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Newsletter vom 27.02.2019 |
Betreff: Rechts-Newsletter 9. KW / 2019: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BGH legt Fragen zur Auskunftspflicht von YouTube bei Urheberrechtsverletzungen seiner User dem EuGH vor _____________________________________________________________ Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zum Umfang der von der Betreiberin der Internetvideoplattform "YouTube" geschuldeten Auskünfte über diejenigen Nutzer, die urheberrechtlich geschützte Inhalte widerrechtlich auf die Plattform hochgeladen haben, vorgelegt.
Sachverhalt: Die Klägerin macht exklusive Nutzungsrechte an den Filmwerken "Parker" und "Scary Movie 5" geltend. Diese Filme wurden in den Jahren 2013 und 2014 von drei verschiedenen Nutzern auf "YouTube" hochgeladen.
Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten zur Auskunft über die E-Mail-Adressen der Benutzer verurteilt, die die Filme hochgeladen haben, und hat die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerin ihre Klaganträge und die Beklagten ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt sich die Frage, ob sich die in Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG geregelte Auskunftspflicht von Personen, die - wie im Streitfall die Beklagten - in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht haben, über Adressen der Hersteller, Erzeuger, Vertreiber, Lieferer und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen auch erstreckt auf Falls die Auskunftspflicht die für das Hochladen der rechtsverletzenden Dateien genutzten IP-Adressen umfasst, möchte der Bundesgerichtshof mit einer weiteren Vorlagefrage wissen, ob sich diese Auskunft auch auf die IP-Adresse erstreckt, die von dem Nutzer, der zuvor rechtsverletzend Dateien hochgeladen hat, zuletzt für einen Zugriff auf sein Benutzerkonto bei der Beklagten zu 1 verwendet wurde, nebst genauem Zeitpunkt des Zugriffs und unabhängig davon, ob bei diesem letzten Zugriff Rechtsverletzungen begangen wurden. Beschluss vom 21. Februar 2019 – I ZR 153/17
Vorinstanzen: Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 21.02.2019
Die maßgebliche Vorschrift des Art. 8 der Richtlinie 2004/48/EG lautet auszugsweise:
Über die Klägerin veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Internetseite:
"Heimliches Treffen zwischen M (...) (Name der Klägerin) und K(...)?Die Berichterstattung war rechtswidrig. Aufgrund der Abmahnungen von M und K gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nur gegenüber K ab. Gegenüber M berief sich die Beklagte auf die Unterlassungserklärung gegenüber K und sah dies als ausreichende Drittunterwerfung an. Die Vorinstanzen stuften dies jedoch als nicht ausreichend ein und verurteilten die Beklagte im Verhältnis zu M zur Unterlassung. Der BGH hob diese Entscheidungen nun auf. Auch im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht sei grundsätzlich eine Drittunterwerfung denkbar und möglich. Dieses Instrumentarium sei nicht von vornherein ausgeschlossen. Es seien jedoch strenge Anforderungen zu stellen, ob die abgegebene Drittunterwerfung ausreichend sei, um die Wiederholungsgefahr auszuschließen. Dabei sei eine umfassende und konkrete Einzelfallprüfung vorzunehmen. Insbesondere sei dabei auch zu berücksichtigen, wie konsequent der Drittgläubiger etwaige Verstöße gegen die abgegebene Unterlassungserklärung verfolge. Denn anders als im Wettbewerbsrecht, bei dem Dritte häufig Verbände oder Vereine seien, bei denen eine grundsätzliche Ahndungs- und Verfolgungsbereitschaft bestünde, sei dies im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht anders. Denn in diesen Fällen ginge es primär nicht um wirtschaftliche, sondern um persönliche Interessen. Diese unterlägen erfahrungsgemäß einer stärkeren Wandelbarkeit, was sich auf die künftige Bereitschaft, das Verhalten des Verletzers auf weitere Verstöße zu beobachten, auswirken könne.
Der BGH fällte in der Sache inhaltlich kein Urteil, sondern verwies das Verfahren mit diesen Vorgaben zur erneuten Prüfung an die unteren Instanzen zurück.
Gegenstand des Verfahrens I ZR 98/17 ist die von der Klägerin im Auftrag der Beklagten ab dem Jahr 2006 für den Athene-Trakt der Kunsthalle erschaffene multimediale und multidimensionale Rauminstallation "HHole (for Mannheim)". Die Installation umfasst verschiedene Teile auf allen sieben Gebäudeebenen des Trakts, die durch Öffnungen in den Geschossdecken miteinander verbunden sind. Im Jahr 2012 beschloss die Beklagte, den Athene-Trakt im Zuge der Neuerrichtung eines anderen Gebäudeteils weitgehend zu entkernen sowie einige Geschossdecken und das bisherige Dach abzubauen. Die Beklagte plant, das Werk im Zuge der Umbaumaßnahmen zu beseitigen. Inzwischen sind unter anderem die Geschossdecken in dem Trakt entfernt worden. Gegenstand des Verfahrens I ZR 99/17 ist eine von der Klägerin im Auftrag der Beklagten für den Dach- und Kuppelbereich des Billing-Baus der Kunsthalle Mannheim ab dem Jahr 2006 erschaffene Lichtinstallation "PHaradies". Ab dem Jahr 2010 ließ die Beklagte das Dach des Billing-Baus sanieren und im Zuge dieser Maßnahmen wurden spätestens 2013 sämtliche Bestandteile der Lichtinstallation entfernt und nicht wieder aufgebaut. Die Klägerin sieht in der Entfernung der Installationen eine Verletzung ihres Urheberrechts. Im Verfahren I ZR 98/17 hat sie in der Berufungsinstanz die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen der Installation "HHole (for Mannheim)" durch die Baumaßnahmen, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Werks, Zugang zum Werk und Zahlung einer angemessenen Vergütung von mindestens 70.000 € verlangt. Hilfsweise hat sie unter anderem die Duldung der Reinstallation der Grundstruktur des Kunstwerks nach erfolgtem Gebäudeumbau auf Kosten der Beklagten sowie Zahlung einer angemessenen Vergütung hierfür beansprucht. Für den Fall einer dauerhaften Beseitigung des Werks hat die Klägerin weiter hilfsweise Schadensersatz von nicht unter 220.000 € begehrt. Im Verfahren I ZR 99/17 hat die Klägerin die Wiedererrichtung der Lichtinstallation "PHaradies" verlangt. Für den Fall der dauerhaften Vernichtung des Werks hat sie hilfsweise Schadenersatz von mindestens 90.000 € beansprucht. Das Landgericht hat die Beklagte im Verfahren I ZR 98/17 zur Zahlung einer Vergütung von 66.000 € unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt. Im Verfahren I ZR 99/17 hat das Landgericht die Klage vollständig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufungen der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage im Verfahren I ZR 98/17 auch hinsichtlich des vom Landgericht zugesprochenen Vergütungsanspruchs abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat im Verfahren I ZR 98/17 das angegriffene Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben, soweit das Oberlandesgericht ihren Klageantrag auf Zahlung einer Vergütung bis zur Höhe von 66.000 € zurückgewiesen hat, und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof die Revision zurückgewiesen. Im Verfahren I ZR 99/17 hat der Bundesgerichtshof die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die von der Klägerin in beiden Verfahren hinsichtlich der Beseitigung der Installationen nach § 97 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 UrhG geltend gemachten Ansprüche bestehen nicht, weil die Vernichtung der Werke rechtmäßig ist. Die Vernichtung eines urheberrechtlich geschützten Werks stellt eine "andere Beeinträchtigung" im Sinne des § 14 UrhG dar. Bei der Prüfung, ob die Vernichtung geeignet ist, die berechtigten persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden, ist eine umfassende Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers des Werks vorzunehmen. Bei der Interessenabwägung ist auf Seiten des Urhebers zu berücksichtigen, ob es sich bei dem vernichteten Werk um das einzige Vervielfältigungsstück des Werks handelte, oder ob von dem Werk weitere Vervielfältigungsstücke existieren. Ferner ist zu berücksichtigen, welche Gestaltungshöhe das Werk aufweist und ob es ein Gegenstand der zweckfreien Kunst ist oder als angewandte Kunst einem Gebrauchszweck dient. Auf Seiten des Eigentümers können, wenn ein Bauwerk oder Kunst in oder an einem solchen betroffen ist, bautechnische Gründe oder das Interesse an einer Nutzungsänderung von Bedeutung sein. Bei Werken der Baukunst oder mit Bauwerken unlösbar verbundenen Kunstwerken werden die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstück oder Gebäudes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werks in der Regel vorgehen, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt. Das Oberlandesgericht hat danach rechtsfehlerfrei angenommen, dass das Interesse der Beklagten an der Beseitigung der Installationen gegenüber dem Erhaltungsinteresse der Klägerin Vorrang hat. Die geltend gemachten Ansprüche sind auch auf vertraglicher Grundlage nicht gegeben. Keinen Bestand hat im Verfahren I ZR 98/17 die Abweisung des Vergütungsanspruchs bis zur Höhe von 66.000 € durch das Oberlandesgericht. Auf der Grundlage der Feststellungen des Oberlandesgerichts kann nicht angenommen werden, dass dieser Anspruch nicht entstanden oder dass er verjährt ist. Urteile vom 21. Februar 2019 - I ZR 98/17 - HHole (for Mannheim) - und I ZR 99/17
Vorinstanzen:
und
I ZR 99/17
Quelle: Pressemitteilung des BGH v. 21.02.2019
Im Rechtsstreit standen:
"3. (Erheben und nutzen von personenbezogenen Daten Bereits erstinstanzlich hatte das LG Berlin (Urt. v. 30.04.2013 - Az.: 15 O 92/12) die Bestimmungen als rechtswidrig eingestuft. Diese Ansicht bestätigte das KG Berlin nun in der Berufungsinstanz bis auf einen Punkt. Dabei war Bewertungsmaßstab die DSGVO und nicht mehr, wie noch in der 1. Instanz, das BDSG. Das KG Berlin brauchte sich gar nicht näher mit dem Inhalt der Regelungen auseinanderzusetzen, da es seiner Ansicht nach an der erforderlichen Einwilligung nach Art. 6 Abs.1 a) DSGVO fehlte.
Denn der Nutzer habe den Regelungen nicht aktiv zugestimmt, sondern Apple habe die Datenschutzerklärung lediglich einseitig proklamiert:
"Die Unterrichtung über Datenverarbeitungspraktiken, die sich die Beklagte selbst erlaubt und die ihre Kunden ungefragt hinzunehmen haben, ersetzt nicht deren Einwilligung. Unklar bleibt, warum das Gericht den Fall der berechtigten Interessen (Art. 6 Abs.1 f) DSGVO) lediglich mit einem Satz ablehnt, aber keine weitergehenden Ausführungen zur Ablehnung macht: "Die Tatbestände der Buchstaben c) bis f) kommen im vorliegenden Fall nicht in Betracht."
Lediglich hinsichtlich der Klausel "4. (Welche personenbezogenen Daten erheben wir)" sah das Gericht im Vertrag eine ausreichende Grundlage (Art. 6 Abs.1 b) DSGVO). Denn die Verarbeitung der dort genannten Daten diene der Vertragserfüllung:
"Gemäß Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO ist die Verarbeitung von Daten rechtmäßig, wenn sie für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen, erforderlich ist. Ein solcher Sachverhalt liegt in den von der Klausel 4 betroffenen Fällen vor. Wenn der Kunde der Beklagten Leistungen der Beklagten in Anspruch nimmt, um mit Dritten in Kontakt zu treten oder diese zu beschenken, ist die Verarbeitung der Kontaktdaten dieser Personen zur Vertragserfüllung erforderlich." zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 5. VerfGH Berlin: Kein Unterlassungsanspruch gegen Twitter-Nachricht von Bürgermeister Müller _____________________________________________________________ Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat heute sein Urteil in einem vom Berliner Landesverband der AfD angestrengten Organstreitverfahren verkündet. Der Antrag der AfD richtete sich gegen eine Twitter-Nachricht des Regierenden Bürgermeisters. Der Verfassungsgerichtshof hat den Antrag zurückgewiesen. Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 27. Mai 2018 fand in Berlin eine vom Bundesverband der AfD angemeldete Demonstration zum Thema „Zukunft Deutschland“ statt, die um 15:16 Uhr beendet war. Anlässlich dieser Demonstration wurden am selben Tag zahlreiche weitere Demonstrationen durchgeführt.
Gegen 17:30 Uhr verbreitete der Regierende Bürgermeister folgende Nachricht über Twitter:
"Zehntausende in #Berlin heute auf der Straße, vor dem #BrandenburgerTor und auf dem Wasser. Was für ein eindrucksvolles Signal für Demokratie und 'Freiheit, gegen Rassismus und menschfeindliche Hetze". Die Antragstellerin machte vor dem Verfassungsgerichtshof geltend, der Regierende Bürgermeister habe mit dieser Nachricht ihr Recht auf Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb aus Art. 21 GG verletzt. Aus diesem Recht folge, dass Inhaber eines Regierungsamtes bei Äußerungen in amtlicher Funktion zur Neutralität verpflichtet seien. Sie dürften daher nicht einseitig parteiergreifend zulasten einzelner politischer Parteien Stellung nehmen. Ihnen sei insbesondere verwehrt, aus Anlass einer politischen Kundgebung negative Werturteile über die veranstaltende Partei abzugeben. Ein solcher Fall liege vor. Der Regierende Bürgermeister habe für die Verbreitung der Nachricht seinen offiziellen Twitteraccount verwendet und sich damit in seiner amtlichen Funktion geäußert. Daher gelte das Neutralitätsgebot. Die Nachricht verstoße gegen dieses Gebot, weil sie eine positive Bewertung der Gegendemonstrationen enthalte. Damit werde zugleich die AfD kritisiert. Der Verfassungsgerichtshof ist der Argumentation der Antragstellerin nicht gefolgt. Zwar hat der Antragsgegner, indem er die Nachricht über den Twitter-Account des Regierenden Bürgermeisters verbreitet hat, in amtlicher Funktion gehandelt. Er war daher dem Neutralitätsgebot unterworfen. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes fehlte der Nachricht jedoch der für die Annahme eines Eingriffs in das Recht auf Chancengleichheit erforderliche Bezug zur Antragstellerin. Aus dem Wortlaut der Nachricht ergab sich nichts, was auf die Antragstellerin als Bezugspunkt der Nachricht hindeutete. Sie enthielt weder eine Kollektivbezeichnung, die für die AfD stehen könnte, noch sonst irgendeine sprachliche Anspielung auf diese. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ergab sich dieser Bezug auch nicht aus dem Kontext des Demonstrationsgeschehens. Denn dass neben den in der Nachricht in Bezug genommenen Demonstrationen eine Kundgebung der AfD stattfand, ging aus der Nachricht selbst nicht hervor. Dieser Zusammenhang setzte vielmehr Wissen aus anderen Quellen voraus, das bei dem maßgeblichen objektiven Empfänger der Twitter-Nachricht nicht ohne weiteres unterstellt werden konnte. Zudem beschränkte sich der Regierende Bürgermeister in seiner Nachricht darauf, sich mit allgemeinen Wertebekenntnissen von Demonstranten zu solidarisieren. Der Unterstützung einer spezifischen Kritik an der AfD enthielt er sich in seiner Nachricht. Darüber hinaus berücksichtigte der Verfassungsgerichtshof, dass mit der Nachricht, die sich unter anderem gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze wendet, Grundpositionen der Regierungsarbeit angesprochen wurden, die zum We-sensgehalt des Grundrechtsteils der Verfassung gehören und dem Parteienstreit daher entzogen sind. Soweit die Antragstellerin von der Nachricht aufgrund ihres Kontextes mittelbar betroffen war, handelte es sich um einen bloßen Reflex des wertebezogenen Inhalts der Äußerung, dem die Eingriffsqualität fehlte. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urteil vom 20. Februar 2019 – VerfGH 80/18 - Quelle: Pressemitteilung des VerfGH Berlin v. 20.02.2019
Hinweis:
(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben. Die Beklagte war eine ausländische Versandapotheke und warb für ein großes Gewinnspiel. Hauptpreis war ein Gutschein für ein E-Bike im Wert von 2.500,- EUR sowie neun Philips-Sonicare-Diamond-Clean-Sets Voraussetzung für die Teilnahme an der Verlosung war das Einsenden eines Rezepts. Das OLG Frankfurt a.M. stufte dies als Verstoß gegen § 7 HWG an. Nach dieser Norm sei es verboten, einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Vorteil an den Kunden auszugeben. Hierunter würden auch Preise aus Gewinnspielen fallen. Die Regelung solle eine mittelbare Gesundheitsgefährdung vermeiden und in erster Linie verhindern, dass die Kunden bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen würden, unsachlich beeinflusst würden, so das Gericht.
Das Argument, dass das fragliche Arzneimittel bereits verordnet und ein Arzneimittelfehlgebrauch daher nicht zu befürchten sei, ließ das OLG Frankfurt a.M. nicht gelten. Denn es bestünde die naheliegende Möglichkeit, dass der Patient sein Rezept bei der Beklagten vorlege anstatt bei einer anderen Apotheke, insbesondere bei einer stationären Apotheke. Denn eine Versandapotheke sei im Gegensatz zu einer stationären Apotheke nicht in der Lage, Patienten durch ihr Personal vor Ort individuell zu beraten, sie hätten ein eingeschränktes Leistungsangebot:
"Die Versandapotheke kann nur telefonisch und auf ausdrückliche Nachfrage beraten. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. OLG Frankfurt a.M.: Auch Pächter kann bestimmen, wer Fotografien von Gebäuden anfertigen darf _____________________________________________________________ Nicht nur der Eigentümer, sondern auch der Pächter eines Gebäudes kann bestimmen, wer Fotos der Immobilie anfertigen darf - und wer nicht (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 11.02.2019 - Az.: 16 U 205/17). Die Beklagte verwendete von ihr angefertigte Fotos, die den Innenbereich eines Gebäudes zeigten, auf ihrer Internetseite zu Werbezwecken. Der Pächter des Gebäudes hatte für diese Art der Nutzung keine Erlaubnis erteilt und ging gegen die Veröffentlichung vor. Die Beklagte wandte ein, dass einem bloßen Pächter ein solcher Unterlassungsanspruch nicht zustünde, da er kein Eigentümer sei. Das OLG Frankfurt a.M. gab der Klägerin Recht. Zwar habe ein Pächter keinen Anspruch aus Eigentumsrecht, da er nur Besitzer, aber kein Eigentümer sei.
Jedoch stünde ihm ein entsprechendes Abwehrrecht aus Hausrecht zu (§§ 854, 1004 BGB):
"Unter Anwendung dieser Grundsätze folgt hier die rechtswidrige Beeinträchtigung des privaten Hausrechts der Klägerin aus dem Umstand, dass die Beklagte ihr Pachtobjekt in einer dem Willen der Klägerin widersprechenden Weise genutzt hat, indem sie Lichtbildaufnahmen von dessen Innenansichten wie Bistro, Veranstaltungsraum sowie einem Besprechungsraum zu Zwecken angefertigt hat, die von der ihr erteilten Genehmigung nicht umfasst waren. Auch ein Pächter kann also, aus dem Hausrecht, einen entsprechenden Unterlassungsanspruch gegen die Veröffentlichung von Bildern vor Gericht geltend machen. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. OLG Köln: Keine irreführende Werbung mit Stofftieren bei Diagonale als Höhenangabe _____________________________________________________________ Verbraucher können auch bei nur geringer Aufmerksamkeit erkennen, dass die Diagonale eines Plüschtieres größer ist als seine Stehhöhe. Dies hat der für Wettbewerbsrecht zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln einem aktuellen Urteil zu Grunde gelegt. In dem Rechtsstreit hatten sich zwei Importeure von Plüschtieren darüber gestritten, ob die Verbraucher durch die Werbung des beklagten Unternehmens in die Irre geführt werden. Dieses hatte bei den gängigen Online-Verkaufsportalen die Höhe der bis zu 160 cm großen Teddybären gemessen vom linken Ohr bis zum rechten Fuß angegeben. Diese Diagonale war auch auf den Verkaufsbildern eingezeichnet. Das klagende Unternehmen hielt dies für eine Irreführung der Verbraucher. Die tatsächliche Stehhöhe der Tiere, gemessen vom Scheitel bis zur Sohle, sei nämlich rund 15% kleiner als die angegebenen Maße. Verbraucher würden sich keine Gedanken darüber machen, dass die diagonale Messung ein größeres Längenmaß ergebe als eine Messung vom Scheitel bis zur Sohle. Die Beklagte hielt dagegen, dass die Diagonale auf den Bildern korrekt eingezeichnet sei. Den Verbrauchern sei bekannt, dass eine Diagonale länger sei als die bloße Höhe. Dies ergebe sich bereits aus der Werbung für TV-Geräte, bei denen stets die Diagonale angegeben werde. Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts folgte der Argumentation der Beklagten und wies - anders als noch das Landgericht - die Klage ab. Der Senat führte aus, dass aufgrund der eingezeichneten Diagonale für die Verbraucher auch bei nur geringer Aufmerksamkeit klar sei, dass sich die angegebene Länge auf die Diagonale und nicht auf die Höhe des Plüschtieres beziehe. Anders als die Klägerin ging der Senat davon aus, dass den durchschnittlichen, auch flüchtigen Verbrauchern das Verhältnis einer Diagonalen zur Höhe bewusst sei. Die Erkenntnis, dass die Diagonale länger sei als die Höhe, ergebe sich schon aus mathematischen Grundkenntnissen. Auf den Werbebildern sei die eingezeichnete Diagonale auch erkennbar länger als die Höhe. Schließlich sei die Größe eines Plüschtieres nur eines von mehreren Kriterien, das bei dem Kauf eine Rolle spiele. Für die Kaufentscheidung sei zumeist viel wichtiger, ob das Plüschtier "süß" aussehe. Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 06.02.2019 - Az. 6 U 141/18
Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 19.02.2019
Seit Anfang 2018 existiert eine neue Vorschrift, nämlich § 270 a BGB, wonach ein Unternehmer für bestimmte Zahlungsarten keine Entgelte verlangen kann.
Die Vorschrift lautet:
"§ 270a: Vereinbarungen über Entgelte für die Nutzung bargeldloser ZahlungsmittelWir haben die Einzelheiten der damaligen Neuerungen in einem ausführlicheren Artikel erläutert, den Sie hier finden. Nicht klar geregelt ist, ob die neue Regelung auch für Zahlungsarten wie PayPal, Amazon Payment oder Sofortüberweisung gilt. Diese Frage hat das LG München I nun beantwortet. Die Beklagte bot online die Buchung von Fernbus-Reisen an und verlangte bei den Zahlungsarten PayPal und Sofortüberweisung ein zusätzliches Zahlungsentgelt. Das LG München I stufte dies als wettbewerbswidrig ein, da für die Varianten die Bestimmung des § 270a BGB greife.
Hinsichtlich Sofortüberweisung führt das Gericht aus:
"Es mag zwar richtig sein, dass ein Dritter, nämlich die Sofort GmbH eingeschaltet wird, welche die Überprüfung der Kontodeckung vornimmt, eine Überweisung auslöst und die sofortige Unterrichtung des Zahlungsempfängers, der Beklagten unternimmt. Letztendlich erfolgt die Überweisung allerdings tatsächlich durch eine SEPA-Überweisung, welche lediglich die zwischengeschaltete Sofort GmbH auslöst. Und bezogen auf PayPal erläutern die Robenträger: "Dies bedeutet, dass letztendlich bei Verwendung der Bezahlart PayPal in der Vielzahl der Transaktionen entweder eine SEPA-Überweisung oder eine SEPA-Lastschrift erfolgt oder die Zahlung mit einer Kreditkarte. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. AG Bremen: Umfang des Schadensersatzesanspruchs bei außerordentlicher Kündigung eines Mobilfunk-Vertragsg _____________________________________________________________ Wird ein Mobilfunkvertrag wegen Zahlungsverbindlichkeiten des Kunden durch das Telekommunikation-Unternehmen außerordentlich gekündigt, kann es nicht die vollständige Monats-Grundgebühr ersetzt verlangen, sondern muss vielmehr konkret darlegen, welchen Gewinn es dabei erzielt (AG Bremen, Urt. v. 18.02.2019 - Az.: 9 C 187/18). Das Telekommunikations-Unternehmen forderte nach der Kündigung des Mobilfunkvertrages aufgrund Zahlungsverzugs vom Kunden Schadensersatz. Dabei machte es die zukünftigen monatlichen Grundgebühren als volle Schadensposition geltend.
Dies lehnte das AG Bremen ab. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin hier 100% der monatlichen Kosten einfordern könne, denn sicherlich sei nur ein gewisser Teil der Grundgebühr ein entgangener Gewinn:
"Nach der 1 zu 1 Berechnung der Klägerin wäre die monatliche Grundgebühr des typischen Handynutzers zu 100% (!) eine reine Gewinnposition der Telekommunikationsanbieter. Dies kann schwerlich anzunehmen sein, ist jedoch auch nicht überprüfbar, da die Telekommunikationskonzerne zu ihren Betriebskosten bezüglich der Unterhaltung der Sendemasteninfrastruktur ebensowenig Auskunft geben, wie zu ihrer durchschnittlichen Funkauslastung. Ein entfallener Kunde belastet die technische Infrastruktur nicht mehr (befreite Datenkapazitäten) und entlastet die bürokratische Kundenverwaltung; auch kann seine frei werdende Rufnummer an neue Kunden vergeben werden." Außerdem beanstandete das Gericht das Verhalten des Unternehmens. Denn die Firma habe mit der außerordentlichen Kündigung so lange gewartet, bis die automatische Vertragsverlängerung wirksam geworden sei. Eine solche Vorgehensweise sei aber ein Verstoß gegen Treu und Glauben: "Im Übrigen hätte die Klägerin angesichts des sich seit März 2017 beständig vergrößernden Zahlungsrückstands das Vertragsverhältnis bereits vor der automatischen Vertragsverlängerung im August 2017 fristlos kündigen können (§ 242 BGB). (...) zurück zur Übersicht |