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Gegen VD und SR laufen in Frankreich Strafverfahren wegen Insiderhandels, Hehlerei im Zusammenhang mit Insiderhandel, Beihilfe, Bestechung und Geldwäsche. Ausgangspunkt der Ermittlungen waren im Rahmen der Bereitstellung von Diensten der elektronischen Kommunikation generierte personenbezogene Daten betreffend Telefongespräche von VD und SR, die dem Ermittlungsrichter von der Finanzaufsichtsbehörde (Autorité des marchés financiers, AMF) nach entsprechenden Ermittlungen zur Verfügung gestellt worden waren.
VD und SR haben bei der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) gegen zwei Urteile der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) Kassationsbeschwerden eingelegt. Sie wenden sich dagegen, dass sich die AMF bei der Erhebung der Daten auf innerstaatliche Rechtsvorschriften gestützt habe, die, soweit sie eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der Verbindungsdaten vorsähen, unionsrechtswidrig seien und in denen die Befugnis der Ermittler der AMF zur Anforderung gespeicherter Daten nicht begrenzt werde. Sie berufen sich insoweit auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs
Die Vorlagefragen der Cour de cassation betreffen innerstaatliche Rechtsvorschriften, nach denen die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Speicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, u. a. von Insidergeschäften, präventiv ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat speichern.
Es geht im Wesentlichen um das Zusammenspiel der einschlägigen Vorschriften der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation im Lichte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden Charta) und der einschlägigen Vorschriften der Marktmissbrauchsrichtlinie4 und der Marktmissbrauchsverordnung5. Für den Fall, dass die betreffenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften unionsrechtswidrig sein sollten, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ihre Wirkungen vorläufig aufrechterhalten werden können, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden und es zu ermöglichen, dass die auf ihrer Grundlage auf Vorrat gespeicherten Daten zur Aufdeckung und Verfolgung von Insidergeschäften verwendet werden.
Mit seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof als Erstes fest, dass weder die Marktmissbrauchsrichtlinie noch die Marktmissbrauchsverordnung im Hinblick auf die Ausübung der den zuständigen Finanzaufsichtsbehörden durch sie übertragenen Befugnisse eine Rechtsgrundlage für eine allgemeine Verpflichtung zur Aufbewahrung der Datenverkehrsaufzeichnungen im Besitz der Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation bilden können.
Als Zweites weist der Gerichtshof darauf hin, dass es sich bei der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation um den Referenzrechtsakt im Bereich der Speicherung und allgemein der Verarbeitung personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation handelt. Die Datenschutzrichtlinie ist daher auch für die Datenverkehrsaufzeichnungen im Besitz der Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation maßgeblich, die die zuständigen Finanzaufsichtsbehörden im Sinne der Marktmissbrauchsrichtlinie und der Marktmissbrauchsverordnung bei Letzteren anfordern können.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Verarbeitung der Aufzeichnungen im Besitz der Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation zulässig ist, sind mithin die Voraussetzungen gemäß der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation in der Auslegung durch den Gerichtshof maßgeblich.
Der Gerichtshof gelangt deshalb zu dem Schluss, dass es nach der Marktmissbrauchsrichtlinie und der Marktmissbrauchsverordnung in Verbindung mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation und im Lichte der Charta nicht zulässig ist, dass die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Speicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, u.a. von Insidergeschäften, ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat speichern.
Als Drittes hält der Gerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach das Unionsrecht dem entgegensteht, dass ein nationales Gericht die nach nationalem Recht zu treffende Feststellung, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften, mit denen die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation zur allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung der Verkehrs- und Standortdaten verpflichtet werden, wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation ungültig sind, in ihren zeitlichen Wirkungen beschränkt.
Der Gerichtshof stellt jedoch klar, dass die Verwertbarkeit von Beweismitteln, die aufgrund einer solchen Vorratsspeicherung von Daten erlangt wurden, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten dem nationalen Recht unterliegt – vorbehaltlich der Beachtung u. a. der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. Letzterer verpflichtet ein nationales Strafgericht dazu, Informationen und Beweise, die durch eine mit dem Unionsrecht unvereinbare allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung erlangt wurden, auszuschließen, sofern die betreffenden Personen nicht in der Lage sind, sachgerecht zu den Informationen und Beweisen Stellung zu nehmen, die einem Bereich entstammen, in dem das Gericht nicht über Sachkenntnis verfügt, und geeignet sind, die Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen.
Urteil des Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-339/20 | VD und C-397/20 | SR
Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 20.09.2022
Geklagt hatten jeweils Unternehmen, die auf dem Gebiet der Stadt Dortmund Wettbüros betrieben. Die Klägerinnen vermittelten die in den Wettbüros angebotenen Renn- und Sportwetten, eine Klägerin veranstaltete auch selbst Pferdewetten als Buchmacherin.
Die beklagte Stadt Dortmund erhebt seit dem Jahr 2014 eine kommunale Wettbürosteuer als örtliche Aufwandsteuer. Besteuert wird der Aufwand für die Teilnahme an Pferde- und Sportwetten in Wettbüros, bei denen es sich nach der Steuersatzung um Einrichtungen handelt, die wie im Fall der Klägerinnen neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse an Monitoren ermöglichen. Dabei soll die vom Betreiber des Wettbüros geschuldete Steuer auf die Wettkunden abgewälzt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Jahr 2017 zur Wettbürosteuersatzung der Stadt Dortmund entschieden, dass eine Wettbürosteuer jedenfalls nicht nach der Fläche des Wettbüros bemessen werden darf. Daraufhin änderte die Stadt rückwirkend ihre Satzung und legte nunmehr den Brutto-Wetteinsatz als Steuermaßstab fest; der Steuersatz beträgt 3 %.
Die Klagen gegen die auf dieser Grundlage ergangenen Steuerbescheide wiesen die Vorinstanzen ab. Das Oberverwaltungsgericht Münster ließ jedoch jeweils die Revision zur Klärung der Frage zu, ob die Erhebung einer Wettbürosteuer nach der Satzungsänderung wegen Gleichartigkeit zu bundesrechtlich geregelten Steuern im Rennwett- und Lotteriegesetz gesperrt ist. Diese betragen jeweils 5 % des Wetteinsatzes.
Der Senat hat die Revisionsverfahren im Hinblick auf die zu erwartende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Zulässigkeit einer kommunalen Übernachtungssteuer zunächst ausgesetzt.
Auf der Grundlage des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2022 (1 BvR 2868/15 u.a.) ist das Bundesverwaltungsgericht nunmehr zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erhebung einer (zusätzlichen) kommunalen Wettbürosteuer nicht zulässig ist, weil sie den bundesrechtlich im Rennwett-und Lotteriegesetz geregelten Steuern (Rennwetten- und Sportwettensteuer) gleichartig ist. Bei diesen Steuern handelt es sich um spezielle Bundessteuern, die die Erhebung einer örtlichen Aufwandsteuer für denselben Gegenstand ausschließen.bengesetzes).
BVerwG 9 C 2.22 - Urteil vom 20. September 2022
BVerwG 9 C 3.22 - Urteil vom 20. September 2022
BVerwG 9 C 4.22 - Urteil vom 20. September 2022
Quelle: Pressemitteilung des BVerwG v. 21.09.2022
Fußnote:
Die Beklagte, ein Online-Shop, vertrieb Desinfektionsmittel.
Derartige Produkte müssen nach Art. 72 BiozidVO mit einem entsprechendem Hinweis versehen werden. Die Norm lautet:
Der Kläger beanstandete dies als unzureichend und somit als Wettbewerbsverstoß, da auch von den Produktübersichtsseiten eine direkte Bestellung möglich sei.
Das OLG Zweibrücken gab der Klage statt und bejahte eine Wettbewerbsverletzung:
Bei der Produktübersichtsseite der Online-Apotheke der Beklagten handelt es sich um Werbung. Denn es sind dort für einen potentiellen Kaufinteressenten alle notwendigen Angaben für den Kauf der jeweiligen Ware vorhanden: genaue Warenbezeichnung, Packungsgröße und Preis.
Der potentielle Käufer muss nach Aufruf der Übersichtsseite auch nicht weiter auf die Detailseite für einzelne Waren klicken, um seinen Kauf abzuschließen. Eine Veranlassung oder Aufforderung wird ihm dazu nicht gegeben. Der Vergleich mit dem Kunden, der im Ladengeschäft eine Ware aus dem Regal nimmt, greift damit zu kurz. Denn durch die Preisangabe und die Möglichkeit das Produkt sogleich in den „virtuellen“ Warenkorb zu legen, wird die Absatzförderungsabsicht schon der Produktübersichtsseite offenkundig."
Die Kläger hatten für den 1. Mai 2019, wie bereits im Vorjahr, eine Versammlung angemeldet, deren Auftakt- und Abschlussort der Bahnhofsvorplatz „Am Bahnhof Grunewald“ war. Viele Teilnehmende reisten über den S-Bahnhof an. Die Bundespolizei erließ eine Einrichtungsanordnung, auf deren Grundlage Videoüberwachungstechnik u.a. auf Bahnsteigen, Treppenabgängen und im Empfangsbereich – nicht aber auf dem Bahnhofsvorplatz – installiert wurde.
Auf die Kameras wiesen mehrere Schilder in Größe DIN A4 hin. Die Bundespolizei löschte die Videoaufzeichnungen am 15. Mai 2019. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Videoaufzeichnungen gerichtete Klage begründeten die Kläger u.a. damit, dass diese einen ungerechtfertigten Eingriff in die Versammlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellten.
Die Beklagte verweist auf das nach den Erfahrungen des Vorjahres bestehende Bedürfnis, eine Überfüllung des Bahnsteigs und des Personentunnels frühzeitig zu erkennen.
Die 1. Kammer hat die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage der Videoaufzeichnung und -speicherung sei § 27 Satz 1 Nr. 2 Bundespolizeigesetz (BPolG).
Danach könne die Bundespolizei selbsttätige Bildaufnahme- und Bildaufzeichnungsgeräte einsetzen, um Gefahren für Eisenbahnanlagen und für dort befindliche Personen oder Sachen zu erkennen. Das Versammlungsrecht stünde der Anwendbarkeit der Norm nicht entgegen.
Das Polizeirecht diene der Bekämpfung von Gefahren, die ihre Ursache nicht spezifisch in der Versammlung und deren Ablauf hätten. Ziel der Videoaufzeichnung sei nicht die Verfolgung des Anreisegeschehens der Versammlungsteilnehmenden gewesen, sondern die Bekämpfung von Gefahren, die sich aus der räumlich beengten Bahnhofssituation ergäben. Die Versammlungsfreiheit gebiete keine besondere versammlungsrechtliche Regelung für jeden Eingriff unabhängig von seiner Art und seinem Gewicht.
Eine solche sei vielmehr nur bei Eingriffen in den Kernbereich der Versammlungsfreiheit erforderlich. Die formellen und materiellen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage seien erfüllt gewesen, insb. sei die Videoüberwachung erkennbar und die 30-tägige Speicherfrist gewahrt worden. Die Videoüberwachung sei zudem ermessensfehlerfrei – insb. verhältnismäßig – gewesen.
Die Kumulation der engen räumlichen Situation am S-Bahnhof Grunewald und der zu erwartenden Vielzahl von Nutzerinnen und Nutzern des Bahnhofs hätte – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Loveparade in Duisburg im Jahr 2010 – eine Gefahr im Sinne der Rechtsgrundlage begründet.
Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gestellt werden.
Urteil der 1. Kammer vom 22. August 2022 (VG 1 K 405/20)
Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin v. 13,09.2022
Die Beklagte warb online mit der Erklärung:
Dieser Ansicht ist das LG Darmstadt nicht gefolgt und hat die Klage hinsichtlich dieses Punktes abgewiesen.
Dabei lässt die von der Beklagten gewählte Formulierung nicht einmal den sicheren Schluss zu, dass sämtliche von ihr vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel „laborgeprüft" sind, so dass aus der Unternehmensbeschreibung nicht verlässlich auf die Eigenschaft des beworbenen Produkts geschlossen werden kann. Im konkreten Fall erscheint es mithin ausgeschlossen, dass ein Durchschnittsverbraucher davon ausgeht, dass das Produkt „Glucomannan 500 mg 90 Kapseln zum Abnehmen Made in Germany" (Artikelnummer: 274793954190) von einem neutralen Dritten mit entsprechender Kompetenz nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien geprüft wurde (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Urt. v. 21.7.2016 - I ZR 26/15)."
Eine Marketplace-Verkäuferin wurde vom Rechteinhaber eines Bildes auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Bild war in der Warenbeschreibung auf Amazon benutzt worden.
Die verklagte Anbieterin verteidigte sich damit, dass sie sich lediglich an das Amazon- Angebot "angehängt" habe und auch keinerlei Änderungsmöglichkeiten besitze. Zudem habe sie nach Erhalt der Abmahnung bei Amazon die Löschung des Bildes versucht, was jedoch erfolglos blieb.
Das LG Köln bejahte die Haftung der Beklagten als Täterin für die Urheberrechtsverletzung:
Die Passivlegitimation als Täterin folgt daraus, dass die Beklagte auf einer Internethandelsplattform in ihrem Namen ein bebildertes Verkaufsangebot veröffentlichen lässt, obwohl sie dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrscht, weil dem Plattformbetreiber die Auswahl und Änderung der Bilder vorbehalten ist.
Die Kammer hält die Erwägungen des BGH in den verwandten Rechtsgebieten für auf die urheberrechtliche Situation übertragbar; im Rahmen der hier maßgeblichen Grundsätze der deliktsrechtlichen Haftung ist von einem Gleichlauf auch im Urheberrecht auszugehen. Insbesondere die Gefahr, dass der Plattformbetreiber bei einem Angebot unter dessen alleiniger Entscheidungshoheit Lichtbilder ohne ausreichende Berechtigung verwendet, ist für die Beklagte als sich an das durch den Plattformbetreiber gestaltete Angebot „anhängender“ Händler nicht allgemein unvorhersehbar. Der Beklagten als Händlerin ist diese Gefahr demnach zuzurechnen, sie ist adäquat kausale Folge der Angebotserstellung unter den Bedingungen des B Markplatzes.
Hinzu kommt, dass die Kammer in vergleichbaren Fallkonstellationen auch bereits vor der oben zitierten Rechtsprechung des BGH von einer Täterschaft der „sich anhängenden“ Verkäufer ausgegangen ist (vgl. Urteil der Kammer vom 16.06.2016, Az. 14 O 355/14, BeckRS 2016, 20192).
Für eine Abkehr von dieser Rechtsprechung besteht nach der diese Linie bestätigenden Rechtsprechung des BGH in den verwandten Rechtsgebieten kein Anlass. Demnach gilt weiterhin, dass ein Anbieter, welcher seine Produkte auf der Verkaufsplattform B eingepflegt hat, sich die dortigen Angaben für das von ihm als Verkäufer angebotene und beworbene Produkt zu eigen macht. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte selbst nicht die streitgegenständlichen Lichtbilder in ihre Angebote eingeblendet hat, sondern die Zuordnung der Lichtbilder zu dem Angebot von Seiten des Unternehmens B erfolgt und die Beklagte auf die Auswahl der Lichtbilder keinen Einfluss hat."
Die Beklagte hat das Produkt, für welche die streitgegenständlichen Lichtbilder geworben haben, auch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung den Nutzern der Internetplattform zum Verkauf angeboten und nach eigener Auskunft einmal verkauft. Damit hat die Beklagte zugleich den Eindruck vermittelt, sie übernehme die Verantwortung für das konkrete Angebot. Dies gilt auch für die Lichtbilder, mit welchen das Angebot versehen ist, da der Nutzer davon ausgeht, dass diese den Zustand des angebotenen Produktes zutreffend wiedergeben.
Wer aber eigene Angebote abgibt, ist für diese auch dann verantwortlich, wenn er sie von Dritten herstellen lässt und ihren Inhalt nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht (...). Aus diesem Grunde sind auch die Einwendungen der Beklagten zu ihrem vollautomatisierten Geschäftsmodell, bei dem keine Prüfung der einzelnen Angebote bei B stattfinde, unerheblich.
Das Risiko von Urheberrechtsverletzungen haftet einem solchen Geschäftsmodell der Beklagten an, zumal die Problematik von Urheberrechtsverletzungen auf Verkaufsplattformen einem Händler mit den Umsätzen der Beklagten generell bekannt sein muss und sie trotzdem ihr Geschäftsmodell ohne hinreichende Prüfung beibehält."
Die Kammer kann auch offenlassen, ob die Beklagte Amazon hinreichend auf die Problematik hingewiesen hat und ob Amazon zu Unrecht eine Löschung der Lichtbilder abgelehnt hat. Denn die Beklagte hat unstreitig bereits vor Kontaktaufnahme zu Amazon das konkret angegriffene Angebot bei Amazon eingestellt und einen Verkauf getätigt, sodass hier bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Anknüpfungspunkte der Haftung erfüllt waren.
Das von der Beklagten vorgetragene und von der Klägerin zutreffend als „Nachtatverhalten“ bezeichnete Vorgehen kann damit die bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht beseitigen oder neutralisieren. Dieses Verhalten kann allenfalls in einer im Rahmen einer Zwangsvollstreckung durchzuführenden Prüfung, ob dem Unterlassungsgebot nachgekommen worden ist, maßgeblich werden (vgl. etwa BGH, GRUR 2018, 1183 – Wirbel um Bauschutt, u.a. zur Einwirkung auf Google wegen Löschung aus dem Cache nach erfolgter Rechtsverletzung)."
Das LG Köln nimmt in seiner aktuellen Entscheidung ausdrücklich Bezug auf dieses Urteil und lehnt es als falsch ab, da die BGH-Rechtsprechung anders sei:
Die Beklagte hatte die streitgegenständliche Grafik auf ihren Waren (Kartons und Tragetaschen für die Gastronomie) verwendet. Dagegen ging die Klägerin vor, weil sie sich in ihren Urheberrechten verletzt sah.
Bei der Darstellung handelte es sich um ein dreieckiges, stilisiertes Pizzastück, das in der oberen Ecke angebissen war.
Das LG Köln sah hier die urheberrechtliche Schöpfungshöhe und den Werkcharakter als gegeben an:
Daher kommt auch dieser Gestaltung jedenfalls noch ein Mindestmaß schöpferischer Individualität nach der „kleinen Münze“ zu.
Der Zeuge X hat zur Entstehung des Logos in nachvollziehbarer Weise ausgeführt, dass er bewusst von der regelmäßigen Gestaltung von Speisen abweichen wollte, die Gerichte lediglich „aufführen“. Anknüpfend an den Slogan (...) sollte vielmehr an (...) angeknüpft werden. Die streitgegenständliche Graphik sei so zu interpretieren, dass an der äußeren Ecke bereits abgebissen worden sei, was zeige, dass eine Person „schon dagewesen“ sei, die schneller als die anderen sei.
Der Gestaltung liege die Idee zugrunde, dass diese Person schon schneller in die Pizza gebissen habe, da man ein Pizzastück für gewöhnlich ja am abgerundeten Ende in die Hand nehme und unten an der Spitze abbeiße. Danach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich in der streitgegenständlichen Graphik eines stilisierten Pizzastücks ein schöpferisches Konzept manifestiert, dass deutlich über die bloß naturalistisch-vereinfachte Darstellung eines herkömmlichen Pizzastücks hinausgeht."
Nach Kenntnis des Zeugen existierte ein Logo mit einem solchen Bißabdruck am Markt sonst nicht, und dies sei auch nach wie vor nicht der Fall. Der Zeuge X hat sich demnach bei der Gestaltung der grafischen Abbildung des Pizzastücks nicht an vorgegebenen, hergebrachten Regeln bei der Gestaltung von Speisekarten und Logos aus dem kulinarischen Bereich orientiert, sondern eine eigene Bildsprache entwickelt und bestehende Gestaltungsspielräume insbesondere dadurch genutzt, dass der Biß am Pizzastück kontraintuitiv nicht an der Spitze, sondern am Randstück erfolgt.
Der Vortrag der Beklagtenseite, dass gar keine andere Möglichkeit bestehe respektive es jedenfalls naheliegend sei, ein stilisiertes Pizzastück als „Tortenstück“ in den symbolischen Farbgebungen Gelb für den Teig/Rand und Rot für den Tomatenbelag darzustellen, ist damit nach Auffassung der Kammer widerlegt. Vielmehr hebt sich die hier streitgegenständliche Graphik in origineller Weise von am Markt vorhandenen anderen stilisierten Darstellungen des Produkts „Pizza“ ab."
Die Klägerin, eine Firma aus dem Raum Trier-Saarburg, vertreibt u. a. ein CBD-haltiges Pulver, das an Hunde verfüttert wird sowie eine – zur Anwendung beim Menschen bestimmte - CBD-haltige Hautcreme.
Beide Produkte sind nicht als Arzneimittel zugelassen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass es sich bei diesen Produkten um ein Ergänzungsfuttermittel bzw. um einen Kosmetikartikel handele, die in ihrem Internetauftritt jeweils auch als solche beworben würden.
Aus Sicht des beklagten Landes werden beide Produkte hingegen so präsentiert, dass beim Verbraucher der Eindruck entstehen kann, den Produkten komme eine heilende Wirkung zu. Deshalb ist der Beklagte der Auffassung, es handele sich um sog. Präsentationsarzneimittel, also Mittel, die als Arzneimittel dargestellt bzw. präsentiert werden.
Weil dies nach Auffassung des Beklagten rechtlich unzulässig ist, hat er den Vertrieb der beiden Produkte untersagt. Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Trier Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ausführt, ihre Produkte seien nicht dazu ausgelobt, anstelle eines Medikaments für krankheitsbedingte Beschwerden verwendet zu werden.
Der Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, die Klägerin präsentiere die beiden Produkte als Arzneimittel, weil sie jeweils die therapeutische Wirkung von CBD zur Heilung oder Linderung von (Gelenk-)Krankheiten des Hundes bzw. von Hautkrankheiten beim Menschen herausstelle.
Dieser Sichtweise haben sich die Richter der 6. Kammer angeschlossen und die Klage abgewiesen. Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung sei anhand der einschlägigen Vorschriften des Tierarzneimittelgesetzes bzw. hinsichtlich der Hautcreme anhand der Vorschriften des Arzneimittelgesetzes zu überprüfen.
Danach stellten sich beide Präparate als Arzneimittel in Form der sog. Präsentationsarzneimittel dar. Um den Verbraucher nicht nur vor schädlichen Heilmitteln zu schützen, sondern auch davor, dass anstelle eines geeigneten Heilmittels ein ungeeignetes Präparat gewählt wird, sei der Begriff des Präsentationsarzneimittels weit auszulegen, um sicherzustellen, dass der Arzneimittelbegriff nicht nur Erzeugnisse umfasse, die tatsächlich eine therapeutische Wirkung haben, sondern auch solche, die bei einem durchschnittlich informierten Verbrauchern den Eindruck entstehen lassen, dass das betreffende Produkt in Anbetracht seiner Aufmachung zur Heilung, Linderung oder Vorbeugung von Krankheiten geeignet sei.
Ob dem so sei, sei anhand einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung zu bestimmen. Danach handele sich bei beiden streitgegenständlichen Produkten um sog. Präsentationsarzneimittel.
Beim Verbraucher werde der Eindruck erweckt, der enthaltene Wirkstoff CBD diene der Heilung und Linderung von (Gelenk-)Krankheiten beim Hund bzw. von Hautkrankheiten beim Menschen. Der Durchschnittsverbraucher gewinne den Eindruck, das jeweilige Präparat selbst stelle eine mögliche Therapiemaßnahme dar. Mithin seien die Produkte nicht als Futtermittel bzw. Kosmetikprodukt zu qualifizieren.
Da es sich bei den Produkten mithin um ein Tierarzneimittel bzw. um ein Arzneimittel handele, habe der Beklagte deren Inverkehrbringen untersagen dürfen, weil ihnen die arzneimittelrechtlich erforderliche Zulassung fehle.
Gegen die Entscheidung können die Beteiligten innerhalb eines Monats die Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragen.
VG Trier, Urteil vom 1. August 2022 – 6 K 581/22.TR –
Quelle: Pressemitteilung des VG Trier
Es ging um die Nutzung von Grundbuchdaten durch ein Bauträgerunternehmen und einen Vermessungsingenieur. Es wurden Grundstückseigentümer angeschrieben und entsprechende Kaufangebote unterbreitet.
Aus der Pressemitteilung:
Die Bußgeldstelle beim Landesbeauftragten ermittelte anschließend, dass ein Vermessungsingenieur von seiner Befugnis zur Einsichtnahme in das elektronische Grundbuch im automatisierten Abrufverfahren Gebrauch gemacht und in zwei Fällen mehrere Hundert Grundstückseigentümer ohne deren Kenntnis identifiziert und die entsprechenden Informationen an einen Bauträger weitergegeben hatte. Dieser wiederum schrieb die so ermittelten Eigentümer mit einem Kaufpreisangebot für deren Grundstücke an, ohne die notwendigen Informationen nach Art. 14 DS-GVO zu erteilen, insbesondere ohne über die Herkunft der Daten zu informieren."
Diese gesetzliche Pflicht dient aber nicht der werblichen Ansprache, sondern der Rechtssicherheit bei Grundstücksgeschäften. Dementsprechend ist für das grundbuchrechtliche Einsichtsrecht auch allgemein anerkannt, dass ein alleiniges Erwerbsinteresse nicht zur Einsichtnahme berechtigt, es vielmehr bereits der konkreten Vertragsverhandlungen bedarf.
Zudem lag auch ein Verstoß gegen Art. 14 DS-GVO vor, indem den Eigentümern – auch bei Kontaktaufnahme – keine Informationen zur Datenverarbeitung zur Verfügung gestellt wurden. Diese Informationen sind aber wesentliche Voraussetzung für betroffene Personen, um ihre Betroffenenrechte nach den Art. 15 ff. DS-GVO geltend machen zu können.
Ein Ausschlussgrund war vorliegend auch nicht gegeben, insbesondere stellt § 12 GBO keine Rechtsvorschrift im Sinne des Art. 14 Abs. 5 Buchst. c DS-GVO dar, da sich für betroffene Personen bei Einsichtnahme durch Dritte aus § 12 GBO weder die datenerhebende Stelle noch Umfang, Zweck oder Dauer der Datenerhebung ersichtlich sind."
Grund der Beanstandung ist ein bestehender Interessenkonflikt beim betrieblichen Datenschutzbeauftragten.
Nach Auffassung der Behörde hatte die Firma einen Datenschutzbeauftragten benannt, die er selbst in anderer Funktion getroffen hatte. Damit sei die notwendige unabhängige Kontrolle, die das Gesetz vorschreibe, nicht mehr gewährleistet.
Aus der Pressemitteilung:
So ein Interessenkonflikt lag nach Auffassung der BlnBDI im Falle eines Datenschutzbeauftragten einer Tochtergesellschaft eines Berliner E-Commerce-Konzerns vor. Die Person war gleichzeitig Geschäftsführer von zwei Dienstleistungsgesellschaften, die im Auftrag genau jenes Unternehmens personenbezogene Daten verarbeiteten, für das er als Datenschutzbeauftragter tätig war. Diese Dienstleistungsgesellschaften sind ebenfalls Teil des Konzerns; stellen den Kund:innenservice und führen Bestellungen aus.
Der Datenschutzbeauftragte musste somit die Einhaltung des Datenschutzrechts durch die im Rahmen der Auftragsverarbeitung tätigen Dienstleistungsgesellschaften überwachen, die von ihm selbst als Geschäftsführer geleitet wurden. Die BlnBDI sah in diesem Fall einen Interessenkonflikt und damit einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung.
Die Aufsichtsbehörde erteilte daher im Jahr 2021 zunächst eine Verwarnung gegen das Unternehmen. Nachdem eine erneute Überprüfung in diesem Jahr ergab, dass der Verstoß trotz der Verwarnung weiterbestand, verhängte die BlnBDI das Bußgeld, das noch nicht rechtskräftig ist."
Berücksichtigung fand auch die vorsätzliche Weiterbenennung des Datenschutzbeauftragten über fast ein Jahr trotz der bereits erteilten Verwarnung. Als bußgeldmindernd wurde u. a. eingestuft, dass das Unternehmen umfangreich mit der BlnBDI zusammengearbeitet und den Verstoß während des laufenden Bußgeldverfahrens abgestellt hat."
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Newsletter
vom 28.09.2022
Betreff:
Rechts-Newsletter 30. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr
1. EuGH: Anlasslose Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich unzulässig
2. BVerwG: Gemeinden dürfen keine Wettbürosteuer erheben
3. OLG Zweibrücken: Wettbewerbswidrige Bewerbung von Biozid-Produkten in einem Online-Shop
4. VG Berlin: Videoüberwachung des S-Bahnhofs Grunewald erlaubt
5. LG Darmstadt: Werbeaussage "laborgeprüft" ohne weitere Informationen ausnahmsweise zulässig
6. LG Köln: Marketplace-Verkäufer haftet für Urheberrechtsverletzung fremder Amazon-Angebote
7. LG Köln: Auch grafisch stilisiertes angebissenes Pizzastück kann urheberrechtlich geschützt sein
8. VG Trier: Untersagung des Inverkehrbringens CBD-haltiger Präsentationsarzneimittel
9. Datenschutzbeauftragter Baden-Württemberg: DSGVO-Bußgeld iHv. 55.000,- EUR wg. missbräuchlicher Verwendung von Grundbuchdaten
10. Berliner Datenschutzbeauftragte: 525.000,- EUR DSGVO-Bußgeld für E-Commerce-Konzern wegen Interessenkonflikt beim betrieblichen Datenschutzbeauftragten
Die einzelnen News:
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1. EuGH: Anlasslose Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich unzulässig
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Es ist nicht zulässig, dass die Anbieter von Diensten der elektronischen Kommunikation die Verkehrsdaten ab dem Zeitpunkt der Speicherung zur Bekämpfung von Straftaten des Marktmissbrauchs, u. a. von Insidergeschäften, präventiv ein Jahr lang allgemein und unterschiedslos auf Vorrat speichern
Ein nationales Gericht kann die Feststellung, dass innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine solche Vorratsspeicherung der Verkehrsdaten vorsehen, ungültig sind, nicht in ihren zeitlichen Wirkungen beschränken
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2. BVerwG: Gemeinden dürfen keine Wettbürosteuer erheben
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Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in drei Verfahren entschieden, dass die Erhebung einer kommunalen Wettbürosteuer unzulässig ist.
Vorinstanzen:
OVG Münster, OVG 14 A 2275/19 - Urteil vom 27. August 2020 -
VG Gelsenkirchen, VG 2 K 5702/18 - Urteil vom 24. Mai 2019 -
Vorinstanzen:
OVG Münster, OVG 14 A 218/19 - Urteil vom 27. August 2020 -
VG Gelsenkirchen, VG 2 K 2424/18 - Urteil vom 07. Dezember 2018 -
Vorinstanzen:
OVG Münster, OVG 14 A 2474/19 - Urteil vom 27. August 2020 -
VG Gelsenkirchen, VG 2 K 1597/19 - Urteil vom 24. Mai 2019 -
Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG: Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind.
Hinweis zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen
In Nordrhein-Westfalen wurde die o.g. Befugnis auf die Gemeinden übertragen (vgl. § 3 des Kommunalabgabengesetzes).
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3. OLG Zweibrücken: Wettbewerbswidrige Bewerbung von Biozid-Produkten in einem Online-Shop
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Ein Online-Shop muss auf die nach Art. 72 BiozidVO vorgeschriebenen Informations-Hinweise spätestens auf der Seite präsentieren, von der aus das Produkt in den virtuellen Warenkorb gelegt werden kann. Ist eine direkte Bestellung bereits von der Produktübersichtsseite möglich, so müssen bereits an dieser Stelle die Informationen erfolgen.(OLG Zweibrücken, Urt. v. 31.03.2022 - Az.: 4 U 201/21).
"Artikel 72 Werbung
(1) Jeder Werbung für Biozidprodukte ist zusätzlich zur Einhaltung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 folgender Hinweis hinzuzufügen: „Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen.“ Diese Sätze müssen sich von der eigentlichen Werbung deutlich abheben und gut lesbar sein.
(2) In der Werbung darf das Wort „Biozidprodukte“ in den vorgeschriebenen Sätzen durch den eindeutigen Verweis auf die beworbene Produktart ersetzt werden.
(3) In der Werbung für Biozidprodukte darf das Produkt nicht in einer Art und Weise dargestellt werden, die hinsichtlich der Risiken des Produkts für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder seiner Wirksamkeit irreführend ist. Die Werbung für ein Biozidprodukt darf auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich“ oder ähnliche Hinweise enthalten."
Die Hinweise erfolgten ordnungsgemäß auf den einzelnen Produktseiten. Auf den Produktübersichtsseiten hingegen war die Information noch nicht zu sehen.
"Entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichts stellt sich die Warenpräsentation auf der Produktübersichtsseite der Beklagten als Werbung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 y) Biozid-VO dar. Danach bezeichnet der Ausdruck „Werbung“ für die Zwecke dieser Verordnung ein Mittel zur Förderung des Verkaufs oder der Verwendung von Biozid-Produkten durch gedruckte, elektronische oder andere Medien. Unter den Begriff „Werbung“ sind sonach sämtliche Formen der Online-Veröffentlichung von Biozid-Produkten einzuordnen, wenn durch die Darstellung deren Absatz gefördert werden soll.
Das OLG stellte somit entscheidend darauf ab, dass bereits von der Übersichtsseite ein Kauf möglich war, ohne die einzelne Produktunterseite aufzusuchen. Damit der Käufer die gesetzlichen Informationen erhalte, sei es daher notwendig, diese auch bereits im Rahmen der Übersicht darzustellen.
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4. VG Berlin: Videoüberwachung des S-Bahnhofs Grunewald erlaubt
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Die Videoüberwachung des S-Bahnhofs Grunewald am 1. Mai 2019 durch die Bundespolizei war rechtmäßig. Dies hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden.
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5. LG Darmstadt: Werbeaussage "laborgeprüft" ohne weitere Informationen ausnahmsweise zulässig
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Wirbt ein Unternehmen mit der Aussage "laborgeprüft" ohne weitere Informationen zu geben, ist dies ausnahmsweise dann zulässig, wenn sich dies nicht auf ein bestimmtes Produkt, sondern auf das Unternehmen an sich bezieht (LG Darmstadt, Urt. v. 12.09.2022 - Az.: 18 O 11/22).
"Als (...) bieten wir Dir in Deutschland hergestellte und laborgeprüfte Nahrungsergänzungsmittel und dabei setzen wir nicht nur auf das Bedürfnis nach zusatzstofffreien Nahrungsergänzungsmittel."
Dies stufte die Klägerin als wettbewerbswidrig ein. Denn ohne weitere Kriterien, wer und nach welchen Maßstäben kontrolliert worden sei, würden dem Verbraucher wesentliche Informationen vorenthalten. Dabei handle es sich um einen Wettbewerbsverstoß.
"Der Begriff „laborgeprüft" beschreibt in dem in Rede stehenden Kontext einzig und allein das Unternehmen (...)" und nicht das beworbene Produkt.
Entscheidend war also, dass die Werbeaussage sich auf das Unternehmen an sich bezog und nicht auf ein spezifisches, einzelnes Produkt.
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6. LG Köln: Marketplace-Verkäufer haftet für Urheberrechtsverletzung fremder Amazon-Angebote
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Ein Marketplace-Verkäufer haftet für die Urheberrechtsverletzungen fremder Amazon-Angebote als Täter. Es ist unerheblich, ob er einen direkten Änderungseinfluss auf die Inhalte hat (LG Köln, Urt. v. 22.08.2022 - Az.: 14 O 327/21).
"Die Beklagte haftet für diese öffentliche Zugänglichmachung auch als Täterin. Nach der Rechtsprechung der Kammer in den Fällen des sog. „Anhängens an Amazon Angebote“ ist grundsätzlich unter Rückgriff auf des Rechtsprechung des BGH in den verwandten Rechtsgebieten des UWG und des Markenrechts (siehe BGH, GRUR 2016, 961 – Herstellerpreisempfehlung; BGH, GRUR 2016, 936 – Angebotsmanipulation bei Amazon) von einer Täterschaft der „sich anhängenden“ Verkäufer auszugehen.
Daran ändere auch nichts der Umstand, dass die Beklagte in tatsächlicher Hinsicht keine Änderungsmöglichkeiten besitze:
"Die Täterschaft der Beklagten ist auch deshalb anzunehmen, weil sie die Herrschaft über die eigene Urheberrechtsverletzung hat. Der Tatbeitrag der Beklagten zu der streitgegenständlichen Rechtsverletzung der öffentlichen Zugänglichmachung der Lichtbilder der Klägerin, liegt in der Einstellung des Verkaufsangebotes unter der bereits vorhandenen „ASIN“ und der dazugehörigen Artikelseite bei B. Die Beklagte war damit nicht nur unselbstständige Hilfsperson, da sie eigene Entscheidungsbefugnis und Herrschaft über die Rechtsverletzung hatte (...). Sie hat es jederzeit in der Hand eine eigene Urheberrechtsverletzung zu beenden bzw. gar nicht erst zu beginnen.
Auch der Umstand, dass die Beklagte nach Erhalt der Abmahnung die Löschung versucht habe, ändere nichts an der Haftung, so die Richter:
"Einer Haftung der Beklagten steht auch nicht der von ihr vorgetragene Versuch entgegen, bei Amazon eine Löschung der zwei streitgegenständlichen Lichtbilder zu erreichen. Dabei kann die Kammer diesen durch aktenkundige E-Mail Korrespondenz vorgetragenen Versuch, der von Klägerseite unqualifiziert bestritten worden ist, unterstellen.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Anderer Ansicht ist das OLG München, das in diesen Fällen keine Haftung des Marketplace-Verkäufers bejaht, vgl. unsere Kanzlei-News v. 27.06.2016.
"Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des OLG München (Urt. v. 10.3.2016 – 29 U 4077/15, GRUR-RR 2016, 316) stützt, so ist die Kammer der Ansicht, dass diese Rechtsprechung im Widerspruch zu den oben genannten Fundstellen des BGH steht. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des OLG München nicht an, insbesondere nicht soweit dort ein vom Wettbewerbsrecht abweichendes Modell der Bewertung der Täterhaftung angenommen wird."
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7. LG Köln: Auch grafisch stilisiertes angebissenes Pizzastück kann urheberrechtlich geschützt sein
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Auch ein grafisch stilisiertes angebissenes Pizzastück kann urheberrechtlichen Schutz genießen, so das LG Köln in einer aktuellen Entscheidung (LG Köln, Urt. v. 09.06.2022 - Az.: 14 O 283/20).
"Es handelt sich nicht um eine rein naturalistische Darstellung eines Pizzastücks, sondern dieses wird durch Form- und Farbgebung auf das wesentliche reduziert und bleibt gleichwohl erkennbar. Dem Gestalter steht bei der Wiedergabe eines stilisierten Pizzastücks eine sehr breite Auswahl verschiedener ästhetischer Möglichkeiten zur Verfügung. Ein ähnlich der geometrisch reduzierten Form der hier streitgegenständlichen Abbildung gestaltetes Logo findet sich im Wettbewerbsumfeld – wie auch die Beklagtenseite zugesteht – nicht.
Und weiter:
"Der Zeuge x hat damit ein Zeichen geschaffen, das seiner Zielrichtung entsprechend, unterscheidungskräftig im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG ist, aber gleichzeitig einen den Gebrauchszweck überschießenden künstlerischen Anspruch aufweist.
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8. VG Trier: Untersagung des Inverkehrbringens CBD-haltiger Präsentationsarzneimittel
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Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Trier hat die gegen eine Untersagungsverfügung zum Inverkehrbringen CBD-haltiger Präsentationsarzneimittel gerichtete Klage abgewiesen.
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9. Datenschutzbeauftragter Baden-Württemberg: DSGVO-Bußgeld iHv. 55.000,- EUR wg. missbräuchlicher Verwendung von Grundbuchdaten
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Der Datenschutzbeauftragte Baden-Württemberg hat wegen missbräuchlicher Verwendung von Grundbuchdaten ein DSGVO-Bußgeld iHv. 55.000,- EUR verhängt, wie die Behörde in einer aktuellen Pressemitteilung verkündet.
"Ein Grundstückseigentümer in einem Neubaugebiet hatte ein Schreiben eines Bauträgers erhalten, in dem ihm ein Kaufpreisangebot für sein Grundstück unterbreitet wurde. Eine Information über die Herkunft seiner Daten enthielt das Schreiben nicht, auch auf Nachfrage wurde dem Adressaten nicht mitgeteilt, woher der Bauträger dessen Daten hatte, insbesondere die Kenntnis von dessen Eigentümerstellung.
Rechtlich bewertet das Amt das Handeln als rechtswidrig:
"Dieses Vorgehen stellt einerseits einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 DS-GVO dar. So ist bei der Interessenabwägung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zu berücksichtigen, dass zwischen den Grundstückseigentümern und dem Bauträger keine vorherige Geschäftsbeziehung bestand und die Eigentümer nicht davon ausgehen mussten, dass ihre Daten im Grundbuch für werbliche Ansprachen zur Verfügung stehen. Hierbei kommt besondere Bedeutung der Tatsache zu, dass Grundstückseigentümer weder der Eintragung im Grundbuch noch der Datenübermittlung widersprechen können, vielmehr werden ihre Daten auf Grund einer gesetzlichen Pflicht erhoben.
Gegen das Bauträgerunternehmen wurde ein DSGVO-Bußgeld iHv. 50.000,- EUR, gegen den Ingenieur ein Bußgeld iHv. 5.000,- EUR verhängt. Beide haben die Strafe akzeptiert, sodass die Bescheide rechtskräftig sind.
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10. Berliner Datenschutzbeauftragte: 525.000,- EUR DSGVO-Bußgeld für E-Commerce-Konzern wegen Interessenkonflikt beim betrieblichen Datenschutzbeauftragten
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Wie die Berliner Datenschutzbeauftragte in einer aktuellen Pressemitteilung erklärt, hat sie gegen einen Berliner E-Commerce-Konzern ein DSGVO-Bußgeld iHv. 525.000,- EUR.
"Die Aufgabe darf demnach nicht von Personen wahrgenommen werden, die sich dadurch selbst überwachen würden.
Hinsichtlich der Höhe des Bußgeldes äußert sich die Behörde wie folgt:
"Bei der Bußgeldzumessung berücksichtigte die BlnBDI den dreistelligen Millionenumsatz des E- Commerce-Konzerns im vorangegangen Geschäftsjahr und die bedeutende Rolle des Datenschutzbeauftragten als Ansprechpartner für die hohe Zahl an Beschäftigten und Kund:innen.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
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