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Newsletter vom 28.09.2022 |
Betreff: Rechts-Newsletter 30. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. EuGH: Anlasslose Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich unzulässig _____________________________________________________________ Es ist nicht zulässig, dass die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Speicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, u. a. von Insidergeschäften, präventiv ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat speichern Ein nationales Gericht kann die Feststellung, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine solche Vorratsspeicherung der Verkehrsdaten vorsehen, ungültig sind, nicht in ihren zeitlichen Wirkungen beschränken Gegen VD und SR laufen in Frankreich Strafverfahren wegen Insiderhandels, Hehlerei im Zusammenhang mit Insiderhandel, Beihilfe, Bestechung und Geldwäsche. Ausgangspunkt der Ermittlungen waren im Rahmen der Bereitstellung von Diensten der elektronischen Kommunikation generierte personenbezogene Daten betreffend Telefongespräche von VD und SR, die dem Ermittlungsrichter von der Finanzaufsichtsbehörde (Autorité des marchés financiers, AMF) nach entsprechenden Ermittlungen zur Verfügung gestellt worden waren. VD und SR haben bei der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) gegen zwei Urteile der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) Kassationsbeschwerden eingelegt. Sie wenden sich dagegen, dass sich die AMF bei der Erhebung der Daten auf innerstaatliche Rechtsvorschriften gestützt habe, die, soweit sie eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der Verbindungsdaten vorsähen, unionsrechtswidrig seien und in denen die Befugnis der Ermittler der AMF zur Anforderung gespeicherter Daten nicht begrenzt werde. Sie berufen sich insoweit auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs Die Vorlagefragen der Cour de cassation betreffen innerstaatliche Rechtsvorschriften, nach denen die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Speicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, u. a. von Insidergeschäften, präventiv ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat speichern. Es geht im Wesentlichen um das Zusammenspiel der einschlägigen Vorschriften der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation im Lichte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden Charta) und der einschlägigen Vorschriften der Marktmissbrauchsrichtlinie4 und der Marktmissbrauchsverordnung5. Für den Fall, dass die betreffenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften unionsrechtswidrig sein sollten, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ihre Wirkungen vorläufig aufrechterhalten werden können, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden und es zu ermöglichen, dass die auf ihrer Grundlage auf Vorrat gespeicherten Daten zur Aufdeckung und Verfolgung von Insidergeschäften verwendet werden. Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof als Erstes fest, dass weder die Marktmissbrauchsrichtlinie noch die Marktmissbrauchsverordnung im Hinblick auf die Ausübung der den zuständigen Finanzaufsichtsbehörden durch sie übertragenen Befugnisse eine Rechtsgrundlage für eine allgemeine Verpflichtung zur Aufbewahrung der Datenverkehrsaufzeichnungen im Besitz der Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation bilden können. Als Zweites weist der Gerichtshof darauf hin, dass es sich bei der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation um den Referenzrechtsakt im Bereich der Speicherung und allgemein der Verarbeitung personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation handelt. Die Datenschutzrichtlinie ist daher auch für die Datenverkehrsaufzeichnungen im Besitz der Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation maßgeblich, die die zuständigen Finanzaufsichtsbehörden im Sinne der Marktmissbrauchsrichtlinie und der Marktmissbrauchsverordnung bei Letzteren anfordern können. Für die Beurteilung der Frage, ob die Verarbeitung der Aufzeichnungen im Besitz der Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation zulässig ist, sind mithin die Voraussetzungen gemäß der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation in der Auslegung durch den Gerichtshof maßgeblich. Der Gerichtshof gelangt deshalb zu dem Schluss, dass es nach der Marktmissbrauchsrichtlinie und der Marktmissbrauchsverordnung in Verbindung mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation und im Lichte der Charta nicht zulässig ist, dass die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Speicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, u.a. von Insidergeschäften, ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat speichern. Als Drittes hält der Gerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach das Unionsrecht dem entgegensteht, dass ein nationales Gericht die nach nationalem Recht zu treffende Feststellung, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften, mit denen die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation zur allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung der Verkehrs- und Standortdaten verpflichtet werden, wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation ungültig sind, in ihren zeitlichen Wirkungen beschränkt. Der Gerichtshof stellt jedoch klar, dass die Verwertbarkeit von Beweismitteln, die aufgrund einer solchen Vorratsspeicherung von Daten erlangt wurden, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten dem nationalen Recht unterliegt – vorbehaltlich der Beachtung u. a. der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. Letzterer verpflichtet ein nationales Strafgericht dazu, Informationen und Beweise, die durch eine mit dem Unionsrecht unvereinbare allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung erlangt wurden, auszuschließen, sofern die betreffenden Personen nicht in der Lage sind, sachgerecht zu den Informationen und Beweisen Stellung zu nehmen, die einem Bereich entstammen, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfügt, und geeignet sind, die Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen. Urteil des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-339/20 | VD und C-397/20 | SR
Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 20.09.2022
Geklagt hatten jeweils Unternehmen, die auf dem Gebiet der Stadt Dortmund Wettbüros betrieben. Die Klägerinnen vermittelten die in den Wettbüros angebotenen Renn- und Sportwetten, eine Klägerin veranstaltete auch selbst Pferdewetten als Buchmacherin. Die beklagte Stadt Dortmund erhebt seit dem Jahr 2014 eine kommunale Wettbürosteuer als örtliche Aufwandsteuer. Besteuert wird der Aufwand für die Teilnahme an Pferde- und Sportwetten in Wettbüros, bei denen es sich nach der Steuersatzung um Einrichtungen handelt, die wie im Fall der Klägerinnen neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse an Monitoren ermöglichen. Dabei soll die vom Betreiber des Wettbüros geschuldete Steuer auf die Wettkunden abgewälzt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Jahr 2017 zur Wettbürosteuersatzung der Stadt Dortmund entschieden, dass eine Wettbürosteuer jedenfalls nicht nach der Fläche des Wettbüros bemessen werden darf. Daraufhin änderte die Stadt rückwirkend ihre Satzung und legte nunmehr den Brutto-Wetteinsatz als Steuermaßstab fest; der Steuersatz beträgt 3 %. Die Klagen gegen die auf dieser Grundlage ergangenen Steuerbescheide wiesen die Vorinstanzen ab. Das Oberverwaltungsgericht Münster ließ jedoch jeweils die Revision zur Klärung der Frage zu, ob die Erhebung einer Wettbürosteuer nach der Satzungsänderung wegen Gleichartigkeit zu bundesrechtlich geregelten Steuern im Rennwett- und Lotteriegesetz gesperrt ist. Diese betragen jeweils 5 % des Wetteinsatzes. Der Senat hat die Revisionsverfahren im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Zulässigkeit einer kommunalen Übernachtungssteuer zunächst ausgesetzt. Auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 (1 BvR 2868/15 u.a.) ist das Bundesverwaltungsgericht nunmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erhebung einer (zusätzlichen) kommunalen Wettbürosteuer nicht zulässig ist, weil sie den bundesrechtlich im Rennwett-und Lotteriegesetz geregelten Steuern (Rennwetten- und Sportwettensteuer) gleichartig ist. Bei diesen Steuern handelt es sich um spezielle Bundessteuern, die die Erhebung einer örtlichen Aufwandsteuer für denselben Gegenstand ausschließen.bengesetzes).
BVerwG 9 C 2.22 - Urteil vom 20. September 2022
BVerwG 9 C 3.22 - Urteil vom 20. September 2022
BVerwG 9 C 4.22 - Urteil vom 20. September 2022
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 21.09.2022
Fußnote: Die Beklagte, ein Online-Shop, vertrieb Desinfektionsmittel.
Derartige Produkte müssen nach Art. 72 BiozidVO mit einem entsprechendem Hinweis versehen werden. Die Norm lautet:
"Artikel 72 Werbung Die Hinweise erfolgten ordnungsgemäß auf den einzelnen Produktseiten. Auf den Produktübersichtsseiten hingegen war die Information noch nicht zu sehen. Der Kläger beanstandete dies als unzureichend und somit als Wettbewerbsverstoß, da auch von den Produktübersichtsseiten eine direkte Bestellung möglich sei.
Das OLG Zweibrücken gab der Klage statt und bejahte eine Wettbewerbsverletzung:
"Entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichts stellt sich die Warenpräsentation auf der Produktübersichtsseite der Beklagten als Werbung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 y) Biozid-VO dar. Danach bezeichnet der Ausdruck „Werbung“ für die Zwecke dieser Verordnung ein Mittel zur Förderung des Verkaufs oder der Verwendung von Biozid-Produkten durch gedruckte, elektronische oder andere Medien. Unter den Begriff „Werbung“ sind sonach sämtliche Formen der Online-Veröffentlichung von Biozid-Produkten einzuordnen, wenn durch die Darstellung deren Absatz gefördert werden soll. Das OLG stellte somit entscheidend darauf ab, dass bereits von der Übersichtsseite ein Kauf möglich war, ohne die einzelne Produktunterseite aufzusuchen. Damit der Käufer die gesetzlichen Informationen erhalte, sei es daher notwendig, diese auch bereits im Rahmen der Übersicht darzustellen. zurück zur Übersicht ____________________________________________________________ 4. VG Berlin: Videoüberwachung des S-Bahnhofs Grunewald erlaubt _____________________________________________________________ Die Videoüberwachung des S-Bahnhofs Grunewald am 1. Mai 2019 durch die Bundespolizei war rechtmäßig. Dies hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden. Die Kläger hatten für den 1. Mai 2019, wie bereits im Vorjahr, eine Versammlung angemeldet, deren Auftakt- und Abschlussort der Bahnhofsvorplatz „Am Bahnhof Grunewald“ war. Viele Teilnehmende reisten über den S-Bahnhof an. Die Bundespolizei erließ eine Einrichtungsanordnung, auf deren Grundlage Videoüberwachungstechnik u.a. auf Bahnsteigen, Treppenabgängen und im Empfangsbereich – nicht aber auf dem Bahnhofsvorplatz – installiert wurde. Auf die Kameras wiesen mehrere Schilder in Größe DIN A4 hin. Die Bundespolizei löschte die Videoaufzeichnungen am 15. Mai 2019. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Videoaufzeichnungen gerichtete Klage begründeten die Kläger u.a. damit, dass diese einen ungerechtfertigten Eingriff in die Versammlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellten. Die Beklagte verweist auf das nach den Erfahrungen des Vorjahres bestehende Bedürfnis, eine Überfüllung des Bahnsteigs und des Personentunnels frühzeitig zu erkennen. Die 1. Kammer hat die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage der Videoaufzeichnung und -speicherung sei § 27 Satz 1 Nr. 2 Bundespolizeigesetz (BPolG). Danach könne die Bundespolizei selbsttätige Bildaufnahme- und Bildaufzeichnungsgeräte einsetzen, um Gefahren für Eisenbahnanlagen und für dort befindliche Personen oder Sachen zu erkennen. Das Versammlungsrecht stünde der Anwendbarkeit der Norm nicht entgegen. Das Polizeirecht diene der Bekämpfung von Gefahren, die ihre Ursache nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf hätten. Ziel der Videoaufzeichnung sei nicht die Verfolgung des Anreisegeschehens der Versammlungsteilnehmenden gewesen, sondern die Bekämpfung von Gefahren, die sich aus der räumlich beengten Bahnhofssituation ergäben. Die Versammlungsfreiheit gebiete keine besondere versammlungsrechtliche Regelung für jeden Eingriff unabhängig von seiner Art und seinem Gewicht. Eine solche sei vielmehr nur bei Eingriffen in den Kernbereich der Versammlungsfreiheit erforderlich. Die formellen und materiellen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage seien erfüllt gewesen, insb. sei die Videoüberwachung erkennbar und die 30-tägige Speicherfrist gewahrt worden. Die Videoüberwachung sei zudem ermessensfehlerfrei – insb. verhältnismäßig – gewesen. Die Kumulation der engen räumlichen Situation am S-Bahnhof Grunewald und der zu erwartenden Vielzahl von Nutzerinnen und Nutzern des Bahnhofs hätte – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Loveparade in Duisburg im Jahr 2010 – eine Gefahr im Sinne der Rechtsgrundlage begründet. Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden. Urteil der 1. Kammer vom 22. August 2022 (VG 1 K 405/20)
Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin v. 13,09.2022
Die Beklagte warb online mit der Erklärung:
"Als (...) bieten wir Dir in Deutschland hergestellte und laborgeprüfte Nahrungsergänzungsmittel und dabei setzen wir nicht nur auf das Bedürfnis nach zusatzstofffreien Nahrungsergänzungsmittel." Dies stufte die Klägerin als wettbewerbswidrig ein. Denn ohne weitere Kriterien, wer und nach welchen Maßstäben kontrolliert worden sei, würden dem Verbraucher wesentliche Informationen vorenthalten. Dabei handle es sich um einen Wettbewerbsverstoß.
Dieser Ansicht ist das LG Darmstadt nicht gefolgt und hat die Klage hinsichtlich dieses Punktes abgewiesen.
"Der Begriff „laborgeprüft" beschreibt in dem in Rede stehenden Kontext einzig und allein das Unternehmen (...)" und nicht das beworbene Produkt. Entscheidend war also, dass die Werbeaussage sich auf das Unternehmen an sich bezog und nicht auf ein spezifisches, einzelnes Produkt. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 6. LG Köln: Marketplace-Verkäufer haftet für Urheberrechtsverletzung fremder Amazon-Angebote _____________________________________________________________ Ein Marketplace-Verkäufer haftet für die Urheberrechtsverletzungen fremder Amazon-Angebote als Täter. Es ist unerheblich, ob er einen direkten Änderungseinfluss auf die Inhalte hat (LG Köln, Urt. v. 22.08.2022 - Az.: 14 O 327/21). Eine Marketplace-Verkäuferin wurde vom Rechteinhaber eines Bildes auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Bild war in der Warenbeschreibung auf Amazon benutzt worden. Die verklagte Anbieterin verteidigte sich damit, dass sie sich lediglich an das Amazon- Angebot "angehängt" habe und auch keinerlei Änderungsmöglichkeiten besitze. Zudem habe sie nach Erhalt der Abmahnung bei Amazon die Löschung des Bildes versucht, was jedoch erfolglos blieb.
Das LG Köln bejahte die Haftung der Beklagten als Täterin für die Urheberrechtsverletzung:
"Die Beklagte haftet für diese öffentliche Zugänglichmachung auch als Täterin. Nach der Rechtsprechung der Kammer in den Fällen des sog. „Anhängens an Amazon Angebote“ ist grundsätzlich unter Rückgriff auf des Rechtsprechung des BGH in den verwandten Rechtsgebieten des UWG und des Markenrechts (siehe BGH, GRUR 2016, 961 – Herstellerpreisempfehlung; BGH, GRUR 2016, 936 – Angebotsmanipulation bei Amazon) von einer Täterschaft der „sich anhängenden“ Verkäufer auszugehen. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass die Beklagte in tatsächlicher Hinsicht keine Änderungsmöglichkeiten besitze: "Die Täterschaft der Beklagten ist auch deshalb anzunehmen, weil sie die Herrschaft über die eigene Urheberrechtsverletzung hat. Der Tatbeitrag der Beklagten zu der streitgegenständlichen Rechtsverletzung der öffentlichen Zugänglichmachung der Lichtbilder der Klägerin, liegt in der Einstellung des Verkaufsangebotes unter der bereits vorhandenen „ASIN“ und der dazugehörigen Artikelseite bei B. Die Beklagte war damit nicht nur unselbstständige Hilfsperson, da sie eigene Entscheidungsbefugnis und Herrschaft über die Rechtsverletzung hatte (...). Sie hat es jederzeit in der Hand eine eigene Urheberrechtsverletzung zu beenden bzw. gar nicht erst zu beginnen. Auch der Umstand, dass die Beklagte nach Erhalt der Abmahnung die Löschung versucht habe, ändere nichts an der Haftung, so die Richter: "Einer Haftung der Beklagten steht auch nicht der von ihr vorgetragene Versuch entgegen, bei Amazon eine Löschung der zwei streitgegenständlichen Lichtbilder zu erreichen. Dabei kann die Kammer diesen durch aktenkundige E-Mail Korrespondenz vorgetragenen Versuch, der von Klägerseite unqualifiziert bestritten worden ist, unterstellen. Anmerkung von RA Dr. Bahr: Anderer Ansicht ist das OLG München, das in diesen Fällen keine Haftung des Marketplace-Verkäufers bejaht, vgl. unsere Kanzlei-News v. 27.06.2016.
Das LG Köln nimmt in seiner aktuellen Entscheidung ausdrücklich Bezug auf dieses Urteil und lehnt es als falsch ab, da die BGH-Rechtsprechung anders sei:
"Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des OLG München (Urt. v. 10.3.2016 – 29 U 4077/15, GRUR-RR 2016, 316) stützt, so ist die Kammer der Ansicht, dass diese Rechtsprechung im Widerspruch zu den oben genannten Fundstellen des BGH steht. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des OLG München nicht an, insbesondere nicht soweit dort ein vom Wettbewerbsrecht abweichendes Modell der Bewertung der Täterhaftung angenommen wird." zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 7. LG Köln: Auch grafisch stilisiertes angebissenes Pizzastück kann urheberrechtlich geschützt sein _____________________________________________________________ Auch ein grafisch stilisiertes angebissenes Pizzastück kann urheberrechtlichen Schutz genießen, so das LG Köln in einer aktuellen Entscheidung (LG Köln, Urt. v. 09.06.2022 - Az.: 14 O 283/20). Die Beklagte hatte die streitgegenständliche Grafik auf ihren Waren (Kartons und Tragetaschen für die Gastronomie) verwendet. Dagegen ging die Klägerin vor, weil sie sich in ihren Urheberrechten verletzt sah. Bei der Darstellung handelte es sich um ein dreieckiges, stilisiertes Pizzastück, das in der oberen Ecke angebissen war.
Das LG Köln sah hier die urheberrechtliche Schöpfungshöhe und den Werkcharakter als gegeben an:
"Es handelt sich nicht um eine rein naturalistische Darstellung eines Pizzastücks, sondern dieses wird durch Form- und Farbgebung auf das wesentliche reduziert und bleibt gleichwohl erkennbar. Dem Gestalter steht bei der Wiedergabe eines stilisierten Pizzastücks eine sehr breite Auswahl verschiedener ästhetischer Möglichkeiten zur Verfügung. Ein ähnlich der geometrisch reduzierten Form der hier streitgegenständlichen Abbildung gestaltetes Logo findet sich im Wettbewerbsumfeld – wie auch die Beklagtenseite zugesteht – nicht. Und weiter: "Der Zeuge x hat damit ein Zeichen geschaffen, das seiner Zielrichtung entsprechend, unterscheidungskräftig im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG ist, aber gleichzeitig einen den Gebrauchszweck überschießenden künstlerischen Anspruch aufweist. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 8. VG Trier: Untersagung des Inverkehrbringens CBD-haltiger Präsentationsarzneimittel _____________________________________________________________ Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier hat die gegen eine Untersagungsverfügung zum Inverkehrbringen CBD-haltiger Präsentationsarzneimittel gerichtete Klage abgewiesen. Die Klägerin, eine Firma aus dem Raum Trier-Saarburg, vertreibt u. a. ein CBD-haltiges Pulver, das an Hunde verfüttert wird sowie eine – zur Anwendung beim Menschen bestimmte - CBD-haltige Hautcreme. Beide Produkte sind nicht als Arzneimittel zugelassen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass es sich bei diesen Produkten um ein Ergänzungsfuttermittel bzw. um einen Kosmetikartikel handele, die in ihrem Internetauftritt jeweils auch als solche beworben würden. Aus Sicht des beklagten Landes werden beide Produkte hingegen so präsentiert, dass beim Verbraucher der Eindruck entstehen kann, den Produkten komme eine heilende Wirkung zu. Deshalb ist der Beklagte der Auffassung, es handele sich um sog. Präsentationsarzneimittel, also Mittel, die als Arzneimittel dargestellt bzw. präsentiert werden. Weil dies nach Auffassung des Beklagten rechtlich unzulässig ist, hat er den Vertrieb der beiden Produkte untersagt. Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Trier Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ausführt, ihre Produkte seien nicht dazu ausgelobt, anstelle eines Medikaments für krankheitsbedingte Beschwerden verwendet zu werden. Der Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, die Klägerin präsentiere die beiden Produkte als Arzneimittel, weil sie jeweils die therapeutische Wirkung von CBD zur Heilung oder Linderung von (Gelenk-)Krankheiten des Hundes bzw. von Hautkrankheiten beim Menschen herausstelle. Dieser Sichtweise haben sich die Richter der 6. Kammer angeschlossen und die Klage abgewiesen. Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung sei anhand der einschlägigen Vorschriften des Tierarzneimittelgesetzes bzw. hinsichtlich der Hautcreme anhand der Vorschriften des Arzneimittelgesetzes zu überprüfen. Danach stellten sich beide Präparate als Arzneimittel in Form der sog. Präsentationsarzneimittel dar. Um den Verbraucher nicht nur vor schädlichen Heilmitteln zu schützen, sondern auch davor, dass anstelle eines geeigneten Heilmittels ein ungeeignetes Präparat gewählt wird, sei der Begriff des Präsentationsarzneimittels weit auszulegen, um sicherzustellen, dass der Arzneimittelbegriff nicht nur Erzeugnisse umfasse, die tatsächlich eine therapeutische Wirkung haben, sondern auch solche, die bei einem durchschnittlich informierten Verbrauchern den Eindruck entstehen lassen, dass das betreffende Produkt in Anbetracht seiner Aufmachung zur Heilung, Linderung oder Vorbeugung von Krankheiten geeignet sei. Ob dem so sei, sei anhand einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung zu bestimmen. Danach handele sich bei beiden streitgegenständlichen Produkten um sog. Präsentationsarzneimittel. Beim Verbraucher werde der Eindruck erweckt, der enthaltene Wirkstoff CBD diene der Heilung und Linderung von (Gelenk-)Krankheiten beim Hund bzw. von Hautkrankheiten beim Menschen. Der Durchschnittsverbraucher gewinne den Eindruck, das jeweilige Präparat selbst stelle eine mögliche Therapiemaßnahme dar. Mithin seien die Produkte nicht als Futtermittel bzw. Kosmetikprodukt zu qualifizieren. Da es sich bei den Produkten mithin um ein Tierarzneimittel bzw. um ein Arzneimittel handele, habe der Beklagte deren Inverkehrbringen untersagen dürfen, weil ihnen die arzneimittelrechtlich erforderliche Zulassung fehle. Gegen die Entscheidung können die Beteiligten innerhalb eines Monats die Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen.
VG Trier, Urteil vom 1. August 2022 – 6 K 581/22.TR –
Quelle: Pressemitteilung des VG Trier
Es ging um die Nutzung von Grundbuchdaten durch ein Bauträgerunternehmen und einen Vermessungsingenieur. Es wurden Grundstückseigentümer angeschrieben und entsprechende Kaufangebote unterbreitet.
Aus der Pressemitteilung:
"Ein Grundstückseigentümer in einem Neubaugebiet hatte ein Schreiben eines Bauträgers erhalten, in dem ihm ein Kaufpreisangebot für sein Grundstück unterbreitet wurde. Eine Information über die Herkunft seiner Daten enthielt das Schreiben nicht, auch auf Nachfrage wurde dem Adressaten nicht mitgeteilt, woher der Bauträger dessen Daten hatte, insbesondere die Kenntnis von dessen Eigentümerstellung. Rechtlich bewertet das Amt das Handeln als rechtswidrig: "Dieses Vorgehen stellt einerseits einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 DS-GVO dar. So ist bei der Interessenabwägung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zu berücksichtigen, dass zwischen den Grundstückseigentümern und dem Bauträger keine vorherige Geschäftsbeziehung bestand und die Eigentümer nicht davon ausgehen mussten, dass ihre Daten im Grundbuch für werbliche Ansprachen zur Verfügung stehen. Hierbei kommt besondere Bedeutung der Tatsache zu, dass Grundstückseigentümer weder der Eintragung im Grundbuch noch der Datenübermittlung widersprechen können, vielmehr werden ihre Daten auf Grund einer gesetzlichen Pflicht erhoben. Gegen das Bauträgerunternehmen wurde ein DSGVO-Bußgeld iHv. 50.000,- EUR, gegen den Ingenieur ein Bußgeld iHv. 5.000,- EUR verhängt. Beide haben die Strafe akzeptiert, sodass die Bescheide rechtskräftig sind. zurück zur Übersicht _____________________________________________________________ 10. Berliner Datenschutzbeauftragte: 525.000,- EUR DSGVO-Bußgeld für E-Commerce-Konzern wegen Interessenkonflikt beim betrieblichen Datenschutzbeauftragten _____________________________________________________________ Wie die Berliner Datenschutzbeauftragte in einer aktuellen Pressemitteilung erklärt, hat sie gegen einen Berliner E-Commerce-Konzern ein DSGVO-Bußgeld iHv. 525.000,- EUR. Grund der Beanstandung ist ein bestehender Interessenkonflikt beim betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Nach Auffassung der Behörde hatte die Firma einen Datenschutzbeauftragten benannt, die er selbst in anderer Funktion getroffen hatte. Damit sei die notwendige unabhängige Kontrolle, die das Gesetz vorschreibe, nicht mehr gewährleistet.
Aus der Pressemitteilung:
"Die Aufgabe darf demnach nicht von Personen wahrgenommen werden, die sich dadurch selbst überwachen würden. Hinsichtlich der Höhe des Bußgeldes äußert sich die Behörde wie folgt: "Bei der Bußgeldzumessung berücksichtigte die BlnBDI den dreistelligen Millionenumsatz des E- Commerce-Konzerns im vorangegangen Geschäftsjahr und die bedeutende Rolle des Datenschutzbeauftragten als Ansprechpartner für die hohe Zahl an Beschäftigten und Kund:innen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. zurück zur Übersicht |