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Newsletter vom 28.06.2023
Betreff: Rechts-Newsletter 26. KW / 2023: Kanzlei Dr. Bahr



1. EuGH: Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ist ein Jedermann-Recht

2. BAG: Arbeitnehmer muss Vermittlungsprovision bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsvertrages nicht erstatten

3. OVG Berlin-Brandenburg: Keine Auskunftsansprüchen der Presse in der "Cum-Ex-Affäre"

4. OLG Frankfurt a.M.: Verbotene Eigenmacht durch unangekündigte PKW-Abholung durch Pfando

5. OLG Hamburg: Inkassokosten müssen nur dann erstattet werden, wenn sie auch tatsächlich anfallen

6. OLG Saarbrücken: Kündigungsklausel eines Online-Maklervertrages unwirksam

7. OLG Schleswig: Bei Google Shopping muss für umsatzsteuerbefreite Produkte trotzdem Mehrwertsteuer-Hinweis + nähere Infos erfolgen

8. LG Frankfurt a.M.: DSGVO-Schadensersatzansprüche können auch von einzelnen Beteiligten einer Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden

9. LG Köln: Fliegender Gerichtsstand gilt nicht für urheberrechtliche Vertragsstrafen

10. LG Regensburg: Bei Online-Werbung muss Sachverständiger zwischen Sachverständigen-Tätigkeit und normaler gewerblicher Tätigkeit trennen

Die einzelnen News:

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1. EuGH: Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ist ein Jedermann-Recht
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Jedermann hat ein Recht darauf, zu erfahren, zu welchem Zeitpunkt und aus welchen Gründen seine personenbezogenen Daten abgefragt wurden. Dass der Verantwortliche im Bankgeschäft tätig ist, wirkt sich auf die Reichweite dieses Rechts nicht aus

Im Jahr 2014 erlangte ein Arbeitnehmer, der zugleich Kunde der Bank Pankki S war, Kenntnis davon, dass seine personenbezogenen Daten von anderen Mitarbeitern der Bank im Zeitraum vom 1. November bis zum 31. Dezember 2013 mehrmals abgefragt worden waren.

Da dieser Arbeitnehmer, dessen Beschäftigungsverhältnis bei Pankki S mittlerweile gekündigt worden war, Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Abfragen hatte, forderte er Pankki S am 29. Mai 2018 auf, ihm die Identität der Personen, die seine Kundendaten abgefragt hatten, den genauen Zeitpunkt der Abfragen sowie die Zwecke der Verarbeitung dieser Daten offenzulegen.

In ihrer Antwort vom 30. August 2018 weigerte sich Pankki S, Auskünfte über die Identität der Arbeitnehmer zu erteilen, die die Abfragen vorgenommen hatten, und führte zur Begründung aus, dass es sich bei diesen Informationen um personenbezogene Daten dieser Arbeitnehmer handele. Pankki S machte hingegen nähere Angaben über die von ihrer internen Revision ausgeführten Abfragen, wobei sie erläuterte, ein Kunde der Bank, dessen Kundenberater der Auskunftssuchende gewesen sei, sei Gläubiger einer Person, die den gleichen Nachnamen wie der Auskunftssuchende trage.

Die Bank habe daher klären wollen, ob Letzterer und der in Rede stehende Schuldner personenidentisch seien und ob möglicherweise ein ungehöriger Interessenkonflikt bestanden habe. Ergänzend erläuterte Pankki S, dass zur Klärung dieser Frage die Verarbeitung der in Rede stehenden Daten erforderlich gewesen sei, wobei sie klarstellte, dass jeder Mitarbeiter der Bank, der diese Daten verarbeitet habe, gegenüber der internen Revision eine Erklärung zu den Gründen dieser Datenverarbeitung abgegeben habe.

Außerdem gab die Bank an, dass diese Abfragen es ermöglicht hätten, den Verdacht eines Interessenkonflikts in Bezug auf den Auskunftssuchenden gänzlich auszuräumen.

Der Auskunftssuchende wandte sich an das Büro des Datenschutzbeauftragten von Finnland und beantragte, Pankki S anzuweisen, ihm die angeforderten Informationen zu erteilen. Nachdem dieser Antrag abgelehnt worden war, erhob der Auskunftssuchende Klage beim Verwaltungsgericht Ostfinnland, das den Gerichtshof um Auslegung von Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (im Folgenden: DSGVO) ersucht.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die DSGVO, die seit dem 25. Mai 2018 gilt, auf ein nach diesem Datum vorgebrachtes Auskunftsersuchen anwendbar ist, wenn die dieses Ersuchen betreffenden Verarbeitungsvorgänge vor dem Anwendungsdatum der DSGVO ausgeführt wurden.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass die DSGVO dahin auszulegen ist, dass es sich bei Informationen, die Abfragen personenbezogener Daten einer Person betreffen und die sich auf den Zeitpunkt und die Zwecke dieser Vorgänge beziehen, um Informationen handelt, die diese Person von dem Verantwortlichen verlangen darf.

Dagegen sieht die DSGVO kein solches Recht in Bezug auf Informationen über Arbeitnehmer vor, die diese Vorgänge im Einklang mit den Weisungen des Verantwortlichen ausgeführt haben, außer wenn diese Informationen unerlässlich sind, um es der betroffenen Person zu ermöglichen, die ihr durch diese Verordnung verliehenen Rechte wirksam wahrzunehmen, und vorausgesetzt, dass die Rechte und Freiheiten dieser Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Falls nämlich die Wahrnehmung eines Rechts auf Auskunft, das die praktische Wirksamkeit der der betroffenen Person durch die DSGVO eingeräumten Rechte sicherstellt, zum einen und die Rechte und Freiheiten anderer Personen zum anderen miteinander kollidieren, sind die in Rede stehenden Rechte und Freiheiten gegeneinander abzuwägen. Nach Möglichkeit sind Modalitäten zu wählen, die diese Rechte und Freiheiten nicht verletzen.

Schließlich entscheidet der Gerichtshof, dass der Umstand, dass der Verantwortliche das Bankgeschäft im Rahmen einer reglementierten Tätigkeit ausübt und dass die Person, deren personenbezogene Daten in ihrer Eigenschaft als Kunde des Verantwortlichen verarbeitet wurden, bei diesem Verantwortlichen auch beschäftigt war, sich grundsätzlich nicht auf die Reichweite des Rechts auswirkt, das dieser Person gewährt wird.

Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-579/21 | Pankki S

Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 22.06.2023

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2. BAG: Arbeitnehmer muss Vermittlungsprovision bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsvertrages nicht erstatten
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Eine arbeitsvertragliche Regelung, nach der der Arbeitnehmer verpflichtet ist, dem Arbeitgeber eine von ihm für das Zustandekommen des Arbeitsvertrags an einen Dritten gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist beendet, ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Die Parteien schlossen Ende März 2021 einen Arbeitsvertrag, auf dessen Grundlage der Kläger ab dem 1. Mai 2021 bei der Beklagten tätig wurde.

Der Vertrag kam durch Vermittlung eines Personaldienstleisters zustande.

Die Beklagte zahlte an diesen eine Vermittlungsprovision iHv. 4.461,60 Euro. Weitere 2.230,80 Euro sollten nach Ablauf der – im Arbeitsvertrag vereinbarten – sechsmonatigen Probezeit fällig sein.

Nach § 13 des Arbeitsvertrags war der Kläger verpflichtet, der Beklagten die gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über den 30. Juni 2022 hinaus fortbestehen und unter anderem – aus vom Kläger „zu vertretenden Gründen“ von ihm selbst beendet werden würde. Nachdem der Kläger sein Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. Juni 2021 gekündigt hatte, behielt die Beklagte – unter Verweis auf § 13 des Arbeitsvertrags – von der für den Monat Juni 2021 abgerechneten Vergütung des Klägers einen Teilbetrag iHv. 809,21 Euro netto ein.

Mit seiner Klage hat der Kläger – soweit für die Revision von Interesse – die Zahlung dieses Betrags verlangt. Er hat geltend gemacht, die Regelung in § 13 seines Arbeitsvertrags sei unwirksam, weil sie ihn unangemessen benachteilige. Die Beklagte hat im Weg der Widerklage die Erstattung restlicher Vermittlungsprovision iHv. 3.652,39 Euro erstrebt. Sie hat die Auffassung vertreten, die vertragliche Regelung sei wirksam. Sie habe ein berechtigtes Interesse, die für die Vermittlung des Klägers gezahlte Provision nur dann endgültig aufzubringen, wenn er bis zum Ablauf der vereinbarten Frist für sie tätig gewesen sei.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Die Revision der Beklagten blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Die genannte Regelung in § 13 des Arbeitsvertrags – bei der es sich um eine kontrollfähige Einmalbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt – benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Der Kläger wird hierdurch in seinem von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beeinträchtigt, ohne dass dies durch begründete Interessen der Beklagten gerechtfertigt wäre. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich das unternehmerische Risiko dafür zu tragen, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen für die Personalbeschaffung nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beendet. Es besteht deshalb kein billigenswertes Interesse der Beklagten, solche Kosten auf den Kläger zu übertragen. Der Kläger erhält auch keinen Vorteil, der die Beeinträchtigung seiner Arbeitsplatzwahlfreiheit ausgleichen könnte.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Juni 2023 – 1 AZR 265/22 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 12. Mai 2022 – 4 Sa 3/22 –

Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 20.06.2023

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3. OVG Berlin-Brandenburg: Keine Auskunftsansprüchen der Presse in der "Cum-Ex-Affäre"
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Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in zwei Beschwerdeverfahren zu presserechtlichen Auskunftsansprüchen im Zusammenhang mit der „Cum-Ex-Steuergeldaffäre“ entschieden.

Mit Beschluss vom 13. Juni 2023 hat der 6. Senat entschieden, dass ein Journalist keinen Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Bundesministerium der Finanzen dazu hat, wann und durch wen Informationen, die der damalige Bundesminister Olaf Scholz bzw. seine damalige Büroleiterin an den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss übersandt haben sollen, vernichtet worden sind.

Die erfragten Informationen seien bei dem Bundesministerium der Finanzen weder in schriftlicher oder elektronischer Form noch als sog. präsentes dienstliches Wissen vorhanden. Der presserechtliche Auskunftsanspruch beschränke sich aber auf tatsächlich vorhandene Informationen, die auskunftspflichtige Behörde sei nicht verpflichtet, dort nicht vorliegende Informationen zu beschaffen.

Mit Beschluss vom 15. Juni 2023 hat der Senat entschieden, dass ein Journalist keinen Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Bundeskanzleramt dazu hat, auf welche Weise Bundesminister Wolfgang Schmidt im Jahr 2022 zu dieser Affäre mit Journalisten kommuniziert hat.

Die begehrten Informationen lägen nicht in der Form sog. präsenten dienstlichen Wissens des Kanzerlamtsministers bei der Behörde vor. Auskünfte müssten nur zu dienstlich erlangtem Wissen erteilt werden. Der presserechtliche Auskunftsanspruch begründe kein allgemeines Fragerecht gegenüber Behördenleitern oder anderen bei der auskunftspflichtigen Stelle tätigen Personen in Bezug auf Themen, die mit einer früheren Amtstätigkeit dieser Personen in Zusammenhang stünden.

Dass es sich bei der fraglichen Kommunikation des Kanzleramtsministers mit Journalisten um eine dienstliche Tätigkeit in diesem Sinne gehandelt habe, sei nicht ersichtlich.

Dies gelte insbesondere im Zusammenhang mit seiner Aussage als Zeuge vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur „Cum-Ex-Steuergeldaffäre“ in Hamburg, aber auch hinsichtlich der weiteren begehrten Auskünfte, die ebenfalls einen Bezug zu dieser Affäre aufweisen.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Juni 2023 – OVG 6 S 16/23 –
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juni 2023 – OVG 6 S 15/23 –

Quelle: Pressemitteilung des OVG Berlin-Brandenburg v. 19.06.2023

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4. OLG Frankfurt a.M.: Verbotene Eigenmacht durch unangekündigte PKW-Abholung durch Pfando
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Gerät der Mieter eines Fahrzeugs in Zahlungsrückstand, stellt die Selbstabholung des Fahrzeugs durch den Vermieter verbotene Eigenmacht dar. Veräußert der Vermieter das Fahrzeug anschließend, ist er zum Wertersatz verpflichtet. Er schuldet darüber hinaus Nutzungsentschädigung für einen angemessenen Zeitraum bis zur Ersatzbeschaffung, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Urteil.

Die Beklagte betreibt bundesweit ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus.

Neben dem klassischen Pfandleihgeschäft verfolgt sie alternativ das „cash & drive“-Modell. Dies bewirbt sie für einen kurzfristigen Liquiditätsengpass mit dem Erhalt von Bargeld bei fehlender Kreditwürdigkeit.

Sie kauft dann Eigentümern ihr Kraftfahrzeug ab und vermietet es ihnen nachfolgend für einen Folgezeitraum gegen ein monatliches Entgelt. Die Klägerin verkaufte der Beklagten auf diese Weise ihren damals etwa 9 Jahre alten Kleinwagen Hyundai. Die Beklagte zahlte ihr 1.500,00 €. Die Klägerin mietete es für 148,50 € monatlich zurück.

Nach dem Ende der Mietzeit sollte das Fahrzeug binnen 24 Stunden an die Beklagte zurückgegeben werden.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sahen vor, dass die Beklagte das Fahrzeug selbst in Besitz nehmen, es ohne Ankündigung sicherstellen und hierfür auch das befriedete Besitztum des Mieters auch zur Nachtzeit betreten dürfe. Als die Klägerin die Mieten nicht weiterzahlte, kündigte die Beklagte das Mietverhältnis, forderte die Klägerin ultimativ auf, das Fahrzeug zurückzugeben, ließ es sodann ohne Willen der Klägerin abholen und versteigerte oder verkaufte es.

Die Klägerin erwirkte zunächst einen Titel auf Herausgabe des Autos. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel war erfolglos. Der Verbleib des Autos ist ungeklärt. Mit der hiesigen Klage begehrt die Klägerin Wertersatz für das verschwundene Fahrzeug in Höhe von 3.750,00 € sowie Nutzungsentschädigung für einen Zeitraum von fast zwei Jahren in Höhe von rund 17.000,00 €. Das Landgericht hatte die Beklagte zur Zahlung von Wertersatz und Nutzungsersatz in Höhe von rund 8.700 € unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 50% verurteilt.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte im Wesentlichen keinen Erfolg. Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten wegen der Wegnahme des Fahrzeugs zu. Die Beklagte habe „verbotene Eigenmacht“ ausgeübt. Ob der Mietvertrag oder der Kaufvertrag überhaupt wirksam waren, könne damit offenbleiben.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Mietvertrag, die der Beklagten das hier auch umgesetzte Verfahren gestatteten, seien wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden unwirksam. § 858 ff. BGB sollen im Mietverhältnis oder auch im Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer die Selbstexekution oder Selbstjustiz verhindern.

Die Beklagte habe fahrlässig gehandelt, auch wenn sie selbst davon ausgegangen sei, die von ihr veranlasste Sicherstellung und die hierdurch ausgeübte verbotene Eigenmacht sei im Hinblick auf ihr Geschäftsmodell rechtmäßig. Sie hätte zumindest wegen der von verschiedenen Gerichten geäußerten rechtlichen Bedenken gegen ihr Geschäftsmodell damit rechnen müssen, dass dieses „bemakelt“ sein könnte und die Art der Sicherstellung gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

Die Klägerin könne damit Wertverlust für das Fahrzeug verlangen. Die Beklagte schulde auch grundsätzlich für die gesamte Dauer der Vorenthaltung Nutzungsentschädigung. Die Klägerin habe aber gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, soweit sie nahezu zwei Jahre mit einer Ersatzbeschaffung zugewartet habe.

Grundsätzlich sei der Ersatzanspruch auf Nutzungsausfall – wie der Anspruch auf Mietwagenkosten – auf die erforderliche Ausfallzeit beschränkt. Die Klägerin habe hier nicht darauf vertrauen können, ihr Fahrzeug wiederzuerlangen. Trotzdem habe sie erst neun Monate nach Wegnahme des Fahrzeugs, Erhalt einer Abrechnung und der Mitteilung, dass das Fahrzeug verwertet worden sei ihren Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeuges geltend gemacht.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde, über die der BGH zu entscheiden hätte, kann die Zulassung der Revision begehrt werden.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 26.5.2023, Az. 2 U 165/21
(vorgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.10.2021, Az.2-31 O 62/21)

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 02.06.2023

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5. OLG Hamburg: Inkassokosten müssen nur dann erstattet werden, wenn sie auch tatsächlich anfallen
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In dem Musterfeststellungsverfahren zur Geltendmachung von Inkassokosten durch die Otto-Tochter EOS Investment GmbH hat das Hanseatische Oberlandesgericht heute das Urteil verkündet und der Klage der Verbraucherzentrale stattgegeben. In den der Klage zugrunde liegenden Fällen, in denen von Verbrauchern für die Beauftragung der EOS Deutscher Inkasso-Dienst GmbH (EOS DID) eine Inkassovergütung geltend gemacht wurde, stellen diese Kosten keinen ersatzfähigen Verzugsschaden der Beklagten dar.

Diese 15 Verbraucher müssen deshalb die von ihnen verlangten Inkassokosten nicht zahlen und können bereits geleistete Zahlungen gegebenenfalls zurückfordern.

Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache hat das Oberlandesgericht die Revision zugelassen, über die – wenn die Beklagte von dieser Möglichkeit Gebrauch macht – der Bundesgerichtshof zu entscheiden hätte.

Das heutige Urteil betrifft unmittelbar die in der Musterfeststellungsklage benannten 15 Einzelfälle, in denen unbezahlte Forderungen gegen Verbraucher von Unternehmen der Otto Group oder von konzernfremden Unternehmen an die Beklagte übertragen und im Auftrag der Beklagten durch die EOS DID in den Jahren 2020/21 geltend gemacht wurden.

Für die Tätigkeit der EOS DID als Inkassodienstleister ließ die Beklagte gegenüber den Verbrauchern jeweils die Erstattung von Inkassokosten in einer an die Vergütung für Rechtsanwälte angelehnten Höhe geltend machen. In allen Fällen waren die Verbraucher zwar mit ihren Zahlungen in Verzug und deshalb grundsätzlich zum Ersatz von Rechtsverfolgungskosten verpflichtet, allerdings gilt dies nur, wenn diese Kosten beim Gläubiger im konkreten Fall auch tatsächlich anfallen und damit einen echten Vermögensnachteil darstellen. Das ist nach Auffassung des Gerichts hier jedoch wegen der zwischen der Beklagten als Forderungsgläubigerin und der EOS DID als Inkassodienstleisterin vereinbarten Vergütungsstruktur nicht der Fall.

Die Inkassovergütung falle dem Urteil zufolge faktisch nur an, wenn sie von dem Verbraucher erfolgreich eingezogen werden könne. Gegenüber der Beklagten als Auftraggeberin des Inkassos sei die Vergütung dagegen zunächst gestundet und müsse auch bei Erfolglosigkeit der Einziehung nicht von der Beklagten gezahlt werden.

Der (vermeintliche) Ersatzanspruch werde an den beauftragten Inkassodienstleister abgetreten, dieser nehme die Abtretung an Erfüllungs statt – also anstelle der mit dem Auftraggeber vereinbarten Vergütung – an, so dass der Auftraggeber die Inkassokosten faktisch nie selbst tragen müsse. Unter diesen Umständen handele es sich um Aufwendungen, die der Gläubiger tatsächlich so nicht habe, und damit um eine lediglich fiktive Schadensposition, für die er keinen Ersatz beanspruchen könne.

Über die der Klage zugrunde liegenden Einzelfälle hinaus wirkt das Urteil auch für Verbraucher, die sich in das beim Bundesamt für Justiz geführte Klageregister haben eintragen lassen, soweit deren Fälle gleich gelagert sind.

Für das hiesige Musterfeststellungsverfahren hatten vor der mündlichen Verhandlung insgesamt rund 680 Verbraucherinnen und Verbraucher eigene Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das Klageregister angemeldet. Die Anmeldungen betreffen zum einen die Feststellung, dass die Kosten bestimmter Inkassovorgänge der Beklagten nicht geschuldet werden, zum anderen wurden Ansprüche auf Rückerstattung bereits gezahlter Inkassokosten angemeldet.

Das Verfahren betrifft die erste Musterfeststellungsklage, die seit Einführung am 1. November 2018 am Hanseatischen Oberlandesgericht anhängig gemacht wurde. Die Musterfeststellungsklage ermöglicht es, Rechtsfragen, die für eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen bedeutsam sind, in einem Musterverfahren zu klären.

Sie soll ausgleichen, dass es für Verbraucher oft zu aufwändig ist, Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche individuell zu verfolgen, wenn der erlittene Nachteil im Einzelfall gering ist.

Zu diesem Zweck können qualifizierte Einrichtungen generell Rechtsfragen klären lassen, von denen bestimmte Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zwischen Verbrauchern und einem Unternehmer abhängen. Das Urteil im Musterfeststellungsverfahren ist dann bindend für Verbraucher, die eigene Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das beim Bundesamt für Justiz geführte Klageregister angemeldet haben. Die Durchsetzung einzelner Ansprüche ist allerdings ggf. individuellen Folgeprozessen der Verbraucher vorbehalten.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamburg v. 15.06.2023

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6. OLG Saarbrücken: Kündigungsklausel eines Online-Maklervertrages unwirksam
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Die Kündigungsklausel eines Online-Maklervertrages, die den Zeitpunkt der Kündigung quasi ins Belieben des Maklers stellt, ist unwirksam (OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.03.2023 - Az.: 5 U 72/22).

Es ging um die Kündigungsregelungen einer online geschlossenen Maklervereinbarung.

In den AGB des Anbieters hieß es dazu:

"1. Der Maklervertrag zwischen dem Kunden und uns kommt entweder durch schriftliche Vereinbarung oder durch die Inanspruchnahme unserer Maklertätigkeit auf der Grundlage bzw. in Kenntnis der für die erfolgreiche Vermittlungs-/Nachweistätigkeit anfallenden Provisionsforderung zustande. Ergibt sich nicht aus den Umständen oder abweichenden Vereinbarungen etwas anders, hat der Vertrag eine Laufzeit von mindestens 12 Monaten ab Online-Schaltung und wird individuell im Maklervertrag eingesetzt. Der Vertrag verlängert sich jeweils automatisch um einen weiteren Monat, wenn nicht eine Vertragspartei mit einer Frist von einem Monat vor Vertragsende gekündigt hat.    

2. Der Kunde ist nicht berechtigt, während der Laufzeit des Maklervertrages mit uns andere Makler mit Vermittlungs- und/oder Nachweistätigkeiten betreffend das Vertragsobjekt zu beauftragen. Bei schuldhaftem Verstoß gegen diese Regelung haftet der Kunde uns für die hierdurch entstehenden Schäden. (...)

6. Kennt der Kunde bei Abschluss des Maklervertrages die Vertragsgelegenheit betreffend das angebotene Vertragsobjekt sowie die Vertragsbereitschaft des anderen Vertragsteils des Hauptvertrages (Vorkenntnis), oder erlangt er diese Kenntnis während der Laufzeit des Maklervertrages von dritter Seite, so hat er uns dies unverzüglich mitzuteilen."


Die Richter des OLG Saarbrücken stuften diese Bedingungen als unwirksam ein, da sie den Kunden unangemessen benachteiligen würden.

Durch den Umstand, dass die Laufzeit erst ab Online-Schaltung beginne, werde der Verbraucher überrascht. Denn dadurch liege es im Belieben des Maklers, ob und wann eine Kunde kündigen könne:

"Der Senat sieht in den Klauseln zur Laufzeit des Vertrages mit der Folge, dass während dieses Zeitraumes eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen sein soll, eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB, weil diese Regelungen dahin ausgelegt werden können, dass sie den Beginn der 12-Monats-Frist, vor deren Ablauf eine ordentliche Kündigung nicht in Betracht kommt, unabhängig vom davor liegenden Vertragsbeginn und der damit einhergehenden Bindung des Kunden in das freie Belieben der Beklagten stellen und überdies von Voraussetzungen abhängig machen, die für die Klägerin nicht zu beeinflussen sind.

Das führt zur Unwirksamkeit der Laufzeitklausel mit der Folge, dass das Vertragsverhältnis von der Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen jederzeit beendet werden konnte und die unter Wahrung einer Monatsfrist am 27. Januar 2022 erklärte Kündigung zum 28. Februar 2022 wirksam gewesen ist."


Und weiter:
"Hiervon ausgehend, führt eine vertretbare – und hier sogar naheliegende – Auslegung der in das Anschreiben vom 11. November 2021 übernommenen Laufzeitklausel aus Ziff. 1 Satz 2 AGB zu einer faktisch im Belieben der Beklagten stehenden, von der Klägerin nicht zu beeinflussenden Vertragsbindung auf unbestimmte Dauer."


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7. OLG Schleswig: Bei Google Shopping muss für umsatzsteuerbefreite Produkte trotzdem Mehrwertsteuer-Hinweis + nähere Infos erfolgen
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Der in einer Google Shopping Anzeige angegebene Preis für einen Bestandteil einer Photovoltaikanlage verstößt gegen das Gebot der Preisklarheit und Preiswahrheit, wenn nicht erkennbar ist, dass er 0 % Umsatzsteuer enthält und an welche Bedingungen dieser Umsatzsteuersatz geknüpft ist.

Die angesprochenen Kundenkreise sind bei Batteriespeichern mit 5 kWh Speichervolumen nicht so eng zu ziehen, dass nur private Nutzer angesprochen sind, bei deren Erwerb sich unter Umständen die Umsatzsteuer auf 0 % ermäßigen kann. Das hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht durch Beschluss vom 15. Juni 2023 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden.

Zum Sachverhalt:
Der 6. Zivilsenat hatte im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Landgerichts Itzehoe über einen Antrag auf Unterlassung des unlauteren Wettbewerbs unter Mitbewerbern zu entscheiden.

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin bieten beide im Internet Batteriespeicher mit 5 kWh Speichervolumen zum Kauf an. Sie nutzen die Google Shopping Suche und die Google Shopping Anzeigen, um ihre Produkte zu bewerben.

Die Antragsgegnerin bot dabei einen Batteriespeicher dergestalt an, dass auf der ersten Seite der Google Shopping Suche eine Anzeige erschien, in welcher die Antragsgegnerin mit einem Preis mit 0 % Umsatzsteuer warb. Auf dieser Seite und im Text der Anzeige war kein Hinweis darauf enthalten, welcher Umsatzsteuersatz in dem angezeigten Preis enthalten war.

Das Landgericht lehnte den von der Antragstellerin begehrten Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin u.a. mit der Begründung ab, der typische Interessentenkreis wolle den Stromspeicher erwerben, um eine Solaranlage im Heimbereich zu betreiben.

Die Leistung des Gerätes liege in dem Bereich, der typischerweise im Heimbereich anfalle. Diese Verbraucher erfüllten jedoch stets die Anforderungen, für die der reduzierte Umsatzsteuersatz anfalle. Gegenüber diesen durchschnittlichen Verbrauchern sei die Werbung daher nicht irreführend. Unternehmen, die einen Speicherbedarf dieser Größe hätten, seien die Ausnahme. Unternehmer seien zudem in der Regel zum Vorsteuerabzug berechtigt und daher nur am Nettopreis interessiert.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin führte zur Abänderung der Entscheidung des Landgerichts durch den Senat dahingehend, dass es der Antragsgegnerin untersagt wird, im Rahmen einer geschäftlichen Handlung Batteriespeicher für Photovoltaik, bei denen der Preis gem. § 12 Abs. 3 UStG keine Umsatzsteuer enthält, zu bewerben, ohne in der Werbung darüber zu informieren, unter welchen Voraussetzungen das Angebot der Besteuerung von 0 % Umsatzsteuer unterliegt.

Aus den Gründen: 
Der 6. Zivilsenat sah einen Anspruch der Antragstellerin auf Unterlassung gegen die Antragsgegnerin als Wettbewerberin nach § 8 UWG wegen unlauterer geschäftlicher Handlungen als gegeben an. Die Preisangabe in der Google Shopping Anzeige ohne Hinweis auf die Voraussetzungen der Umsatzsteuer von 0 % stellt eine wettbewerbswidrige Täuschung der angesprochenen Kunden dar, von der ein Anlockeffekt ausgeht.

Dies gilt zumindest für Kleinunternehmer, die sich im Rahmen ihres Gewerbes für einen relativ kleinen Batteriespeicher interessieren könnten.

Dass diese tatsächlich mit der Anzeige angesprochen würden, hat die Antragsgegnerin dadurch bestätigt, dass sie Anfragen von solchen Kunden bereits abgelehnt hatte. Es kommt daher nicht darauf an, ob auch ein ausreichend großer Prozentsatz der Verbraucher von der Preisangabe in der Anzeige getäuscht werden könnte.

Eine solche mögliche Täuschung liegt jedenfalls nahe, da die Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums zur Neuregelung umfangreich sind und dementsprechend nicht jeder Verbraucher mit einer kleinen Photovoltaik-Anlage darauf vertrauen kann, dass der Preis mit 0 % Umsatzsteuer für ihn gelte.

Eine Irrtumserregung bei den Kunden über den tatsächlichen Preis kann die Antragsgegnerin durch einen klaren Hinweis auf die enthaltenen 0 % Umsatzsteuer und die dafür geltenden Bedingungen vermeiden.

Soweit im Blickfang der Anzeige nur ein Teil des Hinweises enthalten ist, kann auch ein Stern oder ein anderes hinreichend deutliches Zeichen in der Anzeige den Betrachter zu einem aufklärenden Hinweis führen. Ein aufklärender Hinweis war aber bei der fraglichen Anzeige überhaupt nicht enthalten.

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Juni 2023, Az. 6 W 9/23 (zur Veröffentlichung vorgesehen)

– Landgericht Itzehoe, Beschluss vom 7. März 2023, Az. 5 HKO 6/23

Quelle: Pressemitteilung des OLG Schleswig v. 19.06.2023

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8. LG Frankfurt a.M.: DSGVO-Schadensersatzansprüche können auch von einzelnen Beteiligten einer Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden
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DSGVO-Schadensersatzansprüche können auch von einzelnen Beteiligten einer Wohnungseigentümergemeinschaft individuell geltend gemacht werden (LG Frankfurt a.M., Beschl. 10.05.2023 - Az.: 2-13 T 33/23).

Die Klägerin, eine Wohnungseigentümerin, verlangte von den Beklagten, anderen Wohnungseigentümern, es zu unterlassen, Kameras zur Videoüberwachung aufzustellen und verlangte zudem Schmerzensgeld nach Art. 82 DSGVO.

Im Rahmen einer Kostenentscheidung hatte das Gericht zu beurteilen, ob ein Wohnungseigentümer einer Gemeinschaft überhaupt befugt ist, einzeln DSGVO-Ansprüche geltend zu machen.

Die Antwort des LG Frankfurt a.M. lautete: Ja.

"Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war keinesfalls sicher, dass die Klage unzulässig war. Zutreffend ist allerdings, dass nach dem insoweit maßgeblichen reformierten Wohnungseigentumsgesetz die Wohnungseigentümer Abwehransprüche aus § 1004 BGB bezüglich des gemeinschaftlichen Eigentums nicht mehr geltend machen können und der Abwehranspruch aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG bei der Gemeinschaft liegt (...).

Um derartige Ansprüche geht es der Klägerin vorliegend bei einer sachgerechten Auslegung der Klageanträge allerdings nicht. Die Klägerin erstrebt mit der Klage eine Unterlassung der Aufnahme von Videos durch eine Überwachungsanlage, die den Eingangsbereich ihrer Wohnung betrifft, bzw. die Beseitigung eines derartigen Überwachungsdrucks durch die Beklagten.

Der Kern der Ansprüche betrifft ausweislich der Klage das Unterlassen des Fertigens von Videos von ihr, welche sie beim Betreten und Verlassen der Wohnung und dem Aufenthalt im Flur zeigen. Derartige Ansprüche, die sich als deliktische Ansprüche aus § 823 BGB i.V.m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder aus der DSGVO ergeben, sind keine Ansprüche, die nach § 9a Abs. 2 WEG der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen sind. (...)

Gleiches gilt für den Schmerzensgeldanspruch bzw. den Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DS-GVO. Auch diese Ansprüche sind individueller Natur und daher ebenso weiterhin von dem Beeinträchtigten geltend zu machen und nicht von der Gemeinschaft."



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9. LG Köln: Fliegender Gerichtsstand gilt nicht für urheberrechtliche Vertragsstrafen
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Macht ein Gläubiger die Zahlung einer urheberrechtlichen Vertragsstrafe geltend, so handelt es sich nicht um urheberrechtliche Ansprüche, sodass nicht der fliegende Gerichtsstand greift (LG Köln, Urt. v. 23.03.2023 - Az.: 14 O 287/22).

Die Klägerin machte eine Vertragsstrafe geltend.

Die Beklagte hatte in der Vergangenheit unerlaubt Fotos benutzt und daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Die Klägerin sah nun einen Verstoß gegen diese Unterlassungserklärung und forderte eine Vertragsstrafe von knapp 30.000,- EUR ein. Dabei berief sie sich auf den sogenannten fliegenden Gerichtsstand und sah u.a. das LG Köln als zuständig an.

Die Kölner Richter sahen dies jedoch anders und erklärten sich für unzuständig:

"Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall. Die Klägerin macht ausdrücklich und ausschließlich einen Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafen nach § 339 S. 2 BGB und auf Grundlage der Vereinbarung vom 29.10.2020 (...) geltend.

Damit ist keine unerlaubte Handlung im Sinne des § 32 ZPO verbunden. Die Klägerin hat auch keine Ansprüche nach § 97 Abs. 2 UrhG hilfsweise geltend gemacht oder in sonstiger Art und Weise in den Streit eingeführt. Dies folgt schon daraus, dass die Klägerin keine Wahl hinsichtlich der dreifachen Schadensberechnung getroffen hat, insbesondere keinen lizenzanalogen Schadensersatz gefordert hat."


Und weiter:
"Stattdessen argumentiert die Klägerin, dass auch Ansprüche auf Vertragsstrafen wie andere gesetzliche Ansprüche nach Urheberrechtsverletzungen zu behandeln sei. Dies folge aus § 104 UrhG. Es soll sich auch hierbei um eine Urheberrechtsstreitsache handeln, weil der vorgerichtlich bereits erledigte Unterlassungsanspruch auf die hiesige Streitigkeit ausstrahle. Demnach sei § 32 ZPO anwendbar.

Dieser Ansicht schließt sich die Kammer nicht an.

Nach § 104 UrhG ist für alle Rechtsstreitigkeiten, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird (Urheberrechtsstreitsachen), der ordentliche Rechtsweg gegeben. Im Übrigen enthält § 104a UrhG nur eine besondere Gerichtsstandsregelung für den Fall, dass eine nicht gewerblich handelnde natürliche Person in Anspruch genommen wird – was hier unstreitig nicht einschlägig ist. § 105 UrhG enthält eine Konzentrationsermächtigung, wovon jedenfalls in NRW Gebrauch gemacht worden ist, jedoch nur mit Wirkung für das Land NRW.

Aus den §§ 104 ff. UrhG kann die Klägerin also – auch unter Beachtung, dass es sich um eine Urheberrechtsstreitsache im Sinne von § 104 UrhG handeln dürfte (...) – keine von den §§ 12 ff. ZPO abweichende Regelung der örtlichen Zuständigkeit folgern. Jedenfalls folgt hieraus kein allgemeiner fliegender Gerichtsstand, wie er bei urheberrechtlich-deliktischen Ansprüchen ebenfalls nur aus der allgemeinen Regelung des § 32 ZPO folgt."  



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10. LG Regensburg: Bei Online-Werbung muss Sachverständiger zwischen Sachverständigen-Tätigkeit und normaler gewerblicher Tätigkeit trennen
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Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger muss im Rahmen seiner Online-Werbung klar zwischen seiner Tätigkeit als Sachverständiger und seiner normalen gewerblichen Tätigkeit trennen (LG Regensburg, Urt. v. 23.01.2023 - Az.: 2 HK O 808/22).

Der Beklagte war öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger und warb auf seiner Homepage wie folgt:

"Dr. X Ingineering Fachplaner für Energieeffizienz – Sachverständigenwesen – der Energiedoktor"

Dies stufte das Gericht als Wettbewerbsverstoß ein, da der Bereich der Sachverständigen-Tätigkeit und die herkömmliche gewerbliche Berufsausübung miteinander verwoben werden würden:
"Durch die Angabe als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger auf der Internetseite (...) verstößt der Beklagte somit gegen das Trennungsgebot, da dort auf ein und derselben Homepage für die gewerbliche Tätigkeit und die Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger geworben wird. Dies stellt somit einen Rechtsbruch nach § 3a UWG dar.

Der Verstoß ist auch geeignet, Interessen von Verbrauchern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, da ein Verbraucher irrig annehmen wird, dass ein öffentlich bestellter Sachverständiger auch im Geschäftsleben deutlich unabhängiger und unparteiischer agiere als ein am Verkauf und Gewinn interessierter Geschäftsmann. Ebenso beeinträchtigt es die Interessen von anderen Handwerkern auf demselben Gebiet, denen womöglich eine entsprechend hohe Qualifikation mangels der Angabe als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger abgesprochen wird und diese somit womöglich eine weniger gute Marktposition entfalten können."



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