anbei erhalten Sie den Rechts-Newsletter zur 30. KW im Jahre 2005. Sie finden wie immer aktuelle Urteile, Entscheidungen und sonstige wichtige Informationen zu den kanzleibezogenen Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien, Gewerblicher Rechtsschutz, Wirtschaftsrecht und Gewinnspiel- / Glücksspielrecht.
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Die Themen im Überblick:
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1. BVerfG verschiebt Grundlagen-Entscheidung zum Sportwettenrecht
2. BGH: Marken-Löschungsklage gegen Versandelsunternehmen "Otto"
3. OLG Celle: "Sammelpunke"-Werbeaktion von Bahlsen ist wettbewerbswidrig
4. Saarländisches OLG: Markenrechtlicher Auskunftsanspruch auch bei Nichtverschulden
5. LG Hamburg: Recht aus Domain ./. Markenrecht
6. LG Hamburg: Mitstörerhaftung der Post für rechtswidrige Glücksspiel-Postwurfsendungen
7. LG Hamburg: Klingeltöne und Urheberrecht
8. VG Köln: Ping- und Lockanrufe mittels 0190-Rufnummern
9. LG Köln: Sportwetten in NRW nur mit deutscher Lizenz
10. LG Köln: NRW-Sportwettenrecht verstößt gegen EU-Gemeinschaftsrecht
11. Neuer Aufsatz: "Die Zurückweisung der Softwarepatentrichtlinie"
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1. BVerfG verschiebt Grundlagen-Entscheidung zum Sportwettenrecht
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Wie das BVerfG in einer aktuellen Pressemitteilung (= http://shink.de/67dt7c) erklärt, hat es mit Beschluss v. 13. Juli 2005 (1 BvR 1054/01) entschieden, die langerwartete Grundlagen-Entscheidung zum deutschen Buchmacher- und Sportwettenrecht zu verschieben.
Ursprünglich war von einer Entscheidung für Herbst diesen Jahres ausgegangen worden. Nun ist als nächster mündlicher Termin der 8. November 2005 festgelegt. Wann eine endgültige Entscheidung fällt, ist offen.
Ausführliche Informationen zum Glücksspielrecht erhalten Sie im soeben erschienenen Buch von RA Dr. Bahr "Glücks- und Gewinnspielrecht" (= http://www.gewinnspiel-und-recht.de). Unter Gewinnspiel & Recht (= http://www.gewinnspiel-und-recht.de) finden Sie online zahlreiche weitere Infos, Downloads und Checklisten zum Buch.
Unter Glücksspiel & Recht (= http://shink.de/b5rh94) finden Sie unter Info-Portal zum Glücksspiel-Recht.
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2. BGH: Marken-Löschungsklage gegen Versandelsunternehmen "Otto"
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Das Landgericht Hamburg und das Oberlandesgericht Hamburg hatten auf eine Popularklage hin ein großes Versandhandelsunternehmen verurteilt, in die Löschung von für dieses eingetragenen Marken einzuwilligen.
Der u.a. für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die hiergegen gerichtete Revision der Markeninhaberin zurückgewiesen. Er hat dabei die Beurteilung des Berufungsgerichts bestätigt, daß ein Versandhandelsunternehmen, das für eine Vielzahl von Waren eingetragene Wort- und Wort-/Bildmarken, die das Unternehmenskennzeichen – im Streitfall: „OTTO“ - enthalten, lediglich auf Katalogen und Versandtaschen, nicht aber auf der Ware selbst anbringt, diese damit nicht in einer für den Erhalt der Marke maßgeblichen Weise benutzt.
Die nach Ablauf einer Schonfrist von fünf Jahren nach dem Gesetz erforderliche rechtserhaltende Benutzung setzt bei einer für Waren eingetragenen Marke voraus, daß der Verkehr einen unmittelbaren Bezug der verwendeten Marke zu einer konkreten Ware herstellt. Daran fehlte es im Streitfall, weil in den mit dem Zeichen „OTTO“ versehenen Katalogen eine Vielzahl von Waren - darunter auch solche bekannter Markenhersteller - angeboten wird. Der Verkehr sieht in solchen Fällen in der Bezeichnung „OTTO“ oder „OTTO-VERSAND“ lediglich einen Hinweis auf das Versandhandelsunternehmen, nicht dagegen auch eine Bezeichnung der jeweils vertriebenen Ware als „OTTO-Ware“. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht unterliegen sogenannte Handelsmarken, wenn sie als Marken für Waren und nicht als Dienstleistungsmarken eingetragen sind, keiner von den allgemeinen Grundsätzen zur rechtserhaltenden Benutzung einer Warenmarke abweichenden besonderen Beurteilung.
Urteil vom 21. Juli 2005 – I ZR 293/02
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 109/2005 v. 22.07.2005
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3. OLG Celle: "Sammelpunke"-Werbeaktion von Bahlsen ist wettbewerbswidrig
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Die Bahlsen GmbH + Co. KG darf ihre im Internet und auf Produktverpackungen laufende Werbeaktion "Sammeln für die Klassenfahrt" nicht fortführen; anderenfalls droht ihr die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 €.
Das hat der für Wettbewerbssachen zuständige 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle am 21. Juli 2005 entschieden (13 U 13/05).
Der Senat hat damit - anders als das Landgericht Hannover in erster Instanz (23 O 155/04) - dem als Kläger auftretenden Bundesverband der Verbraucherzentralen Recht gegeben, der die Sammelpunkte-Aktion in wettbewerbsrechtlicher Sicht beanstandet hatte (s. hierzu auch die hiesige Pressemitteilung vom 29. Juni 2005).
Zugleich hat der 13. Zivilsenat die Revision (zum Bundesgerichtshof) zugelassen.
Quelle: Pressemitteilung d. OLG Celle v. 21.07.2005
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4. Saarländisches OLG: Markenrechtlicher Auskunftsanspruch auch bei Nichtverschulden
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Das Saarländische OLG (Urt. v. 13.04.2005 - Az.: 1 U 522/04) hat entschieden, dass auch Derjenige, den kein Verschulden trifft, eine markenrechtliche Auskunftspflicht hat.
Gemäß § 19 MarkenG kann der Markeninhaber den Verletzer unverzügliche auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Gegenständen in Anspruch nehmen.
Im vorliegenden Fall hatte der Verletzer die Markenverletzung irrtümlich und schuldlos begangen. Dennoch sei er zur Auskunft verpflichtet, so das OLG.
"Die Vorschrift des § 19 (...) MarkenG ist nicht auf die Fälle der Markenpiraterie, in denen eine fremde Ware vorsätzlich zu Täuschungszwecken mit der Marke versehen wird, beschränkt. § 19 MarkenG gewährt vielmehr einen - verschuldensunabhängigen - Auskunftsanspruch (...).
Eine schuldlos irrtümliche Verwendung der Marke der Klägerin entlastet die Beklagte mithin keineswegs. Ausreichend ist insoweit die Verwirklichung des objektiven Verletzungstatbestandes (...)."
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5. LG Hamburg: Recht aus Domain ./. Markenrecht
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Das LG Hamburg (Urt. v. 26.05.2005 - Az.: 315 O 136/04 - PDF via Markenservice = http://shink.de/etxhow) hatte den Fall zu entscheiden, bei dem ein Recht aus einer Domain dem Recht aus einer eingetragenen Marke gegenüberstand.
Die Beklagte hatte die Domain "ahd.de" 1997 registriert. Erst im September 2002 waren auf der Homepage vereinzelte Inhalte abrufbar, seit Anfang 2004 konnten zusätzlich Informatione zum Althochdeutschen nachgelesen werden.
Die klägerische Firma war seit 2001 unter der Bezeichnung "ahd" auf dem Markt, seit Juli 2003 bestand zudem eine markenrechtliche Eintragung dieses Begriffes beim Deutschen Patent- und Markenamt.
Nun nahm die Klägerin die Beklagte auf Löschung der Domain in Anspruch.
Zu Recht wie die Hamburger Richter entschieden:
"Die Klägerin verfügt trotz der früher registrerten Domain der Beklagten über die bessere Priorität. Denn allein aus der Domainregistrierung lassen sich noch keine Rechte herleiten wie umgekehrt die bloße Registrierung grundsätzlich auch noch keine rechtsverletzende Benutzung darstellt.
Daraus folgt (...), dass die Beklagte (..) bis zum September 2002 (...) einerseits keine Rechte erworben (...) hat. Denn aus der eher kursorischen Beschreibung, was die Beklagte mit bzw. auf der Domain eigentlich gemacht hat, ergibt sich jedenfalls nicht ein prioritätsbesseres Kennzeichenrecht. Unsubstantiiert ist (...) das Vorbringen einer Nutzung vor September 2002. (...)
Mit Gründung und Geschäftsaufnahme der Klägerin im Juli 2001 sind ihr firmenrechtliche Kennzeichenrechte entstanden."
Und weiter:
"Den Beklagten stehen auch kejne prioritätsbesseren Titelschutzrechte zu. Dies gilt schon deswegen, weil mit dem auf der Domain angezeigten Titel kein titelschutzfähiges Werk gekennzeichnet wurde."
Die Entscheidung der Hamburger Richter entspricht der gängigen Rechtsprechung. Erst vor kurzem hat der BGH in einem Grundlagen-Urteil festgestellt, dass durch die Benutzung einer Domain ein Werktitel-Recht iSd. § 5 Abs.3 MarkenG entstehen kann, vgl. die Kanzlei-Infos v. 28.01.2005 = http://shink.de/woyb8d
Zwingende Voraussetzung ist jedoch dafür:
"Durch die Benutzung eines Domainnamens kann ein entsprechendes Unternehmenskennzeichen entstehen, wenn durch die Art der Benutzung deutlich wird, daß der Domainname nicht lediglich als Adreßbezeichnung verwendet wird, und der Verkehr daher in der als Domainname gewählten Bezeichnung einen Herkunftshinweis erkennt."
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6. LG Hamburg: Mitstörerhaftung der Post für rechtswidrige Glücksspiel-Postwurfsendungen
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Das LG Hamburg (Urt. v. 17.03.2005 - Az.: 315 O 950/04) hatte zu beurteilen, ob die Deutsche Post AG für Postwurfsendungen als Mitstörer haftet, wenn in diesen für ein ausländisches, rechtswidriges Glücksspiel geworben wird.
Dies haben die Hamburger Richter bejaht:
"Die Beklagte ist passivlegitimiert gemäß (...) den Grundsätzen der Störerhaftung. Sie handelt dem § 3 UWG zuwider, indem sie am Wettbewerbsverhalten des Casino-Clubs, für den sie als Störerin haftet, durch das Verteilen der Postwurfsendungen unter Verletzung ihrer Prüfungspflicht mitwirkt. (...)
Die Beklagte hat eine ihr zumutbare Prüfungspflicht verletzt. Eine Prüfung von Postwurfsendungen, die sie zur Verteilung annimmt, ist ihr zumindest insoweit zumutbar, dass deren Inhalt gegen Strafgesetzte verstößt und sich für die Möglichkeit eines Verstoßes (...) bereits bei flüchtiger Betrachtung der Außenseite der Sendung erhebliche Anhaltspunkte ergeben.
Dies gilt gerade auch unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung der Beklagten. Diese nimmt vor allem Transportfunktion bei der Verbreitung fremder (...) Äußerungen wahr (...). Wollte man die Beklagte völlig von einer Prüfungspflicht befreien, wäre ein weites Tor für wettbewerbswidriges und strafrechtsrelevantes Verhalten Dritter geöffnet."
Und weiter:
"Der Beklagten ist die Überprüfung vor ihrer Verteilung auch tatsächlich möglich. Denn bei der Einlieferung der Postwurfsendung wird ihr von ihrem Kunden ein Muster vorgelegt (...). Die Beklagte kann ihre gegenteilige Auffassung deshalb nicht auf die Rechtsprechung des BGH (GRUR 2001, 1038 (...) - ambiente.de) zur Unzumutbarkeit einer Prüfungspflicht der DENIC e.G. (...) stützen.
Denn die Situation der Verteilung von Postwurfsendungen durch die Beklagte unterscheidet sich bereits dadurch wesentlich (...), dass die Registrierung von Internetdomains über eine elektronische Schnittstelle von Internetdomains nicht von Mitarbeitern der DENIC vorgenommen wird, sondern die von dem Provider übermittelten Registrierungsdaten bei der DENIC vollautomatisch verarbeitet werden, so dass bei der DENIC eine unmittelbare tatsächliche Kenntnisnahme (...) nicht erfolgen kann. Die Beklagte kann hingegen über ihre Mitarbeiter tatsächlich von den Sendungen Kenntnis nehmen (...)."
Auch das Briefgeheimnis hindere die Post nicht an dieser Pflicht.
"Die Beklagte ist auch rechtlich nicht gehindert, von dem Inhalt des Faltblatts Kenntnis zu nehmen (...). Denn der Inhalt dieser Sendungen unterliegt nicht dem Postgeheimnis.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass unadressierte Faltblätter und Werbebroschüren nicht vom Begriff der Postsendung (...) erfasst sind. (...) Es entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck der Gewährleistung des Postgeheimnisses, derartige Faltblätter zu schützen (...)."
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7. LG Hamburg: Klingeltöne und Urheberrecht
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Bei Handy-Klingeltönen gibt es neben der wettbewerbsrechtlichen Problematik die urheberrechtliche. Vgl. dazu insgesamt unsere Rechts-FAQ "Recht der Neuen Medien", "Punkt 14: Klingeltöne" = http://shink.de/944pgs
Die neuesten Hits werden - neben einer anderweitigen Verwertung - auch als Klingeltöne verwendet. Dabei war streitig, ob es sich um eine neue Nutzungsart handelt oder nicht. Einziges Urteil ist das LG Hamburg (Urt. v. 14.05.2002 - Az.: 312 O 845/01 = ZUM 2001, 443 = http://shink.de/1y5rln). Eine Anmerkung von RA Dr. Bahr (zusammen mit RA Rehmann) hierzu findet sich in der Fachzeitschrift "Computer und Recht" 2002, 229ff. Inzwischen ist das Urteil durch den Beschluss des OLG Hamburg (Beschl. v. 4. Februar 2002, Az. 5 U 106/01 = http://shink.de/xw2dt) inhaltlich zwar weitgehend bestätigt, aber formal gesehen aufgehoben worden. Vgl. hierzu die Anmerkung von RA Dr. Bahr = http://shink.de/mkvrep
Streitpunkt war damals § 31 Abs.4 UrhG. Nach dieser Norm kann der Urheber immer dann eine Nachvergütung verlangen, wenn das ursprüngliche zur Nutzung übertragene Werk plötzlich in Form einer neuen, bislang unbekannten Form genutzt wird. Der Streit, ob Klingeltöne als neue Nutzungsart einzustufen sind, hat inzwischen seine Bedeutung verloren, da inzwischen alle Verwertungsgesellschaften sich die enstprechenden Nutzungsrechte haben übertragen lassen. Es bleibt jedoch das Problem, ob Klingeltöne eine einwillungsbedürftige Bearbeitung des Urhebers sind.
Dies hatte nun auch das LG Hamburg (Urt. v. 18.03.2005 - Az: 308 O 390/04 = http://shink.de/pk4f71) in einem aktuellen Urteil zu entscheiden. Universal Entertainment hatte gegen EMI Music Publishing geklagt, weil diese im Internet Klingeltöne anboten, ohne dass die Rechteinhaber ihre Einwilligung erteilt hatten und dafür vergütet worden wären.
EMI hatte argumentiert, das Recht zur Bearbeitung könne im vorliegend Fall angenommen werden, da Universal Dritten ein solches Recht eingeräumt habe. Dieser Ansicht erteilten die Hamburger Richter eine Absage.
"Ein Nutzungsrecht der Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass das Musikwerk der Kläger (...) zuvor bereits mit deren Einwilligung als Ruftonmelodie veröffentlicht worden ist. (...)
Denn die oben dargestellte Vereinbarung zwischen den Urhebern und der GEMA zur Rechtewahrnehmung bei einer Ruftonnutzung beschränkt den Vorbehalt der Zustimmung des Urhebers ersichtlich nicht auf eine erstmalige Nutzung, sondern auch auf Folgenutzungen. Nur das wird zudem nach Auffassung der Kammer auch den besonderen Interessen der Urheber bei dieser Art der Nutzung ihres Werkes gerecht, bei der, anders als bei einer Coverversion, durch die Reduzierung auf einen Signalton regelmäßig nachhaltig in das Urheberpersönlichkeitsrecht eingegriffen wird, und die einer Merchandisingnutzung näher kommt als einer Werknutzung, wie sie sonst von der GEMA lizensiert wird."
Zudem stellten die Hamburger Richter ausdrücklich fest, dass das zweistuftige Lizenzverfahren der GEMA rechtlich nicht zu beanstanden sei. Alleine der Urheber und die Wahrnehmungsgesellschaft bestimmten, in welchem Umfang die Rechteeinräumung erfolge.
Die Umformung eines Musikwerkes als Handyklingelton stelle eine einwilligungspflichtige Umgestaltung iSd. § 23 UrhG dar.
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8. VG Köln: Ping- und Lockanrufe mittels 0190-Rufnummern
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Die Klägerin ließ von den Niederlanden aus in großem Umfang deutsche Mobilfunkanschlüsse anrufen. Die Verbindung wurde nach einem einmaligen Klingeln (sog. Ping- oder Lockanruf) automatisch unterbrochen. Als Absender wurde eine "+49190"-Rufnummer fingiert angegeben. Bei Anwahl der 0190-Nummer gelangte der Anrufer zu einer ausländischen Erotikfirma.
Die Beklagte, die damalige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), ordnete die Abschaltung der 0190-Rufnummern an und forderte die Klägerin auf, es zu unterlassen, Dritte unaufgefordert anzurufen.
Hiergegen klagte das betroffene Unternehmen vor dem VG Köln (Urt. v. 28.01.2005 - Az.: 11 K 3734/04 = http://shink.de/h7wxz2) und verlor.
"Die Voraussetzungen für ein Einschreiten (...) lagen vor.
Die RegTP hat eine Anordnung getroffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften iRd. Nummernverwaltung sicherzustellen; diese Anordnung ist nicht zu beanstanden. Zu den gesetzlichen Vorschriften, über deren Einhaltung (...) die RegTP wacht, gehören insb. auch diejenigen des UWG (...).
Die Behörde kann daher gegen jegliche Verstöße gegen das UWG bei der Nutzung von 0190/0900-Nummern einschreiten."
Die Richter stellen dann fest, dass die Anrufe der Klägerin unzulässige Telefonwerbung und somit unzweifelhaft wettbewerbswidrig seien. Die Klägerin habe damit gegen das UWG verstoßen.
Des weiteren beschäftigen sich die Kölner Juristen dann mit der Tatsache des einmaligen Klingelns:
"Zum anderen kommt beim Anruf der Klägerin eine doppelte Vortäuschung gegenüber dem Angerufenen hinzu, die den Anruf erst recht als sittenwidrig (...) erscheinen lässt.
Eine Vortäuschung liegt nämlich sowohl über den Anrufenden vor (dessen Sitz in den Niederlanden verschleiert wurde) als auch über die Art des Anrufs (da ein Anruf von einer Mehrwertdiensterufnummer vorgespiegelt wurde, der technisch grundsätzlich nicht möglich ist und in Wahrheit auch nicht erfolgt).
Diese Veranlassung (...) bestand umso mehr, als die hinterlassene Nummer vom Angerufenen nicht eingeordnet werden konnte (...). Im Hinblick darauf musste der Angerufene auch nicht damit rechnen, bei seinem Rückruf auf einen (...) kostenpflichtigen (...) Mehrwertdiensteanbieter aufzulaufen;
dies umso weniger, als durch die Kennung mit +49 und dem Wegfall der ersten Null die 0190-Nummer nicht auf Anhieb zu erkennen war."
Erst vor wenigen Tagen hat das VG Köln in einer weiteren Entscheidung seine Rechtsauffassung untermauert, wonach die RegTP gegen unzulässige Werbeanrufe und -faxe vorgehen darf, vgl. die Kanzlei-Infos v. 11.07.2005 = http://shink.de/tl6to
Zum Bereich der Mehrwertdienste vgl. unsere Info-Portal "Mehrwertdienste & Rechte" = http://www.mehrwertdiensteundrecht.de
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9. LG Köln: Sportwetten in NRW nur mit deutscher Lizenz
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Das LG Köln (Urt. v. 14.07.2005 - Az.: 81 O 30/05 = http://shink.de/izlm58) hat entschieden, dass Sportwetten in NRW nur mit einer deutschen Lizenz angeboten oder beworben werden dürfen.
Dieses zivilrechtliche Urteil steht damit im exakten Gegenteil zu der am gleichen Tag gefällten strafrechtlichen Entscheidung des LG Köln, wonach § 284 StGB iVm. mit dem nordrhein-westfälischen Sportwettengesetz mit den EU-Grundfreiheiten nicht vereinbar ist, vgl. Punkt 10 dieses Newsletters.
Ein noch deutlicheres und anschaulicheres Beispiel für die innere Zerissenheit der deutschen Rechtsprechung zum Thema "Sportwetten" seit der "Gambelli"-Entscheidung (= http://shink.de/915y9u) dürfte schwerlich zu finden sein.
Das Kölner Zivilgericht beschäftigt sich zunächst mit der Frage, ob überhaupt deutsches Recht anwendbar sei, da die Sportwetten via Internet angeboten und beworben würden:
"Die angegriffene Website ist zwar nicht ausschließlich, wohl aber sehr ausdrücklich auch an die Verbraucher in der Bundesrepublik Deutschland gerichtet, was sich zwanglos schon aus der Tatsache ergibt, dass bei der Angabe der persönlichen Daten "Germany" aus der Auswahlliste angeklickt werden kann; vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass und wo auf der Welt die deutsche Sprache noch verstanden werden kann."
Dann setzt es sich mit der Frage auseinander, ob das NRW-Sportwettengesetz mit den EU-Grundfreiheiten vereinbar ist:
"Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es eben gerade nicht so, dass die "Gambelli" - Entscheidung des EuGH eine Gesetzeslage wie die in der Bundesrepublik Deutschland für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt hat.
Zwar ist davon auszugehen, dass der strikte Genehmigungsvorbehalt eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bedeutet, die zu ihrer Rechtfertigung zwingende Gründe des Allgemeinwohls erfordert. (...)
Schon soweit sich die Beklagten unter Hinweis auf massive Werbung seitens der Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks auf die "Gambelli" - Entscheidung des EuGH berufen für ihre Annahme eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht, habe sie keinen Erfolg, denn die Ausführungen des EuGH sind auf der Grundlagen der Tatsachenfeststellungen des Vorlagebeschlusses zu verstehen; damit hat in Italien eine grundlegend andere Situation vorgelegen als sie hierzulande gegeben ist: dort hat der Staat zum Zweck der Einnahmenerzielung Konzessionäre des Nationalen Olympischen Komitees geschützt (...) und damit - mit ausschließlich fiskalischer Zielsetzung - die den einzelnen Mitgliedsländern zustehenden Ermessensgrenzen überschritten."
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10. LG Köln: NRW-Sportwettenrecht verstößt gegen EU-Gemeinschaftsrecht
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Das LG Köln (Beschl. v. 14.07.2005 - Az.: 105 Qs 80/05 = http://shink.de/lmf23w) hat entschieden, dass § 284 StGB iVm. mit dem nordrhein-westfälischen Sportwettengesetz gegen die EU-Grundfreiheiten verstößt und somit keine wirksame Grundlage für eine Verurteilung darstellt.
"(...) die Strafvorschrift des § 284 StGB iVm den Vorschriften des Sportwettengesetz NW mit Blick auf die Gambelli-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2003 (Az C-243/01) mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren und damit als Grundlage für eine Strafbarkeit des Betroffenen ausscheidet.
Das SportwettenG NW verlangt, dass ein Unternehmer, der im Bereich von Nordrhein Westfalen Sportwetten anbieten will, sich als Wettunternehmer zuzulassen, wobei dies wiederum nur möglich ist, wenn der Träger des Antragstellers eine jurisitische Person des öffentlichen Rechts ist. Der Betroffene unseres Falles hätte eine solche Erlaubnis also überhaupt nicht erlangen können."
Und weiter:
"In der Gambelli-Entscheidung wurde festgehalten, dass eine derartige Regelung im Falle der Vermittlung von Sportwetten für einen Wetthalter, der seinen Sitz in einem anderen Land der europäischen Gemeinschaft hat und in diesem Land über eine Erlaubnis zur Durchführung von Sportwetten verfügt, eine Beschränkung der im EU-Vertrag vorgesehenen Niederlassungsfreiheit und der Freiheit des Dienstleistungsverkehrs darstellt.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Beschlüssen vom 26.08.2004 und 15.12.2004 (1 BvR 1446/04 und 2495/04) in diesem Zusammenhang eindeutig festgestellt, dass die Gambelli-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes und die dort erfolgte Klärung von Rechtsfragen für deutsche Gerichte bindend ist. Dem haben sich - soweit ersichtlich - der Hessische VGH, GewArch 2004, 153 f. sowie das Sächsische OVG (Beschluß vom 22.12.2004 Az 3 BS 405/03) angeschlossen und im Rahmen der jeweiligen Eilverfahren dem Interesse der Betreiber am vorläufigen Weiterbetrieb ihrer Vermittlung den Vorrang gegeben."
Ausführliche Informationen zum Sportwettenrecht erhalten Sie im soeben erschienenen Buch von RA Dr. Bahr "Glücks- und Gewinnspielrecht" (= http://www.gewinnspiel-und-recht.de). Unter Gewinnspiel & Recht (= http://www.gewinnspiel-und-recht.de) finden Sie online zahlreiche weitere Infos, Downloads und Checklisten zum Buch.
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11. Neuer Aufsatz: "Die Zurückweisung der Softwarepatentrichtlinie"
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Es gibt einen neuen Aufsatz von RA Schenk LL.M. Eur. "Die Zurückweisung der Softwarepatentrichtlinie - Erfolg oder Pyrrhussieg?", der hier online abrufbar ist = http://shink.de/flmnay
Der Aufsatz beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Zurückweisung der Softwarepatentrichtlinie durch das Europäische Parlament.
RA Schenk LL.M. Eur. war einer der Redner auf der Brüssler KMU-Konferenz wenige Tage vor der Abstimmung, vgl. die Kanzlei-Infos v. 20.06.2005 = http://shink.de/76shx5
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