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Newsletter vom 25.01.2023 |
Betreff: Rechts-Newsletter 4. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH: Vorlage an EuGH zum Vertrieb von Arzneimitteln über eine Internet-Verkaufsplattform _____________________________________________________________ Der für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob ein Apotheker, der auf einer Internet-Verkaufsplattform Arzneimittel vertreibt, gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstößt, und ob ein solcher Verstoß von einem anderen Apotheker mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZR 222/19
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Verstöße gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Heilmittelwerbegesetzes, der Apothekenbetriebsordnung und der Berufsordnung für Apotheker lägen nicht vor. Im Hinblick auf Verstöße gegen datenschutzrechtliche Regelungen der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutzgrundverordnung - DSGVO) sei der Kläger nicht klagebefugt. Die Datenschutzgrundverordnung enthalte ein abschließendes Sanktionssystem, das den Wettbewerber nicht einschließe. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Landgerichts abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Ein Verstoß gegen die weiteren vom Kläger angeführten Vorschriften scheide jedoch aus. Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen. Beide Parteien haben Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts eingelegt.
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf im Verfahren I ZR 223/19
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat das Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG angesehen, weil es auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene. Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte über die Plattform Amazon Marketplace verletze datenschutzrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Regelungen der Datenschutzgrundverordnung seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Der Beklagte hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt.
Bisheriger Prozessverlauf in beiden Verfahren
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 28. April 2020 (C-319/20 - Meta Platforms Ireland) unter Hinweis darauf, dass das Ausgangsverfahren nicht die Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers aufwerfe, nur den Teil der ihm vom Bundesgerichtshof vorgelegten Frage beantwortet, der sich auf die Klagebefugnis der nach dem nationalen Recht berechtigten Verbände, Einrichtungen und Kammern im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO bezieht.
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs:
Außerdem hat der Bundesgerichtshof den Gerichtshof der Europäischen Union gefragt, ob die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendigen Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Richtlinie, DSRL) sind. Das Verfahren I ZR 222/19 hat der Bundesgerichtshof bis zur Entscheidung über sein Vorabentscheidungsersuchen in der Sache I ZR 223/19 ausgesetzt. Beschlüsse vom 12. Januar 2023 - I ZR 222/19 und I ZR 223/19
Vorinstanzen im Verfahren I ZR 222/19:
Vorinstanzen im Verfahren I ZR 223/19:
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 12.01.2023
Nach den Urteilsfeststellungen handelte es sich bei den Angeklagten um den Geschäftsführer und Vertriebsleiter, zwei Mitarbeiter und zwei nicht mit dem operativen Geschäft befasste Teilhaber der Unternehmergesellschaft (UG) "Bunte Blüte". Dieses Unternehmen vertrieb Bestandteile von Cannabispflanzen mit einem geringen Gehalt von rauscherzeugendem THC und einem hohen Gehalt des nicht berauschenden Wirkstoffs CBD (sogenannte CBD-Produkte) in Portionen zu 2 und 5 Gramm über Spätverkaufsstellen und im Online-Handel. Für dieses Unternehmen kam es zu folgenden konkreten Geschäftstätigkeiten: Im Januar 2019 brachte einer der Angeklagten gut 3 Kilogramm Blütenstände von Cannabispflanzen mit einem Wirkstoffgehalt von etwa 5 Gramm THC aus der Schweiz nach Deutschland. Am darauffolgenden Tag wurden im Geschäftssitz des Unternehmens ungefähr 2,4 Kilogramm Blütenstände von Cannabispflanzen und etwa 1 Kilogramm einer cannabishaltigen Zubereitung mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt rund 5,5 Gramm THC zum gewinnbringenden Verkauf verwahrt. Ferner bestellte einer der Angeklagten knapp 7,5 Kilogramm Blütenstände von Cannabispflanzen, die einen Gehalt von gut 9 Gramm THC aufwiesen, in Luxemburg. Das Paket wurde jedoch am 19. Februar 2019 in Berlin vom Zoll entdeckt und beschlagnahmt, sodass es die "Bunte Blüte" UG nicht erreichte. Das Landgericht hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Zwar habe es sich bei den CBD-Produkten objektiv um Betäubungsmittel gehandelt. Den Angeklagten sei aber in subjektiver Hinsicht kein strafrechtliches Fehlverhalten nachzuweisen gewesen. Sie hätten weder erkannt noch fahrlässig verkannt, dass die gehandelten CBD-Produkte zu Rauschzwecken missbraucht werden könnten und daher dem Betäubungsmittelgesetz unterfielen. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil aufgehoben, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist. So hat die Strafkammer sich schon nicht mit der Glaubhaftigkeit der Einlassungen der Angeklagten auseinandergesetzt, sondern sie lediglich wörtlich wiedergegeben und ohne nähere Prüfung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Das Landgericht hat auch keine Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und etwaigen Vorstrafen der Angeklagten getroffen, obwohl sich aus ihnen möglicherweise Anhaltspunkte dafür hätten ergeben können, dass die Angeklagten die Betäubungsmitteleigenschaft der gehandelten CBD-Produkte erkannten oder hätten erkennen können. Zudem hat es sich nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, dass die Angeklagten damit warben, die verkauften CBD-Produkte hätten entgegen der "Behauptung einiger selbst ernannter Experten, Polizisten und Richter" keine Rauschwirkung. Eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin wird nun über den Fall erneut zu verhandeln und zu entscheiden haben. Urteil vom 16. Januar 2023 – 5 StR 269/22
Vorinstanz:
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 17.01.2023
Der Kläger ist als Rettungsassistent im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten tätig. Diese führt im Auftrag eines Rettungszweckverbandes ua. Notfallrettung und Krankentransporte durch. Sie beschäftigt – nach ihrer Diktion – sog. „hauptamtliche“ Rettungsassistenten in Voll- und Teilzeit, denen sie im Streitzeitraum eine Stundenvergütung von 17,00 Euro brutto zahlte. Daneben sind sog. „nebenamtliche“ Rettungsassistenten für sie tätig, die eine Stundenvergütung von 12,00 Euro brutto erhalten. Hierzu gehört der Kläger. Die Beklagte teilt die nebenamtlichen Rettungsassistenten nicht einseitig zu Diensten ein, diese können vielmehr Wunschtermine für Einsätze benennen, denen die Beklagte versucht zu entsprechen. Ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht. Zudem teilt die Beklagte den nebenamtlichen Rettungsassistenten noch zu besetzende freie Dienstschichten mit und bittet mit kurzfristigen Anfragen bei Ausfall von hauptamtlichen Rettungsassistenten um Übernahme eines Dienstes. Im Arbeitsvertrag des Klägers ist eine durchschnittliche Arbeitszeit von 16 Stunden pro Monat vorgesehen. Darüber hinaus ist bestimmt, dass er weitere Stunden leisten kann und verpflichtet ist, sich aktiv um Schichten zu kümmern. Mit seiner Klage hat der Kläger zusätzliche Vergütung in Höhe von 3.285,88 Euro brutto für die Zeit von Januar 2020 bis April 2021 verlangt. Er hat geltend gemacht, die unterschiedliche Stundenvergütung im Vergleich zu den hauptamtlichen Mitarbeitern stelle eine Benachteiligung wegen seiner Teilzeittätigkeit dar. Die Beklagte hält die Vergütungsdifferenz für sachlich gerechtfertigt, weil sie mit den hauptamtlichen Rettungsassistenten größere Planungssicherheit und weniger Planungsaufwand habe. Diese erhielten zudem eine höhere Stundenvergütung, weil sie sich auf Weisung zu bestimmten Diensten einfinden müssten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung der geforderten Vergütung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten blieb vor dem Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass die im Vergleich zu den hauptamtlichen Rettungsassistenten geringere Stundenvergütung den Kläger entgegen § 4 Abs. 1 TzBfG ohne sachlichen Grund benachteiligt. Die haupt- und nebenamtlichen Rettungsassistenten sind gleich qualifiziert und üben die gleiche Tätigkeit aus. Der von der Beklagten pauschal behauptete erhöhte Planungsaufwand bei der Einsatzplanung der nebenamtlichen Rettungsassistenten bildet keinen sachlichen Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Es ist bereits nicht erkennbar, dass dieser Aufwand unter Berücksichtigung der erforderlichen „24/7-Dienstplanung“ und der öffentlich-rechtlichen Vorgaben zur Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen signifikant höher ist. Auch wenn man unterstellt, dass die Beklagte durch den Einsatz der hauptamtlichen Rettungsassistenten mehr Planungssicherheit hat, weil sie diesen einseitig Schichten zuweisen kann, ist sie hierbei jedoch nicht frei. Sie unterliegt vielmehr ua. durch das Arbeitszeitgesetz vorgegebenen Grenzen in Bezug auf die Dauer der Arbeitszeit und die Einhaltung der Ruhepausen. Die nebenamtlichen Rettungsassistenten bilden insoweit ihre Einsatzreserve. Unerheblich ist, dass diese frei in der Gestaltung der Arbeitszeit sind.
Die Beklagte lässt insoweit unberücksichtigt, dass diese Personengruppe weder nach Lage noch nach zeitlichem Umfang Anspruch auf Zuweisung der gewünschten Dienste hat. Dass sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers zu bestimmten Dienstzeiten einfinden muss, rechtfertigt in der gebotenen Gesamtschau keine höhere Stundenvergütung gegenüber einem Arbeitnehmer, der frei ist, Dienste anzunehmen oder abzulehnen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2023 – 5 AZR 108/22 –
Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 18.01.2022
Die Klägerin betreibt eine deutschlandweit tätige Wirtschaftsauskunftei in Wiesbaden. Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er erstritt im November 2020 eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin und berichtete im Anschluss darüber in einem Anwalts-Blog auf der Kanzlei-Webseite unter der Überschrift „Einstweilige Verfügung gegen (die Klägerin) erlassen; Zwangsmittel beantragt“. Die einstweilige Verfügung wurde nachfolgend auf Widerspruch der Klägerin hin rechtskräftig aufgehoben. Die Klägerin wendet sich gegen Äußerungen in diesem unverändert nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung verfügbarem Bericht. Das Landgericht hatte dem Unterlassungsbegehren der Klägerin stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG Erfolg. Die Klägerin habe keinen Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten, stellte das OLG fest. Wahre Tatsachenbehauptungen – wie hier der Erlass der einstweiligen Verfügung - seien grundsätzlich hinzunehmen. Dies gelte auch, wenn sie für den Betroffenen nachteilig seien. Der Leser erkenne hier, dass der Beitrag nicht einen nach dessen Veröffentlichung aktualisierten Stand wiedergebe. Durch die zwischenzeitlich erfolgte rechtskräftige Aufhebung der einstweiligen Verfügung werde ebenfalls kein Unterlassungsanspruch begründet. Zwar könne das fortdauernde Bereithalten ursprünglich rechtmäßig veröffentlichter Berichte im Einzelfall unzulässig sein. „Wenn sich die beim Ursprungsbericht bekannte und zugrunde gelegte Sachlage nachträglich ändert und deshalb die Ursprungsmeldung als unwahr oder jedenfalls in einem anderen Licht erscheinen lässt“, könnten Persönlichkeitsrechte verletzt werden, gibt das OLG zu Bedenken. Komme es zu einer nachträglichen Änderung, sei deshalb eine erneute Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen. Hier rechtfertigten es die Interessen der Klägerin indes nicht, dem Beklagten künftig die Berichterstattung über die aufgehobene Verfügung zu untersagen. Da der Beitrag ein kommerziell orientierter Blog sei, könnte sich der Beklagte zwar nicht - wie die Presse - darauf berufen, nicht verpflichtet zu sein, die Berichterstattung über ein einmal aufgegriffenes Thema bei neuen Entwicklungen fortzusetzen. Der geringere Verbreitungsgrad des Blogbeitrags führe allerdings auch zu einer geringeren Beeinträchtigung der Klägerin. Dem Beklagten sei zudem grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse zuzusprechen, gegenwärtige und potentielle Kunden darüber zu informieren, dass ein Gericht zunächst zu Gunsten seines Mandanten entschieden habe. Eine Löschung der angegriffenen Äußerungen wäre mithin ein zu starker Eingriff in die Berufs- und Meinungsfreiheit des Beklagten. Ausreichend und verhältnismäßig wäre hier ein Nachtrag über den Fortgang des Verfahrens. Darauf hätte die Klägerin, die rüge, dass „nur die halbe Wahrheit“ berichtet werde, auch einen Anspruch gehabt. Sie hätte aber einen solchen Nachtrag auch verlangen müssen. Daran fehle es hier. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Klägerin die Zulassung der Revision beim BGH begehren.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 15.12.2022, Az. 16 U 255/21
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 19.01.2023
Die Beklagte betrieb eine Smartphone-App, über die Verbraucher bei den jeweils teilnehmenden Apotheken Arzneimittel bestellen konnten. Hierfür erhielten die Kunden jeweils Payback-Punkte:
""GESUNDHEIT EINFACH NEU ERLEBEN Der Besteller erhielt hierfür 50 Paypack-Punkte gutgeschrieben, was einem Gegenwert von 0,50 EUR entsprach.
Das OLG Karlsruhe sah diese Gewährung als Wettbewerbsverstoß an, da die Beklagte diese Vorteile auch dann gewähre, wenn verschreibungspflichtige Medikamente geordert würden. Dies sei aber gesetzlich nicht erlaubt:
"Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich hierbei nicht um eine reine Unternehmens-/Imagewerbung für Apotheken. Und weiter: "Ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung liegt nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem niedrigeren Preis abgibt. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. OLG Köln: Keine Rückforderung einer Vertragsstrafe bei gekündigtem Unterlassungsvertrag _____________________________________________________________ Wird ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsvertrag gekündigt, so kann eine in der Vergangenheit gezahlte Vertragsstrafe nicht zurückgefordert werden (OLG Köln, Urt. v. 09.12.2022 - Az.: 6 U 46/22). Der Kläger war der in der Vergangenheit von dem Beklagten wegen eines Wettbewerbsverstoßes abgemahnt worden. Als er gegen diese Erklärung verstoße, zahlte er eine Vertragsstrafe. Später erfuhr er von weiteren Umständen, aus denen er auf einen Rechtsmissbrauch der Beklagten schloss. Er kündigte daraufhin den Unterlassungsvertrag und verlangte die Rückzahlung der Vertragsstrafe. Zu Unrecht, wie nun das OLG Köln entschied. Das Gericht ließ aus ausdrücklich, ob der Beklagte rechtsmissbräuch gehandelt habe. Bereits nach dem Vortrag des Klägers ssei das Begehren unbegründet.
Denn eine Kündigung wirke nur ab sofort und nicht rückwirkend:
"Ein Unterlassungsvertrag kann als Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund gemäß § 314 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Dies kommt etwa in Betracht, wenn die Aktivlegitimation des Gläubigers weggefallen ist, weil in diesem Fall die Interessenabwägung dazu führt, dass es dem Schuldner nicht zumutbar ist, weiter an dem Unterlassungsvertrag festzuhalten. Die Rechtslage hätte anders ausgesehen, wenn der Kläger den Unterlassungsvertrag angefochten hätte, da dann rückwirkend der Kontrakt weggefallen wäre. Dies war aber im vorliegenden Fall nicht möglich: "Der Unterlassungsvertrag ist nicht durch Anfechtung entfallen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. LG Berlin: Anforderungen an Gewinnabschöpfungen bei vorsätzlichen Wettbewerbsverstößen _____________________________________________________________ Eine wettbewerbsrechtliche Gewinnabschöpfung setzt voraus, dass das betreffende Unternehmen vorsätzlich handelt. Hierfür ist eine gesicherte Kenntnis des Unternehmens von der Rechtswidrigkeit des eigenen Handelns notwendig (LG Berlin, Urt. v. 05.10.2022 - Az.: 97 O 29/21). Der Klägerin erwirkte ein inzwischen rechtskräftiges Urteil, in dem der Beklagten bestimmte Werbung untersagt wurde. In der Folgezeit stellte die Klägerin dann mehrere Ordnungsmittelanträge, die teilweise abgelehnt und denen teilweise stattgegeben wurden. Da die Beklagte - aus Sicht der Klägerin - weiterhin an ihrer verbotenen Werbung festhielt, stellte die Klägerin schließlich bei Gericht einen Antrag auf Gewinnabschöpfung nach § 10 UWG. Das LG Berlin wies die Klage ab.
Es fehle bereits an dem erforderlichen Vorsatz der Beklagten, so das Gericht:
"Unabhängig davon kam ein Vorsatz vor Zustellung des Ordnungsmittelbeschlusses des Kammergerichts vom 15.10.2020 an die Beklagte von vornherein nicht in Betracht, weil ihr bis dahin das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit schon deshalb berechtigt fehlen durfte, wenn sogar das Landgericht die betreffenden Ordnungsmittelanträge des Klägers wegen fehlenden Kernverstoßes im Sommer 2020 zurückwies, seine Auffassung im Nichtabhilfebeschluss beibehielt und damit die Beklagte in ihrer Ansicht von der Reichweite des „Kopierantrags" des Klägers und des daraufhin ergangenen Titels bestätigte. Auch fehle es an dem weiteren erforderlichen Kriterium "zu Lasten": "Jedenfalls ist das weitere Tatbestandsmerkmal des (...) § 10 UWG nicht erfüllt. Mit anderen Worten: Erhält der Kunde eine adäquate Gegenleistung und erleidet dadurch keinen finanziellen Nachteil, so fehlt es an dem Merkmal "zu Lasten" und eine Gewinnabschöpfung ist abzulehnen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. VG Berlin: Mindestabstands-Regelung für Spielhallen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden _____________________________________________________________ Wettvermittlungsstellen, die im Land Berlin ohne Erlaubnis betrieben werden und den Mindestabstand zu erlaubten Spielhallen nicht einhalten, müssen vorerst schließen. Das hat das Verwaltungsgericht in mehreren Eilverfahren entschieden. Seit Ende 2020 dürfen Wettveranstalter in Deutschland Sportwetten anbieten, wenn sie über eine vom Regierungspräsidium Darmstadt erteilte Konzession verfügen, und zwar sowohl im Internet als auch über stationäre Wettvermittlungsstellen. Nach dem im Land Berlin geltenden Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag (AG-GlüStV) ist es Sache der Wettveranstalter, die zusätzlich für einen konkreten Standort erforderliche Erlaubnis für den jeweiligen Vermittler zu beantragen. Wegen der vor 2020 bestehenden unklaren Rechtslage wurden Wettvermittlungsstellen im Land bereits vor diesem Zeitpunkt ohne diese Erlaubnis betrieben, ohne dass hiergegen eingeschritten wurde. Im konkreten Fall hatte das zuständige Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) die von einer in Malta ansässigen konzessionierten Wettveranstalterin beantragte Erlaubnis für eine bereits so betriebene Wettvermittlungsstelle in Berlin-Tempelhof versagt. Zur Begründung hatte sich die Behörde darauf berufen, dass sich in einer Entfernung von 227 m eine erlaubte Spielhalle befinde. Die Wettveranstalterin hat die der konkurrierenden Spielhalle erteilten Erlaubnisse vor dem Verwaltungsgericht angegriffen und zusätzlich Klage gegen die Versagung der Erlaubnis für die Wettvermittlung am konkreten Standort erhoben. Hierüber hat das Gericht jeweils noch nicht entschieden. Unter Berufung auf die fehlende Erlaubnis hat das LABO sowohl der Veranstalterin verboten, an dem Standort Sportwetten zu veranstalten, als auch dem Betreiber der Wettvermittlungsstelle untersagt, solche Wetten zu vermitteln. Die 4. Kammer hat die hiergegen gerichteten Eilanträge (ebenso wie in einer Reihe parallel gelagerter Verfahren) jeweils zurückgewiesen. Die Verfügungen seien aller Voraussicht nach rechtmäßig. Nach dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) dürfe die Glücksspielaufsicht gegen unerlaubtes Glücksspiel vorgehen. Dies sei hier der Fall, weil es an der erforderlichen Genehmigung fehle. Auf diese Genehmigung bestehe kein Anspruch. Ihr stehe die Nichteinhaltung des Mindestabstands zu der erlaubten Spielhalle entgegen, die sich in weniger als der gesetzlich vorgeschriebenen Entfernung von 500 m entfernt befinde. Die Anfechtung dieser Genehmigung ändere hieran nichts, weil ein Widerspruch Dritter hiergegen nicht statthaft sei. Im Übrigen bestünden keine durchgreifenden europa- oder verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abstandsregelung. Sie sei aus Gründen der Spielsuchtprävention gerechtfertigt. Auch wenn das Land früher nicht gegen die bereits betriebene Wettvermittlungsstelle eingeschritten sei, folge hieraus weder ein Vertrauensschutz für den Vermittler und noch die Veranstalterin. Denn es sei allen Beteiligten bewusst gewesen, dass das Gewerbe der Sportwettenvermittlung mittelfristig Beschränkungen unterworfen werden würde. Daher hätten die Beteiligten mit einem jederzeitigen Einschreiten rechnen müssen. Gegen die Beschlüsse kann beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde eingelegt werden. *Beschlüsse der 4. Kammer vom 12. Januar 2023 (VG 4 L 382/22 und VG 4 L 384/22 u.a.)
Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin v. 20.01.2023
Der Beklagten, die kosmetische Nasen-Operationen anbietet, war in der Vergangenheit gerichtlich verboten worden, für ihre Tätigkeit mit Vorher-Nacher-Fotos zu werben. Nun präsentierte sie auf ihrem Instagram-Account erneut Ablichtungen von den Zuständen vor und nach dem operativen Eingriff.
Dies sah das Gericht als kerngleichen Verstoß und somit als Verletzung des ursprünglichen Urteils an:
"Nach diesen Grundsätzen liegt ein kerngleicher Verstoß vor. Das Gericht bewertete ein Ordnungsgeld iHv. 10.000,- EUR für angemessen: "Die Kammer hat das beantragte Ordnungsgeld nach billigem Ermessen auf € 10.000,00 festgesetzt. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass es sich um eine fortdauernde Verletzungshandlung handelt und sich auf Instagram eine durchaus beachtliche und vor allem zielgruppenspezifische Reichweite erzielen lässt. Immerhin wurden die Fotos ausweislich der Anlage ... von 526 Nutzern mit dem „Gefällt“- Zeichen versehen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. VG Köln: Bundesgesundheitsministerium muss Unterlagen zur FFP2-Maskenbeschaffung herausgeben _____________________________________________________________ Das Bundesgesundheitsministerium ist zur Herausgabe von Informationen über die Beschaffung von FFP-2-Masken im Zuge der Corona-Pandemie verpflichtet. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit zwei Urteilen vom 19.01.2023 entschieden. Herauszugeben sind Gutachten und anderweitige Stellungnahmen einer Beratungsgesellschaft und einer Anwaltskanzlei sowie dem Grunde nach auch E-Mail-Korrespondenz zwischen dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn und der Unternehmerin Andrea Tandler. Das Ministerium schrieb im März 2020 in einem so genannten Open-House-Verfahren die Beschaffung von Schutzmasken aus. Bei einem solchen Verfahren hat jedes Unternehmen, das die vorgegebenen Vertragsbedingungen und Preise akzeptiert, einen Anspruch auf Vertragsschluss. Dabei bot der Bund jedem Lieferanten einen Festpreis von 4,50 Euro pro FFP-2-Maske. Zur Unterstützung bei der Abwicklung der Beschaffungsverfahren beauftragte das Ministerium eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und eine Anwaltskanzlei. Geliefert wurden mehr als eine Milliarde Masken. Ob Maskenlieferanten ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt haben, ist Gegenstand zahlreicher zivilgerichtlicher Verfahren, die vor dem Landgericht Bonn anhängig waren und sind. Einer der dort klagenden Unternehmer beantragte auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes beim Bundesgesundheitsministerium im Dezember 2020, ihm Zugang zu allen Gutachten und anderweitigen Stellungnahmen der vom Ministerium beauftragten Beratungsgesellschaft und der Kanzlei zu gewähren. Eine andere Person beantragte im Januar 2021 unter Bezugnahme auf einen Artikel in der Zeitschrift „Der Spiegel“ mit dem Titel „Spahns Schutzmasken-Fiasko“, ihm sämtlichen Schriftverkehr zwischen Jens Spahn und Andrea Tandler in den Jahren 2020 und 2021 zu übersenden. Das Ministerium lehnte die Anträge ab. Dagegen erhoben die Antragsteller jeweils Klage. Die Klagen hatten weitestgehend Erfolg. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die vom Ministerium angeführten Versagungsgründe stehen der Erteilung der begehrten Informationen nicht entgegen. Die pauschale Behauptung, eine Informationserteilung bedeute angesichts von mehreren zehntausend zu sichtenden Seiten einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand, greift im Hinblick auf die Größe des Ministeriums nicht durch. Auch würden Beratungen der Behörde nicht beeinträchtigt. Die Entscheidung über die Maskenbeschaffung ist abgeschlossen. Ein im Anschluss daran fortlaufender Beratungsprozess lässt sich auch nicht mit dem Argument des Ministeriums konstruieren, die begehrten Informationen beträfen auch die laufenden zivilgerichtlichen Verfahren. Die Informationserteilung hat auch keine nachteiligen Auswirkungen auf die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens. Der entsprechende gesetzliche Ausschlussgrund dient dem ordnungsgemäßen Ablauf eines gerichtlichen Verfahrens. Er schützt hingegen nicht die Erfolgsaussichten der öffentlichen Hand vor Gericht. Zudem hat das Ministerium nicht hinreichend dargelegt, welche nachteiligen Auswirkungen die Herausgabe der Informationen auf die zivilgerichtlichen Verfahren haben soll. Dafür, dass die Herausgabe der E-Mail-Korrespondenz zwischen Minister Spahn und Frau Tandler nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen haben könnte, hat das Ministerium nichts Hinreichendes vorgetragen. Die mit einem der Urteile ausgesprochene Pflicht zur Herausgabe der E-Mails erstreckt sich allerdings nicht auf solche Teile, die Geschäftsgeheimnisse enthalten. Inwieweit dieser Vorbehalt greift, ist durch das Ministerium zu prüfen. Gegen die Urteile können die Beteiligten jeweils einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, über den das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden würde. Az.: 13 K 2382/21 und 13 K 3485/21
Quelle: Pressemitteilung des VG Köln v. 20.01.2023
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