedeutung für die Rentenzahlung. Das Gericht hatte keine leichtfertigen rufschädigenden Behauptungen erkennen können und das Geheimhaltungsinteresse des Informanten deshalb höher eingeschätzt als das Auskunftsinteresse des Rentners (vgl. die Pressemitteilung vom 1. Dezember 2016 zu S 9 R 1113/12 WA).
Quelle: Pressemitteilung des SG Berlin v. 17.12.2021
Die Antragstellerin hat kein Rechtsschutzbedürfnis auf die vorläufige Feststellung, dass die Paritätische Stelle des GKV-Spitzenverbandes und des Deutschen Apothekerverbandes nicht berechtigt sei, Sanktionen gegen sie zu verhängen. Ihr droht nämlich kein unzumutbarer, insbesondere kein nicht wiedergutzumachender Nachteil.
Zum Hintergrund: Die in den Niederlanden ansässige Antragstellerin betreibt eine Online-Versand-Apotheke und gewährte ihren Kunden in der Vergangenheit im Rahmen von Treue-Programmen Gutschriften für eingelöste Rezepte. Sie möchte weiterhin derartige Zuwendungen gewähren und damit werben.
Zum Fall: Das Rx-Boni-Verbot würde zudem gegen die im Recht der Europäischen Union verankerte Warenverkehrsfreiheit verstoßen, insbesondere auch im Hinblick auf das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 (Rs. C-148/15) zu § 78 AMG alter Fassung. Der Anteil von EU-Versandapotheken am Markt verschreibungspflichtiger Arzneimittel mache zudem nur 1 % aus, weshalb eine Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts der gesetzlichen Krankenversicherung durch eine Fortsetzung der Boni-Praxis ohnehin ausscheide. Die 208. Kammer des Sozialgerichts Berlin hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 10. Dezember 2014 abgelehnt, da er unzulässig sei. Die Antragstellerin habe kein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für den begehrten vorläufigen Rechtsschutz. Ihr drohten nämlich keine unzumutbaren Nachteile, insbesondere keine nicht wiedergutzumachenden Nachteile. Deshalb könne sie erforderlichenfalls auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden. Die Antragstellerin sei in der Lage, eine etwaige Aussetzung der Berechtigung zur weiteren Versorgung mit Sachleistungen durch die fristgemäße Begleichung einer etwa verhängten Vertragsstrafe von bis zu 250.000 Euro zu verhindern. Denn erst nach Fristablauf könne die Aussetzung als Druckmittel erforderlich sein, um die Zahlung einer Vertragsstrafe durchzusetzen. Dass schon eine solche Vertragsstrafe eine unzumutbare Belastung darstelle, habe die Antragstellerin nicht dargelegt. Aber selbst wenn man die durch Sanktionen drohenden Nachteile als unzumutbar einstufen würde, wäre vorbeugender Rechtsschutz nicht erforderlich, da die Antragstellerin diese auch dadurch abwenden könnte, dass sie auf die Gewährung der umstrittenen Zuwendungen verzichtet. Sie habe nämlich auch nicht glaubhaft gemacht, durch die Einhaltung des Boni-Verbots tatsächlich erhebliche Umsatz- und Gewinneinbußen gehabt zu haben. Zudem sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin durch die Einführung des E-Rezeptes zum 1. Januar 2022 ohnehin nicht unerhebliche Zuwächse bei der Abgabe verordneter Arzneimittel erzielen werde. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Er kann von der Antragstellerin mit der Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg angefochten werden.
Quelle: Pressemitteilung des SG Berlin v. 15.12.2021
Der bei einer externen Firma beschäftigte Antragsteller war seit mehr als zehn Jahren als Kontrollperson für Fracht und Post am Flughafen Köln/Bonn tätig. Die hierfür nach dem Luftsicherheitsgesetz erforderliche Zuverlässigkeitsfeststellung erhielt er von der Bezirksregierung Düsseldorf zuletzt im Jahr 2019. Nachdem diese vom Innenministerium auf entsprechende Aktivitäten des Antragstellers bei Facebook hingewiesen worden war, widerrief sie die Zuverlässigkeitsfeststellung. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage und begehrte im Eilverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, um – jedenfalls vorläufig – weiterhin seiner Berufstätigkeit am Flughafen nachgehen zu können. Diesen Eilantrag hat das Gericht abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass aufgrund einer Gesamtschau der Aktivitäten des Antragstellers auf Facebook hinreichende Zweifel an seinem Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und damit an seiner luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit bestünden. So sei der Antragsteller in rechtsgerichteten szenebekannten Facebook-Gruppen Mitglied und habe dort auch aktiv kommentiert bzw. Memes gepostet. Seine Sympathie zu weiteren Gruppen habe er durch die Angabe „Gefällt mir“ zum Ausdruck gebracht. Bei den fraglichen Gruppen handele es sich um gegen Migration gerichtete, nationalistische und rechtsextreme Gruppen sowie solche mit Reichsbürger-Bezug. Von ihm gepostete Bilder und Kommentare unter szenetypischer Verweisung auf Art. 20 Grundgesetz, in dem u.a. das so genannte Widerstandsrecht statuiert ist, sowie auf den Film „V wie Vendetta“ belegten, dass der Antragsteller gewaltsamen Widerstand gegen den Staat propagiere. Zahlreiche Kommentare diffamierten Politiker und zeigten zudem fremden- und islamfeindliche Bezüge. Gegen den Beschluss können die Beteiligten Beschwerde einlegen, über die das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde. Beschluss vom 14.12.2021, Az. 18 L 1967/21
Quelle: Pressemitteilung des VG Köln v. 14.12.2021
In Schreiben an ihre Bestandskunden warb eine Heizölhändlerin wie folgt:
"Ab einer Mindestbestellmenge von 1.500 Litern Klimaneutralem-Premium-Heizöl, bis zum 15.10.2020, belohnen wir sie mit einem Bonus von 10 €. Wir freuen uns auf ihren Anruf!" Dies beanstandete das LG Konstanz als wettbewerbswidrig.
Denn die Beklagte informiere ihre Kunden nicht in ausreichender Weise darüber, wie die beworbene Klimaneutralität erreicht werde:
"Die Beklagte enthält ihren Bestandskunden eine wesentliche Information im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG vor, indem sie mit dem streitgegenständlichen Schreiben selbst keine Information verbindet, wie die von ihr beworbene Klimaneutralität des Heizöls erreicht wurde. (...) Bei dieser Information handle es sich auch um eine wesentliche: "Die Kunden der Beklagten benötigten (...) die Information darüber, wie die beworbene Klimaneutralität des Heizöls erreicht wurde, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. LG München I: Verbotene Online-Glücksspiel-Werbung für staatliche Lotterie nach GlüStV _____________________________________________________________ Auch wenn im GlüStV 2008 das grundsätzliche Werbeverbot weggefallen ist, ist die Werbung für Glücksspiele weiterhin an dem Gebot der Sachlichkeit auszurichten. Besondere Aufforderungen oder Anreize sind daher zu unterlassen (LG München I, Urt. v. 13.08.2021 - Az.: 33 O 16380/18). Lotto Bayern hatte sowohl auf YouTube als auch auf Facebook umfangreich Videos und Texte für die staatliche Lotterie geschaltet (u.a. über Sportförderungen). Die Klägerin sah darin einen Wettbewerbsverstoß, weil es sich um verbotene Werbung handle. Das LG München I bestätigte diese Ansicht und bejahte eine Rechtsverletzung.
Auch die vorliegende Art der Informationsvermittlung sei als Werbung zu klassifizieren:
"Bei dem streitgegenständlichen Film handelt es sich um Werbung. Zwar sei im GlüStV 2008 das grundsätzliche Werbeverbot aufgehoben worden. Daraus könne jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass nun jede Form der Präsentation erlaubt sei. Vielmehr greife auch weiterhin das Gebot der Sachlichkeit: "Zwar ist zu berücksichtigen, dass durch die Aufhebung des § 5 Abs. 2 GlüStV 2008 (gültig bis zum 30.06.2012), wonach Werbung für Glückspiel nicht gezielt zur Teilnahme am Glückspiel auffordern, anreizen oder ermuntern sollte, zwar geschlossen werden kann, dass etwas weniger strenge Anforderungen als zuvor zu gelten haben (...). Art und Umfang der Werbung für öffentliches Glücksspiel sind aber weiterhin gemäß § 5 Abs. 1 GlüStV 2012 an den - insoweit unveränderten - Zielen des § 1 GlüStV auszurichten. Und weiter: "Werbung des Inhabers eines staatlichen Monopols muss nach diesen Vorschriften maßvoll und eng auf das begrenzt bleiben, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken. Werbung des Inhabers eines staatlichen Monopols darf damit nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird " Hiergegen habe Lotto Bayern verstoßen, so das Gericht.
Hinweis von RA Dr. Bahr: Zum 01.12.2021 ist bekanntlich das TTDSG (= Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz) in Kraft getreten. In § 26 Abs.2 TTDSG wird bestimmt, dass die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die konkreten Anforderungen an den künftigen Markt von Einwilligungsassistenten, sogenannten PIMS (=Personal Information Management Systems), erstellen.
VAUNET teilt nun mit:
"Derzeit arbeitet das BMWi mit Hochdruck an einer TTDSG-Verordnung, die den künftigen Markt von Einwilligungsassistenten, sogenannten PIMS (Personal Information Management Systems), definieren soll. Ungeachtet des Ausgangs der Regierungsbildung möchte das BMWi den Internetnutzer:innen mehr Kontrolle im Bereich ihrer Datenverwendung durch Online-Dienste ermöglichen. Der Einsatz von Datentreuhändern bzw. Einwilligungsassistenten, sog. PIMS, hilft dabei, erteilte Cookie-Einwilligungen zu widerrufen oder aber vertrauenswürdigen Anbietern die Nutzung der eigenen Daten generell zu erlauben – ohne wiederholt auf ein Cookie-Banner klicken zu müssen. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Ob die Verordnung tatsächlich Ende 2022 steht, kann bezweifelt werden.
Schaut man sich nämlich die jahrelange, kontroverse Diskussion zur E-Privacy-Richtlinie an, die bis heute andauert, ist es nicht abwegig zu vermuten, dass auch die Verordnung ein ähnliches Schicksal erledigen könnte.
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