Zurück |
Newsletter vom 27.10.2010 |
Betreff: Rechts-Newsletter 43. KW / 2010: Kanzlei Dr. Bahr |
"Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir miteinander verfahren: Als die Beklagte nicht reagierte, machte der Kläger einen gerichtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Zu Unrecht. Das Handeln des Klägers sei rechtsmissbräuchlich. Der Inhalt der E-Mail zeige, dass es dem Kläger nicht in erster Linie um den Schutz der Allgemeinheit vor wettebewerbswidrigen und irreführenden Aussagen gehe. Vielmehr sei es Ziel gewesen, sie die Beklagte durch die Formulierungen unter Druck zu setzen und und ihr weiteres "Übel" in Aussicht zu stellen. Durch das Erzwingen der Geschäftsbeziehung werde deutlich, dass einzig und allein um den eigenen geschäftlichen Vorteil gehe. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 3. OLG Hamm: Kein Wettbewerbsverstoß bei Verlängerung einer Preisnachlass-Aktion _____________________________________________________________ Die Verlängerung einer ursprünglich zeitlich befristeten Rabattaktion führt den Verbraucher nicht in die Irre und ist somit wettbewerbsgemäß (OLG Hamm, Urt. v. 02.09.2010 - Az.: I-4 52/10). Ein Reiseveranstalter bot auf seiner Webseite einen zeitlich begrenzten Rabatt an. Nach Ablauf der Aktion verlängerte den Zeitraum. Der Kläger sah darin eine unzulässige Irreführung, da durch die Vorgabe, der Rabatt könne nur begrenzt in Anspruch genommen werden, eine wettbewerbswidrige Täuschung des Verbrauchers erfolge. Die Hammer Richter stimmten dem nicht zu. Durch die zeitlich begrenzte Rabattaktion habe sich der verklagte Unternehmer nicht verpflichtet, sich an diese Beschränkungen zu halten. Es sei nicht erkennbar, was an einer Verlängerung einer Rabattaktion rechtswidrig sein solle. Schließlich erhielten die Kunden die Sondervorteile für einen längeren Zeitraum, als sie zunächst dachten. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. OLG Köln: Beschwerderecht des Anschlussinhabers bei Auskunftverfahren in P2P-Fällen _____________________________________________________________ Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat mit Beschluss vom 05.10.2010 (Az. 6 W 82/10) ein Beschwerderecht des Anschlussinhabers im Auskunftsverfahren gemäß § 101 Abs. 9 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) bejaht. Ein großes Musikunternehmen, das die Urheberrechte für die bei ihm unter Vertrag befindlichen Künstler wahrnimmt, hatte im vorliegenden Fall festgestellt, dass ein im August 2008 erschienenes Pop-Album in einer Internet-Tauschbörse zum Download angeboten wurde. Das Landgericht Köln hat dem beteiligten Internet-Provider im Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG auf Antrag der Musikfirma gestattet, unter Verwendung der sog. Verkehrsdaten Auskunft über den Namen und die Anschrift des Nutzers zu erteilen, dem die für den betreffenden Vorgang ermittelte dynamische IP-Adresse zugewiesen war. Der Provider erteilte die Auskunft und benannte die Inhaberin des Anschlusses, von dem aus das Album zum Download angeboten worden war. Diese wurde von der Plattenfirma zur Abgabe einer sog. strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Kostenübernahme oder zur Zahlung eines abschließenden Vergleichsbetrages von 1.200,00 € aufgefordert. Mit ihrer Beschwerde beanstandete die Anschlussinhaberin nun, dass der Provider Informationen über ihren Internetanschluss weitergegeben und das Landgericht dies gestattet habe, ohne sie davon in Kenntnis zu setzen. Der für Urheberrechtssachen zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat jetzt ein Beschwerderecht des Anschlussinhabers im Gestattungsverfahren bejaht. Der Anschlussinhaber habe, auch wenn sich die richterliche Gestattung mit der Erteilung der Auskunft durch den Provider erledigt habe, ein fortbestehendes Interesse daran, die Rechtswidrigkeit des Gestattungsbeschlusses auch nachträglich feststellen zu lassen, was nunmehr auf der Grundlage von § 62 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ermöglicht werde. Der Inhaber des Internetanschlusses werde durch die richterliche Anordnung weiterhin erheblich beeinträchtigt, insofern sich der Rechteinhaber nach erteilter Auskunft zunächst an ihn wende und ihn gegebenenfalls zwinge, sich gegen den Vorwurf der Urheberrechtsverletzung verteidigen zu müssen. Ohne eigenes nachträgliches Beschwerderecht im Anordnungsverfahren wäre seine Verteidigung aber wesentlich erschwert, wenn er aus seiner Sicht fehlerhafte Feststellungen des anordnenden Gerichts erst im Rahmen eines späteren Klageverfahrens zur Überprüfung stellen könnte, wenn er durch den Rechteinhaber auf Ersatz von Kosten und Schadenersatz in Anspruch genommen wird. Der Anschlussinhaber kann mit seiner Beschwerde aber nur die im Verfahren nach § 101 Abs. 2 und 9 UrhG zu prüfenden Voraussetzungen für die Auskunftserteilung durch den Provider (namentlich Rechtsinhaberschaft, Offensichtlichkeit und gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung) zur Überprüfung stellen. Nicht gehört wird er mit Einwänden, auf die es im Gestattungsverfahren gar nicht ankommt, also zum Beispiel damit, der Provider habe die IP-Adresse ihm fälschlich zugeordnet, er selbst habe den Internetanschluss zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht genutzt, sondern seine Kinder oder Dritte, die sich unerlaubt in sein WLAN „eingehackt“ haben müssten. All diese Punkte werden erst in einem weiteren Unterlassungs- oder Schadenersatzprozess geklärt, falls es nach einer Abmahnung durch die Musikfirmen nicht zu einer Einigung kommt. Im konkreten Falle wurde festgestellt, dass die Anschlussinhaberin in ihren Rechten verletzt wurde, da das gewerbliche Ausmaß der Urheberrechtsverletzung nicht festgestellt werden konnte. Bei einem Musikalbum, das schon vor mehr als 1 1/2 Jahren erschienen war, müssen besondere Umstände vorliegen, um eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß annehmen zu können; solche waren im konkreten Fall nicht dargelegt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen, die binnen eines Monats beim Bundesgerichtshof eingelegt werden kann. Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 19.10.2010 zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 5. LG Düsseldorf: WLAN-Anschlussinhaber haftet für P2P-Urheberverstöße Dritter _____________________________________________________________ Der Inhaber eines WLAN-Anschluss haftet als Mitstörer für die Urheberrechtsverletzer Dritter. Dies gilt insbesondere, wenn er keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hat (LG Düsseldorf, Urt. v. 29.09.2010 - Az.: 12 O 51/10). Der Kläger war Inhaber entsprechender Nutzungsrechte an einem Musikstück. Dieses wurde unerlaubt in einer P2P-Tauschbörse unerlaubt öffentlich zugänglich gemacht, über den WLAN-Anschluss des Beklagten. Der Beklagte wandte ein, dass er für den Upload nicht verantwortlich sei, jemand Unbekanntes habe in Wahrheit die Rechtsverletzungen begangen. Die Düsseldorfer Richter bejahten eine Haftung. Dies bereits deswegen, weil der Beklagte keine ausreichenden Möglichkeiten zur Absicherung des WLAN ergriffen habe. So sei sein Password mangelhaft. Als Anschlussinhaber sei er aber dazu verpflichtet gewesen, hinreichende Sicherheitsmaßnahmen durchzuführen. Im Rahmen seiner Zumutbarkeit habe er Sorge dafür zu tragen, dass Rechtsverletzungen so gut wie möglich verhindert würden. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. LG Hanau: Nachweis von Wettbewerbsverstoß durch Alkohol-Testkauf kann rechtswidrig sein _____________________________________________________________ Ein privater Verbraucherschutzverein darf keinen 17jährigen als agent provocateur einsetzen, um den Abverkauf von Alkohol an Tankstellen zu überprüfen (LG Hanau, Urt. v. 14.09.2010 - Az.: 6 O 104/10). Der Verein pro Verbraucherschutz nahm einen Tankstellen-Pächter wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch, weil dieser einem 17jährigen Jugendlichen Alkohol verkauft und damit gegen jugendschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen hatte. Hierbei handelte es sich um einen Testkauf, bei dem der Minderjährige von der Klägerin "vorgeschickt" wurde. Das LG Hanau verneinte einen Unterlassungsanspruch. Die Robenträger erklärten, dass es sich bei dem Testkauf um eine unzulässige Maßnahme handle, die ordnungswidrig sei. Die erlangten Ergebnisse seien daher nicht verwertbar. Für den Nachweis eines Wettbewerbsverstoßes im Wege eines Testkaufs müsse regelmäßig die Vermutung der Gefahr einer erneuten Begehung begründet sein. Würden im Vorfeld nicht ausreichend Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung vorliegen, sei die Durchführung dieser Test-Maßnahmen unlauter. Das alleinige Hinwirken und Provozieren eines Verstoßes gegen das Alkoholabgabeverbot unter Verwendung strafbarer und verwerflicher Mittel sei daher rechtswidrig. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. LG Köln: Keine Rechtsverletzung von Anwalt bei Online-Veröffentlichung von Gerichtsverhandlung _____________________________________________________________ Ein in Deutschland bekannter Medienanwalt muss es hinnehmen, dass auf einer Internetseite über die von ihm geführten, öffentlichen Verfahren berichtet wird und dabei sowohl das Aktenzeichen genannt als auch der Kurzinhalt beschrieben wird (LG Köln, Urt. v. 13.10.2010 - Az.: 28 O 300/10). Der Kläger, ein in Deutschland bekannter Rechtsanwalt, führte seit Jahren zahlreiche Rechtsstreitigkeiten mit dem Beklagten. Hierüber informierte der Beklagte auf seiner Webseite. Da der Beklagte Aktenzeichen und den Kurzinhalt des Gerichtsverfahrens online wiedergab, sah sich der Kläger in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Zu Unrecht wie die Kölner Richter entschieden. Bei der Wiedergabe der Gerichtsverfahren handle es sich zunächst um wahrheitsgemäße Tatsachenbehauptungen. Darüber hinaus dienten die Äußerungen der Meinungsfreiheit. Der Beklagte beabsichtigte mit seiner Online-Berichterstattung über die Rechtsprechung in Presseangelegenheit kritisch die Allgemeinheit zu informieren. Da in dem Bericht der Kläger keine Stigmatisierung erfahre und auch sonst keine Prangerwirkung vorliege, sei die Darstellung des Beklagten nicht zu beanstanden. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. LG Köln: Keine Rückrufaktion eines Buches bei lediglich einem unwahren Satz _____________________________________________________________ Eine vollständige Rückrufaktion eines Buches ist nicht gerechtfertigt, wenn lediglich ein einziger Satz eine falsche Tatsachenbehauptung enthält. Dies gilt vor allem dann, wenn der Satz keine schwerwiegende Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts enthält und sich zudem auf Umstände bezieht, die seit Jahren strittig sind (LG Köln, Urt. v. 08.04.2010 - Az.: 28 O 638/09). Der Kläger war Inhaber einer Wortmarke, die u.a. für Bekleidung eingetragen war. Die Bekleidungsmarke mit diesem Logo wurde hauptsächlich von Personen aus dem rechtsextremen Bereich getragen. Das Symbol durfte in Fußballstadien, im Deutschen Bundestag und im Mecklenburger Landtag nicht gezeigt werden. In diesem Zusammenhang gab es bis ins Jahr 2008 Strafverfolgungsmaßnahmen. Die Beklagte gab ein Buch heraus, welches sich u.a. mit der Bekleidungsmarke und aufgrund der Ähnlichkeit des Logos mit Symbolen verbotener Organisationen aus dem Nationalsozialismus beschäftigte und in dem folgender Satz enthalten war:
"Die Rechtsprechung darüber ist bis heute nicht einheitlich, in einigen Bundesländern darf es nicht öffentlich gezeigt werden." Nach Ansicht des Klägers war der Satz falsch, verletze das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und rechtfertige einen Anspruch auf Unterlassung und auf eine Rückrufaktion. Die Kölner Richter stimmten dem nur teilweise zu. Hinsichtlich des Unterlassungsantrags sei die Klage gerechtfertigt. Der Satz sei als Tatsachenbehauptung zu werten, die nicht gänzlich der Wahrheit entspreche. Es habe Strafverfolgungsmaßnahmen gegeben, aber seit 2008 seien diese beendet. Zwar dürfe das Logo in bestimmten Örtlichkeiten nicht gezeigt werden, das Verbot gelte jedoch nicht flächendeckend. Eine vollständige Rückrufaktion des bereits veröffentlichten Buches sei jedoch nicht gerechtfertigt. Zum einen handle es sich lediglich um einen einzigen Satz, der beanstandet worden sei. Zum anderen sei der dahinter stehende Sinngehalt nicht in schwerwiegender Weise rechtsverletzend. Denn es sei unstreitig, dass zumindest in bestimmten Örtlichkeiten das Tragen des Symbols rechtswidrig sei und dass es Strafverfolgungsmaßnahmen gegeben habe. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 9. LG München: "Höhere Gewalt"-Klausel in AGB unwirksam _____________________________________________________________ Die AGB-Klausel "Wenn höhere Gewalt oder sonstige Umstände vorliegen, deren Beseitigung unmöglich ist, entfällt die Leistungspflicht" ist unwirksam, da sie gegen das Transparenzgebot verstößt (LG München, Urt. v. 05.08.2010 - Az.: 12 O 3478/10). Die Parteien, Internet-Versandhändler, stritten um die Zulässigkeit einer AGB-Bestimmung: "Wenn höhere Gewalt oder sonstige Umstände vorliegen, deren Beseitigung unmöglich ist, entfällt die Leistungspflicht" Die Klausel sei rechtswidrig, so die Münchener Robenträger. Sie verletze das Transparenzgebot. Danach müsse eine Klausel so klar und unmissverständlich formuliert sein, dass der Kunde ohne weiteres die Möglichkeit habe, den Inhalt richtig zu erfassen. Der Kunde müsse davor geschützt werden, Gefahr zu laufen, von der Durchsetzung legitimer Rechte abgehalten zu werden. Vorliegend erfülle die Klausel diese Voraussetzungen nicht. Der Verbraucher erhalte den Eindruck, er bleibe zur Leistung verpflichtet, obwohl der Verkäufer im Gegenzug nicht leiste und könne den Vertrag auch nicht kündigen. Da dies nicht den gesetzlichen Regelungen entspreche, sei die Verwendung der Klausel unzulässig.
|