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Newsletter vom 24.08.2011 |
Betreff: Rechts-Newsletter 34. KW / 2011: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BVerwG: Rundfunkgebührenfreiheit für Internet-PC als Zweitgerät im nicht ausschließlich privaten Bereich _____________________________________________________________ Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute über drei Klagen gegen Rundfunkgebührenbescheide entschieden. Die Kläger nutzen jeweils einen Teil ihrer Wohnungen für die Ausübung einer selbstständigen (freiberuflichen) Tätigkeit. In den dafür genutzten Räumen verfügen sie über einen internetfähigen PC. In den anderen ausschließlich privat genutzten Räumen sind herkömmliche Fernseh- und Rundfunkgeräte vorhanden, für die Rundfunkgebühren entrichtet werden. Die beklagten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verlangten Rundfunkgebühren auch für die beruflich genutzten PC, während die Kläger sich auf die Gebührenbefreiung für Zweitgeräte beriefen. Die Vorinstanzen hatten den Klägern Recht gegeben und die Gebührenbescheide aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die dagegen gerichteten Revisionen der Rundfunkanstalten zurückgewiesen. Nach der einschlägigen Bestimmung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages ist für neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können) im nicht ausschließlich privaten Bereich keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn die Geräte ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind und andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereitgehalten werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Vorschrift dahin ausgelegt, dass die Vorschrift auch dann anzuwenden ist, wenn das herkömmliche Rundfunkempfangsgerät als Erstgerät auf demselben Grundstück zum Empfang bereitgehalten wird, dem auch der PC als Zweitgerät zuzuordnen ist, ohne dass es darauf ankommt, ob auch das herkömmliche Rundfunkempfangsgerät in dem nicht ausschließlich privat, sondern auch beruflich genutzten Bereich des Grundstücks oder der Wohnung bereitgehalten wird. Zu dieser Bewertung ist das Bundesverwaltungsgericht maßgeblich unter Beachtung des Sinn und Zwecks der Regelung gelangt, die neuartige Rundfunkempfangsgeräte rundfunkgebührenrechtlich privilegieren will. Denn einerseits sind solche Geräte nicht selten tragbar (Laptops, internetfähige Mobiltelefone) und entziehen sich von daher einer festen Zuordnung zu bestimmten Räumlichkeiten. Andererseits dienen die neuartigen Geräte - vor allem im nichtprivaten Bereich - häufig nicht (primär) dem Rundfunkempfang, sondern werden als Arbeitsmittel benutzt. BVerwG 6 C 15.10, 45.10 und 20.11 - Urteile vom 17.08.2011 Vorinstanzen: BVerwG 6 C 15.10: VG Koblenz, 1 K 1058/09.KO - Urteil vom 12. Januar 2010 - OVG Koblenz 7 A 10416/10 - Urteil vom 17. Juni 2010 - BVerwG 6 C 45.10: VG Frankfurt am Main, 11 K 1310/08.F(V) - Urteil vom 8. September 2009 - VGH Kassel, 10 A 2910/09 - Beschluss vom 30. März 2010 - BVerwG 6 C 20.11: VG München, M 6b K 09.768 - Urteil vom 28. Dezember 2009 - VGH München 7 BV 10.443 - Urteil vom 27. April 2011 - Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 17.08.2011 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 2. KG Berlin: Aussage „bezahltes Gutachten“ von Blog-Journalistin durch Meinungsfreiheit gedeckt _____________________________________________________________ Die Aussage einer Journalistin, die sich in ihrem Blog über ein Gutachten eines Sachverständigen äußert und behauptet, dieses ist von einer wegen Dopings gesperrten Eisschnellläuferin „bezahlt“ worden, ist als zulässige Meinungsäußerung einzustufen. Sie bringt damit nur zum Ausdruck, dass sie Zweifel an der Validität der Untersuchungsergebnisse hat (KG Berlin, Urt. v. 20.06.2011 - Az.: 10 U 170/10). Bei der Klägerin handelte es sich um eine Eisschnellläufern, die wegen Dopings für 2 Jahre gesperrt worden war. Sie erklärte, dass die Werte aufgrund einer Blutanomalie überhöht gewesen seien und beauftragte zur Bestätigung ihrer Aussage einen Arzt, der ihr und ihrem Vater Blut abnahm. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass eine Blutanomalie vorliege. Die Beklagte berichtete über diesen Vorfall und veröffentlichte in einem Blog-Eintrag folgende Aussage: "(…) nimmt wohl de HS-Diagnose aufgrund eines bezahlten Gutachtens als gegeben an" Das KG Berlin hielt diese Äußerung für rechtmäßig, da sie vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sei. Die Stellungnahme zu einem Ergebnis eines Sachverständigen sei nach ganz herrschender Rechtsprechung grundsätzlich als Meinungsäußerung einzustufen. Denn die Schlußfolgerung, die ein Arzt oder Sachverständiger in seinem Gutachten ziehe, sei als Meinung einzuordnen. Dementsprechend sei auch die Stellungnahme hierüber eine Meinung. Dies sei im vorliegenden Fall nicht anders anzusehen, da die Beklagten lediglich Zweifel an der Validität des Gutachtens geltend mache. Dies geschehe in einer zulässigen Form, so dass die Aussage nicht zu unterlassen sei. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. OLG Hamburg: Sabrina Setlur-Song "Nur mir" verletzt Urheberrechte der Musikgruppe Kraftwerk _____________________________________________________________ Das Hanseatische Oberlandesgericht hat am 17.08.2011 entschieden, dass der von Pelham/ Haas komponierte und von Sabrina Setlur gesungene Titel „Nur mir“ unter Verstoß gegen das Urheberrecht zustande gekommen ist, weil er unerlaubt sog. Samples der Musikgruppe „Kraftwerk“ enthält. Die aus dem Jahr 1997 stammenden Aufnahmen des Titels dürfen nicht weiter verkauft werden. Die Kläger im Verfahren vor dem Urheberrechtssenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts sind Mitglieder der Musikgruppe „Kraftwerk“. 1977 erschien deren Tonträger „Kraftwerk – Trans Europa Express“, auf dem sich auch der Titel „Metall auf Metall“ befindet. Die neben den Komponisten Pelham und Haas beklagte Pelham GmbH veröffentlichte 1997 zwei Tonträger mit dem Hip-Hop-Stück „Nur mir“, das von der am hiesigen Rechtsstreit nicht beteiligten Sabrina Setlur interpretiert wurde. Die Kläger behaupten, die Beklagten hätten urheberrechtswidrig eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ elektronisch kopiert („gesampelt“) und dem Titel „Nur mir“ in fortlaufender Wiederholung unterlegt. 2004 verbot in erster Instanz das Landgericht Hamburg den Beklagten, die fraglichen Aufnahmen weiter in den Verkehr zu bringen. Außerdem stellte das Gericht fest, dass die Beklagten den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet seien. Die gegen das Urteil eingelegte Berufung wies das Hanseatische Oberlandesgericht 2006 zurück. Auf die Revision der Beklagten hob jedoch der Bundesgerichtshof 2008 das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht. Das Oberlandesgericht habe zwar zutreffend entschieden, dass die Beklagten mit dem Sampling in das Tonträgerherstellungsrecht der Kläger eingegriffen hätten. Ein Eingriff in das Recht des Tonträgerherstellers sei bereits dann gegeben, wenn einem Tonträger kleinste Tonpartikel entnommen würden. Das Oberlandesgericht müsse aber noch prüfen, ob die Beklagten sich auf das im Urhebergesetz geregelte Recht zur freien Benutzung berufen könnten. Danach dürfe ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden sei, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes verwendet werden. Aus dem Sinn des Rechts zur freien Benutzung, nämlich die Fortentwicklung des Kulturschaffens zu ermöglichen, ergebe sich allerdings auch dessen Grenze: Eine freie Benutzung komme dann nicht in Betracht, wenn derjenige, der eine fremde Ton- oder Klangfolge für eigene Zwecke übernehme, hierauf nicht angewiesen sei, weil er selbst in der Lage wäre, die entnommene Sequenz herzustellen. Nach der Zurückverweisung hat das Oberlandesgericht nunmehr im Urteil vom 17.08.2011 erneut die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung führt der Senat an, die Beklagten könnten sich nicht auf das Recht zur freien Benutzung berufen, weil sie in der Lage gewesen wären, die gesampelte Sequenz selbst herzustellen. Bei der Prüfung, ob es den Beklagten möglich gewesen wäre, die entnommene Tonfolge selbst einzuspielen, hat der Senat darauf abgestellt, ob ein mit durchschnittlichen Fähigkeiten und technischen Möglichkeiten ausgestatteter Musikproduzent im Zeitpunkt der Entnahme der fremden Tonaufnahme in der Lage gewesen wäre, eine gleichwertige Sequenz zu produzieren. Dabei sei für die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Eindruck des konkret angesprochenen Abnehmer- bzw. Hörerkreises ausschlaggebend. Dass die Beklagten nach diesem Maßstab in der Lage gewesen wären, die Sequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ selbst einzuspielen, hat der Senat insbesondere aufgrund der Angaben zweier sachverständiger Zeugen entschieden. Diesen war es unter Verwendung bereits 1997 erhältlicher Synthesizer und freier Samples bzw. selbst aufgenommener Hammerschläge auf Metallschubkarren und Zinkregale gelungen, den kopierten Rhythmusfolgen gleichwertige Sequenzen herzustellen. Das Aktenzeichen des Verfahrens lautet 5 U 48/05. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, da es weiter höchstrichterlicher Klärung bedürfe, welche Maßstäbe für die Möglichkeit der Eigenherstellung von Tonaufnahmen gelten, bevor auf fremde Tonaufnahmen ohne Einwilligung des Rechteinhabers zurückgegriffen werden könne. Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamburg v. 19.08.2011 zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Hamburg: Zu niedriges Architekten-Honorar auf MyHammer.de wettbewerbswidrig _____________________________________________________________ Gibt ein Architekt im Rahmen einer Ausschreibung auf einer Internetseite (hier: MyHammer.de) zu einem Bauvorhaben ein Angebot ab, so verhält er sich wettbewerbswidrig, wenn er nicht den gesetzlichen Mindestpreis der Honorarverordnung anbietet, sondern ein Drittel unter dem Mindestsatz liegt. Die Honorarverordnung sieht diesen Mindestsatz vor, da Architekten und Ingenieure vor einem ruinösen Preiskampf geschützt werden sollen (OLG Hamburg, Urt. v. 27.10.2010 - Az.: 5 U 178/08). Der verklagte Architekt hatte auf der Online-Plattform MyHammer.de ein Angebot für eine ausgeschriebene Bau-Sanierung abgegeben und dabei den gesetzlichen Mindestpreis der Honorarvereinbarung für Architekten und Ingenieure (HOAI) um 1/3 unterschritten. Die Hamburger Richter stuften dies als wettbewerbswidrig ein. Die Mindestsätze der HOAI seien eine Art Schutzvorschrift für Architekten und Ingenieure, da diese vor einem ruinösen Preiskampf auf dem freien Markt geschützt werden sollten. Dies sei gerade im Bauwesen notwendig. Der Beklagte habe sich nicht daran gehalten, da sein Angebot ein Drittel unter diesem Mindestsatz gelegen habe. Insofern sei sein Handeln rechtswidrig. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 5. OLG Köln: 2 Wochen Beschwerdefrist gegen Beschluss über urheberrechtlichen Internet-Auskunftsanspruch _____________________________________________________________ Gegen den Beschluss über einen urheberrechtlichen Internet-Auskunftsanspruch ist das Rechtsmittel der Beschwerde grundsätzlich innerhalb von 2 Wochen einzulegen. Die 5-monatige Auffangfrist greift nur dann, wenn in dieser Zeit keine Bekanntgabe der Entscheidung an einen der Beteiligten erfolgt ist (OLG Köln, Urt. v. 26.05.2011 - Az.: 6 W 84/11). Will sich ein Betroffener gegen den Beschluss über einen urheberrechtlichen Internet-Auskunftsanspruch wehren, so muss er dies grundsätzlich innerhalb von 2 Wochen tuen. Andernfalls ist das Rechtsmittel verspätet und somit unzulässig. Die 5-monatige Auffangfrist gelte ausnahmsweise nur dann, wenn in dieser Zeit keine Bekanntgabe der Entscheidung an einen Beteiligten erfolgt sei. Hier habe der Betroffene sich anwaltlich vertreten lassen. Dieser hätte zumindest nach Erhalt der Abmahnung und den Hinweis auf den Beschluss unmittelbar gegen diesen vorgehen können. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe der Beklagte Kenntnis von dem Beschluss gehabt. Es sei durch den Beklagten nichts vorgetragen worden, weshalb der Rechtsanwalt solange zugewartet habe, bevor er gegen den Beschluss vorgegangen sei. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. LG Arnsberg: Alterwerbung nur bei wirtschaftlicher Kontinuität wettbewerbsgemäß _____________________________________________________________ Die Werbung mit einer Altersbezeichnung „Wir fertigen unsere Geräte seit 1984“ ist nur dann wettbewerbsgemäß, wenn das Unternehmen eine wirtschaftliche Kontinuität aufweist. Diese ist nicht gegeben, wenn die Firmenfortführung durch eine Insolvenz beendet worden ist (LG Arnsberg, Urt. v. 21.04.2011 - Az.: 8 O 104/10). Die Beklagte wurde 2001 gegründet. Sie übernahm einige Jahre später die Betriebs- und Geschäftsausstattung von einer zuvor insolventen Heizungshallen-GmbH, die bereits 1984 gegründet worden war. Daraufhin warb die Beklagte mit den Worten: „Wir fertigen unsere Geräte seit 1984“. Das LG Arnsberg stufte dies als rechtswidrig ein. Es führte in seiner Begründung aus, dass der Hinweis auf das Alter eines Unternehmens Kontinuität und positive Assoziationen suggeriere. Der Kunde verbinde damit wirtschaftliche Zuverlässigkeit und langjährige Leistungskraft. Dies seien Qualitätssignale, welche die Kaufentscheidung der Verbraucher beeinflussten. Die Werbung mit derartigen Altersbezeichnungen sei daher nur dann gestattet, wenn tatsächlich wirtschaftliche Kontinuität bestehe und bei wirtschaftlichen Änderungen das Unternehmen dennoch als wesensgleich anzusehen sei. Dies sei hier aber gerade nicht der Fall, da es der Beklagten an der erforderlichen Kontinuität fehle. Die Übernahme der Betriebs- und Geschäftsausstattung reiche nicht aus, so dass die Reklame rechtswidrig sei. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. VG Berlin: rbb muss NPD-Wahlkampfspot nicht ausstrahlen _____________________________________________________________ Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) muss einen Wahlwerbespot der NPD aus Anlass der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September nicht ausstrahlen. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden. Aus Anlass der Berliner Wahl stellt der rbb den Parteien Sendezeit zur Verfügung. Der Sender hatte sich geweigert, den Spot der NPD auszustrahlen, weil er darin den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt sah. Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts teilte die Bewertung des rbb. Der Werbefilm erfülle den Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Danach wird bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet. Dies war hier nach Ansicht der Kammer der Fall. Die Antragstellerin greife durch den Werbefilm die Menschenwürde der in Berlin lebenden Ausländer, insbesondere der Muslime, an. Dieser Teil der Bevölkerung werde von ihr böswillig verächtlich gemacht, weil suggeriert werde, dass Ausländer stets kriminell seien und rohe Gewalttaten gegen Deutsche begingen. Auch unter Berücksichtigung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung sei keine andere Bewertung des Werbespots möglich. Die Aussage, Ausländer seien per se Straftäter und damit als der Achtung der übrigen Bürger unwert und unwürdig, erfolge aus ausländerfeindlichen und damit verwerflichen Motiven. Die in dem Wahlwerbespot zum Ausdruck kommende Meinungsäußerung sei auch geeignet den öffentlichen Frieden zu gefährden. Schließlich sei die Aussage des Spots den Verantwortlichen der Partei auch subjektiv vorwerfbar. Gegen den Beschluss ist die Beschwerde bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig. Beschluss der 2. Kammer vom 18. August 2011 – VG 2 L 131.11. Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin v. 18.08.2011 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. VG Hannover: Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch permanente Videoüberwachung _____________________________________________________________ Die dauerhafte Videoüberwachung einiger Plätze in der Stadt Hannover ist geeignet, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu verletzen. Es genügt nicht, dass die Polizei die Videoüberwachung "offen" gestaltet und die überwachten Orte im Internet veröffentlicht (VG Hannover, Urt. v. 14.07.2011 - Az.: 10 A 5452/10). Bei der Beklagten handelte es sich um die Polizeidirektion der Stadt Hannover, die an fast 80 Plätzen der Stadt jeweils Videokameras zur Überwachung der Orte platziert hatte. Der Kläger wandte sich gegen die Installation und Überwachung durch die Kameras, da er sich in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sah. Das Gericht gab dem Kläger Recht. Es gäbe zwar grundsätzlich die Möglichkeit Bildaufzeichnungen öffentlicher Plätze durchzuführen, wenn ein konkreter Verdacht bestehe, dass Straftaten begangen werden und die Überwachung aus Gründen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung rechtsstaatlich geboten sei. Vorliegend habe die Beklagte jedoch nicht ausreichend dargetan, dass dies an sämtlichen überwachten Plätzen der Fall sei. Vielmehr werde der Anschein erweckt, dass eine permanente und anlasslose Überwachung stattfinde, die auch Plätze ohne Gefahrenpotential betreffen würden. Eine Begrenzung finde nicht statt. Anders als die Beklagte behaupte, habe auch keine "offene" Videoüberwachung stattgefunden. Es reiche nicht aus, dass einige Hinweisschilder an den Kameras angebracht oder die Bürger im Internet einsehen könnten, an welchen Plätzen die Kameras installiert worden seien. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. LG Köln: Einfach gelagerter Fall bei einmaliger Fotonutzung für private eBay-Auktion _____________________________________________________________ Bei der rechtswidrigen Nutzung eines Fotos für die Bewerbung eines Produktes in einer privaten eBay-Auktion ist von einem einfach gelagerten Fall auszugehen. Dies hat die Deckelung der Abmahnkosten auf 100,- EUR zur Folge (LG Köln, Beschl. v. 29.07.2011 - Az.: 28 S 10/11). Der Beklagte hatte für seine private eBay-Auktion ein Foto des Klägers übernommen. Dieser mahnte darufhin anwaltlich ab und begehrte die Erstattung der Abmahnkosten. Die Kölner Richter wiesen in ihrem Beschluss darauf hin, dass zwar ein Erstattungsanspruch in puncto Abmahnung bestehe, jedoch nur iHv. 100,- EUR. Denn es handle sich um einen einfach gelagerten Fall, bei dem der Gesetzgeber eine Begrenzung der Abmahnkosten vorgesehen habe. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. LG München: Rechtswidrige Blickfangwerbung für Geldanlage mit unzureichendem Sternchenhinweis _____________________________________________________________ Eine Werbung für Geldanlagen ist rechtswidrig, wenn sie blickfangmäßig eine falsche Aussage herausstellt und damit den Kunden in die Irre führt (LG München I, Urt. v. 23.05.2011 - Az.: 11 HK O 22644/10). Die Beklagte bot Geldanlagen an. Ihre Werbung war so gestaltet, dass ein Blickfang ein hübsches Mädchen war, welches um den Hals ein Lebkuchenherz trug. Sowohl in dem farbig auffälligen Lebkuchenherz als auch in einem farblich abgesetzten Bereich im unteren Teil der Werbung stand in großen Buchstaben: "6%" und "6,00 % garantiert für drei Jahre" In dem begleitenden Text hieß es dann in großen Buchstaben: "Geld anlegen mit Herz und Verstand". In einem kleinen Text darunter hieß es: "Der Jubiläums WiesnSparbrief garantiert Ihnen 2,0 % Zinsen jedes Jahr". Die Münchener Richter stuften die Werbung als irreführend und somit rechtswidrig ein. Der Verbraucher erwarte aufgrund der Hauptaussage, dass er jährlich 6% Zinsen erhalte, in Wirklichkeit seien es aber nur 2%. Der Wert iHv. 6% errechne sich aufgrund der Multiplikation mit dem dreijährigen Berechnungszeitraum. Es handle sich um eine dreiste Lüge, für die kein vernünftigter Anlass bestehe. Insofern könne die Irreführung auch nicht durch den erläuterden Zusatz ausgeräumt werden, zumal der Text ohnehin in kleinerer Schrift gehalten sei. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 11. ULD fordert Webseiten-Betreiber zur Abschaltung aller Facebook-Plug-Ins auf _____________________________________________________________ In einer aktuellen Pressemitteilung fordert das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD), die datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde in Schleswig-Holstein, Webseiten-Betreiber auf, sämtliche Plug-Ins von Facebook zu deaktivieren. Als Beispiel wird der "Gefällt mir"-Button genannt. Wörtlich heißt es in der Nachricht: "Das ULD erwartet von allen Webseitenbetreibern in Schleswig-Holstein, dass sie umgehend die Datenweitergaben über ihre Nutzenden an Facebook in den USA einstellen, indem sie die entsprechenden Dienste deaktivieren. Erfolgt dies nicht bis Ende September 2011, wird das ULD weitergehende Maßnahmen ergreifen. Nach Durchlaufen des rechtlich vorgesehenen Anhörungs- und Verwaltungsverfahrens können dies bei öffentlichen Stellen Beanstandungen nach § 42 LDSG SH, bei privaten Stellen Untersagungsverfügungen nach § 38 Abs. 5 BDSG sowie Bußgeldverfahren sein. Die maximale Bußgeldhöhe liegt bei Verstößen gegen das TMG bei 50.000 Euro." Und weiter: "Thilo Weichert, Leiter des ULD: „Das ULD weist schon seit längerem informell darauf hin, dass viele Facebook-Angebote rechtswidrig sind. Dies hat leider bisher wenige Betreiber daran gehindert, die Angebote in Anspruch zu nehmen, zumal diese einfach zu installieren und unentgeltlich zu nutzen sind. Hierzu gehört insbesondere die für Werbezwecke aussagekräftige Reichweitenanalyse. Gezahlt wird mit den Daten der Nutzenden. Mit Hilfe dieser Daten hat Facebook inzwischen weltweit einen geschätzten Marktwert von über 50 Mrd. Dollar erreicht. Allen Stellen muss klar sein, dass sie ihre datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit nicht auf das Unternehmen Facebook, das in Deutschland keinen Sitz hat, und auch nicht auf die Nutzerinnen und Nutzer abschieben können." Anmerkung von RA Dr. Bahr: Formal-juristisch sind die Beanstandungen korrekt. Konstruktiv und praxisbezogen ist das aktuelle Vorgehen des ULD dagegen nicht. Das ULD ist aber nicht unbekannt für öffentlichkeitswirksame Aktionen mit eher geringer Substanz. So war das ULD auch schon in Sachen Google Analytics in der Vergangenheit vorgeprescht, ohne wirkliches Ergebnis am Ende. Siehe insgesamt zu der Problematik auch den Aufsatz von RA Dr. Bahr "Facebook: Eine datenschutzrechtliche Analyse". Auch wenn das KG Berlin (Beschl. v. 29.04.2011 - Az.: 5 W 88/11) vor kurzem entschieden hat, dass der "Gefällt mir"-Button nicht wettbewerbswidrig ist, wird dadurch die Datenschutzwidrigkeit nicht beseitigt. Die Pressemitteilung betrifft (zunächst nur) Firmen in Schleswig-Holstein, da das ULD nur für dieses Bundesland die entsprechenden rechtlichen Aufsichtsbefugnisse besitzt. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 12. Warum sämtliche Muster für Facebook-Datenschutz-Erklärungen rechtswidrig sind _____________________________________________________________ Vergangenen Freitag ging ein Aufschrei durch das Land: Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD), die datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde in Schleswig-Holstein, hat Webseiten-Betreiber aufgefordert, sämtliche Plug-Ins von Facebook zu deaktivieren. Als Beispiel wird der "Gefällt mir"-Button genannt. Siehe dazu auch unsere News. Die Tatsache, dass die Facebook-Plugins datenschutzwidrig sind, ist seit einem guten 3/4 Jahr bekannt. Interessiert hat es bislang nur wenige. Durchgehend wurde sich auf das KG Berlin (Beschl. v. 29.04.2011 - Az.: 5 W 88/11) gestützt, wonach der "Gefällt mir"-Button nicht wettbewerbswidrig ist. Nun macht eine Aufsichtsbehörde Ernst und will gegen die Datenschutzverletzungend der Webmaster vorgehen. Inzwischen gibt es mehrere Muster-Datenschutzerklärungen für Facebook. Sie werden medienwirksam angeboten und versprochen, dass dadurch alles gut wird. Sämtliche dieser Muster haben eines gemeinsam: Sie sind nicht das (virtuelle) Papier wert, auf dem sie stehen. Alle Muster gehen über den vermeintlichen Weg der Einwilligung, um ein rechtskonformes Ergebnis zu erzielen. Gegen ein solches Vorgehen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Im Gegenteil, es ist der einzig richtige Weg. Nur: Die konkrete Ausgestaltung ist nicht ausreichend. Der Webseiten-Betreiber muss den Surfer vorab über Art und Umfang seiner Einwilligung informieren. Pauschale Erklärungen reichen hier nicht aus, sondern es muss explizit erwähnt werden, welche Daten verwendet werden. Genau diese Anforderungen erfüllt keine der Mustererklärungen. Denn nach wie vor ist unklar ist, was genau an Information der "Like Button" überträgt. Wie im Fall hamburg.de schweigt sich Facebook weiterhin darüber aus. Wenn ein Seitenbetreiber aber nicht weiß, was alles an Daten transportiert wird, wie will er dann rechtskonform informieren? Eine sehr schöne Anleitung wie es nicht auszusehen hat, zeigt die Webseite von SWR 3. Hier eine Beispiel-Seite. Das kleine Pop-Up-Fenster, das (erst) beim Mouse-Over erscheint, beinhaltet den Satz: "Datenschutz: Erst Gefält-mir-Button einblenden, dann nochmal drauf drücken. Dadurch wird eine Verbindung zu Facebook hergestellt." Diese Erklärung ist bereits deswegen jurister Nonsense, weil nirgendwo der User die Information erhält, dass beim Drücken des Buttons, Daten an Facebook übertragen werden. Somit erfüllt dieser Satz noch nicht einmal die Grundanforderungen, die die Rechtsprechung seit Jahrzehnten an eine rechtskonforme Einwilligung stellt. Bedeutet im Klartext: Solange sich Facebook weiterhin ausschweigt, welche Daten genau übertragen werden, kann man so viele juristische Mustertexte basteln wie man will. Sie sind alle durchweg rechtswidrig. Erst wenn sich endlich die Social Media-Plattform herablässt, den Webseiten-Betreibern verbindlich mitzuteilen, was denn nun alles getrackt wird, können diese eine rechtskonforme Lösung wählen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 13. Die wahren Gründe für die aktuelle Datenschutz-Kampagne des ULD _____________________________________________________________ Eines hat das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) mit seiner aktuellen Facebook-Kampagne erreicht: Die Aufsichtsbehörde ist nun bundesweit bekannt. Ob sie auch bundesweit geliebt wird, ist eine ganz andere Frage. Seit mehreren Tagen wird emsig gerätselt, was genau hinter dem aktuellen Verstoß des ULD stecken mag. An dem Tag, an dem das ULD auch seine Pressemitteilung lancierte, fand - natürlich rein zufällig - auch ein Kieler BarCamp statt. Und - natürlich wiederum rein zufällig - stand eben auf dieser Veranstaltung ein Mitarbeiter des ULD, nämlich Dr. Moritz Karg, für Nachfragen zur Verfügung. Karg wird auf dem hauseigenen ULD-Arbeitspapier (PDF) als juristischer Ansprechpartner genannt. Karg hat auf dem BarCamp sowohl ein Video-Interview als auch ein Audio-Interview (MP3 via Jurafunk) gegeben. Offen gibt der Mitarbeiter die tatsächliche Absicht hinter den aktuellen Aktivitäten an: Man versucht auf diese Weise an Facebook heranzukommen. Da der direkte Zugriff aus faktischen Gründen verwehrt ist, hat sich das ULD ganz offensichtlich entschlossen, durch Druck auf die Webseiten-Betreiber mittelbar Druck auf den amerikanischen Social Media-Konzern auszuüben. Unklar war, ob das ULD landesrechtlich für Verstöße gegen das TMG überhaupt zuständig ist. Inzwischen hat das ULD zur Frage der Zuständigkeit eine Erklärung abgegeben. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 14. Neues Kultur-Projekt der Kanzlei Dr. Bahr: AFKAT - Der Hamburger Graphic-Novel-Förderpreis _____________________________________________________________ „Kunst findet überall Nahrung“ – so lautet ein dänisches Sprichwort. Dass die Kunst jedoch oft brotlos bleibt, zeigt die Situation vieler Nachwuchskünstler. Denn in Deutschland einen mutigen Verlag zu finden, der die Werke unbekannter Talente verlegt, ist aufgrund des finanziellen Risikos oft schwierig. Aus diesem Grund hat die Kanzlei Dr. Bahr den Hamburger Graphic- Novel-Förderpreises „AFKAT"* ins Leben gerufen, der in diesem Jahr erstmals verliehen wird. Der Preis richtet sich an begabte, bislang unentdeckte Nachwuchskünstler, die sich für das in Deutschland noch relativ junge Genre Graphic Novel begeistern. Dem Gewinner winkt ein Publikationsvertrag beim mairisch Verlag und somit die Buch-Veröffentlichung der eingereichten Graphic Novel. Da die (Produktions)Kosten durch die Kanzlei Dr. Bahr übernommen werden, kann das finanzielle Risiko, das gewöhnlich für Verlag und Autoren besteht, voll und ganz vernachlässigt werden – der Fokus liegt einzig und allein auf der Kunst selbst. Dazu RA Dr. Martin Bahr: „Das stärkste Auswahl-Kriterium ist nur zu oft, ob eine Arbeit den Geschmack der breiten Masse treffen und einen finanziellen Erfolg erzielen kann. Insofern möchte ich durch den Förderpreis meinen Teil dazu beitragen, dass Künstler einen Weg in die kommerzielle Öffentlichkeit finden, die ansonsten kaum eine Chance bekommen hätten.“ Als passender Verlag des „AFKAT“ hat sich der mairisch Verlag herausgestellt, der seit jeher bestrebt ist, junge Belletristik-Autoren zu entdecken, zu fördern und sie langfristig auf ihrem Weg zu begleiten. Detaillierte Hintergrundinformationen zum „AFKAT“ sowie die Teilnahmebedingungen unter www.afkat- foerderpreis.de. Der Einsendeschluss für die Wettbewerbsbeiträge ist der 11. November 2011 (einschließlich). Die Veröffentlichung der Graphic Novel ist zur Leipziger Buchmesse 2012 geplant. Bild- und Textmaterial zum „AFKAT“ finden Sie ebenfalls unter www.kuehlpr.de/downloads * Afkat (oder auch Afkaat) ist das plattdeutsche Wort für Advokat, also Rechtsanwalt.
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