anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 21. KW im Jahre 2005. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien, Gewerblicher Rechtsschutz, Wirtschaftsrecht und Gewinnspiel- / Glücksspielrecht.
Neben den Urteilen des BGH (Access-Provider-Vertrag ist Diensvertrag; Täuschung bei Angebot für Online-Eintrag?; DVD keine neue Nutzungsart) sind hier vor allem die Entscheidungen des OLG Düsseldorf (Reichweite des Einwilligung bei Werbeanrufen) und des KG Berlin (Streitwert bei Stadtpläne-Abmahnungen) zu nennen.
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Die Themen im Überblick:
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1. BGH: Access-Provider-Vertrag ist Diensvertrag
2. BGH: Täuschung bei Angebot für Online-Eintrag?
3. BGH: DVD keine neue Nutzungsart
4. OLG Düsseldorf: Reichweite des Einwilligung bei Werbeanrufen
5. OVG Sachsen-Anhalt: DDR-Sportwetten-Erlaubnis nicht ausreichend
6. KG Berlin: Streitwert bei Stadtpläne-Abmahnungen
7. LG Berlin: "Öffentlich Zugänglichmachen" von Werken im Internet
8. LG Hamburg: ZKDSG-Umgehungsvorrichtung bei Pay-TV
9. AG Charlottenburg: Stadtpläne-Abmahnungen II
10. In eigener Sache: Neue Rechts-News auf "Finanzwetten.de"
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1. BGH: Access-Provider-Vertrag ist Diensvertrag
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Der BGH (Beschl. v. 23.03.2005 - Az.: III ZR 338/04 = http://snipurl.com/f4bj) hat in einem Grundlagen-Urteil entschieden, dass ein Access-Provider-Vertrag nach den dienstvertraglichen Regelungen (§ 611 BGB) zu beurteilen ist:
"Die Beschwerde meint, es stelle sich die grundsätzliche Frage nach der Rechtsnatur eines Vertrages über die Verschaffung des Zugangs zum Internet (Access-Provider-Vertrag). Sie ist der Ansicht, ein solcher Vertrag richte sich nach den mietrechtlichen Vorschriften.
Hieraus zieht sie den Schluß, es obliege dem Kunden des Providers im Rahmen der Rückgabepflicht (§ 546 Abs. 1 BGB), die erforderlichen Maßnahmen dazu zu treffen, daß Dritte, denen der Kunde den Zugang eröffnet habe, nicht mehr auf die Anlagen des Providers zugreifen könnten.
(...) Dem ist nicht zu folgen.
Der Senat neigt der in der Literatur wohl überwiegend vertretenen Auffassung zu, die den Access-Provider-Vertrag schwerpunktmäßig als Dienstvertrag einordnet (...)
Gegen die Qualifizierung als Mietvertrag spricht, daß dem Kunden mit der Nutzung des Rechners des Providers nicht gedient ist. Der Schwerpunkt der Leistung liegt vielmehr bei dem Transport von Daten in das und aus dem Internet. Daß der Kunde hierfür den Rechner des Anbieters benötigt, ist ihm gleichgültig, so daß nicht die Nutzung einer Sache im Vordergrund steht (...)
Die werkvertraglichen Regelungen der §§ 631 ff BGB werden dem Bild der geschuldeten Leistungen gleichfalls nicht gerecht. Die Leitungskapazitäten des Providers sind begrenzt, und die Übertragungsgeschwindigkeit schwankt je nach Netzauslastung gleichfalls. Der Anbieter kann daher nicht einen bestimmten Erfolg, das jederzeitige Zustandekommen einer Verbindung in das Internet mit einer bestimmten Datenübertragungsgeschwindigkeit, versprechen, und der Kunde kann einen solchen Erfolg nicht erwarten (..). Der Provider schuldet daher nur die Bereithaltung des Anschlusses und das sachgerechte Bemühen um die Herstellung der Verbindung in das Internet."
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2. BGH: Täuschung bei Angebot für Online-Eintrag?
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Seit Jahren kursieren im Netz dreiste Angebote, Unternehmen in spezielle Online-Verzeichnisse einzutragen. Mal wird sich als offizielle Stelle ausgegeben, mal wird das Vertragsangebot als Rechnung "getarnt", in der Hoffnung, dass der angeblich in Rechnung gestellte Betrag von der unachtsamen Buchhaltung eines Unternehmens überwiesen wird.
Solche Ereignisse waren schon mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen: Zur strafrechtlichen Seite vgl. den BGH (Urt. v. 26.04.2001 - Az.: 4 StR 439/00; Urt. v. 4.12.2003 - 5 StR 308/03; = Kanzlei-Infos v. 04.02.2004 = http://snipurl.com/f4bk), zur wettbewerbsrechtlichen siehe das AG Herford (Urt. v. 15.01.2003 - Az.: 12 C 1184/02 = Kanzlei-Infos v. 04.02.2004 = http://snipurl.com/f4bk).
Nun hat der BGH in einem aktuellen Verfahren (Urt. 25.02.2005 - Az.: X ZR 123/03 = http://snipurl.com/f4bl) Ausführungen zur Möglichkeit der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemacht.
Maßgebliche Norm ist hier § 123 BGB. Danach müsse sowohl objektiv eine Täuschung vorliegen als auch subjektiv diese Täuschung vom Täuschenden gewollt sein.
Während ersteres der BGH problemlos bejahte, erörterte er ausführlich das zweite:
"Die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin ein Anfechtungsrecht (...) hat, hängt mithin davon ab, ob die Beklagte die "Offerte" in dem Bewußtsein, daß sie sich in der geschehenen Weise zur Irreführung und Beeinflussung eignet, und mit dem Willen, den Adressaten zu täuschen, der Klägerin zugesandt hat.
Da es hierbei ausschließlich um Gegebenheiten geht, die zum subjektiven Bereich menschlichen Handelns gehören, sind diese Voraussetzungen regelmäßig dem unmittelbaren Beweis nicht zugänglich. Auf das Wissen und Wollen des Anfechtungsgegners muß vielmehr in aller Regel aus den objektiv feststellbaren Umständen des jeweiligen Falls geschlossen werden.
In Fällen, in denen - wie hier - eine Täuschung durch ein Anschreiben in Frage steht, bietet vor allem dessen Inhalt und Aufmachung Anhaltspunkte. Enthält das Schreiben objektiv unrichtige Angaben, wird insoweit regelmäßig bereits hieraus auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand geschlossen werden können. (...)"
Jedoch schränkt der BGH dieses Prinzip ein:
"Insbesondere kann ein Täuschungswille nicht schon deshalb ohne weiteres angenommen werden, weil die Darstellung zur Irreführung geeignet ist. So kann eine irreführende Darstellung beispielsweise auch auf einem bloß ungeschickten Vorgehen bei der Formulierung beruhen, das allein nicht Ausdruck einer arglistigen Täuschung ist.
Bei lediglich irreführender Darstellung wird es deshalb vor allem darauf ankommen, wie stark die maßgeblichen Punkte verzerrt oder entstellt wiedergegeben sind und ob vom Absender wegen des Grades der Verzerrung oder Entstellung hätte erwartet werden können, daß Adressaten die wahren Umstände nicht richtig oder nicht vollständig erkennen können. Bejahendenfalls wird eher darauf geschlossen werden können, daß das Schreiben tatsächlich in der Erwartung, daß die Adressaten sich irren, und in dem Bewußtsein und mit dem Willen zu täuschen, abgesandt wurde, als wenn das Schreiben nur eine geringe Irreführungsgefahr in sich birgt."
Es ist somit immer eine Frage des konkreten Einzelfalls und der Formulierungen, ob eine arglistige Täuschung vorliegt oder lediglich ein rechtlich evtl. unbeachtlicher Irrtum.
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3. BGH: DVD keine neue Nutzungsart
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Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß es sich bei der Vermarktung eines digital gespeicherten Films zum Abspielen auf einem eigenen Wiedergabegerät (DVD) nicht um eine gegenüber der Vermarktung herkömmlicher Videokassetten neue Nutzungsart i.S. des § 31 Abs. 4 UrhG handelt. Üblicherweise werden dem Filmhersteller von den Mitwirkenden umfassende Nutzungsrechte eingeräumt, die auch die Videozweitauswertung umfassen. Nach dem deutschen Urheberrechtsrechtsgesetz können jedoch keine Nutzungsrechte für noch nicht bekannte Nutzungsarten vergeben werden. Da die DVD in Deutschland erst seit den neunziger Jahren bekannt ist, hätte die Einordnung der DVD als neue Nutzungsart bedeutet, daß die Filmhersteller für eine Vielzahl von Filmen nicht im Besitz der Rechte für die von ihnen heute wahrgenommene DVD-Zweitauswertung wären.
Der Kläger wirkte als Filmarchitekt an dem 1980/81 produzierten Spielfilm „Der Zauberberg“ nach dem Roman von Thomas Mann mit. Für die von ihm geschaffene Ausstattung des Films (u.a. die der literarischen Vorlage möglichst weitgehend entsprechende Darstellung des Sanatoriums „Berghof“ einschließlich der Innenräume) ist der Kläger mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet worden; vor dem BGH war nicht mehr im Streit, daß diese Leistung urheberrechtlich geschützt ist.
Die Beklagte ist eine Filmverwertungsgesellschaft, die über die Rechte an dem Film „Der Zauberberg“ verfügt, die die Mitwirkenden ursprünglich dem Produzenten eingeräumt haben. Sie vermarktet den Film inzwischen nicht nur auf Videokassette, sondern auch auf DVD. Der Kläger hatte 1980 mit dem Filmproduzenten einen Anstellungsvertrag geschlossen, durch den der Gesellschaft über die Verweisung auf den Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende eine umfassende Nutzung und Verwertung des Films eingeräumt worden war. Während 1980 die Videozweitauswertung von Spielfilmen bereits bekannt war, wurde das digitale Speichermedium DVD erst in den Neunzigerjahren bekannt und spätestens 1998 in Deutschland eingeführt. Der Kläger hat im Rechtsstreit die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Vermarktung des Films „Der Zauberberg“ auf DVD schon deswegen nicht berechtigt, weil es sich bei der DVD um eine zum Zeitpunkt der Rechtseinräumung durch den Kläger unbekannte Nutzungsart handele, für die der Kläger im Jahr 1980 Nutzungsrechte noch nicht habe wirksam einräumen können. Außerdem hat er sich darauf gestützt, daß seine Rechte auch durch eine ursprünglich für das ZDF produzierte, ebenfalls auf der DVD enthaltene Dokumentation „100 Tage auf dem Zauberberg“ verletzt würden, in der die von ihm geschaffene Filmausstattung zu sehen war.
Das Landgericht München I hat der auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gerichteten Klage stattgegeben (MMR 2001, 828), während das Oberlandesgericht München die Klage abgewiesen hat (NJW 2003, 675). Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Dabei ist der BGH dem Oberlandesgericht in der im Mittelpunkt stehenden Frage gefolgt und hat ebenfalls die DVD-Vermarktung nicht als neue Nutzungsart angesehen. Bloße technische Neuerungen, die eine neue Verwendungsform kennzeichnen, reichen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich genommen nicht aus, um eine neue Nutzungsart anzunehmen. Erforderlich ist vielmehr daneben eine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform. Daran fehlt es hier. Die DVD-Zweitauswertung von Spielfilmen stellt im Verhältnis zur herkömmlichen Vermarktung auf Videokassetten keine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform dar. Durch die DVD werden trotz des gesteigerten Absatzes letztlich keine neuen Absatzmärkte erschlossen; auch werden dem Urheber durch die Einbeziehung dieser Nutzungsart keine Erträgnisse vorenthalten. Es ist abzusehen, daß die DVD auf längere Sicht die herkömmliche Videokassette ersetzen wird. Durch die DVD wird daher kein neuer Markt erschlossen; vielmehr tritt sie an die Stelle einer herkömmlichen Verwendungsform.
Dennoch hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben, weil das Oberlandesgericht es versäumt hat, sich auch mit dem weiteren Vortrag des Klägers auseinanderzusetzen, wonach sein Urheberrecht auch durch die auf der DVD wiedergegebene Dokumentation „100 Tage auf dem Zauberberg“ verletzt werde. Um diese Prüfung nachzuholen, ist die Sache an das OLG München zurückverwiesen worden.
Urteil vom 19. Mai 2005 – I ZR 285/02
LG München I – 7 O 5487/01 ./. OLG München – 6 U 5487/01
Quelle: Pressemitteilung Nr. 78/05 des BGH v. 19.05.2005
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4. OLG Düsseldorf: Reichweite des Einwilligung bei Werbeanrufen
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Das OLG Düsseldorf (Urt. v. 30.12.2004 - Az.: I-20 U 63/04 = http://snipurl.com/f4bo) hatte über die Reichweite einer Einwilligung für Werbeanrufe zu entscheiden.
Die Beklagte hatte bei Endverbrauchern mittels Telefon-Anrufen geworben. Dies sah die Klägerin als wettbewerbswidrig an, da keine entsprechende Einwilligung der Angerufenen vorlag.
Die Beklagte berief sich darauf, dass eine Einwilligung der angerufenen Verbraucher gegenüber einer dritten Firma vorläge. Mit dieser dritten Firma bestehe ein freundschaftliches Verhältnis. Auch sei es in der Vergangenheit häufiger zum Austausch von Kundendaten gekommen.
Dieser Ansicht haben die Düsseldorfer Richter eine klare Absage erteilt:
"Im Streitfall unterfällt der Anruf der Beklagten (...) diesen Regelungen, weil keine Einwilligung vorlag. Die Erklärung gegenüber der BUNTE Entertainment Verlag GmbH (...) stellt keine erhebliche Einwilligung dar, weil sie nicht zugunsten der Beklagten (...).
Empfänger der Erklärung, auf deren Sicht bei ihrer Auslegung abzustellen ist, konnten das Schriftstück nicht so verstehen, dass sich sein Aussteller mit Werbeanrufen auch anderer Anbieter hätte einverstanden erklären wollen.
Auch lässt sich kein Einverständnis des Geschäftsführers der Klägerin auf der Grundlage früherer freundschaftlicher Beziehungen der Beteiligten feststellen, denen es bei einem Austausch von Telefonnummern auch um eine Kontrolle der Akquisition der jeweiligen Unternehmen gegangen wäre.
Zum einen ist das fragliche Verhalten nicht hinreichend klar vorgetragen worden. Zum anderen - und vor allem - wäre eine in dieser Weise in freundschaftliche Beziehungen eingebettete Einwilligung - für alle selbstverständlich - mit dem Ende der Beziehungen erloschen."
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5. OVG Sachsen-Anhalt: DDR-Sportwetten-Erlaubnis nicht ausreichend
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Schon vor kurzem hat das OVG Sachsen-Anhalt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes das Verbot für private Sportwetten-Anbieter bestätigt, vgl. die Kanzlei-Infos v. 30.03.2005 (= http://snipurl.com/f4bp).
Nun hatte das OVG Sachsen-Anhalt über die Frage zu entscheiden, ob die noch zu DDR-Zeiten im Land Sachsen erteilte Erlaubnis für einen privaten Sportwetten-Anbieter den Anbieter heutzutage dazu berechtigt, Wetten auch in Sachsen-Anhalt zu vermitteln.
Es handelt sich hierbei um einen in der Rechtsprechung und Literatur kontrovers geführten und diskutierten Streitgegenstand: Entfaltet die DDR-Erlaubnis allenfalls Rechte im jeweiligen Bundesland oder gilt die Befugnis unbeschränkt bundesweit? Im Laufe der Jahre haben sich mit diesem Probleme zahlreiche Gerichte befasst und sind zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen gekommen.
So kommen z.B. das OVG NRW (Beschluss v. 05.12.2003 - Az.: 16 L 2273/03; Beschl. v. 14.05.2004 - Az.: 4 B 2096/03 = http://snipurl.com/79f3) und das VG Bayreuth (vgl. den Artikel "VG Bayreuth: Reichweite einer DDR-Lizenz für Sportwetten" = http://snipurl.com/b714) zu dem Schluß, dass DDR-Lizenzen nur beschränkte räumliche Rechte begründen.
Anderer Ansicht ist der BGH (Urt. v. 11.10.2001 - Az.: ZR 172/99 = http://snipurl.com/6xqa) und zuletzt das OLG Hamburg (vgl. den Artikel "OLG Hamburg: Reichweite von DDR-Lizenzen bei Sportwetten" = http://snipurl.com/bxxh)
Nun hat sich - soweit ersichtlich - erstmalig ein Oberverwaltungsgericht in einem Hauptsache-Verfahren zu dieser Problematik eräußert und sich der ersteren Ansicht angeschlossen.
Mit Beschluss v. 26. April 2005 - Az.: 1 L 188/03 (PDF = http://snipurl.com/f4bt) lehnte das OVG Sachsen-Anhalt die Nichtzulassungs-Beschwerde gegen die Entscheidung der 1. Instanz ab, das damit rechtskräftig wurde.
Die Entscheidungsgründe des OVG Sachsen enthalten neben der oben erörterten Problematik auch zahlreiche Ausführungen zur verfassungs- und europarechtlichen Seite.
Insgesamt kam der Spruch des OVG Sachsen-Anhalt nicht wirklich überraschend, da sich die rechtlichen Ansichten und Stellungnahmen schon in den o.g. Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz Ende März 2005 angekündigt hatten.
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6. KG Berlin: Streitwert bei Stadtpläne-Abmahnungen
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Das KG Berlin (Beschl. v. 19.12.2003 - Az.: 5 W 367/03) hatte im Beschwerdeverfahren über die Streitwert-Festsetzung bei Urheberrechtsverletzungen von Stadtpläne-Abmahnungen zu entscheiden:
Die 1. Instanz, das LG Berlin, hatte einen Streitwert von 10.000,- EUR für die urheberrechtswidrige Nutzung eines Stadtplan-Ausschnittes auf einer Internet-Präsenz festgelegt.
Hiergegen legte die Beklagte Beschwerde ein, weil sie den Wert für zu hoch erachtete. Insbesondere wendete sie ein, dass eine einfache Nutzungslizenz nach den eigenen klägerischen Angaben nur 800,- EUR betrage, so dass sich schon hieraus die Überhöhung ergebe.
Dem hat das KG Berlin eine Absage erteilt:
"Das Landgericht hat den Wert der als urheberrechtsverletzend gerügten Nutzung ihres Stadtplanausschnitts auf der Internetpräsentation der Antragsgegnerin (zur Darstellung ihrer Erreichbarkeit) zutreffend mit 10.000,00 Euro bewertet.
Es hat daher zu Recht auf die Wertangabe in der Antragsschrift als ein wesentliches Indiz abgestellt, ebenso auf den Umstand, dass ein Unterlassungsgebot auch kerngleiche Verstöße erfasst.
Darüber hinaus ist vorliegend auch eine besonders große Nachahmungsgefahr aus einem verbreiteten leichtfertigen Umgang mitderartigen Urheberrechten zu berücksichtigen. Der Umstand, dass selbst eine zeitlich unbefristete Lizenz nur einen Wert von 800,00 Euro hätte, steht insoweit nur einer über 10.000,00 Euro hinausgehenden Wertfestsetzung entgegen."
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7. LG Berlin: "Öffentlich Zugänglichmachen" von Werken im Internet
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Gemäß § 15 UrhG hat alleine der Urheber eines Werkes das Recht, ob und wie sein Werk öffentlich zugänglich gemacht wird. § 19 a UrhG definiert das "öffentlich Zugänglichmachen" als "das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist."
Die Berliner Richter hatten nun zu beurteilen, ob hierunter auch die Konstellationen fallen, wo die Inhalte zwar auf dem Webserver - theoretisch - frei zugänglich für jedermann liegen, diese aber nicht auf der Webseite entsprechend verlinkt sind.
Dies hat das LG Berlin bejaht:
"In erster Linie mag mit dem Begriff des „öffentlichen Zugänglichmachens" das bestimmungsgemäße „öffentliche" Bereithalten von Inhalten im Internet gemeint sein.
Nach Auffassung der Kammer fallen darunter aber nicht nur solche Inhalte, die der entsprechende Domainbetreiber gewusst und gewollt der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Denn schon das Internet als solches macht Informationen „öffentlich", indem grundsätzlich jeder Nutzer darin alle Daten abrufen kann, sofern ihm nur der entsprechende Dateipfad bekannt ist. Dieser Umstand entspricht dem Wesen des Internet und ist allgemein bekannt.
Eine Ausnahme bilden nur die durch Passwort oder sonstigen Schutzmechanismus gesicherten Dateien, die deshalb auch nicht als "öffentlich" im Sinne des § 19a UrhG anzusehen sind. Selbst wenn Internet-Nutzer - hier wie offenbar die Antragsgegnerin - Inhalte ohne entsprechende Verlinkung „hinter" ihrer Homepage ablegen, muss ihnen deshalb bewusst sein, dass diese Informationen dadurch Teil des weltweiten Datennetzes werden und grundsätzlich jedermann zugänglich sind."
Und weiter:
"Ein „öffentliches Zugänglichmachen" von Informationen liegt nämlich nicht nur dann vor, wenn diese Informationen durch Verlinkung mit einer öffentlich bekannt gegebenen oder ermittelbaren Homepage abrufbar sind.
Vielmehr genügt es, dass diese mittels einer Suchmaschine auffindbar sind. Denn Suchmaschinen werden üblicherweise bei der Benutzung des Internets eingesetzt. Es ist jedenfalls nicht die Regel, dass der Nutzer direkt eine passende Internetadresse eingeben kann, wenn er bestimmte Informationen sucht.
Bei der Suche nach bestimmten Texten oder Begriffen gibt die Suchmaschine nach entsprechender Eingabe in die Suchmaske unmittelbar die Dateipfade an. unter denen diese Worte auffindbar sind. Dafür kommt es nicht darauf an, ob diese Pfade in irgendeiner Weise mit einer Homepage oder sonstigen Webseiten verlinkt sind, oder ob sie völlig losgelöst davon im Internet hinterlegt sind.
In dieser Weise sind deshalb auch ohne weiteres solche Seiten auffindbar, die lediglich „hinter" einer Homepage hinterlegt sind oder bei denen ursprünglich bestehende „links" nachträglich aufgehoben wurden. Entgegen der ursprünglichen Auffassung der Kammer ist es darüber hinaus auch möglich, auf bestimmten Seiten nach Bilddateien zu suchen.
Das kann nicht nur dergestalt passieren, dass in die Suchmaschine wahllos Begriffe wie „Wegbeschreibung' oder „Anfahrt" sowie die Dateibezeichnungen „jpg" oder „gif" eingegeben werden. Dadurch würden allenfalls Zufallsfunde erzielt, weil die Domain, unter der die entsprechenden Dateien abgespeichert sein soll, gerade nicht vorgegeben wird.
Jedenfalls über die Suchmaschine „google" ist es darüber hinaus aber auch möglich, auf einer bestimmten Domain gezielt nach Bilddateien zu suchen. Zwar bedeutet das nicht, dass mittels dieser Bildsuchfunktion gerade auch ein ganz bestimmter Kartenausschnitt gesucht und angezeigt werden könnte. Denn für eine konkrete Bildsuche müsste entweder die genaue Pfadbezeichnung bekannt sein oder eine optische Suche - etwa mittels „Einscannen" der entsprechenden Karte -erfolgen Es ist weder ersichtlich, noch vorgetragen, dass diese Form der Suche möglich ist. Nach Auffassung der Kammer genügt aber eine gezielte Suche allgemein „nach Bildern" aus, um das Auffinden bestimmter Karten mittels Suchmaschine als „reinen Zufallsfund" auszuschließen."
Siehe dazu auch die artverwandte Entscheidung des OLG Jena, das eine Urheberrechtsverletzung auch dann bejaht hat, wenn die Werke lediglich auf passwortgeschützten Seiten veröffentlicht wurden, vgl. die Kanzlei-Infos v. 21.06.2004 = http://snipurl.com/f4bv
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8. LG Hamburg: ZKDSG-Umgehungsvorrichtung bei Pay-TV
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Das LG Hamburg (Urt. v. 26.04.2005 - Az.: 312 O 1106/04) hatte vor kurzem zu entscheiden, welche Anforderungen an eine Umgehungsvorrichtung iSd. ZKDSG (Gesetz über den Schutz von zugangkontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten) zu stellen sind.
Das Decodieren von verschlüsselten Pay-TV-Programmen (wie z.B. Premiere) kann veine Vielzahl von rechtlichen Vorschriften verletzen. Die geschädigten Sender gehen in der letzten Zeit auch vehement gegen Verletzer vor, vgl. die Kanzlei-Info v. 27.08.2003 (= http://snipurl.com/f4bw). Siehe dazu auch unsere Rechts-FAQ "Recht der Neuen Medien" (= http://snipurl.com/f4bx), Punkt 7 "Entschlüsselung von Pay-TV / Zugangskontrolldienste-Gesetz / ZKDSG".
Eines der größten Probleme des ZKDSG ist die Bestimmung des Merkmals der "Umgehungsvorrichtung" nach § 2 Nr.3 ZKDSG. Das Gesetz sieht hier zwar eine eigene Defintion (§ 2 Nr.3 ZKDSG) vor: "Technische Verfahren oder Vorrichtungen, die dazu bestimmt oder entsprechend angepasst sind, die unerlaubte Nutzung eines zugangskontrollierten Dienstes zu ermöglichen".
Es ist aber in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, wie dieses Merkmal der "Bestimmung" auszulegen ist. Eine der wenigen Entscheidungen, die sich mit diesem Problem beschäftigt, ist die des OLG Frankfurt (Beschl. v. 05.06.2003 - Az.: 6 U 7/03 = http://snipurl.com/38eo) ("Magic Modul"). Danach ist die Bestimmung objektiv vorzunehmen, aus der Sicht eines neutralen Beobachters. Entscheidend ist danach nicht, welchen Verwendungstweck der Hersteller angibt, sondern von welcher Zweckbestimmung der allgemeine Verkehr, d.h. der verständige Durchschnitts-Nutzer, ausgeht. Insbesondere soll nach Meinung der Frankfurter Richter die Einstufung als Umgehungsvorrichtung nicht deswegen entfallen, weil das Gerät auch noch zu anderen (legalen) Zwecken verwendet werden kann.
Nun hatte das LG Hamburg (Urt. v. 26.04.2005 - Az.: 312 O 1106/04) einen ähnlichen Fall zu entscheiden:
"Bei „Xxx“ handelt es sich um eine Umgehungsvorrichtung im Sinne von § 2 Ziffer 3 ZKDSG. Denn mittels dieser Software werden deren Nutzer in die Lage versetzt, eigentlich für sie als Nicht-Abonnenten des Programms der Antragstellerin nicht entschlüsselbare Sendungen zu empfangen. Dass die Software selbst nicht entschlüsselt, sondern nur bereits entschlüsselte Daten weiter überträgt, ändert hieran nichts.
Dies folgt zum einen aus dem Sinn und Zweck des ZKDSG. Danach sollen Dienste, wie sie von der Antragstellerin gegen Entgelt angeboten werden, davor geschützt werden, dass sie trotz der von dem Anbieter des Dienstes vorgenommenen Zugangskontrolle frei zugänglich gemacht werden. Auf diese Weise sollen die Anbieter solcher Dienste vor einem unberechtigten Verwerten der ihnen zustehenden Rechte geschützt werden. Entfiele dieser Schutz, sobald das Angebot der fraglichen Anbieter einmal entschlüsselt worden ist, so könnte der Zweck des Gesetzes nicht mehr erreicht werden. Hinzukommt, dass aus Sicht desjenigen „Xxx“-Nutzers, der kein Abonnent der Antragstellerin ist, die Software gerade die Umgehung der Zugangsberechtigung ermöglicht.
Ohne die Software wäre diesem Nutzer der Empfang der PayTV-Sendungen aufgrund der von der Antragstellerin vorgenommenen Verschlüsselung gerade nicht möglich."
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9. AG Charlottenburg: Stadtpläne-Abmahnungen II
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Schon seit längerem wird über die mit Online-Stadtplänen verbundenen Urheberrechtsverletzungen und Abmahnungen kontrovers diskutiert. Vor kurzem gab es ein Aufsehen erregendes Urteil des AG Charlottenburg, das feststellte, dass 100,- EUR anwaltliche Abmahnkosten "genug seien", vgl. die Kanzlei-Infos v. 13.05.2005 (= http://snipurl.com/f4c0).
Das gleiche AG, jedoch ein anderer Richter, hat in einem zeitlich früheren Verfahren einen nahezu identischen Fall zu beurteilen gehabt und kam zu einem gänzlich anderen Urteil (AG Charlottenburg, Urt. v. 15.12.2004 - Az.: 231 C 252/04).
Dort klagte die Stadtpläne-Inhaberin den Schadensersatz für die unberechtigte Kartennutzung ein. Sie verlangte dabei die Zahlung von 820,- EUR, da sie zu dieser Höhe grundsätzlich die entsprechenden Nutzungsrechte Dritten einräume.
Die Beklagte meinte, die Berechnung der Lizenzhöhe sei viel zu hoch und zudem willkürlich aus der Luft gegriffen. Des weiteren hafte sie ohnehin nicht für die Urheberrechtsverletzung, da der Stadtplan zwar auf ihrer Internetseite veröffentlicht worden sei, dies jedoch durch einen externen Dritten, einen "sehr jungen Mann", erstellt worden sei.
Der Richter hat der Klage statt gegeben und der Klägerin den Anspruch vollumfänglich zugesprochen:
"Durch die Veröffentlichung der (...) Kartenkachel auf der Internetseite der Beklagten hat diese ein nach dem Urheberrecht geschütztes Recht der Klägerin jedenfalls fahrlässig und widerrechtlich verletzt (...).
Die Beklagte handelte jedenfalls fahrlässig (...). Im Bereich von Urheberrechtsverletzungen sind an das Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt strenge Anforderungen zu stellen (BGH, GRUR 1999, 49, 51). Die Beklagte traf eine Prüfungs und Erkundigungspflicht über den Bestand urheberrechtlicher Rechte an den auf ihrer Internetpräsenz öffentlich zugänglich gemachten Werken (...).
Insofern kann sie sich mit dem bloßen Hinweis, ihr Internetauftritt sei von einem jungen Mann erstellt worden, nicht entlasten. Vielmehr hätte die Beklagte wenigstens darlegen müssen, inwieweit sie selbst ihrer Prüfungspflicht nachgekommen ist oder inwieweit sie diese mit befreiender Wirkung auf den jungen Mann übertragen hat."
Auch die Höhe des Schadensersatz hält das Gericht für angemessen. Vier von fünf Mitbewerbern der Klägerin lägen hinsichtlich der Lizenzen im ähnlich Wert-Bereich wie die Klägerin, so dass sich schon daraus ergebe, dass die eingeklagte Summenhöhe verhältnismäßig sei.
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10. In eigener Sache: Neue Rechts-News auf "Finanzwetten.de"
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Neben den schon bestehenden rechtlichen News-Reihen bei verschiedenen Informations-Portalen (vgl. http://snipurl.com/49ef) gibt die Kanzlei Dr. Bahr ab sofort auch auf "Finanzwetten.de" (= http://www.finanzwetten.de) Rechts-News heraus.
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