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Newsletter vom 23.12.2009 |
Betreff: Rechts-Newsletter 51. KW / 2009: Kanzlei Dr. Bahr |
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____________________________________________________________ 1. BGH: Keine Löschungspflicht für Online-Archive _____________________________________________________________ Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die wegen Mordes an dem Schauspieler Walter Sedlmayr Verurteilten von Deutschlandradio nicht verlangen können, es zu unterlassen, in dem für Altmeldungen vorgesehenen Teil des Internetauftritts www.dradio.de Mitschriften nicht mehr aktueller Rundfunkbeiträge weiterhin zum Abruf bereitzuhalten, in denen im Zusammenhang mit dem Mord an Walter Sedlmayr der Name der Verurteilten genannt wird. Die Kläger wurden im Jahr 1993 wegen Mordes an dem Schauspieler Walter Sedlmayr zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Sommer 2007 bzw. Januar 2008 wurden sie auf Bewährung entlassen. Sie verlangen von der Beklagten, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts einen Rundfunksender und ein Internetportal betreibt, es zu unterlassen, über sie im Zusammenhang mit der Tat unter voller Namensnennung zu berichten. Die Beklagte hielt auf ihrer Internetseite in der Rubrik "Kalenderblatt" jedenfalls bis ins Jahr 2007 die Mitschrift eines auf den 14. Juli 2000 datierten Beitrags mit dem Titel "Vor 10 Jahren Walter Sedlmayr ermordet" zum freien Abruf durch die Öffentlichkeit bereit. Darin hieß es unter Nennung des Vor- und Zunamens der Kläger wahrheitsgemäß u. a., Sedlmayrs Kompagnon W. und dessen Bruder L. seien 1993 nach einem sechsmonatigen Indizienprozess zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die beiden beteuerten bis heute ihre Unschuld und seien erst in diesem Jahr vor dem Bundesverfassungsgericht mit der Forderung gescheitert, den Prozess wiederaufzurollen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Auf die Revision der Beklagten hat der u. a. für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Zwar liegt in dem Bereithalten der die Kläger identifizierenden Meldung zum Abruf im Internet ein Eingriff in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht. Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig, da im Streitfall das Schutzinteresse der Kläger hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten hat. Die beanstandete Meldung beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Kläger einschließlich ihres Resozialisierungsinteresses unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht in erheblicher Weise. Sie ist insbesondere nicht geeignet, die Kläger "ewig an den Pranger" zu stellen oder in einer Weise "an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren", die sie als Straftäter (wieder) neu stigmatisieren könnte. Sie enthält sachlich abgefasste, wahrheitsgemäße Aussagen über ein Kapitalverbrechen an einem bekannten Schauspieler, das erhebliches öffentliches Aufsehen erregt hatte. Angesichts der Schwere des Verbrechens, der Bekanntheit des Opfers, des erheblichen Aufsehens, das die Tat in der Öffentlichkeit erregt hatte und des Umstands, dass sich die Verurteilten bis weit über das Jahr 2000 hinaus um die Aufhebung ihrer Verurteilung bemüht hatten, war die Mitteilung zum Zeitpunkt ihrer Einstellung in den Internetauftritt der Beklagten zulässig. Hieran hat sich trotz der zwischenzeitlich erfolgten Entlassung der Kläger aus der Haft nichts geändert. Der Meldung kam nur eine geringe Breitenwirkung zu. Sie war nur auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten des Internetauftritts der Beklagten zugänglich, ausdrücklich als Altmeldung gekennzeichnet und nur durch gezielte Suche auffindbar. Zu berücksichtigen war darüber hinaus, dass ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen, sondern auch an der Möglichkeit besteht, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren. Das von den Klägern begehrte Verbot hätte einen abschreckenden Effekt auf den Gebrauch der Meinungs- und Medienfreiheit, der den freien Informations- und Kommunikationsprozess einschnüren würde. Würde auch das weitere Bereithalten ausdrücklich als solcher gekennzeichneter und im Zeitpunkt der Einstellung zulässiger Altmeldungen auf dafür vorgesehenen Seiten zum Abruf im Internet nach Ablauf einer gewissen Zeit oder nach Veränderung der zugrunde liegenden Umstände ohne weiteres unzulässig und wäre die Beklagte verpflichtet, von sich aus sämtliche archivierten Hörfunkbeiträge immer wieder auf ihre Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, würde die Meinungs- und Medienfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt. Angesichts des mit einer derartigen Kontrolle verbundenen personellen und zeitlichen Aufwands bestünde die Gefahr, dass die Beklagte entweder ganz von einer der Öffentlichkeit zugänglichen Archivierung absehen oder bereits bei der erstmaligen Sendung die Umstände ausklammern würde, die wie vorliegend der Name des Straftäters die Mitschrift der Sendung später rechtswidrig werden lassen könnten, an deren Mitteilung die Öffentlichkeit aber im Zeitpunkt der erstmaligen Berichterstattung ein schützenswertes Interesse hat. Urteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08 und VI ZR 228/08
"Der Antragsgegner (...) hat sich offenbar mit einer allgemein gehaltenen Zusicherung des Veräußerers begnügt. Das reicht nicht aus. Dabei hätten die Antragsgegner die gekauften Adressen nicht ohne weiteres einzeln telefonisch auf eine Einwilligung des Betreffenden überprüfen müssen (...). Die aktuelle Entscheidung liegt auf einer Linie mit den Urteilen des LG Traunstein (Urt. v. 20.05.2008 - Az.: 7 O 318/08) und AG Düsseldorf (Urt. v. 21.04.2006 - Az.: 31 C 1363/06), die beide ebenfalls eine Haftung bejahen. Siehe dazu auch unseren Law-Vodcast "Sorgfaltspflichten beim Kauf von Adressdaten". zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Hamburg: Vorhalten eines Artikels in Online-Archiv ist rechtswidrig _____________________________________________________________ Es ging wieder einmal vor dem OLG Hamburg (Urt. v. 17.11.2009 - Az.: 7 U 62/09) um die Frage, was höher zu bewerten ist: Das Resozialisierungsinteresse eines aus der Haft entlassenen Straftäters? Oder das Recht der Presse auf freie Berichterstattung? Die Hamburger Richter bejahten einen Löschungsanspruch hinsichtlich eines Artikels aus dem Jahre 2005, in dem der Kläger namentlich genannt wurde. Auch nach der Entlassung des Klägers aus der Haft im Jahre 2007 hielt die Beklagte den Bericht in ihrem Online-Archiv zum Abruf bereit. Damit verletze sie das Resozialisierungsinteresse des Klägers. Das öffentliche Informationsinteresse an Straftaten und Tätern nehme grundsätzlich mit der Verurteilung ab und trete immer mehr in den Hintergrund, je mehr Strafe verbüßt sei. Insbesondere behindere die namentliche Nennung des Klägers seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Hinweis von RA Dr. Bahr: Achtung! Auch wenn die Entscheidung des OLG Hamburg erst von Mitte November 2009 stammt, sie ist nicht mehr aktuell! Der BGH hat vor wenigen Tagen (Urteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08 und VI ZR 228/08) geurteilt, dass das Recht der Presse auf freie Berichterstattung überwiegt. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Beklagte entweder ganz von einer der Öffentlichkeit zugänglichen Archivierung absehe oder bereits bei der erstmaligen Sendung die Umstände ausklammern würde, die - wie vorliegend der Name des Straftäters - die Mitschrift der Sendung später rechtswidrig werden lassen könnten, an deren Mitteilung die Öffentlichkeit aber im Zeitpunkt der erstmaligen Berichterstattung ein schützenswertes Interesse habe. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 5. OLG Hamm: Kerngleiche Verstöße bei strafbewehrter Unterlassungserklärung _____________________________________________________________ Das OLG Hamm (Urt. v. 05.11.2009 - Az.: 4 U 125/09) hatte über den Umfang einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu entscheiden. In einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verpflichtete sich die Beklagte, folgende Werbeaussage zu tätigen: "...durch positive Testergebnisse von Stiftung Warentest bestätigt bietet T hier eine Auswahl an Matratzen, die nachweislich hervorragenden Liegekomfort und perfekte Unterstützung bieten." Nur kurze Zeit später warb sie dann wie folgt: "T bietet eine Auswahl Matratzen an, die hervorragenden Liegekomfort und perfekte Unterstützung bieten". Die Klägerin meinte, hiermit verstoße die Beklagte gegen die abgegebene Unterlassungserklärung und forderte 5.100,- EUR als Vertragsstrafe ein. Zu Unrecht wie die Hammer Richter nun entschieden. Denn es liege kein Verstoß gegen die Unterlassungserklärung ab. Eine kerngleiche Verletzung sei nicht erkennbar. Die ursprüngliche verwendete Aussage beziehe sich auf das Testergebnis der Stiftung Warentest und verwende dabei zudem das Wort "nachweislich". Dies sei bei der aktuellen Form gänzlich anders: Hierbei handle es sich um eine im geschäftlichen Verkehr übliche Produktanpreisung, ohne jeden Bezug zu einem Nachweis oder zu einem Testergebnis der Stiftung Warentest. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OLG Köln: DSL-Werbung von Unitymedia rechtswidrig _____________________________________________________________ Das Oberlandesgericht Köln hat dem Kabelnetzbetreiber Unitymedia Hessen GmbH & Co KG mit einem heute verkündeten Urteil bestimmte Werbeaussagen verboten. In einem Faltblatt hatte Unitymedia im Februar 2008 mit Testergebnissen geworben, die zuvor in Computerzeitschriften publiziert worden waren, wie zum Beispiel "Computer Bild hat gemessen: Im Deutschland-Durchschnitt und über alle Anschluss-Geschwindigkeiten (DSL 2.000, 6.000 und 16.000) hinweg liegt Unitymedia vorn" oder "In unserem Test hatten die Kabelbetreiber neben den günstigsten Preisen auch die schnellsten Leitungen." Die Deutsche Telekom AG, die ebenfalls Internetzugangsdienstleistungen anbietet, hatte die genannten und weitere Werbeaussagen als irreführend beanstandet und auf Unterlassung geklagt. Der Telekom wurde im Berufungsverfahren jetzt überwiegend Recht gegeben. Die Werbeaussage "Im Deutschland-Durchschnitt und über alle Anschluss-Geschwindigkeiten (DSL 2000, 6000 und 16.000) hinweg liegt Unitymedia vorn" sei irreführend, weil dem Verbraucher entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten eine überregionale Verfügbarkeit des Angebots und ein Spitzenplatz gerade der Unitymedia Hessen bei allen Anschlussgeschwindigkeiten suggeriert werde. Wer sein Angebot auf einige örtlich begrenzte Ballungsräume beschränke, könne nicht den Spitzenplatz im Deutschland-Durchschnitt für sich beanspruchen, zumal es gerade im ländlichen Bereich wegen größerer Entfernungen schwieriger sei, hohe DSL-Übertragungsgeschwindigkeiten zu erzielen. Auch die weitere Aussage, wonach die Kabelbetreiber neben den günstigsten Preisen auch die schnellsten Leitungen haben, sei als isoliertes Zitat aus dem Testergebnis irreführend: Untiymedia habe im Test unter keinem Gesichtspunkt zu den Anbietern mit den "schnellsten Leitungen" gehört, sondern habe sich in der Rubrik "Geschwindigkeit" mit den Ergebnissen ihres Produkts eher im Mittelfeld der Anbieter von "DSL-Alternativen" bewegt. Als irreführend beanstandete der Zivilsenat schließlich auch die Aussage: "Nicht nur preislich, auch technisch bietet Internet übers TV-Kabel einige Vorteile: So sind die Reaktionszeiten (Ping) deutlich fixer, was Online-Gamern und Ebay-Nutzern Vorteile bringt." Damit werde zumindest bei einem Teil der durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher den unzutreffende Eindruck erweckt, das Produkt der "Internet übers TV-Kabel" anbietenden Unitymedia sei "fixer" als die Produkte aller getesteten Konkurrenten. Dies sei aber schon deshalb nicht richtig, weil 3 Wettbewerber bessere "Ping"-Werte erzielt hätten. Die Revision gegen das heutige Urteil wurde vom Senat nicht zugelassen; beide Parteien können allerdings binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erheben. Urteil vom 18.12.2009, Az.: 6 U 90/09 Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 18.12.2009 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. VGH Mannheim: Staatliches Sportwettenmonopol in Baden-Württemberg mit Grundgesetz und Europarecht vereinbar _____________________________________________________________ Das Regierungspräsidium hatte den Betrieb von Wettbüros in Mannheim und Pforzheim untersagt, in denen Sportwetten von in Malta und Gibraltar ansässigen Wettanbietern vermittelt wurden. Die Klagen der Inhaber der Wettbüros wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe ab. Die Berufung der Kläger blieb vor dem VGH erfolglos. Nach dem am 01.01.2008 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag ist die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten ohne die erforderliche Erlaubnis nicht zulässig. Eine solche Erlaubnis kann für private Betreiber und für die Vermittlung von Wetten privater Anbieter nicht erteilt werden. Das dadurch begründete staatliche Sportwettenmonopol ist so der VGH rechtmäßig. Das Land Baden-Württemberg habe mit dem Glücksspielstaatsvertrag die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Sportwettenurteil vom 28.03.2006 aufgestellten Anforderungen für eine verfassungsgemäße Neuregelung umgesetzt. Das Sportwettenmonopol sei in seiner rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung konsequent am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet. Der damit verbundene Eingriff in die grundgesetzlich gewährleistete Berufsfreiheit der Kläger sei daher rechtmäßig. Mit der gesetzlichen Regelung sei keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Arten des Glücksspiels verbunden. Das Sportwettenmonopol sei auch mit der europarechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit vereinbar. Ein Mitgliedstaat der Europäischen Union dürfe aus Gründen des Verbraucherschutzes, der Betrugsvorbeugung und des Schutzes der Sozialordnung ein Sportwettenmonopol vorsehen. Die damit verbundenen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit seien rechtmäßig, weil sie wirklich dem Ziel dienten, die Gelegenheit zum Glücksspiel zu vermindern. Schließlich verstoße das Monopol für Sportwetten in Baden-Württemberg nicht gegen das europäische Wettbewerbsrecht. Der VGH hat - nach Urteilen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Dezember 2008 - mit diesen Urteilen als erstes Oberverwaltungsgericht in Deutschland in Hauptsacheverfahren zur Rechtmäßigkeit des durch den Glücksspielstaatsvertrag begründeten Sportwettenmonopols nach Ablauf der Übergangsfristen zum 31.12.2008 entschieden. Er hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen (Az.: 6 S 570/07, 6 S 1110/07, 6 S 1511/07). Quelle: Pressemitteilung des VGH Mannheim v. 10.12.2009 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. OLG Oldenburg: Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen i.H.v. 1.100 EUR unzureichend _____________________________________________________________ Das OLG Oldenburg hat noch einmal bekräftigt, dass nur eine entsprechend hohe Vertragsstrafe die Wiederholungsgefahr ausschließt (OLG Oldenburg, Beschl. v. 12.08.2009 - Az.: 1 W 37/09). Wegen einer Wettbewerbsverletzung verlangte der Kläger die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe von 5.100,- EUR. Der Beklagte gab zwar die Erklärung ab, jedoch nur mit einer Vertragsstrafe iHv. 1.100,- EUR. Dies sei unzureichend, so die Oldenburger Richter. Eine solch niedrige Summe schließe nicht die Wiederholungsgefahr aus, denn die Höhe habe keine ausreichende abschreckende Wirkung. Ähnlich erst vor kurzem das LG Hamburg (Urt. v. 02.10.2009 - Az. 310 O 281/09), das die Formulierung "Überprüfung durch das Amtsgericht" als unwirksam ansieht, da hierdurch der Anspruch auf maximal 5.000,- EUR begrenzt wird. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. VG Berlin: Herausgabe von Stasi-Unterlagen durch Bundesbeauftragte unzulässig _____________________________________________________________ Die Herausgabe von Stasi-Unterlagen über den Berliner Landesvorsitzenden des Humanistischen Verbandes, Dr. Bruno Osuch, durch die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) war unzulässig. Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Berlin heute einer Klage stattgegeben. Auf Antrag gab die BStU im März 2009 an mehrere Journalisten Kopien aus Stasiunterlagen, darunter 27 Blatt mit personenbezogenen Angaben zum Kläger, heraus. Hintergrund war die Annahme der Behörde, der Kläger, ein früheres Mitglied der DKP und der SEW, sei in dem MfS-Vorgang der „Gruppe Ralf Forster“ (auch „Gruppe Aktion“ genannt) erfasst. Bei dieser Gruppierung habe es sich um eine Auswahl von als besonders verlässlich angesehen Mitgliedern der DKP gehandelt, die durch spezielle Schulungen bzw. Ausbildungen auf militärische Aufgaben in der Bundesrepublik Deutschland vorbereitet werden sollten. Ziel dieser Gruppe sei die Begehung schwerer Straftaten, etwa einer Agententätigkeit zu Sabotagezwecken, gewesen; der Kläger sei nach den archivrechtlichen Grundsätzen des Stasi-Unterlagengesetzes (StUG) als sog. Begünstigter einzuordnen. Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts folgte dieser Einschätzung nicht. Der Kläger sei von der Behörde zu Unrecht als „Begünstigter“ des Staatssicherheitsdienstes eingestuft worden. Zwar sei davon auszugehen, dass die in den Sicherungsvorgang „Gruppe Aktion“ gelangten Personen dort bewusst und gezielt erfasst worden seien. Es gebe aber keinen hinreichenden Beleg in den Stasiakten darüber, dass der Kläger selbst mit Wissen, Duldung oder Unterstützung des MfS Straftaten gefördert, vorbereitet oder begangen habe. Die Aussage in den Akten, der Einsatz des Klägers „zur Lösung spezieller Aufgaben“ solle kurzfristig erfolgen, reiche hierfür nicht aus. Weder sei dokumentiert, dass der Kläger überhaupt davon gewusst habe, dass er der „Gruppe Ralf Forster“ zugerechnet worden sei, noch gebe es Anhaltspunkte dafür, dass er an Aktivitäten dieser Gruppe - etwa an Ausbildungsmaßnahmen in der DDR - teilgenommen oder diese unterstützt und sich damit wegen einer Agententätigkeit zu Sabotagezwecken strafbar gemacht habe. Die erschlossenen Stasiakten könnten auch so gedeutet werden, dass der Kläger zwar von bestimmten DKP-Kreisen und dem MfS wegen seiner damaligen DKP-Zugehörigkeit als Mitglied der Gruppe ausgewählt worden sei, er davon aber nichts gewusst habe und/oder aus ebenfalls nicht bekannten Gründen nicht zum Einsatz gekommen sei. Die Entscheidung hierüber habe bei der im Westen operierenden „Gruppe Forster“ gelegen. Unterlagen hierüber gebe es im Stasiakten-Bestand nicht. Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung zulässig. Auszug aus § 6 des Stasi-Unterlagengesetzes (StUG): Abs. 6: Begünstigte sind Personen, die 1.vom Staatssicherheitsdienst wesentlich gefördert worden sind, insbesondere durch Verschaffung beruflicher oder sonstiger wirtschaftlicher Vorteile, 2.vom Staatssicherheitsdienst oder auf seine Veranlassung bei der Strafverfolgung geschont worden sind, 3. mit Wissen, Duldung oder Unterstützung des Staatssicherheitsdienstes Straftaten gefördert, vorbereitet oder begangen haben.(…) Abs. 8 Ob Personen Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes, Begünstigte, Betroffene oder Dritte sind, ist für jede Information gesondert festzustellen. Für die Feststellung ist maßgebend, mit welcher Zielrichtung die Informationen in die Unterlagen aufgenommen worden sind. Urteil vom 16.12.2009, Az.: VG 1 K 282.09 Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin v. 16.12.2009 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. VG Braunschweig: Keine Rundfunkgebühren für Internet-PC _____________________________________________________________ Für Computer mit Internet-Anschluss sind keine Rundfunkgebühren zu zahlen. Dies hat das Verwaltungsgericht Braunschweig in einem aktuellen Urteil entschieden. Das Gericht gab damit der Klage einer PC-Nutzerin aus dem Landkreis Goslar gegen den Norddeutschen Rundfunk (NDR) statt. Die Klägerin besitzt einen PC mit Internetzugang, den sie zu Hause für ihre Tätigkeit als Diplomübersetzerin und damit gewerblich nutzt. Für ihren Privathaushalt zahlt sie seit 1991 Rundfunkgebühren. Nachdem sie den NDR von dem PC unterrichtet hatte, forderte dieser sie zur Zahlung von Rundfunkgebühren auf. Er machte geltend, gewerblich genutzte PCs mit Internetzugang seien gesondert anmelde- und gebührenpflichtig. Zweitgeräte seien nur dann von der Gebühr befreit, wenn sie privat genutzt werden. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Gebühren seien nur für Geräte zu zahlen, die zum Rundfunkempfang bereitgehalten werden. Dies treffe für den PC der Klägerin nicht zu. Internetfähige Computer seien multifunktional und würden nicht ausschließlich zum Rundfunkempfang erworben und eingesetzt. Eine solche Nutzung sei im gewerblichen Bereich auch unüblich. Anders als bei herkömmlichen Rundfunkgeräten sei nicht davon auszugehen, dass ein Internet-PC regelmäßig auch tatsächlich zum Rundfunkempfang genutzt werde. Darüber hinaus stelle der NDR derzeit im Internet keinen gebührenrechtlich relevanten Rundfunk zur Verfügung. Er "streame" seine Radiosender, was zur Folge habe, dass nur eine begrenzte Anzahl von Personen gleichzeitig Rundfunksendungen über das Internet empfangen könne. Um Gebühren erheben zu dürfen, müsse er aber gewährleisten, dass die Nutzer jederzeit auf sein Angebot zugreifen können. Dies habe der NDR durch seine Kapazitätsangaben vor Gericht nicht belegt. Der PC der Klägerin sei jedenfalls auch deswegen von der Gebühr befreit, weil es sich um ein Zweitgerät handele. Die Gebührenfreiheit für Zweitgeräte gelte nicht nur für privat genutzte, sondern auch für gewerblich genutzte Computer mit Internetanschluss. Das Gericht nahm dazu auf sein Grundsatzurteil vom Mai 2008 Bezug. Das aktuelle Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens die Berufung zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu erheben. Urteil vom 20.11.2009, Az.: 4 A 188/09; das Urteil zur Gebührenfreiheit gewerblich genutzter Computer als Zweitgeräte stammt vom 30.05.2008, Az.: 4 A 149/07 Quelle: Pressemitteilung des VG Braunschweig v. 21.12.2009 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 11. LG Hamburg: Unzulässige Kundenreklame bei Multi-Level-Marketing-System _____________________________________________________________ Das LG Hamburg (Urt. v. 13.08.2009 - Az.: 327 O 296/09) hat noch einmal bekräftigt, dass es eine unzulässige, progressive Kundenwerbung ist, wenn der Beitritt von einer monatlichen Mindest-Warenabnahme und der Zahlung von Einstandspreisen abhängig gemacht wird. Ein derartiges, mehrstufiges System ist wettbewerbswidrig. Die Parteien waren Wettbewerber und stritten um die Zulässigkeit des Vertriebssystems der Beklagten. Das System war mehrstufig aufgebaut. Es mussten monatlich mindestens 80,- EUR für den Kauf verschiedener Produkte gezahlt werden. Je mehr Waren der Teilnehmer abnahm, desto eher qualifizierte er sich für die nächst höhere Stufe. Dies war notwendig, um überhaupt Provision für die Anwerbung neuer Vertriebspartner zu erhalten. Je höher jemand auf einer Stufe des Systems gelangt war, desto größer fiel die Beteiligung am Umsatz der unteren Ebenen aus. Bei einem derartigen Vertriebssystem handle es sich um unzulässige, progressive Kundenwerbung, die wettbewerbswidrig sei, so die Hamburger Richter. Zulässig wäre dieses Multi-Level-Marketing-System nur, wenn der Eintritt nicht von einem Einstandspreis abhängig gemacht werden und der Verkauf der Waren an außenstehende Dritte an vorrangiger Position stehen würde. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 12. LG München: Medikamente: Werbung mit "Akut" nur bei Wirkungseintritt unter einer Stunde _____________________________________________________________ Sauer aufgestoßen ist einem Verband, der sich die „Lauterkeit des Wettbewerbs“ zur Aufgabe gemacht hat, die Werbung eines Pharmaunternehmens für ein Medikament gegen Sodbrennen, also „saures Aufstoßen“. Das Pharmaunternehmen hatte ein Mittel gegen „Sodbrennen und saures Aufstoßen“ mit der Bezeichnung „akut“ angeboten. Das nicht verschreibungspflichtige Medikament wirke aber – so der Verband – erst einen Tag nach der Einnahme und damit nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung. Daher wollte der Verband den seiner Ansicht nach „irreführenden“ Namenszusatz „akut“ per einstweiliger Verfügung untersagen lassen. Dem widersprach der Arzneimittelhersteller: Bereits eine Stunde nach der Einnahme könnte eine Besserung der Beschwerden eintreten, spätestens jedoch nach 1,5 bis 3 Stunden. Das Landgericht München I folgte nun der Argumentation des Wettbewerbsverbandes und verbot die Bezeichnung „akut“ für das fragliche Arzneimittel. Die durch die Werbung angesprochenen Verbraucher – so die Richter der 7. Zivilkammer – würden angesichts des Zusatzes „akut“ schnell Abhilfe erwarten. Als schnell sah die Kammer eine Wirkung innerhalb eines Zeitraums von 20 Minuten bis zu einer Stunde an. Der Beginn einer Beschwerdenbesserung nach einer Stunde widerspreche also den durch die Werbung geweckten Verbrauchererwartungen. Urteil vom 15.12.2009, Az.: 7 O 17092/09; nicht rechtskräftig Quelle: Pressemitteilung v. 15.12.2009 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 13. LG Stuttgart: Werbeaussage mit Spitzenstellungsbehauptung muss tatsächlich gegeben sein _____________________________________________________________ Wirbt ein Unternehmen mit einer Spitzenstellung, so muss diese auch tatsächlich vorliegen, andernfalls handelt es sich um einen Wettbewerbsverstoß (LG Stuttgart, Urt. v. 07.10.2009 - Az.: 40 O 44/09). Die Beklagte bewarb ihre Produkte mit der Aussage: "Die besten Küchen zum besten Preis". Die Klägerin sah darin einen Wettbewerbsverletzung, da mehrere Konkurrenten günstigere Produkte hätten. Zu Recht. Die Stuttgarter Richter sprachen der Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu. Der durchschnittliche Verbraucher werde die Aussage vielmehr so verstehen, dass die Beklagte am Markt die besten Küchen zum billigsten Preis anbieten könne. Das sei eine Spitzenstellungsbehauptung, die nur gerechtfertigt sei, wenn die Beklagte sowohl bezüglich des Preises als auch bezüglich der Leistung einen erheblichen Vorsprung vor den Mitbewerbern darlegen könne. Da die Beklagte tatsächlich nicht der günstigste Anbieter am Markt sei, sei die Werbung unwahr und damit wettbewerbswidrig. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 14. AG Osterholz-Scharmbeck: Keine Haftung der Eltern für 0900-Telefonate des Sohnes _____________________________________________________________ Eltern haften nicht für die Telefonkosten, die ihr minderjähriger Sohn durch die Anwahl von 0900-Rufnummern verursacht hat (AG Osterholz-Scharmbeck, Urt. v. 27.04.2009 - Az.: 13 C 1348/08). Der nicht volljährige Sohn der Beklagten nahm die 0900-Dienstleistungen der Klägerin in Anspruch und verursachte Kosten iHv. ca. 550,- EUR. Die Klägerin forderte diesen Betrag von den Eltern ein. Zu Unrecht wie das AG Osterholz-Scharmbeck nun entschied. Ein Anspruch gegen das Kind scheitere an dessen Minderjährigkeit. Jedoch seien auch nicht die Eltern verantwortlich, denn die Grundsätze der Anscheins- und Duldungsvollmacht würden nicht greifen. Eine Zurechenbarkeit liege nur dann vor, wenn der Telefon-Kunden nicht alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen habe, um die ungebilligte Nutzung zu unterbinden. Eine solche Pflichtverletzung sei im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Denn um eine Einwahl zu kostenpflichtigen Rufnummern zu verhindern, hätten alle relevanten Telefonnummern gesperrt werden müssen. Zwar läge dann die Sicherheit vor, dass eine ungebilligte Nutzung nicht stattfinde. Dies sei in der Realität aber weder durchsetzbar noch zumutbar. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 15. Law-Podcasting: Äußerungsrecht im Internet: Der Unterschied zwischen Tatsachen und Meinungen - Teil 1 _____________________________________________________________ Auf Law-Podcasting.de, dem 1. deutschen Anwalts-Audio-Blog, gibt es heute einen Podcast zum Thema "Äußerungsrecht im Internet: Der Unterschied zwischen Tatsachen und Meinungen - Teil 1". Inhalt: Ein zentrales rechtliches Problem, mit dem sich Blogger und Internet-User herumschlagen müssen, klingt so banal und hat doch grundlegende Bedeutung: Was darf gesagt werden? Welcher Kommentar darf im Internet veröffentlicht werden? Und was darf auf keinen Fall geschrieben werden? Der heutige Podcast ist der erste von zwei Teilen. Die Fortsetzung hören Sie nächste Woche. zurück zur Übersicht |