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Newsletter vom 28.11.2012 |
Betreff: Rechts-Newsletter 48. KW / 2012: Kanzlei Dr. Bahr |
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Die einzelnen News: |
____________________________________________________________ 1. BFH: Keine Verfassungszweifel an der Gewerbesteuer _____________________________________________________________ Die Hinzurechnungsvorschriften des Gewerbesteuergesetzes (§ 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e und f GewStG) sind voraussichtlich nicht verfassungswidrig. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 16. Oktober 2012 I B 128/12 entschieden. Die Entscheidung erging in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund „summarischer Prüfung“; der BFH hat danach keine "ernstlichen Zweifel", dass die Vorschrift verfassungsgemäß ist. Damit widerspricht der BFH einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Hamburg, das von der Verfassungswidrigkeit der Hinzurechnungsvorschriften überzeugt ist und deswegen durch einen vielbeachteten Beschluss vom 29. Februar 2012 1 K 138/10 das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Durchführung einer Normenkontrolle angerufen hat. Die Gewerbesteuer ist als sog. Realsteuer eine finanzverfassungsrechtlich garantierte kommunale Steuer. Grundlage dieser Steuer ist wie bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer zunächst der Gewinn des Gewerbebetriebs. Um den Kommunen einerseits einen Ausgleich für die durch den Betrieb verursachten Lasten zu schaffen und ihnen andererseits ein möglichst verstetigtes Steueraufkommen zu sichern, wird dieser Gewinn dann aber durch Hinzurechnungen und Kürzungen modifiziert. Besteuerungsgegenstand soll auf diese Weise der Gewerbebetrieb als „Objekt“ sein. Der Objektsteuercharakter ist in den letzten Jahrzehnten allerdings durch vielfache Gesetzesänderungen zurückgedrängt worden, um die Belastung der Unternehmen mit Substanzsteuerelementen zu vermindern. Das BVerfG spricht deshalb in ständiger Spruchpraxis von einer „ertragsorientierten Objektsteuer“, die aber nach wie vor den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge. Diese Einschätzung des BVerfG hat das FG Hamburg durch sein Normenkontrollersuchen in Zweifel gezogen. Grund dafür gaben ihm die umgestalteten, seit 2008 anzuwendenden Hinzurechnungsvorschriften in § 8 Nr. 1 Buchst. a, d und e GewStG. Danach ist dem Gewinn des Gewerbebetriebs ein Viertel der Schuldentgelte, ein Fünftel der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung beweglicher Wirtschaftsgüter sowie die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter hinzuzurechnen, wenn sie zuvor als Betriebsausgaben abgezogen worden sind. Gleiches gilt nach § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG für ein Viertel der Aufwendungen für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten. Das FG Hamburg erkennt in diesen Hinzurechnungsvorschriften insbesondere einen Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Der BFH teilt diese Überzeugung angesichts der ständigen Spruchpraxis des BVerfG nicht. Er geht vielmehr davon aus, dass das Normenkontrollersuchen „offensichtlich“ erfolglos bleiben wird. Die einschlägigen Steuerbescheide der Finanzämter sind deshalb uneingeschränkt vollziehbar. Vorläufigen Rechtsschutz gewährt der BFH nicht. Die Entscheidung des BVerfG wird durch den Beschluss des BFH allerdings nicht vorweggenommen. Der Streitfall betraf eine GmbH, die ein Hotel betreibt und daraus Verluste erwirtschaftete. Sie wandte Schuldentgelte in Höhe von rd. 50.000 €, Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter in Höhe von rd. 9,4 Mio. € und für unbewegliche Wirtschaftsgüter in Höhe von rd. 56 Mio. € sowie Lizenzgebühren in Höhe von rd. 87.000 € auf. Diese Aufwendungen führten bei der Ermittlung des Gewerbeertrages zu Hinzurechnungen zum Gewinn in Höhe von insgesamt 9,6 Mio. € und zu einem Gewerbesteuermessbetrag von rd. 62.000 €. Beschluss vom 16.10.12 I B 128/12
Quelle: Pressemitteilung des BFH v. 21.12.2012
Der verklagte Unternehmer betrieb ein Hotel mit Namen "Parkhotel". Die Einrichtung befand sich an einer stark befahrenen Durchgangsstraße ohne angrenzende Grünfläche. Ein Mitbewerber sah durch den Namen eine unzulässige Irreführung, denn der Verbraucher erwarte, dass sich ein Park in der Nähe des Hotels befinden würde. Die Karlsruhe Richter folgten dieser Ansicht und bejahten eine Irreführung. Durch die Bezeichnung "Parkhotel" werde der Eindruck erweckt, das Hotel befinde sich in der Nähe eines Parks oder einer parkähnlichen Anlage. Dies sei gerade nicht der Fall.
Es liege vielmehr an einer breiten Durchgangsstraße, in einem gemischt genutzten Gebiet, das von mehrstöckigen Wohnhäusern, Gewerbebetrieben und universitären Einrichtungen geprägt werde.
Der Beklagte zeigte Inhalte einer Amazon-Seite in Form von Frames an. Er gab dabei den Text "In Partnerschaft mit amazon.de" an und erhielt für jeden Kunden eine Provision. Auf der Webseite von Amazon wurde nun unerlaubt ein Bild verwendet. Die Kölner Richter entschieden, dass der Beklagte weder als Täter noch als Teilnehmer hafte. Durch das Framing mache er sich die fremden Inhalte nicht zu eigen. Vielmehr "verweise" er nur auf die fremde Webseite von Amazon.
Offen konnte das Gericht hingegen lassen, ob der Beklagte als Mitstörer haftet. Denn auch wenn viele Argumente für eine Verantwortlichkeit des Beklagten sprächen, bräuchte dies im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, da der Kläger diesen Anspruchsteil nicht prozessual vorgetragen habe. Daher sei er vom Gericht nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin leidet an einer nach den Methoden der Schulmedizin nicht heilbaren Krebserkrankung. Sie wandte sich deshalb an die Beklagte, die auf einer Internetseite gemeinsam mit ihrem Ehemann für Reisen in ein Camp im peruanischen Regenwald warben, in welchem sich der Ehemann der Beklagten und sein Vater als Schamanen betätigten. Die Klägerin führte Gespräche mit der Beklagten und entschied sich schließlich, eine schamanische Heilbehandlung mit Pflanzen und Säften durch den Schwiegervater der Beklagten vornehmen zu lassen. Die Klägerin meldete sich und ihren Ehemann, der sie begleitete, zu einer 5-wöchigen Perureise zum Preis von 4.420,- Euro pro Person an. Zusätzlich wandte sie 4.028,- Euro für die Flüge nach Lima auf. Die Klägerin reiste in das Camp, brach die Reise jedoch im Hinblick auf die Verhältnisse vor Ort frühzeitig ab. Der erhoffte Behandlungserfolg blieb aus. Das Oberlandesgericht Köln hat - ebenso wie bereits das Landgericht Köln - die Ansprüche der Klägerin zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ausführlich über die im Vorfeld der Reise zwischen der Klägerin und der Beklagten geführten Gespräche sowie über die Zustände in Peru Beweis erhoben. Als Ergebnis der Beweisaufnahme ließ sich nicht feststellen, dass die Klägerin mit der Beklagten einen Reisevertrag abgeschlossen hat. Die Beklagte habe zwar an den Gesprächen mit der Klägerin teilgenommen und auch Informationen über die Reise sowie die Behandlung weitergegeben, allerdings sei sie nicht Vertragspartnerin der Klägerin geworden. Aus diesem Grunde könnten keine Ansprüche aus einer Schlechterfüllung des Reise- bzw. Behandlungsvertrages gerade gegen die Beklagte gerichtet werden. Das Oberlandesgericht hat als Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht feststellen können, dass die Beklagte im Rahmen der Gespräche ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, für das sie nunmehr einstehen müsste. Das Oberlandesgericht Köln hat darüber hinaus auch keine andere Grundlage für eine Haftung der Beklagten annehmen können. Insbesondere hat es eine Verantwortlichkeit der Beklagten für die Zustände vor Ort in Peru und Umstände der Behandlung abgelehnt. Die Beklagte habe die Klägerin auch nicht über diese Zustände getäuscht. Das Oberlandesgericht hat in seinen Entscheidungsgründen u.a. zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin Aussagen der Beklagten über die Heilungschancen nicht als verbindliche Zusicherung verstehen durfte. Der Klägerin und ihrem Ehemann sei bewusst gewesen, dass sie den Boden der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse verließen und daher sichere Heilungsversprechen nicht möglich waren. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, so dass das Urteil nicht mehr anfechtbar ist.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 21.12.2012
Die Beklagten - ein Unternehmen und der Geschäftsführer - hatten in der Vergangenheit eine strafbewehrte Unterlassungserklärung aufgrund eines Wettbewerbsverstoß abgegeben. Aktuell verletzten sie nun dieses Verbot. Der Gläubiger machte sowohl eine einzelne Vertragsstrafe gegen das Unternehmen als auch den Geschäftsführer geltend.
Dieser Ansicht erklärten die Kölner Richter eine Absage. Die Vertragsstrafe falle nur ein einziges Mal an. Es entspreche nicht der Interessenslage, dass der Geschäftsführer eigenständig hafte. Insofern komme eine Verdoppelung der Vertragsstrafe nicht in Betracht.
Gegenstand des Verfahrens war ein Vergnügungssteuerbescheid der Stadt Soltau für den Zeitraum vom 15. Mai bis zum 31. Dezember 2009. Dieser Bescheid war an den Vermieter von fünf Wohnmobilen adressiert, die an den Autobahnauffahrten Soltau-Ost und Soltau-Süd aufgestellt und mit Aufklebern gekennzeichnet waren, die auf das Angebot der Prostitution hinwiesen ("Love-Mobile"). Der Kläger hatte bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geltend gemacht, dass nicht er als Vermieter, sondern allein die Mieterinnen zur Vergnügungssteuer herangezogen werden könnten; außerdem sei die in der Vergnügungssteuersatzung der Stadt Soltau geregelte Besteuerung des Angebots von sexuellen Handlungen gegen Entgelt verfassungswidrig. Das Verwaltungsgericht hatte den Vergnügungssteuerbescheid als rechtmäßig angesehen und die Klage abgewiesen. Der 9. Senat hatte die Berufung auf Antrag des Klägers zugelassen. Im Berufungsverfahren hat der 9. Senat nun das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und den streitigen Vergnügungssteuerbescheid aufgehoben, weil er diesen aus mehreren Gründen als rechtswidrig angesehen hat: Der angefochtene Bescheid verstößt gegen Verfahrensvorschriften, da der Kläger vor dem Erlass des Steuerbescheides nicht angehört und nicht zur Abgabe von Steuererklärungen aufgefordert worden ist. Zudem ist der Bescheid inhaltlich zu unbestimmt, weil der Steuerbetrag pauschal für einen Zeitraum von siebeneinhalb Monaten festgesetzt worden ist, obwohl nach der Vergnügungssteuersatzung separate Steuerfestsetzungen für jeden einzelnen Kalendermonat erforderlich gewesen wären. Außerdem war zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides für die Monate November und Dezember 2009 die Steuerschuld noch nicht entstanden. Ferner hat der 9. Senat die Heranziehung des Klägers zur Vergnügungssteuer auch in der Sache als rechtswidrig angesehen. Der Kläger hätte nach der Satzung der Beklagten nur als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden dürfen, wenn er Unternehmer der Veranstaltung oder Besitzer der Wohnmobile gewesen wäre. Beides hat der 9. Senat verneint; Veranstalter und Besitzer der Wohnmobile während der Mietzeit waren nur die Prostituierten. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat der Senat nicht zugelassen.
Quelle: Pressemitteilung des OVG Lüneburg v. 26.11.2012
Die Beklagte bot online einen Newsletter im Double Opt-In-Verfahren an. Die Klägerin erhielt eines Tages eine Check-Mail für diesen Newsletter, obgleich sie sich nicht angemeldet hatte. Diese E-Mail lautete: „Betreff: Besta¨tigung zum H... Newsletter *Newsletter Die Münchener Richter stuften diese Check-Mail als unerlaubte Werbung ein. Bereits diese erste Mail, auch wenn sie nur die Anmeldung des Users verifizieren solle, sei eine Werbehandlung, denn sie unterstütze die Beklagte beim Anbieten ihrer Leistungen. Ausdrücklich betonen die Richter, dass es nicht erforderlich sei, dass die Check-Mail Werbung enthalte. Vielmehr sei eine ungefragte Zusendung ausreichend, um einen Gesetzesverstoß zu begründen.
Anmerkung von RA Dr. Bahr: Ohne sich mit den bislang vorliegenden Urteilen auseinanderzusetzen, orientieren sich die Münchener Richter an einem sehr weiten Begriff der Werbehandlung und verbieten bereits Check-Mails. Dies gilt auch dann, wenn die Check-Mail keinerlei Werbung enthält. Da bei Internet-Angelegenheiten der fliegende Gerichtsstand zur Anwendung kommt, kann nun jeder Betroffene lustig in München klagen und bekommt Recht. Ob der BGH diese Entscheidung aufheben wird, ist ungewiss. Zwar wurde die Revision zugelassen, unklar ist jedoch, ob die Beklagte diesen Weg auch beschreiten wird. Bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage hat das OLG München mit einem Schlag 15 Jahre Online-Recht einfach ignoriert. Besonders ärgerlich ist die Begründung der gerichtlichen Ansicht: So wird sich an keiner Stelle (näher) mit der bisherigen Rechtsprechung auseinandergesetzt. Auch fehlt jede Anmerkung zur Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit. Denkt man nämlich die Bewertung der Münchener Richter zu Ende, dann landet man schnell im Internet-Steinzeitalter. Jede Anmeldung zu einem Newsletter oder sonstigen Online-Info-Tool müsste nämlich postalisch per Briefpost bestätigt werden. Eines der krassesten und schlimmsten Fehlurteile der letzten fünf Jahre.
NACHTRAG 21.11.2012:
Neben dem Umstand, dass schon rechtlich sehr zweifelhaft ist, ob ein Newsletter-Betreiber diese Informationen überhaupt speichern darf, ergibt sich noch ein weiterer Umstand. Nach ständiger Rechtsprechung trifft den Newsletter-Betreiber die volle Darlegung- und Beweislast für eine Einwilligung. Da kann ich als Unternehmer so viele Informationen gespeichert haben wie ich möchte. Wenn ich damit nichts belegen kann, sind die Daten nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Der BGH hat auch jüngst in seiner Double Opt-In-Entscheidung (Urt. v. 10.02.2011 - Az.: I ZR 164/09) noch einmal klargestellt, dass noch nicht einmal eine Beweiserleichterung in Frage kommt.
Selbst also wenn ich als Betreiber die IP-Adresse speichere, wird mir dies nichts nützen, denn für ein solches zivilrechtliches Verfahren wird der betreffende Service-Provider keine Auskunft erteilen, wer hinter der IP steckt.
Durch das Änderungsgesetz vom 16. Juli 2008 wurden insbesondere die Befugnisse der Polizei zur heimlichen Erhebung von Daten neu geregelt. Zu diesen Maßnahmen zählen beispielsweise der Einsatz verdeckter Ermittler, das Abhören von Telefonaten sowie die optische und akustische Überwachung von Wohnungen. Das Gesetz sieht vor, dass die Polizei diese Mittel ergreifen darf, um erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren oder bestimmte schwerwiegende Straftaten zu verhüten. Mit ihren Verfassungsbeschwerden haben die Beschwerdeführer die unklare Reichweite dieser Befugnisse und die Unzulänglichkeit der Vorkehrungen zum Schutz ihrer Grundrechte und des anwaltlichen Berufsgeheimnisses gerügt. Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfassungsbeschwerden im Wesentlichen für zulässig und begründet erachtet.
Der Entscheidung liegen die folgenden Erwägungen zugrunde: Insbesondere bleibt unklar, inwieweit nach der Vorstellung des Gesetzgebers Berufsgeheimnisträger von polizeilichen Maßnahmen ausgenommen bleiben sollen. Ebenso unzureichend sind die Befugnisse zu heimlichen Datenerhebungen geregelt, die der Verhütung von Straftaten dienen. Hier reicht es nicht aus, auf einen Katalog von Strafrechtsnormen zu verweisen. Der Charakter der Gefahrenabwehr als Rechtsgüterschutz verlangt insoweit, dass diese polizeilichen Befugnisse das geschützte Rechtsgut und den Grad seiner Gefährdung eindeutig erkennen lassen. Der durch die Menschenwürde gebotene Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung ist lückenhaft ausgestaltet worden. Bei der Überwachung der Telekommunikation und der Erhebung von Daten mit besonderen Mitteln (z. B. beim Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes außerhalb einer Wohnung) fehlt eine umfassende und eindeutige Vorschrift, dass im Fall der Verletzung des Kernbereichs die Maßnahme abzubrechen ist. Ebenso hat der Gesetzgeber es unterlassen, die Polizei zu verpflichten, die Tatsache der Erfassung und die Löschung aller kernbereichsrelevanten Daten zu protokollieren. Die Dokumentation ist für den Betroffenen unabdingbar, um eine Verletzung seiner Rechte vor den Gerichten geltend zu machen. Zudem ist der Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht geworden, soweit er die nachträgliche Benachrichtigung über heimliche Überwachungen geregelt hat. Die gesetzlichen Bestimmungen erlauben der Polizei, von der Unterrichtung abzusehen, wenn sie den weiteren Einsatz einer verdeckt ermittelnden Person (z. B. eines verdeckten Ermittlers oder einer Vertrauensperson) beabsichtigt. Diese Regelung lässt außer Acht, dass jeder, der von einer heimlichen Überwachung betroffen ist, einen grundrechtlich gesicherten Anspruch hat, nach Beendigung der Maßnahme von dem Eingriff in seine Privatsphäre informiert zu werden. Ausnahmen müssen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten und im Hinblick auf die Schwere des Grundrechtseingriffs eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ermöglichen. Der Verfassungsgerichtshof hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 30. September 2013 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die mit der Thüringer Verfassung unvereinbaren Normen nach Maßgabe der Urteilsgründe weiter angewandt werden. Die Entscheidung ist einstimmig ergangen. Urteil vom 21. November 2012 - VerfGH 19/09
Quelle: Pressemitteilung des VerfGH Thüringen v. 21.12.2012
Der verklagte Unternehmer wandte sich an die Mitarbeiter von Reisebüros und bot diesen für jede Kundenbuchung eines Mietwagen die Teilnahme an einem Gewinnspiel an: "Jede ... -Buchung kann Ihr Hauptgewinn sein Die Frankfurter Richter sahen darin eine unsachliche Einflussnahme auf die Reisebüro-Mitarbeiter. Aufgabe der Reisebüro-Angestellten sei es, den Kunden auch in puncto Auswahl eines Mietwagens zu beraten.
Durch das vorliegende Gewinnspiel werde die Gefahr begründet, dass ein Mitarbeiter die Mietwagen des Beklagten bevorzuge, um in den Genuss des Gewinnspiels zu kommen. Dadurch würde der Angestellte aber seine Pflichten aus dem Kundenvertrag verletzen, da er keine objektive, unabhängige Beratung erbringe. Dies gelte um so mehr, da die Preise von nicht unerheblichem Wert seien und somit auf die Reisebüro-Mitarbeiter eine entsprechende Wirkung entfalten würden.
Nachdem die freien, öffentlich zugänglichen P2P-Netzwerke und Download-Portale zunehmend der juristischen Überwachung unterliegen, weichen immer mehr User ins Darknet aus. Es handelt sich bei dem Darknet quasi um eine Art privates P2P-Netzwerk, nähere Informationen bei Wikipedia. Ein Darknet-Tool erfreute sich - wie z.B. die Berichte auf WinFuture, Golem und Telepolis zeigen - in der letzten Zeit zunehmender Beliebtheit: RetroShare. Dabei werden nicht nur Dateien getauscht, die auf dem jeweiligen Client des Users liegen, sondern die Software ermöglicht auch die "Durchleitung" von Dateien, die sich auf dem Rechner eines Drittusers befinden. Das LG Hamburg hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem ein User diese Software einsetzte und es zu einer Urheberrechtsverletzung kam. Die beauftragte Ermittlungssgesellschaft proMedia identifizierte - wie in "normalen" Filesharing-Fällen ebenfalls üblich - anhand der IP-Adresse den Anschluss-Inhaber. Dieser bestritt, dass er das betreffende Musikstück selbst auf dem Rechner gehabt habe.
Die Hamburger Richter bejahten gleichwohl eine Haftung. Eine Verantwortlichkeit treffe den User auch dann, wenn die urheberrechtlich geschützte Musikdatei lediglich "duchgeleitet" worden sei. Denn der Beklagte habe entsprechende Sorgfaltspflichten nicht eingehalten. Durch den Einsatz des RetroShare-Tools habe der User bewusst eine Software eingesetzt, die es anderen Teilnehmern des Netzwerkes ermöglicht habe, rechtswidrig Dateien über seinen Anschluss öffentlich zugänglich zu machen, ohne dass er dies in irgendeiner Weise kontrollieren könne.
Die verklagte Krankenkasse warb mit den Statements "Beste Leistung" und "Die (...) Krankenkasse bietet die beste Leistung unter Deutschlands gesetzlichen Krankenkassen". Bei einem Test durch einen unabhängigen Drittanbieter erreichte die Beklagte jedoch nur in der Teilkategorie "Leistung" den ersten Platz. In den anderen Kategorien "Finanzen" und "Kundenservice" gelangen ihr nur schlechtere Positionen.
Die Hamburger Richter stuften die Werbeaussage daher als irreführend ein. Zwar habe die Krankenkasse in einer Sparte die Bestplatzierung erreicht. Jedoch erweckten die Äußerungen beim Verbraucher den Eindruck, dass sämtliche getesteten Leistungen diese Position erreicht hätten. Einen Gesamtsieg habe die Beklagte jedoch gerade nicht erreicht.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unterfallen Anzeigen eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber gesetzlich dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Allerdings hat ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch den Ruf des Arbeitgebers zu schützen. Zwischen diesen Rechten und Pflichten ist eine Abwägung vorzunehmen, wenn es um die Frage geht, ob ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer kündigen darf, der ihn anzeigt. Wesentlich ist dabei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unter anderem, ob der Arbeitnehmer die Offenlegung in gutem Glauben und in der Überzeugung vorgenommen hat, dass die Information wahr sei, dass sie im öffentlichen Interesse liege und dass keine anderen, diskreteren Mittel existierten, um gegen den angeprangerten Missstand vorzugehen (EGMR vom 21.07.2011 - 28274/08 -). Nach diesen Grundsätzen wies das Landesarbeitsgericht die Klage der Hauswirtschafterin gegen die fristlose Kündigung ab. Die fristlose Kündigung war ausgesprochen worden, nachdem die Eheleute der Hauswirtschafterin zuvor schon in der Probezeit fristgemäß gekündigt hatten. Die Hauswirtschafterin hatte sich danach an das Jugendamt gewandt und über Verwahrlosung und dadurch hervorgerufene körperliche Schäden der zehn Monate alten Tochter berichtet. Ein kinderärztliches Attest wies dagegen aus, dass die Tochter einen altersgemäß unauffälligen Untersuchungsbefund habe. Zeichen von Verwahrlosung lägen nicht vor. Das Landesarbeitsgericht sah in der Anzeige eine unverhältnismäßige Reaktion auf die zuvor ausgesprochene ordentliche Kündigung. Selbst dann, wenn die Vorwürfe als richtig unterstellt würden, habe die Hauswirtschafterin unter Beachtung ihrer Loyalitätspflichten zunächst eine interne Klärung mit dem Ehepaar versuchen müssen. Erst nach Scheitern eines solchen Versuches habe eine Behörde eingeschaltet werden dürfen. Ob die Behauptungen der Hauswirtschafterin zutreffend seien, hat das Landesarbeitsgericht dahinstehen lassen. Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 05.07.2012 - 6 Sa 71/12 -
Quelle: Pressemitteilung des LAG Köln v. 21.12.2012
Die Beklagte bietet die Software "TubeBox" an, die es ermöglicht, dass im Streamingverfahren angebotene Video-Dateien trotz eines vorhandenen Kopierschutz vom jeweiligen Nutzer dauerhaft gespeichert werden können. Im vorliegenden Fall wurde ein Video auf der Online-Plattform "www.myvideo.de" veröffentlicht. Um ein dauerhaftes Speichern zu unterbinden, wurde das Sicherverfahrungsverfahren Encrypted Real Time Messaging Protocol (RTMPE) eingesetzt. Das LG München ist der Ansicht der Klägerin gefolgt und hat den Download durch die Software verboten.
Es handle sich um eine unzulässige Umgehung technischer Schutzmaßnahmen iSd. § 95 a Abs.2 UrhG. Erforderlich sei, dass der Schutz nicht absolut bestehe, sondern vielmehr eine Hürde darstellen, die für einen normalen Nutzer nicht ohne weiteres überwunden werden könne. Dies sei hier der Fall.
Sport1 hatte im Januar 2012 in sieben Ausgaben der Sendung Sportquiz irreführende Angaben gemacht, u.a. über den Schwierigkeitsgrad von Spielen und über das Auswahlverfahren für die durchgestellten Nutzerinnen und Nutzer. Außerdem wurde mehrfach gegen die Pflicht zur umfassenden Information verstoßen; das betraf z. B. Spielmodus und Teilnahmebedingungen. Diese Verstöße hatte die ZAK bereits in ihrer Sitzung am 26. Juni beanstandet und in fünf Fällen die Einleitung der Ordnungswidrigkeiten-Verfahren beschlossen, die es ermöglichen, Bußgelder zu verhängen und unrechtmäßig erlangte Einnahmen abzuschöpfen.
Quelle: Pressemitteilung der ZAK v. 22.11.2012
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