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Wie Sie merken hat sich der Newsletter ein wenig verändert, was daran liegt, dass wir uns vergrößert haben: Aus der Kanzlei Dr. Bahr ist die Kanzlei Heyms & Dr. Bahr geworden. Näheres dazu in diesem Newsletter.
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Die Themen im Überblick:
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1. BVerfG: Kein Anspruch auf Musik-Ausstrahlung
2. BGH: Nichtbelieferung von Internet-Händlern rechtmäßig
3. BayOLG: Glücksspiel trotz EuGH weiterhin verboten
4. VG Stade: Glücksspiel auch nach EuGH-Urteil weiter verboten
5. OLG Frankfurt: Hintermänner-Haftung für Gewinnversprechen
6. LG München I: "Konkurrenzschutz in Maßen"
7. Neue 0190-Dialer-Urteile
8. vzbv: DatenschutzR-Handbuch zum Download
9. "Harry Potter"-Gutachten zum Download online
10. In eigener Sache: Neues Layout und neue Kanzlei
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1. BVerfG: Kein Anspruch auf Musik-Ausstrahlung
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Das BVerfG (Beschl. v. 15.12.2003 - Az.: 1 BvR 2378/03 = http://snipurl.com/447k) hatte darüber zu entscheiden, ob eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt verpflichtet ist, eine bestimmte Musik abzuspielen.
Die Beschwerdeführerin war Musikerin und sendete seit mehreren Jahren der Rundfunkanstalt von ihr aufgenommene Langspielplatten und Compactdiscs zu. Die erfolglose Klage der Beschwerdeführerin war auf die Verpflichtung gerichtet, 100 mal jährlich Musikstücke von den Tonträgern der Beschwerdeführerin im Hörfunkprogramm abzuspielen.
Die Richter führten aus:
"Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt (...) nicht nur die künstlerische Betätigung, sondern (...) auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks.
Art. 5 Abs. 3 GG enthält zunächst ein Freiheitsrecht für alle Kunstschaffenden und alle an der Darbietung und Verbreitung von Kunstwerken Beteiligten, das sie vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt in den künstlerischen Bereich schützt. Als objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst stellt sie dem Staat darüber hinaus die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern (...).
Alle im Kunstleben Tätigen haben den gleichen grundsätzlichen Freiheitsanspruch, der sie vor hemmenden Einflüssen der staatlichen Gewalt auf ihre Arbeit sichert. Ebenso besteht ein allgemeiner Anspruch aller sich im Kunstleben betätigenden Personen und Richtungen, von positiven staatlichen Förderungsmaßnahmen nicht von vornherein und schlechthin ausgeschlossen zu werden."
Einem konkreten Anspruch auf Musik-Ausstrahlung erteilte das BVerfG jedoch eine klare Absage:
"Das heißt aber nicht, dass jede einzelne positive Förderungsmaßnahme gleichmäßig allen Bereichen künstlerischen Schaffens zugute kommen muss. Bei der Ausgestaltung solcher Maßnahmen hat der Staat vielmehr weitgehende Freiheit (..).
Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen sowie die (...) Auswahlpraxis der beklagten Rundfunkanstalt gerecht.
Sie haben nachvollziehbar begründet darauf abgestellt, dass ein Teilhaberecht der Beschwerdeführerin nur am Willkürmaßstab zu messen ist. Eine weitergehende gerichtliche Überprüfung wäre ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Programmfreiheit der Beklagten.
Eine willkürliche Behandlung der Beschwerdeführerin konnten die Gerichte angesichts der ausführlich dargestellten Auswahlverfahren der beklagten Rundfunkanstalt zutreffend nicht erkennen. Dass es bei der Auswahl verschiedener in Frage kommender Kunstwerke keine mathematisch überprüfbare Gerechtigkeit gibt, entspricht dem Wesen der Kunst."
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2. BGH: Nichtbelieferung von Internet-Händlern rechtmäßig
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Der BGH (Urt. v. 04.11.2003 - Az.: KZR 2/02 = http://snipurl.com/447l) hatte darüber zu entscheiden, ob es kartell-rechtlich zulässig ist, dass ein Markenparfum-Hersteller die Auslieferung seiner Produkte ausschließlich an Internethändler verweigert.
Die Vorinstanz, das OLG München, hatte einen Belieferungsanspruch bejaht, da es eine unbillige Behinderung und eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber gleichartigen Unternehmen iSd. § 20 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 GWB sei.
Dieser Ansicht sind die BGH-Richter nicht gefolgt:
"Es ist unstreitig, daß (...) der stationäre Einzelhandel auf die Produkte (...) nicht verzichten kann, zumal ein breites Sortiment durchweg Voraussetzung für die Belieferung mit Exklusivmarken ist. Die Geschäfte des stationären Fachhandels zeichnen sich durchweg durch eine besondere Sortimentstiefe aus.
Damit ist freilich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts noch nicht gesagt, daß für den Internethandel entsprechende Verhältnisse gelten. In manchen Branchen mag das Publikum von einem Internethandel eine ebenso große oder sogar eine noch größere Sortimentstiefe erwarten. Es ist aber ebenso denkbar, daß (...) im Internet Spezialanbieter tätig sind, von denen das Publikum nicht die gleiche Sortimentsbreite und -tiefe erwartet wie vom stationären Fachhandel. Feststellungen hat das Berufungsgericht hierzu nicht getroffen."
Insbesondere wird ein sachliches Interesse an dem Ausschluß bejaht:
"Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann es der Beklagten nicht verwehrt werden, Händler, die (...) ausschließlich über das Internet vertreiben, von der Belieferung auszuschließen.
Der Internethandel entspricht in vielen Punkten strukturell dem herkömmlichen Versandhandel. Hinsichtlich dieser Vertriebsform ist aber anerkannt, daß die Betreiber eines selektiven Vertriebssystems für hochwertige Markenparfums ein berechtigtes Interesse haben, diese Vertriebsform auszuschließen.
Die Beklagte legt Wert darauf, daß ihre Produkte dem Verbraucher in einem anspruchsvollen, die Aura des Exklusiven vermittelnden Umfeld präsentiert werden. (...) Darüber hinaus geht es ihr darum, den Kunden die Gelegenheit zu bieten, das jeweilige Parfum oder sonstige Duftwasser auszuprobieren und sich von kundigem Fachpersonal eingehend beraten zu lassen.
Diese qualitätsbezogenen Anforderungen kann der Internethandel ebenso wie der klassische Versandhandel nicht erfüllen."
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3. BayOLG: Glücksspiel trotz EuGH weiterhin verboten
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Die Entwicklung in Sachen Glücksspiel-Recht in Deutschland in den vergangenen Monaten ist außerordentlich turbulent.
Erst vor kurzem hat der EuGH (Urt. v. 6 . November 2003 - Az.: C-243/01 - Gambelli = http://snipurl.com/2xd4) eine grundlegende Entscheidung in Sachen Glücksspiele getroffen ("Gambelli"). Vgl. dazu den Artikel von RA Dr. Bahr: "Glücksspiele: Grundlegende Änderung der Rechtsprechung" = http://snipurl.com/3ybd
Diese Rechtsansicht ist durch den Beschluss des LG München (Besch. v. 27. Oktober 2003 - Az.: 5 Qs 41/2003) und die Entscheidung des AG Heidenheim (Beschl. v. 01.12.2003 - AZ.: 3 Ds 424/03 = PDF, 76 KB = http://snipurl.com/447n) in der nationalen Rechtsprechung bestätigt worden. Vgl. hierzu den Artikel von RA Dr. Bahr: "Neuigkeiten aus dem Bereich des Glückspiel-Rechts" = http://snipurl.com/447o
Nun hat das BayOLG (Beschl. v. 26.11.2003 - 5 St RR 289/03) in einem strafrechtlichen Revisionsverfahren entschieden, dass o.g. EuGH-Urteil nicht so auszulegen ist, dass es keiner deutschen Glücksspiel-Lizenz mehr bedarf:
"Eine Änderung dieser Rechtsprechung ist bisher nicht erfolgt, auch nicht in der Rechtssache Gambelli (...).
Abgesehen davon, dass der dem EuGH vorgelegte Fall einen etwas anderen Sachverhalt betraf, hat der Gerichtshof an den Grundsätzen der Vorentscheidungen (...) festgehalten und lediglich zusätzlich angemerkt, dass die Berufung auf die öffentliche Sozialordnung (Notwendigkeit, die Gelegenheit zum Spiel zu vermindern) nicht möglich sei, soweit die Behörden eines Mitgliedsstaates die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern an Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen.
Soweit der Gerichtshof ausführt, dass fiskalische Interessen nur eine Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik sein dürfen, hat die Revision zwar behauptet, aber durch keinerlei Tatsachen belegt, dass die Erzielung von Einnahmen für den Staatshaushalt der eigentliche Sinn der staatlichen Beschränkung sei. Für eine solche Annahme bieten weder die Gesetzesmaterialien noch die bisherige Handhabung der Veranstaltung von Oddset-Wetten Anlass.
Den vom EuGH als zulässige Ziele angeführten Zwecken dient auch das (...) Staatslotteriegesetz (...), das die Veranstaltung von Sportwetten dem Freistaat Bayern zuweist, die Durchführung der staatlichen Lotterieverwaltung überträgt (...) und damit private Veranstalter ausschließt."
Die Richter zitieren dann im weiteren aus der Landtagsdrucksache 14/219, S. 5:
"Sinn des Gesetzes ist es, dem Wunsch der Bevölkerung nach Spielmöglichkeiten nachzugeben, gleichzeitig aber die damit verbundenen Gefahren (Spielsucht und ihre negativen Auswirkungen wie Zerstörung der Lebensgrundlage und Beschaffungskriminalität, Manipulation, Betrug, Geldwäsche und nicht ordnungsgemäße Gewinnauszahlung durch unlautere private Glücksspielveranstalter etc.) möglichst gering zu halten.
Als staatlicher Betrieb gewährleistet die staatliche Lotterieverwaltung eine manipulationsfreie und zuverlässige Durchführung der Glücksspiele ohne eigenes Gewinnstreben. Gleichzeitig kann so sichergestellt werden, dass der gesamte Reingewinn aus den Glückspielen der Allgemeinheit zu Gute kommt."
Die Richter des BayOLG sehen damit die Angelegenheit gänzlich anders als o.g. Gerichte. Insoweit ist die Rechtslage auch zukünftig unklar und man darf auf die weitere Entwicklung außerordentlich gespannt sein.
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4. VG Stade: Glücksspiel auch nach EuGH-Urteil weiter verboten
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Die Entwicklung in Sachen Glücksspiel-Recht in Deutschland in den vergangenen Monaten ist außerordentlich turbulent.
Erst vor kurzem hat der EuGH (Urt. v. 6 . November 2003 - Az.: C-243/01 - Gambelli = http://snipurl.com/2xd4) eine grundlegende Entscheidung in Sachen Glücksspiele getroffen ("Gambelli"). Vgl. dazu den Artikel von RA Dr. Bahr: "Glücksspiele: Grundlegende Änderung der Rechtsprechung" = http://snipurl.com/3ybd
Diese Rechtsansicht ist durch den Beschluss des LG München (Besch. v. 27. Oktober 2003 - Az.: 5 Qs 41/2003) und die Entscheidung des AG Heidenheim (Beschl. v. 01.12.2003 - AZ.: 3 Ds 424/03 = PDF, 76 KB = http://snipurl.com/447n) in der nationalen Rechtsprechung bestätigt worden. Vgl. hierzu den Artikel von RA Dr. Bahr: "Neuigkeiten aus dem Bereich des Glückspiel-Rechts" = http://snipurl.com/447o
Dagegen hat das BayOLG (Beschl. v. 26.11.2003 - 5 St RR 289/03) eine Änderung der bisherigen Rechtslage verneint, vgl. die Kanzlei-Info v. 21.01.2004 = http://snipurl.com/447y
Nun liegt eine weitere Entscheidung des VG Stade (Beschl. v. 27.11.2003 - Az.: 6 B 1674/03) hinsichtlich der Problematik vor.
Darin führen die Richter aus:
"Die ausländische Firma B (...) veranstaltet ihre Glücksspiele, ohne die Erlaubnis der zuständigen Behörden des Landes Niedersachsen (...) zu besitzen. (...)
Die in ihrem Heimatstaat erteilte Erlaubnis wirkt nicht nach den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts auch in Deutschland. Es ist insoweit Sache der nationalen Stellen der Mitgliedsstaaten, das Glücksspielwesen im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens zu regeln (...).
Zwar liegt ein Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufsausübung des Berufs eines Sportwettenunternehmers vor, wenn Veranstaltung und Vermittlung verboten sind und auch nicht erlaubt werden können(...). Ebenso stellt eine nationale Regelung, die wie § 3 Abs.2 NLottG private Unternehmer generell von der Möglichkeit einer Erlaubniserteilung ausschließt, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (...) und des freien Dienstleistungsverkehrs (...) dar.
(...) der Eingriff (...) [ist] jedoch gerechtfertigt (...). Das BVerwG hat (...) die Fernhaltung privater Veranstalter von Oddset-Wetten in Bayern als gerechtfertigt angesehen (...)."
Hinsichtlich der Gambelli-Entscheidung merken die Richter an:
"Es gibt auch im Hinblick auf die aktuelle Entscheidung des EuGH v. 6. November 2003 (C-243/01) keinen Anlass, von dieser Einschätzung abzurücken.
Der EuGH hat in der zitierten Entscheidung eine Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gerade nicht festgestellt. Er hat lediglich (...) ausgeführt, dass nationale Regelungen, in denen Monopolstellungen verankert sind, (...) zwar eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (...) und des freien Dienstleistungsverkehrs (...) darstellen.
Eine Verletzung (...) hat der EuGH hingegen nicht festgestellt, sondern die Entscheidung darüber, ob sich derartige monopolartige Regelungen rechtfertigen lassen, ausdrücklich den nationalen Gerichten überlassen.
Indem der EuGH weiter ausführt, es stehe im Ermessen, inwieweit ein Mitgliedstaat auf seinem Gebiet (...) Beschränkungen zum Schutz der Sozialordnung vorsehen wolle, hält der EuGH seine bishere Rechtsprechung aufrecht. (...)
(...) unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist die Regelung des § 3 Abs.2 NLottG (...) durch Ziele der Sozialpolitik gerechtfertigt und verhältnismäßig."
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5. OLG Frankfurt: Hintermänner-Haftung für Gewinnversprechen
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Gemäß § 661 a BGB muss ein Unternehmer, der Gewinnzusagen an Verbraucher sendet und dabei den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen habe, dem Verbraucher diesen Preis leisten. Zweck der Vorschrift ist es, unerwünschten Geschäftspraktiken entgegenzuwirken, in dem sie dem Empfänger einen Anspruch auf den mitgeteilten Preis einräumt. In der Rechtsprechung werden bislang unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, wer als Absender der Mitteilung anzusehen ist und damit für die Gewinnzusage haftet.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main geht bei der Bestimmung des Absenderbegriffs von dem Normzweck des § 661 a BGB, Unternehmer davon abzuhalten, Verbraucher über angebliche Gewinne zu benachrichtigen, die in der versprochenen Form nicht ausgehändigt werden, aus. Diese Zielsetzung verbiete eine restriktive Absenderdefinition. Zwar könne nicht generell jeder wirtschaftliche Hintermann als Versender angesehen werden. Andererseits dürfe aber nicht durch einen restriktiven Versenderbegriff jede Umgehung der Norm sanktioniert werden. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger erhielt den von einem - fiktiven - Rechtsanwalt unterschriebenen Brief, wonach ihm die Chance eingeräumt wurde, 75.000,- DM abzurufen. Hierzu sollte er Siegel auf einem Warenanforderungsschein einkleben und eine unverbindliche Warenanforderung in Höhe von 150,- DM ausfüllen. Obwohl der Kläger diese Anforderungen erfüllte, erhielt er den zugesagten Geldbetrag nicht. Absender der Gewinnzusage war ausweislich des Briefumschlages ein Ch.-Versand mit einer Postfachanschrift in den Niederlanden. An diese Postfachanschrift gerichtete Aufforderungen des Klägers zur Auszahlung des Gewinns blieben unbeantwortet. Mieterin des angegebenen Postfachs war die in Belgien ansässige Beklagte.
Das Oberlandesgericht hat der auf Zahlung von rund 38.500,- Euro Gewinnzusage gerichteten Klage stattgegeben. Der zu entscheidende Fall mache deutlich, dass es sich um den Versuch einer Normumgehung handele. Der in Spanien ansässige Ch.-Versand trete formal als Versender auf, verfüge in den Niederlanden aber über keine handlungsfähige Büroorganisation, sondern lasse die belgische Beklagte in den Niederlanden ein Postfach anmieten, während die Auslieferung der bestellten Waren von Deutschland aus erfolge. Dabei seien die beteiligten Personen auf vielfältige Weise persönlich und wirtschaftlich eng verbunden. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten zur Umgehung des Gesetzes durch manipulative Gestaltung der Absenderangaben sei für den Versenderbegriff deshalb darauf abzustellen, wer dem Verbraucher gegenüber aus dessen maßgeblicher Sicht als Versprechender und für die Auskehr des Gewinns verantwortlich Handelnder gegenübertritt. Deshalb hafte die Beklagte, weil sie nicht nur die Gewinnzusagen bei der niederländischen Post eingeliefert und damit den Versendevorgang unmittelbar selbst veranlasst habe, sondern vor allem als eigentlich Handelnde mit den Adressaten Kontakt hatte.
Die Versendereigenschaft der Beklagten ergebe sich insoweit daraus, dass der Ch.-Versand in den Niederlanden keine Büroorganisation unterhalte, so dass die Beklagte unter dem Namen des Versands mit den Kunden in Beziehung trete und sämtliche geschäftliche Korrespondenz abwickle. So musste sich der Kläger im konkreten Falle auch zur Anforderung seines Gewinnes an die Beklagte richten. Aus der Sicht des Klägers sei die Beklagte deshalb nach außen als Versenderin der Gewinnzusage in Erscheinung getreten und habe einen ihr zurechenbaren Rechtsscheintatbestand gesetzt.
Abgewiesen hat der Senat die Klage jedoch gegen eine weitere Beklagte, weil diese keinen Beitrag i.S. eines Versendens geleistet, sondern lediglich den Rechnungsbetrag für die Warenbestellung vereinnahmt und weitergeleitet hatte. Dies reiche - so der Senat - nicht aus, um eine Haftung nach § 661 a BGB zu begründen.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil eine höchstrichterliche Klärung der Normadressateneigenschaft des § 661 a BGB erforderlich sei.
Urteil des 26. Zivilsenats vom 18. Dezember 2003 - 26 U 21/03
Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt a.M. v. 22.01.2004
Anmerkung:
Erst Mitte November hat der BGH die Gewinnzusagen-Regelung des § 661 a BGB für verfassungsgemäß und somit für wirksam erklärt, vgl. die Kanzlei-Info v. 15.11.2003 (= http://snipurl.com/4488).
Es ist inzwischen ständige Rechtsprechung, dass Gewinnzusagen einklagbar sind und dafür sogar Prozesskostenhilfe gewährt werden kann, vgl. das OLG Stuttgart (Urt. v. 18.12.2003 - Az.: 13 U 142/03 = Kanzlei-Info v. 25.12.2003 = http://snipurl.com/4489), das OLG Köln (Beschl. v. 07.10.2003 – Az.: 16 W 25/03 = Kanzlei-Info v. 22.11.2003 = http://snipurl.com/448b) und das LG München I (vgl. die Kanzlei-Info v. 10.10.2003 = http://snipurl.com/448a). Des weiteren hat das LG Bonn (Urt. v. 25.11.2003 - Az.: 2 O 495/02 = http://snipurl.com/449b) bei einer Gewinnklage gegen eine englische Firma die deutsche Zuständigkeit bejaht.
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6. LG München I: "Konkurrenzschutz in Maßen"
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Ein Münchner IT-Unternehmen nahm seit 18.10.2000 regelmäßig die Dienste eines selbständigen Programmierers aus Gilching in Anspruch. Für den Fall der Abwerbung von Firmenkunden verpflichtete sich der Computerfachmann zur Zahlung einer Vertragsstrafe von mindestens 50.000,- DM.
Seit Oktober 2002 stellte er seine Dienste auch einem anderen Großunternehmen der Informationstechnologie im Münchner Raum zur Verfügung. Den Vertrag mit dem früheren Auftraggeber kündigte er zum 16.5.2003. Die Firma verklagte den Programmierer auf Zahlung der Vertragsstrafe wegen Verletzung des vereinbarten Wettbewerbsverbots.
Er habe für die neue Firma genau das Projekt in eigener Regie betreut, das er zuvor im Auftrag der Klägerin bearbeitet habe. Diese sei deshalb als Kundin der Klägerin verloren gegangen.
Das von der IT-Firma angerufene Landgericht München I hat das vereinbarte Wettbewerbsverbot für sittenwidrig und nichtig erklärt. Der Fachmann durfte nach der vertraglichen Regelung nicht nur von Firmenkunden keine Aufträge annehmen, sondern auch nicht von Interessenten oder von allen möglichen Unternehmen, die irgendwann und irgendwie mit der Vertragsfirma wirtschaftlich etwas zu tun hatten. Außerdem sollte das Wettbewerbsverbot nicht nur für die Dauer der vertraglichen Zusammenarbeit, sondern auch noch ein Jahr über die Vertragsbeendigung hinaus gelten. Eine Karenzentschädigung, wie sie beispielsweise für Handelsvertreter gesetzlich vorgesehen ist, war aber nicht vereinbart.
Richterin Cordula Brychcy sah darin eine unverhältnismäßige Beschränkung des Softwareexperten in seiner Berufsfreiheit. Sie wies deshalb die Klage ab.
Urteil vom 5.12.2003 (Az.: 6 O 12790/03)
Quelle: Pressemitteilung des LG München I v. 21. Januar 2004
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7. Neue 0190-Dialer-Urteile
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Es gibt fünf neue 0190-Dialer-Urteile zu vermelden:
a) Urteil des AG Dortmund vom 06.01.2004 - Az.: 107 C 13053/03 He:
(Leitsätze:)
1. Der Netz-Betreiber ist beweispflichtig für die Inanspruchnahme der Leistung.
2. Angesichts eines in letzter Zeit festzustellenden erheblichen Missbrauchs von sogenannten Dialern, die ohne Zutun des Nutzers allein bei Anzeige einer bestimmten Internetseite auf den Computer des Nutzers heruntergeladen und völlig unbemerkt im Hintergrund ausgeführt werden können, kann jedenfalls nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Nutzer wie auch immer durch ein konkludentes Verhalten den Vertrag über die Nutzung der Leitung geschlossen hat.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agdortmund060104.htm
b) Urteil des AG Meißen Urteil vom 28.11.2003 - Az.: 3 C 0601/03
(Leitsatz:)
1. Der Netz-Betreiber ist beweispflichtig für die Inanspruchnahme der Leistung.
2. Der Beweislast genügt der Netz-Betreiber nur dann, wenn er den betreffenden Mehrwertdiensteanbieter nennt und die Art und Weise, wie dessen Programm von dem Telefon-Kunden installiert worden ist, darlegt.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agmeissen281103.htm
c) Urteil des AG Osterholz-Scharmbeck vom 15. Januar 2004 - Az.:4 C 921/03
(Leitsätze:)
1. Der Netz-Betreiber ist beweispflichtig für die Inanspruchnahme der Leistung.
2. Eine Abtretungsvereinbarung genügt den Mindestanforderungen an eine Bestimmbarkeit nicht, wenn "Forderungen abgetreten werden sollen, die zum Inkasso übergeben werden", und ist somit unwirksam.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agosterholzscharmbeck150104.htm
d) Urteil des AG Backnang vom 03.11.2003 - Az.: 6 C 465/03
(Leitsätze:)
1. Der Netz-Betreiber ist beweispflichtig für die Inanspruchnahme der Leistung.
2. Ein mit "Einzelverbindungsübersicht" überschriebener Ausdruck einer Bildschirmanzeige ist als Beweis nicht geeignet. Denn der Anscheinsbeweis für die Richtigkeit gilt nur, wenn es sich bei dem Dokument um eine Aufzeichnung handelt, die den technischen Vorgang wiedergibt und zudem vollständig die Verbindungen unter Angabe der Zielrufnummern enthält. Diese Voraussetzungen erfüllt ein solcher Bildschirm-Ausdruck nicht.
3. Auch wenn der Kunde lediglich einen gekürzten Einzelverbindungsnachweis gewünscht hat, ist der Netz-Betreiber nicht davon entbunden und vor allem auch nicht daran gehindert, die vollständigen Daten gleichwohl aufzubewahren und ggf. vorzulegen.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agbacknang031103.htm
e) Urteil des AG Ribnitz-Damgarten vom 22.12.2003 - Az.: 1 C 768/03
(Leitsätze:)
1. Der Netz-Betreiber ist beweispflichtig für die Inanspruchnahme der Leistung.
2. Eine Abtretungsvereinbarung genügt den Mindestanforderungen an eine Bestimmbarkeit nicht, wenn "Forderungen abgetreten werden sollen, die zum Inkasso übergeben werden", und ist somit unwirksam.
3. Legt der Netz-Betreiber keine technische Überprüfung nach § 16 TKV vor, trotzdem der Kunde diese verlangt, hat er keinen Anspruch auf Zahlung der angefallenen Telefon-Entgelte.
http://www.dialerundrecht.de/Entscheidungen/agribnitzdamgarten221203.htm
Hinweis:
Zu der rechtlichen Problematik von Dialern finden Sie auf unserem Internet-Portal www.dialerundrecht.de ausführliche Erläuterungen.
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8. vzbv: DatenschutzR-Handbuch zum Download
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Die Verbraucherzentrale Bundesverband (http://www.vzbv.de), das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (http://www.datenschutzzentrum.de) und die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein (http://www.verbraucherzentrale-sh.de) bieten seit kurzem ein 188-seitiges Handbuch zum deutschen Datenschutzrecht zum kostenlosen Download (PDF, 835 KB = http://snipurl.com/448c) an.
Der Band mit dem Titel "99+1 Beispiele und viele Tipps zum Bundesdatenschutzrecht" ist eine umfangreiche Erläuterung zahlreicher Problembereiche und schildert auf verständliche Weise die einzelnen Regelungsbereiche des oftmals verworrenen deutschen Datenschutzrechtes.
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9. "Harry Potter"-Gutachten zum Download online
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Die Kanzlei-Infos hatten vor kurzem über die rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen der "Harry Potter"-Autorin Joanne K. Rowling und deutschen Schulbuchverlagen berichtet, vgl. die Kanzlei-Infos v. 04.01.2004 = http://snipurl.com/449h
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der VdS Bildungsmedien e.V. hatten in diesem zusammen dem Karlsruher Urheberrechtler Prof. Dr. Willi Erdmann den Auftrag für ein Gutachten gegeben.
Kernfrage der rechtlichen Erörterungen war, inwieweit ein Unterrichtswerk handelnde Personen mit ihren Charaktereigenschaften und Attributen, Handlungssträngen und spezifische Situationen aus fremden Werken zu eigen zu machen, um anhand dessen Lehrmaterial für Lehrkräfte und Unterrichtsmaterial zur weiteren Verwendung durch Schüler zu erstellen.
Das Gutachten (PDF, 275 KB = http://snipurl.com/449j) ist hier downloadbar und umfasst insgesamt 59 Seiten.
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10. In eigener Sache: Neues Layout und neue Kanzlei
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Wir erlauben uns in dieser Woche eine kleine Meldung in eigener Sache:
"Nichts ist so beständig wie der Wandel"
lautet ein altes Sprichwort - und dies trifft auch für uns zu.
Seit Anfang 2004 haben wir uns vergrößert: Aus der Kanzlei Dr. Bahr ist die Kanzlei Heyms & Dr. Bahr geworden = http://www.heyms-drbahr.de
Zeitgleich mit diesem Zusammengehen haben wir auch unsere Homepage re-launched. Neben der Ihnen bekannten Rechts-FAQ und den zahlreichen Vorträgen & Veröffentlichungen zum Download gibt es die gewohnten täglichen News und weiterhin den wöchentlichen Newsletter.
Die Kanzlei Heyms & Dr. Bahr wird Ihre Online-Informations-Portale noch ausbauen. Nicht zuletzt auch dank unser neuen Mitarbeiterin, Frau Katarina Altrogge, LL.M. (Lebenslauf = http://snipurl.com/448r), die vor allem im Bereich des (Online-) Musikrechts zu Hause ist.
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