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Newsletter vom 24.04.2019 |
Betreff: Rechts-Newsletter 17. KW / 2019: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Außerordentliche Kündigung einer Unterlassungserklärung wegen Rechtsmissbrauchs möglich _____________________________________________________________ Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die aufgrund eines Wettbewerbsverstoßes in der Vergangenheit abgegeben wurde, kann vom Schuldner außerordentlich gekündigt werden, wenn der Gläubiger gegen Treu und Glauben verstößt (BGH, Urt. v. 14.02.2019 - Az.: I ZR 6/17). In einem solchen Fall besteht auch keine Pflicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Die Parteien vertrieben online Elektrogeräte. In der Vergangenheit hatte die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, nicht mehr Waren zu ohne entsprechende CE-Kennzeichnung zu veräußern. Der Kläger tätigte nun sieben Testkäufe und stellte Verstöße gegen die Vereinbarung fest. Er machte die Zahlung einer Vertragsstrafe iHv. knapp 36.000,- EUR tätig. Die Beklagte kündigte den Unterlassungsvertrag außerordentlich, da der Kläger gegen Treu und Glauben verstoßen habe, da sein vorrangiges Ziel die Erzielung von Abmahnkosten gewesen sei. Der BGH bestätigte die Ansicht der Beklagten. Da das Ziel des Klägers sachfremde Ziele (hier: die Erreichung von Abmahnkosten) seien, habe die Beklagte die Unterlassungsvereinbarung außerordentlich kündigen dürfen. Unterlassungsverträge könnten, wie jedes Dauerschuldverhältnis, grundsätzlich dann außerordentlich gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliege. Dieser sei hier zu bejahen, da der Gläubiger mit seinen Handlungen sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe.
Der Schuldner sei in diesen Fällen auch nicht zur Zahlung von Vertragsstrafen verpflichtet, die vor Kündigung der Erklärung angefallen seien. Denn diesem Anspruch stünde der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen.
Gegenstand des Rechtsstreits waren die Google-Regelungen aus dem Jahr 2012. Da es sich um einen Unterlassungsanspruch handelte, der in die Zukunft wirkt, hatte das Gericht die DSGVO als Beurteilungsmaßstab heranzuziehen.
"Das Regelwerk der Klauseln 1 bis 8 ist in seiner Gesamtheit ferner auch deswegen unwirksam, weil es wegen des unklaren Verhältnisses konkurrierender Regelungen für den durchschnittlichen Leser nicht mehr durchschaubar und im Ergebnis unverständlich ist. Neben der eigentlichen Datenschutzerklärung zerpflückt das KG Berlin auch die sonstigen AGB von Google. Mehrfach führen die Robenträger aus, dass ähnliche bzw. inhaltsgleiche Klauseln Google bereits in der Vergangenheit verboten worden waren. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, da Google gegen das Urteil eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt hat.
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Erst vor kurzem hat das KG Berlin (Urt. v. 27.12.2018 - Az.: 23 U 196/13) beispielsweise zahlreiche Datenschutz-Klauseln von Apple für rechtswidrig bewertet. Auch die AGB von Samsung wurden vor einiger Zeit als unwirksam erklärt (LG Frankfurt a.M., Urt. v. 06.06.2013 - Az.: 2-24 O 246/12).
Aufhorchen lassen bei der aktuellen Entscheidung vor allem die ganz grundsätzlichen Erwägungen der Richter in puncto Transparenz. Aufgrund der DSGVO sind nämlich umfangreiche Informationspflichten hinzugekommen, die alle Datenschutzerklärungen quantitativ und qualitativ kompliziert haben. Dem Argument der Transparenz wird daher bei gerichtlichen Auseinandersetzungen in Zukunft noch mehr Gewicht zukommen.
Die Beklagte, ein Wellness-Hotel, schaltete in einer Zeitschrift eine Annonce. Es waren unter anderem der Name und die Anschrift des Hotels genannt sowie eine Telefonnummer und Internetadresse. Die genaue Firmen-Bezeichnung und die Anschrift fehlten. Dies wertete das OLG Brandenburg als Wettbewerbsverstoß.
Das Gesetz verlange sämtliche notwendigen Informationen in der Anzeige selbst bereitzustellen. Dazu gehöre auch die Angabe, mit wem genau der Vertrag geschlossen werde:
"Bei der hier beworbenen Dienstleistung handelt es sich nicht um ein Geschäft des täglichen Lebensbedarfs. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt der Preis des Wellnessarrangements für viele Verbraucher ein hochpreisiges Angebot dar. Für die Doppelzimmerbelegung hat ein Paar für 2 Nächte ab 760 € für das Arrangement zu zahlen. Nicht ausreichend sei es, wenn der Verbraucher erst die Webseite aufrufen und sich dort mühsam informieren müsse, wer der Anbieter der Dienstleistung sei. "Muss der Verbraucher die in Rede stehenden Informationen sich erst beschaffen, wird dem vom Gesetz intendierten Verbraucherschutz nicht Genüge getan. Diese Information muss bereits zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Werbung mit dem konkreten Angebot vorliegen, damit der Verbraucher in die Lage versetzt wird, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen." zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Frankfurt a.M.: Lizenzschaden bei unerlaubter Übernahme eines Online-Stadtplans auf Webseite _____________________________________________________________ Das OLG Frankfurt a.M. hatte sich der Frage zu beschäftigten, welche Nachweise ein Urheber erbringen muss, um den Lizenzschaden bei der unerlaubter Übernahme eines Online-Stadtplans zu belegen (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 11.12.2018 - Az.: 11 U 88/17). Die Klägerin, die die Rechte an dem betreffenden Online-Stadtplan besaß, machte u.a. Schadensersatz-Ansprüche geltend und trug vor, dass sie das Werk herkömmlicherweise für 1.620,- EUR netto lizenziere. Sie habe mehr als 200 Verträge mit Kunden abgeschlossen. Der Beklagte, der die Karte ohne Befugnis auf seiner Webseite hatte, bestritt dies. Die Klägerin legte als Nachweis 200 Kundenverträge vor. Die Namen der Kunden waren jedoch geschwärzt. Parallel dazu benannte sie ihren Steuerberater als Zeugen, der aussagte, dass die Zahlungen aus den Verträgen tatsächlich geflossen und gebucht worden seien. Dies hielt das Gericht für ausreichend, um den Nachweis einer entsprechenden Vertragspraxis bei der Klägerin nachzuweisen. Daran ändere auch nichts, dass möglicherweise eine erhebliche Anzahl dieser Verträge erst nach einer Abmahnung durch die Klägerin abgeschlossen worden seien. Dadurch würde der notwendige Nachweis einer repräsentativen Vertragspraxis nicht ausgeschlossen. Denn trotz einer vorhergehenden Abmahnung könne der Betroffene weiterhin autonom entscheiden, ob er den Lizenzvertrag eingehen wolle oder nicht. Dem Abgemahnten stünde es frei, die Verletzungshandlung einzustellen und sich im Übrigen verklagen zu lassen. Er sei nicht gezwungen und regelmäßig auch nicht bereit, Lizenzverträge zu Konditionen einzugehen, die ihm unangemessen erscheinen würden. Ebenso berücksichtigte das Gericht, dass andere Anbieter am Markt ähnliche Preise nehmen würden. Dadurch sei der Vorwurf, bei dem geltend gemachten Lizenzkosten handle es sich um Mondpreise, entkräftet.
Das OLG Frankfurt a.M. verurteilte den Beklagten daher zur Zahlung des vollen Lizenzschadens.
Der Kläger machte wettbewerbsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte geltend und trug vor, dass er ein Wettbewerbsverband nach § 8 Abs.3 Nr.2 UWG sei, der zur Abmahnung befugt sei. Die Beklagte war ein Energieversorgungsunternehmen und bestritt diese Berechtigung.
Das Gericht hatte sich daher mit den aus der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu beschäftigten:
- Verfolgung satzungsmäßiger Zweck und
Maßgeblich sei dabei, dass bereits zum Zeitpunkt der außergerichtlich gerügten Verletzung diese Voraussetzungen bestünden hätten:
"Für das Vorliegen der vom Antragsteller darzulegenden und zu beweisenden Aktivlegitimation kommt es (...) auf den Zeitpunkt der behaupteten Zuwiderhandlungen an (...). Bereits die Voraussetzung "Verfolgung satzungsmäßiger Zweck" lehnte das Gericht ab. Die vorgelegten Nachweise seien zu pauschal und enthielten keine klare zeitlichen Angaben.
Auch mehrere der genannten Aktivitäten seien gar keine satzungsmäßigen Handlungen:
"Lobbyaktivitäten bei Ministerien bzw. Kooperationsanfragen bei der Verbraucherzentrale sind gleichfalls unerheblich. Es handelt sich dabei um rein Verbands bezogene bzw. auf Stärkung der Verbandsinteressen gerichtete Maßnahmen. Ebenfalls zweifelte das LG Berlin die sachliche und personelle Ausstattung des Klägers an.
Es existierten zwar Räumlichkeiten, jedoch seien die monatlichen Mietkosten mit 138,91 EUR so gering, dass nicht von einer ernstzunehmenden Geschäftsstelle der Klägerin ausgegangen werden könne:
"Zur sachlichen Ausstattung gehörte im Oktober 2018 eine Geschäftsstelle in der S(...) Strasse, wobei der Einwand der Antragsgegnerin, die (unbestritten gebliebene) monatliche Miete in Höhe von 138,91 Euro deute auf ein nur pro - forma - Büro hin, nicht von der Hand zu weisen ist, dies auch unter Berücksichtigung der vom Antragsteller eingereichten Fotos des (einen) Raumes (...). Ebenso unzureichend stufte die Robenträger die personelle Ausstattung ein:< "Daraus folgt, dass der Antragsteller keinen eigenen Mitarbeiterstamm - außer dem formal als Organ bestellten Geschäftsführer - aufweist, was die Kammer aber als erforderlich für die hinreichende personelle Ausstattung ansieht. Das Gericht lehnte daher die Befugnis des Klägers zur Verfolgung von Wettbewerbsverletzungen ab. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. VG Berlin: Kein Unterlassungsanspruch von Böhmermann gegen Bundeskanzlerin Merkel _____________________________________________________________ Der Satiriker und TV-Moderator Jan Böhmermann kann von der Bundesrepublik Deutschland keine Unterlassung im Zusammenhang mit Äußerungen der Bundeskanzlerin in einem Telefongespräch mit dem früheren türkischen Ministerpräsidenten zum sogenannten „Schmähgedicht“ verlangen. Der Sprecher der Bundesregierung durfte im April 2016 mitteilen, die Bundeskanzlerin und der Ministerpräsident hätten darin übereingestimmt, dass es sich dabei um einen „bewusst verletzenden Text“ handele. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden. Der Kläger sieht sich durch die Äußerung der Bundeskanzlerin bzw. die Mitteilung des Sprechers der Bundesregierung bei der Regierungspressekonferenz in seinen Grundrechten verletzt. Vorgerichtlich forderte er die Bundeskanzlerin vergeblich zu einer schriftlichen Unterlassungserklärung auf. Im Mai 2018 verklagte er die Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung; hilfsweise begehrte er die gerichtliche Feststellung, dass die öffentliche Erklärung vom April 2016 rechtswidrig ist. Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin wies die Klage ab. Das Unterlassungsbegehren sei unzulässig, weil eine Wiederholung der beanstandeten Erklärung nicht zu erwarten sei. Die Bundeskanzlerin habe sich bereits im April 2016 von ihrer Äußerung distanziert; zudem habe die Beklagte im Gerichtsverfahren eine Wiederholung ausgeschlossen. Die öffentliche Erklärung sei auch nicht rechtswidrig gewesen. Die Bundeskanzlerin könne sich auf ihre Kompetenz zur Staatsleitung stützten. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Kommunikation seien gewahrt, das Sachlichkeitsgebot sei nicht verletzt. Die Äußerung stelle keine strafrechtliche Vorverurteilung dar, sondern sei ein vertretbares und allein auf den Text des Gedichts bezogenes Werturteil. Zudem habe die Erklärung ausdrücklich den hohen Wert betont, den die Bundesregierung der Presse- und Meinungsfreiheit beimesse. Daher sei es für die Beurteilung der Äußerung ohne Bedeutung, ob das Gedicht im Kontext betrachtet erlaubte Satire sei. Die öffentliche Erklärung wahre den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sei durch das Informationsinteresse der Bevölkerung an den deutsch-türkischen Beziehungen und das Ziel transparenten Regierungshandelns gerechtfertigt. Demgegenüber gingen mit der Erklärung keine unangemessenen Nachteile für den Kläger einher. Gegen die Entscheidung kann der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden. Urteil der 6. Kammer vom 16. April 2019 (VG 6 K 13.19)
Quelle: Pressemitteilung des VG Münster v. 16.04.2019
Die Beklagte war ein Unternehmen mit Sitz in Hong Kong, das auf seiner Internetseite u.a. deutschen Fluggästen die Einziehung von Ansprüchen aus der EU-Fluggastrechteverordnung aufgrund von verspäteten bzw. nicht durchgeführten Flugreisen anbot. Sie besaß keine deutsche Inkassoerlaubnis. Die Anspruchsdurchsetzung geschah entweder in der Form, dass die Beklagte sich eine Vollmacht erteilen ließ oder sie sich die Forderung zur Durchsetzung im eigenen Namen abtreten ließ. Im Falle des Erfolgs zahlte sie die Entschädigungssumme abzüglich einer Erfolgsprovision an die Geschädigten aus. Der Kläger, ein Rechtsanwalt aus Deutschland, sah hierin einen Wettbewerbsverstoß und klagte auf Unterlassung. Die Beklagte meinte, dass gar kein deutsches Recht zur Anwendung komme, da sie ihren Sitz im Ausland habe. Das LG Hamburg folgte der Argumentation der Beklagten nicht und verurteilte das Unternehmen zur Unterlassung. Nach dem Gesetz bedürfe es immer dann einer deutschen Inkassoerlaubnis, wenn Gegenstand der Dienstleistung deutsches Recht sei. Dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen. Zwar beträfen die Ansprüche Entschädigungssumme nach der EU-Fluggastrechteverordnung und somit streng genommen eigentlich kein deutsches Recht. Nach dem Sinn und Zweck der Norm müssten jedoch auch die EU-Verordnungen als deutsches Recht gelten. Denn durch die Harmonisierungsbestrebungen seien das nationale Recht und das Unionsrecht so stark miteinander verzahnt, dass es ansonsten zu willkürlichen Ergebnissen kommen würde. Darüber hinaus berate die Beklagte ihre Kunden in jedem Fall auch zu den damit zusammenhängenden prozessualen und materiell-rechtlichen Rechtsfragen, z.B. den Verjährungsregeln. Diese würden sich eindeutig nach deutschem Recht richten.
Da die Beklagte Dienstleistungen erbringe, die das deutsche Recht beträfen, sei eine Inkassoerlaubnis notwendig. Da sie hierüber nicht verfüge, handle sie wettbewerbswidrig.
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Bis zum 28.12.2017 hatte der Kläger auf dem Portal insgesamt 60 Bewertungen und eine Gesamtnote 1,5. Am 10.01.2018 kündigte er sein „Premium Paket Gold“ bei der Beklagten. Im Zeitraum vom 11. bis 18.01.2018 löschte die Beklagte 10 zugunsten des Klägers abgegebene Bewertungen, weil – nach Darstellung der Beklagten – Prüfverfahren über die Validität der Bewertungen negativ verlaufen seien. Am 18.01.2018 waren für den Kläger noch 51 Bewertungen und eine Gesamtnote 1,6 abrufbar. Der Arzt konnte nicht zur Überzeugung der Kammer nachweisen, dass, wie von ihm behauptet, die Löschungen als Reaktion auf seine Kündigung erfolgt seien. Der zeitliche Zusammenhang allein genügte nach Auffassung der Kammer hierfür nicht, weil die Beklagte unbestritten bereits in der Vergangenheit positive Bewertungen des Klägers aufgrund eines negativ verlaufenen Prüfverfahrens gelöscht hatte. Weitere belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Löschungen nicht ausschließlich der Qualitätswahrung der auf dem Portal eingestellten Bewertungen dienten, sondern den Kläger sanktionieren sollten, waren weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch im Übrigen lagen nach Auffassung der Kammer die Voraussetzungen für eine Wiederveröffentlichung der gelöschten positiven Bewertungen nicht vor. Die Kammer hat für den Anspruch auf Wiederveröffentlichung gelöschter positiver Bewertungen die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze für den (spiegelbildlichen) Anspruch auf Löschung negativer Bewertungen (BGH, Urteil vom 1.3.2016, Az: VI ZR 34/15) herangezogen und auf die vorliegende umgekehrte Konstellation übertragen. Danach hat zunächst der klagende Arzt den behaupteten Rechtsverstoß konkret zu rügen. Nur eine hinreichend konkrete Rüge einer behaupteten Rechtsverletzung löst sodann eine Prüfpflicht des beklagten Bewertungsportals aus, an die strenge Anforderungen zu stellen sind. Darlegungs- und beweisbelastet für die Unrichtigkeit der Löschung und damit für die Validität der Bewertung ist jedoch zunächst der klagende Arzt, die Beklagte trifft allerdings eine sog. sekundäre Darlegungslast. Im Streitfall bedeutet dies, dass es zunächst dem Kläger oblegen hätte, konkret, wenn auch ggf. anonymisiert, zur Validität jeder einzelnen Bewertung und zum jeweiligen Behandlungskontakt auszuführen. Dabei durfte sich der Kläger nach Auffassung der Kammer nicht darauf zurückziehen, es sei ihm nicht möglich, hierzu im Einzelnen vorzutragen. Denn die im Streitfall auszugsweise vorgelegten Bewertungen enthalten eine Reihe von Anhaltspunkten, anhand derer er die Person des Bewertenden feststellen oder zumindest eingrenzen hätte können. Die Beklagte hat demgegenüber im Einzelnen dazu Stellung genommen, wie und warum sie zu der Auffassung gelangt ist, dass sie die Validität der streitgegenständlichen Bewertungen nicht gewährleisten könne. So hat die Beklagte ausgeführt, dass sie zur Qualitätswahrung und zur Validitätsprüfung der auf ihrem Bewertungsportal eingestellten Bewertungen einen automatischen, selbstlernenden Prüfalgorithmus einsetze, dessen Verdachtsmeldungen von ihrem aus 20 Mitarbeitern bestehenden Qualitätsmanagementteam nochmals geprüft würden. Darüber hinaus hat die Beklagte dem Gericht dargelegt, dass eine anschließende zur Prüfung der Validität der Bewertungen durchgeführte SMS-Verifikation im Hinblick auf acht der streitgegenständlichen Bewertungen negativ verlaufen sei. Hinsichtlich der beiden weiteren Bewertungen seien sodann sämtliche weiteren Versuche, mit dem Nutzer in Kontakt zu treten, gescheitert, weshalb letztlich auch diese Bewertungen gelöscht worden seien, weil sich deren Validität nicht bestätigen habe lassen. Darüber hinaus war – so das Landgericht München I – auch die Eingriffsintensität im Streitfall derart gering, dass die Kammer eine relevante Schädigung des Klägers ausschließen konnte. Denn nach der Löschung der von der Beklagten als nicht valide eingestuften zehn Bewertungen blieben zum Profil des Klägers immer noch 51 Bewertungen abrufbar, und die Gesamtnote des Klägers sank durch die Löschung nur unmaßgeblich um 0,1 ab, nämlich von 1,5 am 11.01.2018 auf 1,6 am 18.01.2018.
Die Kammer hat bei ihrer Abwägung sowohl das Recht auf freie Berufsausübung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG und die Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 GG auf Seiten des Klägers als auch die Meinungs- und Medienfreiheit im Sinne von Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 16.04.2019
Die Durchführung eines vergleichenden Warentests und die anschließende Weitergabe der Ergebnisse an Dritte seien sowohl in ihrer Zielsetzung als auch in ihrer Wirkung einem klassischen Grundrechtseingriff vergleichbar. Für diesen Grundrechtseingriff fehle es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage. Die der Landwirtschaftskammer gesetzlich zugewiesenen Aufgaben bezögen sich durchweg im positiven Sinne auf die Förderung, Betreuung und Unterstützung der in der Landwirtschaft tätigen Personen. Es erscheine daher fernliegend, dass der Gesetzgeber der Landwirtschaftskammer Aufgaben habe zuweisen wollen, zu deren Erfüllung der Eingriff in Grundrechte erforderlich sei. Darüber hinaus erscheine jedenfalls zweifelhaft, ob die Durchführung eines Warentests und die anschließende Veröffentlichung der Ergebnisse überhaupt von dem im Landwirtschaftskammergesetz definierten Aufgabenbereich der Beklagten erfasst seien. Auch die Voraussetzungen für eine Maßnahme nach dem Tierzuchtgesetz seien nicht erfüllt. Abgesehen von der fehlenden Ermächtigungsgrundlage genügten die Art und Weise der Durchführung des Warentests und die Veröffentlichung der Testergebnisse auch nicht dem allgemeinen, für jedes staatliche Informationshandeln geltenden Gebot der Sachlichkeit, sodass die Weitergabe der Ergebnisse auch aus diesem Grund rechtswidrig sei. Ein wesentlicher Mangel des Warentests bestehe darin, dass das Ebersperma im Vorfeld des Tests nicht anonymisiert worden sei und daher jedenfalls von den Betriebsleitern der Ferkelerzeugerbetriebe den jeweiligen Zuchtorganisationen habe zugeordnet werden können. Daraus hätten sich für die Betriebsleiter verschiedene Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Testverlauf eröffnet. Darüber hinaus genügten auch die Art und Weise der Ergebnisdarstellung nicht den Anforderungen an das Sachlichkeitsgebot. So verstoße die abschließende Vergabe von Schulnoten nach einem relativen Bewertungsmodell gegen das Sachlichkeitsgebot. Gleiches gelte für die Verwendung des Ampelsystems im Rahmen der Ergebnisdarstellung. Auch sei für die Adressaten des Warentests nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit erkennbar, nach welchen Kriterien die abschließende Gesamtnote errechnet worden sei. Abgesehen davon bestünden auch im Übrigen erhebliche Bedenken, ob der gewählte Testaufbau mit den Anforderungen des Sachlichkeitsgebots vereinbar sei. So erscheine insbesondere zweifelhaft, ob die Vorgehensweise der Beklagten bei der Auswahl der Ferkelerzeugerbetriebe den Anforderungen des Sachlichkeitsgebots genüge.
Es lasse sich nicht mit der gebotenen Klarheit nachvollziehen, auf welche Weise und anhand welcher Kriterien die Beklagte aus den etwa 30 geeigneten Betrieben die sechs Betriebe je Sauenherkunft ausgewählt habe, die an dem Test teilgenommen hätten. Darüber hinaus begegne auch das von der Beklagten gewählte Aufbaumodell des kreuzklassifizierten balancierten Versuchsdesigns erheblichen Bedenken, weil es durchaus naheliegend sei, dass die getesteten Herkünfte in den Ferkelerzeugerbetrieben unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt gewesen seien und sich daraus Zweifel an der Vergleichbarkeit der Testbedingungen ergäben.
Quelle: Pressemitteilung des VG Münster v. 16.04.2019
Einwilligungserklärung zur Datenverarbeitung – Datenschutz-Gesetz Die Datenschutzbehörde Österreich stufte dies als Verletzung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ein. Die verwendete Klausel sei aus mehreren Gründen unwirksam. Zum einen sei die Regelung nicht hinreichend bestimmt. In der bereitgestellten Information nach Art. 13 DSGVO werde als Rechtsgrundlage zwar die Einwilligung genannt, es würden jedoch auch andere Rechtsgrundlagen, wie beispielsweise die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen oder die Wahrung berechtigter Interessen angeführt. Insofern sei unklar, für welche konkreten Datenverarbeitungen die Einwilligung die Rechtsgrundlage sei.
Zum anderen könne von der Pflicht zur verschlüsselten Übermittlung nicht mittels einer Einwilligung abgewichen werden. Nach Art. 32 DSGVO träfe das Unternehmen die Verpflichtung, entsprechende Datensicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Hiervon könne jedoch nicht mittels einer Einwilligung des Betroffenen abgewichen werden.
"Die Frage, ob eine Übermittlung in verschlüsselter oder unverschlüsselter Form erfolgt, ist nämlich eine der Datensicherheitsmaßnahmen nach Art. 32 DSGVO und somit alleine von der Verantwortlichen zu beurteilen. Eine Einwilligung (..)ist schon deshalb nicht statthaft, weil die Einwilligung hier nicht dazu dient, um eine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung zu schaffen, sondern um von – gegebenenfalls erforderlichen – Datensicherheitsmaßnahmen zum Nachteil von Betroffenen abweichen zu können." Auch die verwendete Haftungsklausel der Klinik führe zur Unwirksamkeit der Regelung: "Die Einwilligungserklärung enthält auch die Passage, wonach Betroffene zur Kenntnis nehmen, „dass durch die Übermittlung der Daten (unberechtigte) Dritte Kenntnis über die Informationen erhalten können und diese Daten verändert werden können. Mir ist bewusst, dass dies zur Offenlegung meines Gesundheitszustandes führen kann. Mir ist bewusst, dass die (...) Tagesklinik (...) keinerlei Haftung für die korrekte und vollständige Übermittlung der Daten übernehmen kann.“ Der Bescheid der Datenschutzbehörde ist rechtskräftig. zurück zur Übersicht |