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Airbnb ist ein weltweit agierender Konzern, der im Internet das gleichnamige Immobilienvermittlungsportal betreibt. Dieses bietet die Möglichkeit, Vermieter, die über Unterkünfte verfügen, mit an entsprechenden Unterkünften interessierten Personen in Verbindung zu bringen.
Insoweit erhält Airbnb von dem Kunden vor dem Beginn der Vermietung die für die Bereitstellung der Unterkunft fällige Zahlung und leitet sie anschließend an den Vermieter weiter, falls seitens des Mieters keine Beanstandung erfolgt ist.
Mit einem italienischen Gesetz von 2017 wurde eine neue Steuerregelung für die nicht gewerbliche Kurzzeitvermietung von Immobilien eingeführt. Dieses Gesetz gilt für Mietverträge über Wohnimmobilien mit einer Dauer von höchstens 30 Tagen, die von natürlichen Personen außerhalb einer unternehmerischen Tätigkeit geschlossen werden, unabhängig davon, ob diese Verträge unmittelbar mit den Mietern geschlossen werden oder mit Hilfe von Personen, die die Tätigkeit der Immobilienvermittlung ausüben, zu denen Personen gehören, die, wie Airbnb, Internetportale betreiben.
Ab dem 1. Juni 2017 unterliegen die Einnahmen aus solchen Mietverträgen, wenn die betreffenden Eigentümer für den entsprechenden Präferenzsatz optiert haben, einem an den Fiskus abzuführenden Abzug von 21 %, und die Daten über die Mietverträge sind der Steuerverwaltung zu übermitteln.
Airbnb Ireland UC und Airbnb Payments UK Ltd, die zum weltweit agierenden Konzern Airbnb gehören, erhoben Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Direktors der Steuerverwaltung zur Durchführung der neuen Steuerregelung. Der mit einem Rechtsmittel von Airbnb gegen das klageabweisende Urteil befasste Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) hat den Gerichtshof ersucht, mehrere unionsrechtliche Vorschriften im Hinblick auf die Pflichten auszulegen, die das nationale Gesetz den Vermittlern von kurzzeitigen Immobilienvermietungen auferlegt.
In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass die drei Verpflichtungen, die 2017 im italienischen Recht eingeführt wurden, zum Bereich der Steuern gehören und damit vom Anwendungsbereich mehrerer von Airbnb angeführter Richtlinien ausgeschlossen sind.
Der Gerichtshof prüft daher die Rechtmäßigkeit der drei Maßnahmen allein am Maßstab des in Art. 56 AEUV aufgestellten Verbots von Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union.
An erster Stelle führt er aus, dass die Verpflichtung zur Erhebung von Daten über die infolge der Immobilienvermittlung geschlossenen Mietverträge und ihre Übermittlung an die Steuerbehörden für alle Dritten gilt, unabhängig davon, ob es sich um natürliche oder juristische Personen handelt, ob sie im Inland ansässig oder niedergelassen sind und ob sie auf digitalem Wege tätig werden oder andere Wege der Geschäftsanbahnung nutzen. Daraus schließt der Gerichtshof entsprechend der Rechtsprechung1, dass eine solche Verpflichtung nicht gegen das in Art. 56 AEUV aufgestellte Verbot verstößt, da sie für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gilt.
An zweiter Stelle gilt die Verpflichtung zum Steuerabzug an der Quelle ebenfalls sowohl für in einem anderen Mitgliedstaat als Italien niedergelassene Erbringer von Dienstleistungen der Immobilienvermittlung als auch für Unternehmen mit einer Niederlassung in Italien. Der Gerichtshof schließt es daher aus, dass diese Verpflichtung als Maßnahme angesehen werden kann, die die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs verbietet, behindert oder weniger attraktiv macht.
An dritter Stelle trifft indessen die Verpflichtung, in Italien einen Steuervertreter zu benennen, nur bestimmte Erbringer von Dienstleistungen der Immobilienvermittlung, die über keine ständige Niederlassung in Italien verfügen. Da diese Verpflichtung dazu führt, dass sie bestimmte Schritte zu unternehmen und in der Praxis die Kosten der Vergütung dieses Vertreters zu tragen haben, schaffen solche Zwänge für diese Wirtschaftsteilnehmer eine Belastung, die geeignet ist, sie davon abzuhalten, in Italien Dienstleistungen der Immobilienvermittlung zu erbringen, jedenfalls in der von ihnen gewünschten Art und Weise.
Diese Verpflichtung ist daher als grundsätzlich durch Art. 56 AEUV verbotene Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs anzusehen. Auch wenn mit dieser Steuermaßnahme das legitime Ziel verfolgt wird, die Wirksamkeit der Steuererhebung zu gewährleisten, mit der eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs potenziell gerechtfertigt werden kann, geht sie indessen über das hinaus, was erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen.
Diese Maßnahme gilt nämlich unterschiedslos für alle Erbringer von Dienstleistungen der Immobilienvermittlung, die über keine ständige Niederlassung in Italien verfügen und sich im Rahmen ihrer Leistungen dafür entschieden haben, die Mieten oder Entgelte betreffend die von der Steuerregelung von 2017 erfassten Verträge einzuziehen oder im Zusammenhang mit der Einziehung dieser Mieten oder Entgelte tätig zu werden.
Es wird jedoch nicht beispielsweise nach dem Volumen der Steuereinnahmen unterschieden, die diese Dienstleistungserbringer jährlich für Rechnung der Staatskasse einbehalten oder einbehalten können. Außerdem ist der Umstand, dass der Steuerverwaltung bereits ihr übermittelte Informationen über die Steuerpflichtigen zur Verfügung stehen, dazu angetan, ihr ihre Kontrolle zu erleichtern und trägt daher zur Unverhältnismäßigkeit der Verpflichtung zur
Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-83/21 | Airbnb Ireland und Airbnb Payments UK
Quelle: Pressemitteilung des EuGH v. 22.12.2022
Der Beklagte beschäftigte die Klägerin vom 1. November 1996 bis zum 31. Juli 2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Beklagte an die Klägerin zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 Euro brutto. Der weitergehenden Forderung der Klägerin, Urlaub im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren abzugelten, kam der Beklagte nicht nach.
Während das Arbeitsgericht die am 6. Februar 2018 eingereichte Klage – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – abgewiesen hat, sprach das Landesarbeitsgericht der Klägerin 17.376,64 Euro brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Dabei erachtete das Landesarbeitsgericht den Einwand des Beklagten, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend.
Die Revision des Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung.
Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Der Senat hat damit die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-120/21 -) umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen.
Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.
Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt.
Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20 –
Hinweis: Vorabentscheidungsersuchen des Senats, Beschluss vom 29. September 2020 – 9 AZR 266/20 (A) – (siehe auch Pressemitteilung Nr. 34/20 vom 29. September 2020)
Quelle: Pressemitteilung des BAG v. 20.12.2022
In dem in der ersten Instanz beim Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe geführten Klageverfahren wollte die AfD gerichtlich feststellen lassen, dass die Bekanntgabe einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts zu einem von der AfD vor diesem Gericht geführten Organstreitverfahren bereits am Vorabend der Verkündung an die Mitglieder des Vereins „Justizpressekonferenz Karlsruhe e. V.“ verfassungsmäßige Rechte der Klägerin verletzt hat.
Anlass hierfür war die Praxis des Bundesverfassungsgerichts, den Mitgliedern dieses Vereins seine Presseerklärungen in anstehenden Entscheidungen in Papierform und mit einer sog. Sperrfrist versehen bereits am Vorabend des Verkündungstermins zur Verfügung zu stellen, noch bevor die Beteiligten des Verfahrens selbst über dessen Ausgang informiert wurden.
Die AfD sah sich dadurch in verfassungsmäßigen Rechten, insbesondere dem Recht auf ein faires Verfahren und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, und wollte auch Rechte ihrer Vertreter, die sie ebenfalls als verletzt ansah, geltend machen. Das VG hatte die Klage mit Urteil vom 25. August 2022 abgewiesen (s. Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 26. August 2022). Den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der VGH mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 abgelehnt.
Zur Begründung hat der VGH unter anderem ausgeführt, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass - was Voraussetzung für eine Berufungszulassung wäre - ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des VG bestünden.
Verwaltungsgerichte seien nicht dazu berufen, die Rechtsprechung der Verfassungsgerichtsbarkeit zu überprüfen. Akte auch des Bundesverfassungsgerichts, die nicht zur Rechtsprechung gehörten, sondern als Verwaltungstätigkeit des Gerichts einzuordnen seien, könnten zwar unter Umständen durch die Verwaltungsgerichte kontrolliert werden.
Das Gebot einer fairen Verfahrensgestaltung wende sich an die Gerichte auch nicht nur dann, wenn sie Recht sprächen, sondern sei insbesondere auch von den Gerichtsverwaltungen zu beachten, soweit diese auf den Gang eines gerichtlichen Verfahrens Einfluss nähmen.
Die Klägerin habe aber weder dargelegt noch sei sonst ersichtlich, dass die als Gerichtsverwaltungsbehörde tätig werdende Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts noch auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens Einfluss nehme, wenn sie - wie hier geschehen - eine Pressemitteilung am Abend und wenige Stunden vor dem Verkündungstermin mit einer Sperrerklärung versehen an einzelne Pressevertreter herausgebe. Die Pressemitteilung werde in der Praxis des Bundesverfassungsgerichts zu einem Zeitpunkt herausgegeben, in dem die Entscheidungsgründe der zu verkündenden Entscheidung bereits abgestimmt seien.
Auf die Entscheidungsfindung des Gerichts habe die Praxis der Vorab-Herausgabe einer Pressemitteilung bei diesem Sachstand und in diesem Zeitpunkt keinen Einfluss mehr. Auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts habe die Klägerin nicht dargelegt.
Das VG hatte in dem angefochtenen Urteil nicht entschieden, ob die Praxis des Bundesverfassungsgerichts zur Vorab-Herausgabe von Pressemitteilungen in jeder Hinsicht objektiv rechtmäßig ist, weil es der Auffassung war, dass das Bundesverfassungsgericht mit der Vorab-Herausgabe jedenfalls keine auf dem Verwaltungsrechtsweg zu prüfenden subjektiven Rechte gerade der Klägerin verletzt hat.
Aus demselben Grund hat auch der VGH nicht darüber entschieden, ob die genannte Praxis des Bundesverfassungsgerichts in vollem Umfang objektiv rechtmäßig ist.
Der Beschluss des VGH ist mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht anfechtbar (14 S 2096/22).
Quelle: Pressemitteilung des VGH Mannheim v. 20.12.2022
Nach § 7 HWG ist es verboten, ist es - bis auf wenige Ausnahmen - grundsätzlich unzulässig, im Heilmittelbereich kostenlose Zugaben an Verbraucher zu vergeben.
Die Beklagte, eine bekannte Firma aus dem Bereich der Hörakustik, veranstaltete ein Gewinnspiel, bei dem die Teilnehmer einen Hörtest gewinnen konnten.
Das LG Bochum bewertete dies als Verletzung des § 7 HWG und somit als Wettbewerbsverstoß.
Die Kammer stand daher vor der Frage, ob auch durch ein Gewinnspiel, mit dem für einen kostenlosen Hörtest geworben wird, zumindest die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung verbunden ist."
Daher muss es ausreichen, dass zumindest in einigen Konstellationen die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung besteht. Eine solche Gefahr ist anzunehmen, wenn die Aussicht auf den ausgelobten Gewinn einen Kunden verleitet, statt sofort oder überhaupt zum Ohrenarzt zu gehen, zunächst ein Geschäft der Beklagten aufzusuchen.
Denkbar ist dies zum Beispiel im Falle einer sofort behandlungsbedürftigen Erkrankung des Ohres, wie bei einem Hörsturz oder einem privat Versicherten, der um seinen Beitragsrabatt fürchtet und deshalb ohne ärztliche Verschreibung das Hörgerät selbst zahlt oder unter Umständen auch bei einem Austausch eines bereits vorhandenen Hörgerätes.
Die angegriffene Werbung mit einer Gewinnspielteilnahme ist damit, da sie sich nach Auffassung der Kammer, wie bereits ausgeführt, unmittelbar auch auf die Produkte der Beklagten bezieht, gemäß § 7 HWG unzulässig. Diese Vorschrift stellt eine Marktverhaltensregelung dar, sodass das beanstandete Verhalten gemäß §§ 3, 3a UWG auch wettbewerbsrechtlich verboten ist.."
Der Kläger wehrte sich gegen Prämienerhöhungen seiner privaten Krankenversicherung und verlangte Auskunft über sämtliche Erhöhungen aus den Jahren 2008 - 2020.
Das LG Magdeburg wies die Klage ab.
Ihm steht der sich aus § 242 BGB ergebende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Nach dem Willen des Klägers soll das begehrte Auskunftsbündel ausschließlich der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen. Dabei handelt es sich aber um einen verordnungsfremden Zweck."
Bei der Mehrzahl der vorliegenden Entscheidungen ging es um versicherungsrechtliche Auskunftsbegehren, insbesondere um Auskünfte von Prämienerhöhungen aus der Vergangenheit.
Die Beklagte warb online für ihr Arzneimittel, ein Präparat gegen Erkältungskrankheiten, mit den Sätzen:
Das LG München I folgte dieser Ansicht und nahm einen Wettbewerbsverstoß an:
Im Hinblick auf den Wortgehalt des Begriffs “Überspringen” (...) muss die Aussage deshalb insgesamt so verstanden werden, dass ein grippaler Infekt unter Einnahme des Medikaments der Verfügungsbeklagten unter Auslassung oder zumindest sprunghaften Verkürzung (...) der damit einhergehenden (schlimmsten) Symptome durchgemacht werden könnte. Das ist aber eine Wirkung, welche auch die Verfügungsbeklagte ihrem Arzneimittel nicht zuschreibt."
Das ist aber gerade nicht der Inhalt der streitgegenständlichen Aussage. Deshalb bleibt der Werbespot der Verfügungsbeklagten auch in seiner nachgebesserten Fassung zu beanstanden. Dass nur eine Linderung der Symptomatik bzw. der schlimmsten Symptome bewirkt wird, lässt sich gerade nicht feststellen, wenn Bezugspunkt des Begriffs “Überspringen” die “schlimmsten Symptome” sind. Denn dann geht es um die (schlimmsten) Symptome in ihrer Gänze. "
Die EU-Richtlinie dient der Bekämpfung des Terrorismus und schwerer Kriminalität. Sie sieht vor dem Abflug oder der Ankunft an einem europäischen Flughafen einen Abgleich der personenbezogenen Daten von Fluggästen unter anderem mit Fahndungsdatenbanken vor. Zu den Fluggastdaten gehören vor allem Name, Adresse, Buchungsdaten, Sitzplatz und weitere Informationen über Flugpassagiere.
Die Kläger flogen jeweils auf innereuropäischen Strecken bzw. von der EU aus in Drittstaaten und von dort zurück. In diesem Zusammenhang wurden die Daten der Kläger durch das Bundeskriminalamt (BKA) mit polizeilichen Datenbanken abgeglichen. Zu einem Treffer kam es bei den Klägern nicht.
Die Kammer hatte hierzu dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Vereinbarkeit der Fluggastdaten-Richtlinie mit höherrangigem EU-Recht, insbesondere den Grundrechten aus der EU-Grundrechtecharta, gestellt. Der EuGH hatte mit Urteil vom 21.06.2022 (C-817/19) hinsichtlich einer Vorlage des Belgischen Verfassungsgerichtshofs zur Datenverarbeitung von Fluggastdaten die Verarbeitung von Fluggastdaten unter bestimmten Bedingungen für rechtmäßig erklärt.
Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden gab den Klagen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verarbeitung der Fluggastdaten statt.
Bezüglich des innereuropäischen Flugs fehle es an einer grundrechtskonformen Rechtsgrundlage des BKA. Nach der Entscheidung des EuGH dürften die Daten von Passagieren von Flügen innerhalb der EU nur dann verarbeitet werden, soweit es Anhaltspunkte für terroristische Bedrohungen auf bestimmten Flugrouten gebe. Eine solche Bedrohung habe die Beklagte aber nicht nachweisen können. Die Totalüberwachung sämtlicher Flüge, wie sie im FlugDaG geregelt sei, sei daher unzulässig.
Auch hinsichtlich des Flugs in einen Nicht-EU-Staat liege keine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung durch das BKA vor. Die Bekämpfung gewöhnlicher Kriminalität rechtfertige es nach der Rechtsprechung des EuGH nicht, die Daten sämtlicher Flugpassagiere ohne konkreten Anhaltspunkt mit Ausschreibungs- und Fahndungsdatenbanken abzugleichen.
Die Mitgliedstaaten hätten vielmehr die Aufgabe, gesetzlich die schweren Straftaten zu benennen, wegen derer die Flugpassagiere einer so weitgehenden Datensammlung ausgesetzt würden. Nur so werde sichergestellt, dass das System der Fluggastdatenspeicherung nur zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eingerichtet und betrieben werde. Einen solchen Straftatenkatalog enthalte des FlugDaG aber nicht
Gegen die Urteile (6 K 1199/22.WI und 6 K 805/19.WI) stehen der Beklagten die Rechtsmittel der Berufung zum Hessischen VGH und der Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zur Verfügung, die binnen eines Monats eingelegt werden können.
Quelle: Pressemitteilung des VG Wiesbaden v. 22.12.2022
Aus der Pressemitteilung:
Den Beschuldigten wird vorgeworfen, bundesweit Privatpersonen und Kleingewerbetreibende, die auf Ihren Homepages sog. „Google Fonts“ – ein interaktives Verzeichnis mit über 1.400 Schriftarten, die das Schriftbild einer Webseite bestimmen – eingesetzt haben, per Anwaltsschreiben abgemahnt zu haben.
Zugleich wurde diesen angeboten, ein Zivilverfahren gegen Zahlung einer Vergleichssumme in Höhe von jeweils 170 Euro vermeiden zu können. Dass die behaupteten Schmerzensgeldforderungen wegen Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht bestanden, soll den Beschuldigten dabei bewusst gewesen sein. Entsprechend sollen sie auch gewusst haben, dass für die Angeschriebenen kein Anlass für einen entsprechenden Vergleich bestand, da sie die angeblichen Forderungen gerichtlich nicht hätten durchsetzen können. Die Androhung eines Gerichtsverfahrens soll daher tatsächlich nur mit dem Ziel erfolgt sein, die Vergleichsbereitschaft zu wecken."
Die Beschuldigten sollen daher darüber getäuscht haben, dass eine Person die Websites besucht hat (und nicht tatsächlich eine Software). Mangels Person läge dann aber keine Verletzung eines Persönlichkeitsrechts vor.
Da sie diese Besuche außerdem bewusst vorgenommen haben sollen, um die IP-Adressen-Weitergabe in die USA auszulösen, hätten sie faktisch auch in die Übermittlung eingewilligt, so dass eben gerade kein datenschutzrechtlicher Verstoß mehr gegeben war, der eine Abmahnung hätte begründen können.
In einigen Fällen soll zudem überhaupt keine Datenübermittlung in die USA erfolgt, ein darauf basierender Anspruch aber trotzdem geltend gemacht worden sein.
420 Anzeigen von „Abgemahnten“, die letztlich nicht gezahlt haben, liegen der Staatsanwaltschaft Berlin inzwischen vor. Aus der Auswertung der Kontounterlagen der Beschuldigten ergibt sich indes, dass etwa weitere 2.000 Personen das „Vergleichsangebot“ aus Sorge vor einem Zivilverfahren und in der unzutreffenden Annahme, der behauptete Anspruch bestünde tatsächlich, angenommen und gezahlt haben.
Die heutigen Durchsuchungen führten zum Auffinden von Beweismitteln, insbesondere Unterlagen und Datenträgern, die nunmehr ausgewertet werden müssen. Sie sollen unter anderem über die Anzahl, Auswahlkriterien und Identität, die tatsächlichen Umsätze und die genaue Vorgehensweise weiteren." Aufschluss geben.
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vom 28.12.2022
Betreff:
Rechts-Newsletter 52. KW / 2022: Kanzlei Dr. Bahr
1. EuGH: Auskunftspflicht von Airbnb über Vermietungen europarechtskonform
2. BAG: Nicht genommener Urlaub verjährt nicht automatisch nach drei Jahren
3. VGH Mannheim: Berufungsantrag der AfD gegen Pressearbeit des Bundesverfassungsgerichts erfolglos
4. LG Bochum: Hörtest als Gewinnspiel-Preis für Hörakustik-Unternehmen wettbewerbswidrig
5. LG Magdeburg: Zweckwidriger Grund bei DSGVO-Auskunftsanspruch führt zu Rechtsmissbrauch
6. LG München I: Online-Werbeaussage “Ich überspringe das Schlimmste” für Erkältungsmittel irreführend
7. VG Wiesbaden: Verarbeitung von Fluggastdaten durch BKA rechtswidrig
8. Polizei Berlin: Durchsuchungen und Kontobeschlagnahmungen nach Abmahnwelle wegen "Google Fonts"-Nutzung
Die einzelnen News:
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1. EuGH: Auskunftspflicht von Airbnb über Vermietungen europarechtskonform
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Kurzzeitvermietung von Immobilien: Das Unionsrecht steht weder der Verpflichtung zur Erhebung von Informationen noch dem Steuerabzug nach einer nationalen Steuerregelung entgegen / Die Verpflichtung zur Benennung eines Steuervertreters stellt hingegen eine unverhältnismäßige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar
Personen, die Tätigkeiten der Immobilienvermittlung ausüben, müssen, wenn sie die Mieten einziehen oder im Zusammenhang mit ihrer Zahlung tätig werden, als Abzugsverpflichtete diesen Abzug vom Betrag der Mieten vornehmen und ihn an den Fiskus abführen. Nicht gebietsansässige Personen, die in Italien über keine ständige Niederlassung verfügen, sind verpflichtet, als Steuerverantwortliche einen Steuervertreter zu benennen.
Benennung eines Steuervertreters bei. Daraus folgt, dass die Verpflichtung zur Benennung eines Steuervertreters gegen Art. 56 AEUV verstößt.
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2. BAG: Nicht genommener Urlaub verjährt nicht automatisch nach drei Jahren
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Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub unterliegt der gesetzlichen Verjährung. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. Februar 2020 – 10 Sa 180/19 –
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3. VGH Mannheim: Berufungsantrag der AfD gegen Pressearbeit des Bundesverfassungsgerichts erfolglos
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Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat mit den Beteiligten bekannt gegebenem Beschluss von heute einen Antrag des AfD-Bundesverbands (Klägerin) auf Zulassung der Berufung in einem Klageverfahren abgelehnt, mit dem sich die AfD gegen die Praxis des Bundesverfassungsgerichts wandte, Pressemittteilungen zu eigenen Urteilen bereits einige Stunden vor Urteilsverkündung mit sog. Sperrerklärungen versehen an Journalisten herauszugeben.
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4. LG Bochum: Hörtest als Gewinnspiel-Preis für Hörakustik-Unternehmen wettbewerbswidrig
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Es ist wettbewerbswidrig, wenn ein Hörakustik-Unternehmen ein Gewinnspiel veranstaltet, bei dem als Hauptpreis ein Hörtest gewonnen werden kann. Denn dadurch wird gegen das Zuwendungsverbot des § 7 HWG verstoßen (LG Bochum, Urt. v. 26.07.2022 - Az.: I-12 O 17/22).
"Der Begriff der „Werbegabe“ im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist allerdings (...) teleologisch einzuschränken (...). Eine Werbegabe liegt danach nur vor, wenn sie zumindest die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten begründet.
Und weiter:
"Der Kammer ist insoweit die Entscheidung nicht leichtgefallen. Unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Heilmittelwerbegesetzes dürfen an das Vorliegen einer mindestens abstrakten Gefahr aber keine hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. auch OLG München vom 09.11.2017 – 29 U 4850/16).
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5. LG Magdeburg: Zweckwidriger Grund bei DSGVO-Auskunftsanspruch führt zu Rechtsmissbrauch
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Ein zweckwidriger Grund (hier: Auskunft über Prämienerhöhungen bei privater Krankenversicherung) führt bei einem DSGVO-Auskunftsanspruch zu einem Rechtsmissbrauch (LG Magdeburg, Urt. v. 17.11.2022 - Az.: 11 O 466/22).
"Ein Auskunftsanspruch des Klägers lässt sich auch nicht erfolgreich auf § 15 DSGVO stützen.
Anmerkung von RA Dr. Bahr:
Inzwischen hat eine Vielzahl von Gerichten (OLG und LG) entschieden, dass ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO dann ausgeschlossen wird, wenn er ausschließlich oder primär zur Verfolgung anderer Zwecke eingesetzt wird.
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6. LG München I: Online-Werbeaussage “Ich überspringe das Schlimmste” für Erkältungsmittel irreführend
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Die Werbeaussage “Ich überspringe das Schlimmste” für Erkältungsmittel ist irreführend, da damit beim Verbraucher die unzutreffende Erwartung hervorgerufen wird, das Medikament könne eine Erkältung erheblich verkürzen (LG München I, Urt. v. 27.09.2022 - Az.: 1 HK O 3681/22).
"Leben – Du kannst mich unendlich glücklich machen! Grippaler Infekt – Symptome ihr könnt mich mal! Ich überspring das Schlimmste”
Die Klägerin bewertete dies als irreführend, da das Medikament nicht eine Erkältung verhindere oder verkürze. Insofern liege eine unzulässige Irreführung vor.
"Die allgemeinen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder der Kammer gehören, verstehen die Aussage hier so – wie im Übrigen auch die Verfügungsbeklagte selbst geltend macht –, dass mit “das Schlimmste” die “schlimmsten Symptome” gemeint sind. (...)
Und weiter:
"Es mag sein, dass die Verfügungsbeklagte die Aussage beabsichtigte, dass “das Schlimmste der (schlimmsten) Symptome” übersprungen wird – das schiene der Kammer eine zulässige Anpreisung.
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7. VG Wiesbaden: Verarbeitung von Fluggastdaten durch BKA rechtswidrig
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Die 6. Kammer des VG Wiesbaden entschied mit Urteilen vom 06.12.2022 in zwei Verfahren über die Verarbeitung von Fluggastdaten nach dem Fluggastdatengesetz (FlugDaG), das auf der sog. Fluggastdaten-Richtlinie EU 2016/681 beruht.
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8. Polizei Berlin: Durchsuchungen und Kontobeschlagnahmungen nach Abmahnwelle wegen "Google Fonts"-Nutzung
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Wie die Polizei Berlin in einer aktuellen Pressemitteilung erklärt, hat sie Hausdurchsuchungen und Kontobeschlagnahmungen nach der Abmahnwelle wegen "Google Fonts"-Nutzung durchgeführt.
"In einem Verfahren gegen zwei Beschuldigte – einen 53-jährigen Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Berlin und dessen 41-jährigen Mandanten, dem angeblichen Repräsentanten einer „IG Datenschutz“ – wurden heute wegen des Verdachts des (teils) versuchten Abmahnbetruges und der (versuchten) Erpressung in mindestens 2.418 Fällen durch die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin Durchsuchungsbeschlüsse in Berlin, Hannover, Ratzeburg und Baden-Baden sowie zwei Arrestbeschlüsse mit einer Gesamtsumme vom 346.000 Euro vollstreckt. (...)
Und weiter:
"Die Beschuldigten aber sollen gerade nicht unbedarft gewesen sein: Mittels einer eigens dafür programmierten Software sollen sie zunächst Websites identifiziert haben, die Google Fonts nutzen. In einem zweiten Schritt und wieder unter Nutzung einer dafür entwickelten Software sollen Sie Websitebesuche durch den beschuldigten 41-jährigen automatisiert vorgenommen, diese letztlich also fingiert haben. Die dann protokollierten Websitebesuche sollen die Grundlage für die Behauptung der datenschutzrechtlichen Verstöße und die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen gewesen sein, die durch die Annahme des „Vergleichsangebotes“ angeblich hätten abgewendet werden können.
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